BGH Urteil v. - I ZR 44/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: HGB §§ 425 bis 438; HGB § 425 Abs. 1; HGB § 425 Abs. 2; HGB § 429 Abs. 1; HGB § 449 Abs. 2 Satz 1; HGB § 459; BGB § 254 Abs. 1; BGB § 254 Abs. 2 Satz 1; VVG § 67 Abs. 1; ZPO § 286; ZPO § 287

Instanzenzug: LG Düsseldorf, 31 O 138/02 vom OLG Düsseldorf, I-18 U 82/04 vom

Tatbestand

Die Klägerin ist Transportversicherer der L. GmbH in Düsseldorf (im Weiteren: Versenderin). Sie nimmt die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus abgetretenem und übergegangenem Recht der Versenderin wegen Verlusts von Transportgut in den folgenden neun Fällen auf Schadensersatz in Anspruch:

Schadensfall 1: Am beauftragte die Versenderin die Beklagte mit der Beförderung eines Pakets nach Jork. Das Paket erreichte den Empfänger nicht. Die Klägerin begehrt nach Abzug einer vorprozessualen Zahlung der Beklagten in Höhe von 521,52 € weiteren Schadensersatz in Höhe von 1.412,83 €.

Schadensfall 2: Am beauftragte die Versenderin die Beklagte mit der Beförderung eines Pakets nach Kaarst. Das Paket erreichte die Empfängerin nicht. Die Klägerin begehrt nach Abzug einer vorprozessualen Zahlung der Beklagten in Höhe von 521,52 € weiteren Schadensersatz in Höhe von 8.846,13 €.

Schadensfall 3: Am beauftragte die Versenderin die Beklagte mit der Beförderung eines Pakets nach Kempen. Das Paket erreichte die Empfängerin nicht. Die Klägerin begehrt nach Abzug einer vorprozessualen Zahlung der Beklagten in Höhe von 521,52 € weiteren Schadensersatz in Höhe von 5.619,10 €.

Schadensfall 4: Am beauftragte die Versenderin die Beklagte erneut mit der Beförderung eines Pakets nach Kempen. Das Paket erreichte die Empfängerin nicht. Die Klägerin begehrt nach Abzug einer vorprozessualen Zahlung der Beklagten in Höhe von 511,29 € weiteren Schadensersatz in Höhe von 3.962,51 €.

Schadensfall 5: Am beauftragte die Versenderin die Beklagte mit dem Transport eines Pakets nach Stockstadt. Das Paket erreichte die Empfängerin nicht. Die Klägerin begehrt nach Abzug einer vorprozessualen Zahlung der Beklagten in Höhe von 521,52 € weiteren Schadensersatz in Höhe von 12.272,08 €.

Schadensfall 6: Am beauftragte die Versenderin die Beklagte mit der Beförderung eines Pakets nach Wardenburg. Das Paket erreichte die Empfängerin nicht. Die Klägerin begehrt nach Abzug einer vorprozessualen Zahlung der Beklagten in Höhe von 526,40 € weiteren Schadensersatz in Höhe von 7.024,60 €.

Schadensfall 7: Am beauftragte die Versenderin die Beklagte mit der Beförderung eines Pakets nach Duisburg. Das Paket erreichte die Empfängerin nicht. Die Klägerin begehrt nach Abzug einer vorprozessualen Zahlung der Beklagten in Höhe von 520,50 € weiteren Schadensersatz in Höhe von 1.070 €.

Schadensfall 8: Am beauftragte die Versenderin die Beklagte mit dem Transport eines Pakets nach Möhrendorf. Das Paket erreichte die Empfängerin nicht. Die Klägerin begehrt nach Abzug einer vorprozessualen Zahlung der Beklagten in Höhe von 520,50 € weiteren Schadensersatz in Höhe von 3.479,37 €.

Schadensfall 9: Am beauftragte die Versenderin die Beklagte mit der Beförderung eines Pakets nach Wiesenbach. Das Paket erreichte die Empfängerin nicht. Die Klägerin begehrt nach Abzug einer vorprozessualen Zahlung der Beklagten in Höhe von 520,50 € weiteren Schadensersatz in Höhe von 2.482,18 €.

Den Beförderungsverträgen lagen die Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten mit Stand von November 2000 zugrunde, die auszugsweise folgende Regelungen enthielten:

"...

2. Serviceumfang

Sofern keine besonderen Dienstleistungen vereinbart werden, beschränkt sich der von U. angebotene Service auf Abholung, Transport, Zollabfertigung (sofern zutreffend) und Zustellung der Sendung.

Um die vom Versender gewünschte kurze Beförderungsdauer und das niedrige Beförderungsentgelt zu ermöglichen, werden die Sendungen im Rahmen einer Sammelbeförderung transportiert. Der Versender nimmt mit der Wahl der Beförderungsart in Kauf, dass aufgrund der Massenbeförderung nicht die gleiche Obhut wie bei einer Einzelbeförderung gewährleistet werden kann. Der Versender ist damit einverstanden, wenn eine Kontrolle des Transportweges, insbesondere durch Ein- und Ausgangsdokumentation, an den einzelnen Umschlagstellen innerhalb des U. -Systemes nicht durchgeführt wird. Soweit der Versender eine weitergehende Kontrolle der Beförderung wünscht, wählt er die Beförderung als Wertpaket.

9. Haftung

...

9.2 Gelten keine Abkommensbestimmungen oder sonstige zwingende nationale Gesetze, wird die Haftung ausschließlich durch diese Bedingungen geregelt.

In Deutschland ist die Haftung für Verlust oder Beschädigung begrenzt auf nachgewiesene direkte Schäden bis maximal DM 1.000,00 pro Sendung oder 8,33 SZR für jedes Kilogramm, je nachdem welcher Betrag höher ist. ...

Vorstehende Haftungsbegrenzungen gelten nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die U. , seine gesetzlichen Vertreter, oder Erfüllungsgehilfen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein, dass der Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen haben.

...

9.4 Die Haftungsgrenze nach Ziffer 9.2 wird angehoben durch korrekte Deklaration eines höheren Wertes der Sendung auf dem Frachtbrief und durch Zahlung des in der "Tariftabelle und Serviceleistungen" aufgeführten Zuschlages auf den angegebenen Wert (Wertpaket). In keinem Fall dürfen die in Absatz 3 (a) (ii) festgesetzten Grenzen überschritten werden. Der Versender erklärt durch Unterlassung einer Wertdeklaration, dass sein Interesse an den Gütern die in Ziffer 9.2 genannte Grundhaftung nicht übersteigt.

U. kann Wertzuschläge namens und im Auftrag des Versenders als Prämie für die Versicherung der Interessen des Versenders an eine Versicherungsgesellschaft weitergeben. In diesem Fall werden etwaige Ansprüche des Versenders auf Schadensersatz durch U. gestellt und im Namen der Versicherungsgesellschaft bezahlt. Die von U. für diese Zwecke eingesetzten Policen können bei der oben genannten Anschrift eingesehen werden.

..."

Alle Transportaufträge wurden im sogenannten EDI-Verfahren abgewickelt. Dabei handelt es sich um ein EDV-gestütztes Verfahren, bei dem der Versender die zu befördernden Pakete mittels einer von der Beklagten zur Verfügung gestellten Software selbst im System erfassen kann. Dieses System teilt sodann jedem Paket eine Kontrollnummer zu und erstellt einen Aufkleber, den der Versender auf das Paket aufbringen kann. Die Versanddaten werden auf elektronischem Wege an die Beklagte übermittelt. Der Abholfahrer der Beklagten nimmt die Vielzahl der bereitgestellten und von dem Versender üblicherweise in einen sogenannten Feeder verladenen Pakete entgegen und quittiert die Gesamtzahl der übernommenen Pakete auf einem "Summery Manifest". Einen Abgleich zwischen der Versandliste und dem Inhalt des Feeders nimmt der Abholfahrer nicht vor.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte habe die verlorengegangenen Pakete übernommen. Die Pakete hätten die in den Rechnungen aufgeführten Waren enthalten. Sie habe die Versenderin in Höhe der geltend gemachten Regressbeträge entschädigt. Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hafte für die Warenverluste in voller Höhe, da sie keine Aufklärung über den Verbleib der Sendungen leisten könne und die Betriebsorganisation der Beklagten schwerwiegende Mängel aufweise.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 46.168,80 € nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten und zudem in Abrede gestellt, die streitgegenständlichen Pakete zur Beförderung übernommen zu haben. Ferner ist die Beklagte der Auffassung, sie hafte nicht wegen qualifizierten Verschuldens, weil sie mit der Versenderin wirksam einen Verzicht auf Schnittstellenkontrollen vereinbart habe. Im Übrigen müsse sich die Klägerin ein haftungsausschließendes Mitverschulden der Versenderin wegen fehlender Wertdeklaration zurechnen lassen. Im Falle einer Wertdeklaration behandele sie die ihr zur Beförderung übergebenen Pakete sorgfältiger, sofern deren Wert 5.000 DM (= 2.556,46 €) übersteige.

Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat eine unbeschränkte Haftung der Beklagten für den Verlust der Pakete nach §§ 425, 435 HGB angenommen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Klägerin sei aktivlegitimiert. Die Ansprüche seien jedenfalls durch Überlassung der Schadensunterlagen konkludent von der Versenderin an sie abgetreten worden. Ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz liege nicht vor.

Die Beklagte hafte wegen qualifizierten Verschuldens unbeschränkt, da sie nicht dargelegt habe, wie es zu den hier in Rede stehenden Verlusten gekommen sei. Außerdem weise die Betriebsorganisation der Beklagten schwerwiegende Mängel auf, weil sie keine durchgängigen Schnittstellenkontrollen während des Transports vorsehe. Einen Verzicht auf die Durchführung von Schnittstellenkontrollen habe die Beklagte mit der Versenderin jedenfalls nicht wirksam vereinbart.

Es stehe auch fest, dass die Beklagte die Pakete übernommen habe. Der Beweis sei durch die Versandlisten im EDI-Verfahren geführt, da die Beklagte nicht unverzüglich nach Eingang der Warensendungen eventuelle Differenzen reklamiert habe.

Ferner stehe fest, dass die verlorengegangenen Pakete die in den Rechnungen aufgeführten Waren enthalten hätten. Grundsätzlich erbrächten Rechnungen und Lieferscheine zusammen den Beweis des ersten Anscheins für den Paketinhalt. Im vorliegenden Fall seien zwar keine Lieferscheine vorgelegt worden. Der Beweis des ersten Anscheins ergebe sich aber aus den Handelsrechungen in Verbindung mit den jeweiligen U. -Absendemanifesten und der konkreten Organisation des Warenversands bei der Versenderin.

Ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB wegen unterlassener Wertdeklaration falle der Versenderin nicht zur Last. Es stehe nicht fest, dass die verlorengegangenen Pakete mit erhöhter Sicherheit befördert worden wären, wenn sie als Wertpakete versandt worden wären. Die Beklagte habe nicht dargetan, wie im EDI-Verfahren Wertpakete mit erhöhter Beförderungssicherheit transportiert würden. Zudem sei die Versenderin nicht belehrt worden, wie sie im EDI-Verfahren hätte vorgehen müssen, um eine erhöhte Transportsicherheit zu erreichen. Ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB wegen Unterlassens eines Hinweises auf einen außergewöhnlich hohen Schaden scheide ebenfalls aus, da dieser erst ab einem Paketwert von über 50.000 US-Dollar anzunehmen sei.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit dieses über einen Betrag von 2.482,83 € hinaus zum Nachteil der Beklagten erkannt hat. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann in den Schadensfällen 2 bis 6 und 8 ein Mitverschulden der Versenderin in Betracht kommen.

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin Inhaberin der geltend gemachten Schadensersatzansprüche ist. Dies folgt entweder aus § 67 Abs. 1 VVG, wenn sie - wie von ihr behauptet - die Versenderin entschädigt hat, oder aus den zumindest konkludent erklärten Abtretungen der Versenderin, die in der Überlassung sämtlicher Schadensunterlagen zu sehen sind. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch den Transportversicherer verstößt - wie der Senat zeitlich nach Verkündung des Berufungsurteils entschieden hat - selbst dann nicht gegen das Rechtsberatungsgesetz, wenn der Versicherer den Schaden seines Versicherungsnehmers noch nicht reguliert hat und deshalb aus abgetretenem Recht gegen den beklagten Spediteur/Frachtführer vorgeht ( Tz. 20, TranspR 2006, 166, 167).

2. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Beklagten für die in Rede stehenden Verluste von Transportgut nach § 425 Abs. 1, § 429 Abs. 1 HGB bejaht. Es ist dabei zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, dass die Beklagte von der Versenderin als Fixkostenspediteur i.S. von § 459 HGB beauftragt worden ist und dass sich ihre Haftung grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§§ 425 ff. HGB) und - aufgrund vertraglicher Einbeziehung - nach ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen beurteilt.

3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die verlorengegangenen Pakete zur Beförderung übernommen.

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, auch in dem von der Beklagten entwickelten EDI-Verfahren erbringe die Absenderquittung vollen Beweis für die Übernahme einer Warensendung durch die Beklagte, wenn diese nicht unverzüglich nach Eingang der Sendung in ihrem Abhol-Center eventuelle Differenzen zwischen der übertragenen Versandliste und dem tatsächlichen Paketeingang dem Kunden melde, was in den Streitfällen nicht geschehen sei. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

b) Nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts wurden alle hier in Rede stehenden Transporte im EDI-Verfahren abgewickelt. Durch die Vereinbarung des EDI-Verfahrens haben die Versicherungsnehmerin der Klägerin als Versenderin und die Beklagte die Abrede getroffen, dass der Inhalt einer Versandliste für einen von dem Abholfahrer der Beklagten quittierten Feeder als bestätigt gilt, sofern die Beklagte dem nicht unverzüglich widerspricht. Denn der Versender kann - wie der Senat ebenfalls zeitlich nach Verkündung des Berufungsurteils entschieden hat - nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) davon ausgehen, dass der Spediteur/Frachtführer nach Öffnung des verplombten Behältnisses, in dem sich die Pakete befinden, die Richtigkeit der Versandliste unverzüglich überprüft und Beanstandungen dem Versender ebenfalls unverzüglich mitteilt. Unterbleibt eine solche Beanstandung, kann der Versender dies nach Sinn und Zweck des EDI-Verfahrens als Bestätigung der Versandliste ansehen, die damit die Wirkung einer Empfangsbestätigung erhält (, TranspR 2005, 403, 404 = VersR 2006, 573). Die - wie bei einer Empfangsbestätigung - begründete Vermutung, dass die in der Versandliste aufgeführten Pakete in die Obhut der Beklagten gelangt sind, hat die Beklagte im Streitfall nicht widerlegt.

4. Entgegen der Auffassung der Revision sind auch die Feststellungen des Berufungsgerichts zu Inhalt und Wert der verlorengegangenen Pakete frei von Rechtsfehlern.

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, für die von der Klägerin behaupteten Paketinhalte streite ein Anscheinsbeweis. Im kaufmännischen Verkehr erbringe der Lieferschein indiziell Beweis dafür, dass die in ihm (und in der korrespondierenden Rechnung) aufgeführten Waren tatsächlich die Versandabteilung des Versenders durchlaufen hätten. Die Klägerin habe zwar keine Lieferscheine vorgelegt. Im Streitfall hätten jedoch die von der Klägerin vorgelegten Versandlisten (U. -Manifeste) und die Rechnungen in Verbindung mit der konkreten Organisation der Versandabteilung der Versenderin denselben indiziellen Beweiswert.

b) Diese Erwägungen des Berufungsgerichts werden von der Revision im Ergebnis ohne Erfolg angegriffen.

aa) Der Annahme eines Anscheinsbeweises, wie ihn das Berufungsgericht unter Hinweis auf das Senatsurteil vom (I ZR 104/00, TranspR 2003, 156, 159 = NJW-RR 2003, 754; vgl. auch , TranspR 2006, 394 = NJW-RR 2007, 28 Tz. 19 f.) seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, steht im Streitfall allerdings entgegen, dass es hier nicht um das unstreitige Abhandenkommen einer Sendung in der Obhut des Frachtführers geht. Die Fallkonstellation, in der der Senat den Anscheinsbeweis angewandt hat, betraf stets Fälle, in denen das zu befördernde Gut dem Frachtführer in einem verschlossenen Behältnis übergeben worden und in der Obhut des Frachtführers verlorengegangen war (, TranspR 2007, 418 Tz. 14). Im vorliegenden Fall besteht zwischen den Parteien Streit darüber, ob alle Waren, für deren Verlust die Klägerin Ersatz beansprucht, überhaupt in die Obhut der Beklagten gelangt sind. Für diese Frage kann nicht auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises zurückgegriffen werden. Da die Parteien über den Grund der Haftung streiten, scheidet auch eine Anwendung des § 287 ZPO aus (BGH TranspR 2007, 418 Tz. 14).

Der Beweis für den Inhalt und den Wert eines verlorengegangenen Pakets unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO (vgl. BGH TranspR 2006, 394 = NJW-RR 2007, 28 Tz. 17; BGH TranspR 2007, 418 Tz. 13 f.). Der Tatrichter kann sich die Überzeugung von der Richtigkeit der Behauptung der Klägerin, dem Fahrer der Beklagten seien die in den Rechnungen aufgeführten Waren übergeben worden, daher anhand der gesamten Umstände des Einzelfalls bilden (vgl. BGH TranspR 2006, 394 = NJW-RR 2007, 28 Tz. 17).

bb) Entgegen der Ansicht der Revision ist es nicht erforderlich, dass sowohl Lieferscheine als auch korrespondierende Rechnungen zum Nachweis des Inhalts eines Pakets vorgelegt werden. Der Tatrichter kann sich die Überzeugung von der Richtigkeit des behaupteten Inhalts auch dann bilden, wenn nur eines der beiden Dokumente vorgelegt wird und der Beklagte dagegen keine substantiierten Einwände vorbringt (, TranspR 2007, 110 Tz. 24).

Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, dass das Absendermanifest - anders als ein Lieferschein - nur das Verhältnis zwischen dem Versender und der Beklagten betrifft und keine Angaben zum Inhalt eines Pakets enthält. Diese Angaben enthält aber bereits die Rechnung. Die Bedeutung des Lieferscheins liegt - wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist - in der Indizwirkung, dass die in ihm aufgeführten Waren tatsächlich die Versandabteilung des Verkäufers durchlaufen haben. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass dieser Beweiswert auch der im EDI-Verfahren erstellten Versandliste in Verbindung mit der Rechnung zukommt. Aufgrund der vom Berufungsgericht festgestellten Verbindung zwischen der Rechnungsstellung und der Versandabwicklung besteht nach der Lebenserfahrung eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Paket, das auf der Versandliste eine bestimmte Rechnungsnummer aufweist, die Versandabteilung mit den in der korrespondierenden Rechnung aufgeführten Waren verlassen hat. Der vorliegende Sachverhalt ist daher mit solchen Fällen vergleichbar, in denen sowohl der Lieferschein als auch die Rechnung vorgelegt werden.

5. Ohne Erfolg bleiben auch die Angriffe der Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte schulde gemäß § 425 Abs. 1, § 435 HGB Schadensersatz, ohne sich auf die im Gesetz und in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen vorgesehenen Haftungsbeschränkungen berufen zu können, da sie die hier in Rede stehenden Warenverluste leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, verursacht habe.

a) Das Berufungsgericht hat den Vorwurf des leichtfertigen Handelns (auch) darauf gestützt, dass eine Betriebsorganisation des Spediteurs/Frachtführers, die - wie im vorliegenden Fall - Ein- und Ausgangskontrollen beim Umschlag von Transportgütern nicht durchgängig vorsieht, den Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens rechtfertigt, weil es sich hierbei um elementare Vorkehrungen gegen den Verlust von Ware handelt.

b) Diese Beurteilung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Sie entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 158, 322, 330 ff.; , TranspR 2004, 399, 401 = VersR 2006, 570; BGH TranspR 2005, 403, 405 m.w.N.).

Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Versenderin nicht wirksam auf die Durchführung von Schnittstellenkontrollen verzichtet hat. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich ein solcher Verzicht nicht aus Nr. 2 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten (Stand November 2000). Dabei kann offenbleiben, ob sich die Regelung in Nr. 2 der Beförderungsbedingungen der Beklagten lediglich auf die Dokumentation der Schnittstellenkontrollen bezieht oder ob sie sich auch auf die Durchführung der Kontrollen selbst erstreckt. Wie der Senat - ebenfalls zeitlich nach Verkündung des Berufungsurteils - entschieden hat, wäre die Klausel, wenn sie einen Verzicht auf die Durchführung von Schnittstellenkontrollen selbst enthielte, gemäß § 449 Abs. 2 Satz 1 HGB unwirksam. Denn nach dieser Vorschrift kann von der gesetzlichen Haftungsregelung der §§ 425 bis 438 HGB nur durch eine im Einzelnen ausgehandelte Vereinbarung abgewichen werden ( Tz. 21 ff., TranspR 2006, 171, 173; Urt. v. - I ZR 103/04, TranspR 2006, 169, 170 = NJW-RR 2006, 758 Tz. 18 ff.).

6. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin müsse sich ein Mitverschulden der Versenderin nicht zurechnen lassen.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Mitverschuldenseinwand auch im Fall des qualifizierten Verschuldens i.S. von § 435 HGB zu berücksichtigen ist (vgl. , TranspR 2003, 467, 471 = NJW 2003, 3626; Urt. v. - I ZR 55/01, TranspR 2004, 177, 179 = NJW-RR 2004, 394).

b) Dem Berufungsgericht kann jedoch nicht in seiner Annahme beigetreten werden, ein Mitverschulden der Versenderin gemäß § 254 Abs. 1 BGB wegen Unterlassens einer Wertdeklaration komme nicht in Betracht, weil nicht festgestellt werden könne, dass die Beklagte Pakete bei zutreffender Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt, also besonderen Sicherungen unterstellt hätte.

aa) Das Berufungsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass ein Versender in einen gemäß § 425 Abs. 2 HGB (§ 254 Abs. 1 BGB) beachtlichen Selbstwiderspruch geraten kann, wenn er trotz Kenntnis, dass der Spediteur/Frachtführer die Pakete bei richtiger Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt, von einer Wertdeklaration absieht und bei Verlust gleichwohl vollen Schadensersatz verlangt (vgl. BGHZ 149, 337, 353; BGH TranspR 2004, 399, 401).

Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Versenderin aufgrund der Nr. 2 der Beförderungsbedingungen der Beklagten gewusst habe, dass nach der Betriebsorganisation der Beklagten bei Wertpaketen eine erhöhte Beförderungssicherheit gewährleistet werden solle.

bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Vortrag der Beklagten, sie behandele wertdeklarierte Pakete sorgfältiger als nicht wertdeklarierte, nicht deshalb unerheblich, weil die verlorengegangenen Pakete jeweils im Wege des sogenannten EDI-Verfahrens versandt worden sind.

(1) Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte nicht dargetan, auf welche Weise sie sicherstellt, dass Wertpakete auch in diesem Verfahren mit erhöhter Beförderungssicherheit transportiert werden.

(2) Mit dieser Begründung kann ein Mitverschulden der Versenderin wegen Unterlassens einer Wertdeklaration nicht verneint werden. Die von der Beklagten vorgetragenen zusätzlichen Kontrollen bei der Beförderung von Wertpaketen können allerdings nicht umgesetzt werden, wenn Kunden, die am EDI-Verfahren teilnehmen, bei der Eingabe der Paketdaten zwar eine Wertdeklaration vornehmen, das wertdeklarierte Paket dann aber zusammen mit anderen Paketen in den Feeder geben. Zu Recht weist die Revision aber darauf hin, dass es offenkundig ist, dass eine gesonderte Behandlung von Wertpaketen im Falle einer separaten Übergabe an den Frachtführer möglich ist (vgl. BGH TranspR 2006, 394 = NJW-RR 2007, 28 Tz. 31).

Wenn - was mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Beklagten zu unterstellen ist - die konkrete Ausgestaltung des Versandverfahrens dem Absender keinerlei Anhaltspunkte bietet, auf welche Weise wertdeklarierte Pakete einem besonders kontrollierten Transportsystem zugeführt werden, hat er selbst Maßnahmen zu ergreifen, um auf eine sorgfältigere Behandlung des wertdeklarierten Pakets aufmerksam zu machen (vgl. BGH TranspR 2006, 394 = NJW-RR 2007, 28 Tz. 31). Von einem schadensursächlichen Mitverschulden der Versenderin ist deshalb auszugehen, weil sie hätte erkennen können, dass eine sorgfältigere Behandlung durch die Beklagte nur gewährleistet ist, wenn wertdeklarierte Pakete nicht mit anderen Paketen in den Feeder gegeben, sondern dem Abholfahrer der Beklagten gesondert übergeben werden. Dass eine solche separate Übergabe an den Abholfahrer erforderlich ist, liegt angesichts der Ausgestaltung des vorliegend angewandten Verfahrens, das im beiderseitigen Interesse der Beschleunigung des Versands darauf angelegt ist, dass Paketkontrollen zunächst unterbleiben (vgl. BGH TranspR 2005, 403, 404), für einen ordentlichen und vernünftigen Versender auf der Hand (BGH TranspR 2006, 394 = NJW-RR 2007, 28 Tz. 32).

cc) In den Schadensfällen 1 und 7 hat das Berufungsgericht ein Mitverschulden der Versenderin wegen unterlassener Wertdeklaration im Ergebnis zu Recht verneint, weil der Wert der verlorengegangenen Pakete in diesen Fällen jeweils unter 5.000 DM gelegen und die Beklagte selbst vorgetragen hat, dass Pakete erst ab einem Wert von mehr als 5.000 DM sicherer befördert werden. Dementsprechend hat die Revision in diesen Fällen keinen Erfolg.

c) Mit Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Verneinung eines Mitverschuldens der Versenderin wegen Unterlassens eines Hinweises auf die Gefahr eines besonders hohen Schadens (§ 425 Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB).

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist ein ungewöhnlich hoher Schaden nicht erst bei einem Paketwert oberhalb von 50.000 US-Dollar anzunehmen. Wie der Senat - ebenfalls zeitlich nach Verkündung des Berufungsurteils - entschieden hat, ist die Gefahr eines besonders hohen Schadens im Allgemeinen in solchen Fällen gegeben, in denen der Wert eines Pakets 5.000 € übersteigt, also etwa den zehnfachen Betrag der Haftungshöchstgrenze gemäß den Beförderungsbedingungen der Beklagten ausmacht (vgl. , TranspR 2006, 208 = NJW-RR 2006, 1108 Tz. 20; BGH TranspR 2006, 394 = NJW-RR 2007, 28 Tz. 34). Ein ungewöhnlich hoher Schaden i.S. von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ist danach in den Schadensfällen 2, 3, 5 und 6 gegeben, da der Wert der Paketinhalte nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts jeweils mehr als 5.000 € betragen hat.

Die Kausalität des Mitverschuldenseinwands nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB kann nur verneint werden, wenn der Transporteur trotz eines Hinweises auf den ungewöhnlichen Wert des Gutes keine besonderen Maßnahmen ergriffen hätte (BGH TranspR 2006, 208 = NJW-RR 2006, 1108 Tz. 22). Dazu hat das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen getroffen.

III. Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das Berufungsgericht über einen Betrag von 2.482,83 € (Schadensfälle 1 und 7) hinaus zum Nachteil der Beklagten erkannt hat. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht insbesondere Folgendes zu berücksichtigen haben:

Bei der dem Tatrichter obliegenden Haftungsabwägung (vgl. BGHZ 149, 337, 355) im Falle eines Mitverschuldens wird zu beachten sein, dass die Reichweite des bei wertdeklarierten Sendungen gesicherten Bereichs einen für die Bemessung der Haftungsquote relevanten Gesichtspunkt darstellt: Je größer der gesicherte Bereich ist, desto größer ist auch der Anteil des Mitverschuldens des Versenders, der durch das Unterlassen der Wertangabe den Transport der Ware außerhalb des gesicherten Bereichs veranlasst ( Tz. 30, TranspR 2006, 205, 207).

Ferner ist der Wert der transportierten, nicht wertdeklarierten Ware von Bedeutung: Je höher der tatsächliche Wert des nicht wertdeklarierten Pakets ist, desto gewichtiger ist der in dem Unterlassen der Wertdeklaration liegende Schadensbeitrag. Dies gilt auch im Falle eines Mitverschuldens wegen Unterlassens des Hinweises auf die Gefahr eines besonders hohen Schadens (§ 254 Abs. 2 BGB). Denn je höher der Wert der zu transportierenden Paketsendung ist, desto offensichtlicher ist es, dass die Beförderung des Gutes eine besonders sorgfältige Behandlung durch den Spediteur erfordert, und desto größer ist das in dem Unterlassen der Wertdeklaration liegende Verschulden des Versenders gegen sich selbst ( Tz. 31, TranspR 2006, 205, 207). Hieraus folgt für den Streitfall, dass beispielsweise der Mitverschuldensanteil im Schadensfall 5 deutlich über dem im Schadensfall 9 liegen muss.

Bei der Bemessung der Quote wird zudem zu berücksichtigen sein, dass auf Seiten der Beklagten ein qualifiziertes Verschulden vorliegt, so dass der Verschuldensanteil in der Regel höher zu gewichten ist. Nach den Umständen des Einzelfalls kann aber auch ein Mitverschuldensanteil von mehr als 50 % in Betracht kommen (vgl. hierzu , TranspR 2007, 405 Tz. 31 ff.; anders noch Urt. v. - I ZR 120/02, TranspR 2006, 161, 165). Dies gilt vor allem in Fällen, in denen das Paket aufgrund der Beförderungsbedingungen der Beklagten von einem Transport ausgeschlossen ist (, TranspR 2007, 164 Tz. 30; BGH TranspR 2007, 405 Tz. 32). Eine höhere Quote als 50 % kann aber auch dann sachgerecht sein, wenn der Wert des Pakets - unabhängig vom Überschreiten einer in den Beförderungsbedingungen gesetzten Wertgrenze - sehr deutlich über dem Betrag liegt, ab dem ein Hinweis auf einen ungewöhnlich hohen Schaden hätte erfolgen müssen. Dies kann bei den hier in Rede stehenden Schadensfällen nicht angenommen werden. Die Art und Weise der Abwägung der Mitverschuldensquote muss aber auch bei den vorliegenden geringeren Paketwerten im Blick haben, dass sie bei hohen Warenwerten nicht zu unangemessenen Ergebnissen führt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
RAAAC-74003

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein