Senatsverwaltung für Finanzen Berlin - III D - G 1163 a - 2/2007

Grundsteuererlass nach § 33 GrStG wegen wesentlicher Ertragsminderung

1 Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat seine Rechtsprechung, wonach in Fällen strukturell bedingter Ertragsminderungen von gewisser Dauer ein Grundsteuererlass nach § 33 Abs. 1 GrStG nicht in Betracht komme, durch BVerwG GmS-OGB 1/07 (Zeitschrift für Kommunalfinanzen -ZKF- 2007, Seite 211) aufgegeben und sich der abweichenden Ansicht des BFH (, BStBl. 2007 II Seite 469) angeschlossen. Damit ist höchstrichterlich entschieden, dass der Erlass nach § 33 GrStG grundsätzlich auch für diese Fälle in Betracht kommt.

2 Der BFH hat darüber hinaus, ohne dies dem gemeinsamen Senat der obersten Bundesgerichte vorgelegt oder mit dem Bundesverwaltungsgericht abgestimmt zu haben, in dem Urteil die Auffassung vertreten, dass damit typische oder atypische, strukturell bedingte oder nicht strukturell bedingte, vorübergehende oder nicht vorübergehende Ertragsminderungen und die verschiedenen Möglichkeiten, diese Merkmale zu kombinieren, als Gründe zur Versagung eines Grundsteuererlasses ausscheiden. Diese Meinungsäußerung dürfte weitestgehend als ein nicht bindendes sogenanntes obiter dictum anzusehen sein. Die meisten dieser vom BFH benannten Ertragsminderungsgründe waren in dem zu entscheidenden Einzelfall und den weiteren anhängigen Revisionsverfahren für die Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 33 GrStG nicht relevant. Deshalb hatte der BFH dem gemeinsamen Senat der obersten Bundesgerichte nur die Frage vorgelegt, ob strukturell bedingte Ertragsminderungen von gewisser Dauer den Erlass nach § 33 GrStG erlauben. Nur für diese Konstellation hat das BVerwG die Auffassung des BFH übernommen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die für die weitaus überwiegende Zahl der Rechtsstreite im Grundsteuerrecht zuständige Verwaltungsgerichtsbarkeit der darüber hinausgehenden nicht bindenden Meinungsäußerung des BFH nicht folgt. Die Entscheidungspraxis der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird daher zu beobachten sein.

3 Wegen der in Berlin maßgeblichen Zuweisung der Verwaltung der Grundsteuer zur Steuerverwaltung und des damit zwingenden finanzgerichtlichen Rechtszuges ist allerdings davon auszugehen, dass das FG und ggf. der BFH in einschlägigen Fällen entsprechend dieser Meinungsäußerung entscheiden würden. Deshalb ist hier zur Vermeidung unnötiger Rechtsstreite der Rechtsauffassung des BFH zu folgen und der Grundsteuererlass nach § 33 GrStG bei bebauten Grundstücken grundsätzlich zu gewähren, wenn der normale Rohertrag um mehr als 20 v.H. gemindert ist und der Grundstückseigentümer die Rohertragsminderung nicht zu vertreten hat.

1. Normaler Rohertrag

4 Unter dem normalen Rohertrag eines bebauten, im Ertragswertverfahren zu bewertenden Grundstücks, ist nach § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG die Jahresrohmiete zu verstehen, die am Anfang des Kalenderjahres, für das die zu erlassende Steuer festgesetzt worden ist, maßgebend wäre.

5 Jahresrohmiete ist nach § 79 Abs. 1 BewG das Gesamtentgelt, das für die Benutzung des Grundstücks aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Feststellungszeitpunkt für ein Jahr zu entrichten ist. Stehen das Grundstück oder Teile davon leer, gilt als Jahresrohmiete die übliche Miete, die in Anlehnung an die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlte Jahresrohmiete zu schätzen ist. Die übliche Miete gilt auch dann als Jahresrohmiete, wenn die Räume für eine um mehr als 20 v.H. von der üblichen Miete abweichenden Miete vermietet sind.

2. Vertretenmüssen der Rohertragsminderung bei Leerstand

6 Ein Grundsteuererlass nach § 33 GrStG wird nur gewährt, soweit eine Rohertragsminderung zu bejahen ist und diese vom Grundstückseigentümer nicht zu vertreten ist. Wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, bedarf die Frage, in welchem Umfang eine Minderung des Rohertrags eingetreten ist, keiner näheren Aufklärung.

7 Der Begriff des Vertretenmüssens im Sinne von § 33 GrStG ist weit auszulegen. Er greift weiter als eine bloße Vermeidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit den zur Ertragsminderung führenden Ursachen. Es ist darauf abzustellen, ob es aufgrund vorangegangenen Verhaltens des Steuerpflichtigen schlechthin unbillig wäre, die geltend gemachten ertragsmindernden Umstände bei der Grundsteuerbelastung unberücksichtigt zu lassen (, Zeitschrift für Kommunalfinanzen 1986, Seite 11).

8 Der Steuerpflichtige hat nach Abschnitt 38 Abs. 2 GrStR die Rohertragsminderung eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft oder eines bebauten Grundstücks nicht zu vertreten, wenn die Umstände, die dazu führen, zwingend von außen in die Ertragslage eingegriffen haben und der Steuerpflichtige auf ihren Eintritt oder Nichteintritt keinen Einfluss hat. Das sind Umstände, die unabhängig von seinem Willen eintreten ( zur Vermögensteuer, BStBl. 1971 II S. 696). Dagegen hat er für Umstände einzustehen, die er selbst aufgrund freier Willensentschließung herbeigeführt hat ( a.a.O.).

9 Der Grundstückseigentümer hat die Ertragsminderung bei Wohnungen und anderen Räumen, soweit sie durch Leerstand bedingt ist, dann nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung der Räumlichkeiten zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat (, KStZ 1985, Seite 11). Dabei darf er keine höhere als die marktgerechte Miete verlangen. Das nachhaltige Bemühen ist dann anzunehmen, wenn Makler beauftragt und tätig werden, Zeitungsanzeigen geschaltet werden oder das Angebot im Internet erscheint.

10 Der BFH hat die Auffassung vertreten, dass im Falle eines Überangebots auf dem betreffenden Marktsegment von dem Grundstückseigentümer nicht verlangt werden kann, sich den unteren Rand der Mietpreisspanne zu eigen zu machen. Es reiche aus, dass die Räume dem Markt zur Verfügung stehen und nachhaltig zu einer Miete innerhalb der Spanne eines marktgerechten Mietzinses – auf das Einzelobjekt bezogen – angeboten worden seien. Es sei ohne Bedeutung, ob und wie lange bei neuen Mietobjekten mit Anlaufschwierigkeiten zu rechnen sei und was zum Unternehmerrisiko eines Vermieters gehöre. Diese Frage ist allerdings mit dem Bundesverwaltungsgericht nicht abgestimmt worden. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat, wie der (Die öffentliche Verwaltung 2005, Seite 785) anders entschieden.

3. Ermittlung der Ertragsminderung

11 Der normale Rohertrag muss um mindestens 20 % gemindert sein.

12 Die unterschiedlich definierten Jahresrohmieten für tatsächlich vermietete Räume einerseits und leer stehende Räume andererseits führen bei der Berechnung der erforderlichen mehr als 20 %igen Ertragsminderung zu unterschiedlichen Bezugsgrößen.

a. Vermietete Räume zu Beginn des Erlasszeitraums

13 Im Regelfall ist der Bezugspunkt der normale Rohertrag. Die erzielte Miete hat die Vermutung der üblichen Miete in sich.

14 Sind Räume zu Beginn des Erlasszeitraums zu geringerer Miete, die aber nicht mehr als 20 v.H. von der üblichen Miete abweicht, vermietet worden, so bildet diese tatsächlich vereinbarte Miete für die Räume die Bezugsgröße, sodass nur noch Veränderungen der vereinnahmten Mieten während des Erlasszeitraums von Bedeutung sein können und die erforderliche mehr als 20 %ige Ertragsminderung an der ohnehin schon geminderten Bezugsgröße zu messen ist. Hier bleibt die Bezugsgröße auch dann bestehen, wenn die Räume im Laufe des Erlasszeitraums in einen Leerstand übergehen.

Beispiel:

Für ein Objekt mit 1.000 m2 Nutzfläche ist am 1. 1. eines Jahres als übliche Miete ein Mietrahmen von 8 € bis 10 € je m2 ermittelt worden, tatsächlich hat der Stpfl. eine Miete von 7 € je m2 vereinbart.

Bezugsgröße für eine mehr als 20 %ige Ertragsminderung ist die Miete i.H.v. 7 €.

b. Leer stehende Räume zu Beginn des Erlasszeitraums

15 Bei Räumen, die zu Beginn des Erlasszeitraums leer standen, bildet die übliche Miete die Bezugsgröße. Dabei sind ggf. unterschiedliche Mietansätze für vergleichbare Objekte für die Schätzung heranzuziehen:

  1. höhere Mieten, die zu Zeiten erhöhter Nachfrage in schon länger vorhandenen Gebäuden vereinbart wurden,

  2. geringere Mieten für neu auf den Markt gekommene Objekte.

16 Aus diesen unterschiedlichen Mietansätzen ist der Mittelwert zu bilden, ggf. auf Grund der Mittelwerte der Vergleichsobjekte zu Rd.Nr. 15 (1) und (2).

17 Das kann zu einer höheren Bezugsgröße als derjenigen führen, die sich aus den zu Beginn des Erlasszeitraums tatsächlich vereinbarten Mieten ergibt, sofern diese Mieten nicht zu mehr als 20 v.H. von der üblichen Miete abweichen.

Beispiel:

Für die Schätzung der Bezugsgröße stehen jeweils vergleichbare Objekte zur Verfügung:

  1. Objekte seit 10 oder mehr Jahren für eine Miete von 15 € je m2 vermietet (ggf. Mittelwert).

  2. Objekte ist 1 Jahr für eine Miete von 7 € je m2 vermietet (ggf. Mittelwert).

Aus diesen Werten ist der Mittelwert zu bilden: 15 € + 7 € = 22 € : 2 = 11 €.

In diesem Fall bildet die Miete i.H.v. 11 € die Bezugsgröße für eine mehr als 20 %ige Ertragsminderung.

18 Der tatsächlich erzielte Rohertrag ist der Summe der jeweiligen Bezugsgröße gegenüber zu stellen. Unterschreitet er die Bezugsgröße um mehr als 20 v.H., hat der Grundstückseigentümer einen Anspruch auf Grundsteuererlass nach § 33 GrStG.

Beispiel:

Objekt mit 1.000 m2 Nutzfläche war 8 Monate vermietet, danach leer stehend


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normaler Rohertrag:
1.000 m2 × 8 € × 12 = 96.000 €
Tatsächlicher Rohertrag:
1.000 m2 × 7 € × 8 = 56.000 €
Minderung des Rohertrags:
40.000 € = 41,6 %

4. Marktgerechter Mietzins

19 Bei Mietwohnungen kann als Anhaltspunkt der aktuell veröffentlichte Mietspiegel der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung herangezogen werden.

20 Für Gewerbemieten in Berlin kann nur bedingt als eine der möglichen Erkenntnisquellen der von der IHK jeweils veröffentlichte Orientierungsrahmen herangezogen werden. Er ist an Hand weiterer Erkenntnisse an den örtlichen Gewerbemietenmarkt nach Lage, Art und Ausstattung differenziert anzupassen. Hierzu sind auch heranzuziehen:

  • die Mieten, die von Steuerpflichtigen in den Anträgen auf Grundsteuererlass angegeben werden;

  • die Miethöhen, die ausweislich der Immobilienteile der einschlägigen Tageszeitungen gefordert werden.

21 Im Einzelfall kann auch in der Abt. Stadtentwicklung, Amt für Stadtplanung und Vermessung, Fachbereich Grundstückswertermittlung des jeweiligen Bezirksamts nach Erkenntnissen über Gewerbemieten gefragt werden. Dort werden Kauffälle des Gutachterausschusses gesammelt, die in der Regel die Miete des Objektes beinhalten.

22 In jedem FA-Bezirk ist von jeweils einem Sachbearbeiter zu den Gewerbemieten eine regionale Gewerbemietenübersicht aufgrund von veröffentlichten Marktdaten zu erstellen.

23 Die Mietübersicht ist bis zum an die Senatsverwaltung für Finanzen III D zu übersenden.

5. Sachwertfälle

24 Zu der Behandlung der Fälle des Sachwertverfahrens beim Grundsteuererlass bittet die Senatsverwaltung Abschnitt 40 Abs. 3 und 5 GrStR zu beachten.

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Fundstelle(n):
VAAAC-76268