Haftung des faktischen Geschäftsführers eines Einzelunternehmens; Darlegung der Divergenzrüge; keine Revisionszulassung bei Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung
Gesetze: AO § 34, AO § 35, AO § 69, AO § 71, FGO 3 115 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatte mit einem Dritten einen Gebrauchtwagenhandel betrieben, den die Ehefrau des Klägers ab 1993 als Einzelunternehmen weiterführte. In diesem Unternehmen war der Kläger zunächst unentgeltlich und ab 1996 als Angestellter gegen Gehalt tätig. Wegen rückständiger Umsatzsteuer einschließlich Zinsen und Säumniszuschlägen für die Jahre 1994 bis 1999 nahm der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt) den Kläger mit Haftungsbescheid vom gemäß §§ 34, 35 i.V.m. §§ 69 und 71 der Abgabenordnung (AO) in Haftung.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage vor dem Finanzgericht (FG). Das FG gab der Klage insoweit statt, als der Kläger für Zinsen nach § 233a AO und Säumniszuschläge nach § 240 AO für die Jahre 1994 bis 1998 in Anspruch genommen wurde. Nach Auffassung des FG war die Festsetzung dieser Haftungsansprüche verjährt.
Im Übrigen wies das FG die Klage ab. Der Kläger habe den Autohandel, wie sich bereits in dem parallel durchgeführten Strafverfahren ergeben habe, als faktischer Geschäftsführer betrieben. Seine Ehefrau sei lediglich Strohfrau gewesen. Er habe sich auch selbst als Geschäftsführer gegenüber Dritten bezeichnet und Bankgeschäfte für seine Ehefrau getätigt. Unabhängig von der Position des faktischen Geschäftsführers hafte er aber auch zumindest als Gehilfe der Steuerhinterziehung nach § 71 AO.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) stützt.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, denn der Kläger hat in der Beschwerdeschrift einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO nicht in der gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt.
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (z.B. Senatsbeschluss vom VII B 306/01, BFH/NV 2003, 208), die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 23 ff.). Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache schlüssig und substantiiert dargelegt werden. Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837).
Der Kläger hat in seiner Beschwerdeschrift eine Rechtsfrage, der nach seiner Auffassung grundsätzliche Bedeutung zukommt, nicht ausdrücklich formuliert. Dem Vorbringen des Klägers ist lediglich zu entnehmen, dass die Haftung als faktischer Geschäftsführer schon deshalb nicht möglich sei, weil eine faktische Geschäftsführung in einem als Einzelunternehmen geführten Betrieb nicht in Betracht komme. Ferner scheide eine doppelte Inanspruchnahme, des Klägers und seiner Ehefrau, als Haftungsschuldner aus. Darüber hinaus habe er keinen Tatbeitrag zu der vom FG angenommenen Steuerhinterziehung geleistet, es habe einen gegen ihn gerichteten Steuerbescheid nicht gegeben. Der Kläger wendet sich mit diesem Vorbringen allein gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, ohne eine Rechtsfrage von allgemeinem Interesse aufzuwerfen. Damit wird kein Grund gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO dargelegt, der zur Zulassung der Revision führen könnte (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476, und vom IV B 111/05, BFH/NV 2007, 1146).
2. Ferner legt der Kläger auch den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO nicht hinreichend dar. In seiner Begründung weist der Kläger lediglich auf den (BFH/NV 2006, 838) hin, ohne sich damit inhaltlich auseinanderzusetzen. Dies genügt den Anforderungen an die ordnungsgemäße Darlegung der Voraussetzungen der Divergenzrüge nicht. Diese setzt nämlich voraus, dass der Kläger tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus der BFH-Entscheidung andererseits herausarbeitet und gegenüberstellt (vgl. BFH-Beschlüsse vom II B 33/01, BFH/NV 2002, 1482, und vom X B 103/02, BFH/NV 2004, 180).
3. Abgesehen davon ist der Ausgangspunkt der Einwände des Klägers unzutreffend. Die Inanspruchnahme als „faktischer Geschäftsführer” nach §§ 35, 69 AO ist keineswegs deshalb ausgeschlossen, weil der Betrieb der Ehefrau des Klägers als Einzelunternehmen geführt war. Vielmehr ist auch bei einem Einzelunternehmen die Einräumung einer Verfügungsberechtigung i.S. des § 35 AO möglich. Es ist deshalb revisionsrechtlich bedenkenfrei, wenn das FG die haftungsbegründende Verfügungsmacht des Klägers infolge einer ihm von seiner Ehefrau eingeräumten Duldungsvollmacht angenommen hat.
Auch kann nach der insoweit nicht zu beanstandenden Rechtsauffassung des FG von einer „doppelten Haftungsinanspruchnahme” des Klägers und seiner Ehefrau keine Rede sein. Die Ehefrau ist als Betriebsinhaberin Steuerpflichtige der Umsatzsteuer und als Steuerschuldnerin (erfolglos) in Anspruch genommen worden, der Kläger dagegen ist als Vertreter bzw. Verfügungsberechtigter gemäß §§ 69 und 71 i.V.m. § 35 AO als Haftungsschuldner herangezogen worden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 748 Nr. 5
EAAAC-74470