BVerwG Beschluss v. - 7 A 4.07

Leitsatz

Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO sachlich zuständig, wenn der Rechtsstreit durch die Auslegung von Normen geprägt wird, die Hoheitsbefugnisse des Bundes gegenüber Vollzugsbehörden der Länder abgrenzen (hier: § 7 Abs. 4 und § 48 WaStrG).

Gesetze: VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 1 WaStrG § 7 Abs. 4; WaStrG § 48; GVG § 17a Abs. 3; DSchG SchlH § 7; DSchG SchlH § 9

Gründe

I

Das beklagte Landesdenkmalamt Schleswig-Holstein stellte, gestützt auf § 7 des schleswig-holsteinischen Gesetzes zum Schutz der Kulturdenkmale (Denkmalschutzgesetz - DSchG), bauliche Anlagen vorläufig unter Denkmalschutz, die im Eigentum der Klägerin, der Bundesrepublik Deutschland (Bundeswasserstraßenverwaltung) stehen. Die baulichen Anlagen sind Bestandteil einer Schleusenanlage zweier Bundeswasserstraßen.

Die Klägerin hat beim Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben. Sie beantragt zum einen, die vorläufige Unterschutzstellung aufzuheben bzw. deren Rechtswidrigkeit festzustellen, sowie zum anderen festzustellen, dass sie bei der Instandsetzung, Änderung oder Beseitigung von bundeseigenen Schifffahrtsanlagen und wasserbaulichen Anlagen keinem Genehmigungsvorbehalt nach § 9 DSchG unterworfen ist.

Der Beklagte rügt die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für die Entscheidung über den ersten Klageantrag.

II

Aufgrund der Rüge des Beklagten entscheidet der Senat nach § 83 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 3 GVG vorab über die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts.

Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO für beide Klageanträge sachlich zuständig. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den Ländern.

Die Sonderregelung des § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO schließt von den sonst geltenden Zuständigkeitsbestimmungen nur diejenigen Verfahren aus, deren Gegenstände durch die Eigenart der Bund-Länder-Beziehung geprägt sind. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ist demgemäß nur bei Streitigkeiten begründet, die sich in ihrem Gegenstand einem Vergleich mit den landläufigen Verwaltungsstreitigkeiten entziehen. Um Fälle dieser Art handelt es sich namentlich dann, wenn der Rechtsstreit durch die Frage geprägt ist, wie die Hoheitsrechte des Bundes einerseits und des Landes andererseits voneinander abzugrenzen sind ( BVerwG 4 A 14.03 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 22; BVerwG 7 VR 1.04 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 23). Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht seine sachliche Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO für eine Streitigkeit angenommen, die das Verhältnis zwischen der Ordnungshoheit des Landes und der Verteidigungshoheit des Bundes betraf, nämlich die Frage, ob ein Land bei einer der Verteidigungshoheit zugeordneten baulichen Anlage aus Gründen der öffentlichen Ordnung nach der Landesbauordnung Änderungen verlangen kann ( BVerwG 4 A 1.75 - NJW 1977, 163). Ebenso hat es seine Zuständigkeit für eine Streitigkeit über die Frage angenommen, ob ein Planfeststellungsbeschluss der Bundeswasserstraßenverwaltung gemäß § 14 Abs. 3 WaStrG des Einvernehmens der zuständigen Landesbehörde bedurfte, weil das Vorhaben Belange der Landeskultur berührte ( BVerwG 9 A 24.01 - NVwZ 2002, 1239 <1240>).

Die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO sind auch hier gegeben.

Die Klägerin leitet die Rechtswidrigkeit der vorläufigen Unterschutzstellung (Klageantrag zu 1), jedenfalls die fehlende Genehmigungspflicht für bauliche Maßnahmen (Klageantrag zu 2) aus Normen her, die die Hoheitsbefugnisse des Bundes gegenüber den Vollzugsbehörden der Länder abgrenzen. Der Rechtsstreit wird durch die Auslegung dieser Normen geprägt.

Nach Art. 89 Abs. 2 Satz 1 GG verwaltet der Bund die Bundeswasserstraßen durch eigene Behörden. Diese Bestimmung wird unter anderem durch § 7 Abs. 4 WaStrG und § 48 WaStrG konkretisiert. Nach § 7 Abs. 4 WaStrG sind bei der Unterhaltung der Bundeswasserstraßen sowie der Errichtung und dem Betrieb der bundeseigenen Schifffahrtsanlagen die Erfordernisse des Denkmalschutzes zu berücksichtigen. Nach § 48 Satz 1 WaStrG ist die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes dafür verantwortlich, dass (unter anderem) die bundeseigenen Schifffahrtsanlagen und wasserbaulichen Anlagen allen Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen. Nach Satz 2 dieser Bestimmung bedarf es behördlicher Genehmigungen, Erlaubnisse und Abnahmen nicht.

Aus diesen Bestimmungen leitet die Klägerin her, dass sie nur das materielle Denkmalrecht zu beachten habe, es aber an einer (formellen) Vollzugskompetenz der Denkmalschutzbehörden des Landes im Bereich hoheitlich genutzter Schifffahrtsanlagen des Bundes (wie der hier in Rede stehenden Schleuse) fehle, sie jedenfalls insoweit keinem Genehmigungserfordernis unterliege.

Ob die Auffassung der Klägerin zutrifft, ist eine Frage der Begründetheit ihrer Klage. Für die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts reicht aus, dass die Klägerin allein die Verwaltungskompetenz des Beklagten bezweifelt und im Klageverfahren ausschließlich über die Anwendbarkeit und Reichweite von Normen zu entscheiden ist, die der Abgrenzung der Hoheitsbefugnisse der Wasserstraßenverwaltung des Bundes zu den Hoheitsbefugnissen des Landes auf dem Gebiet des Denkmalrechts dienen. Dies gilt für beide Klageanträge, die sich aufgrund ihres Sachzusammenhangs nicht trennen lassen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
GAAAC-75865