BGH Beschluss v. - 1 StR 607/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StGB § 64

Instanzenzug: LG Augsburg, vom

Gründe

Der Angeklagte wurde wegen mehrerer Fälle des - überwiegend bandenmäßig begangenen - Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt.

Die Revision macht geltend, das vom Angeklagten abgelegte Geständnis sei im Hinblick auf die ihm für diesen Fall zugesagte, dann aber nicht eingehaltene Strafobergrenze von zehn Jahren und neun Monaten unverwertbar (§ 136a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 StPO), jedenfalls seien durch das behauptete Geschehen Grundsätze des fairen Verfahrens verletzt. Die ebenfalls erhobene Sachrüge hat die Revision zunächst nicht näher ausgeführt. In ihrer Erwiderung auf den Antrag des Generalbundesanwalts (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) hat sie dann näher ausgeführt, dass der Angeklagte gemäß § 64 StGB hätte untergebracht werden müssen.

Die Revision bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Zur Begründung der Verfahrensrüge(n) macht die Revision geltend, der Staatsanwalt habe zwischen Anklageerhebung und Hauptverhandlung für den Fall eines weitgehenden Geständnisses und Benennung von Lieferanten die genannte Strafobergrenze zugesichert. Er habe dabei ausdrücklich erklärt, auch das Gericht sichere dies zu, er sei mit dem Vorsitzenden "immer einig". Im Laufe der mehrmonatigen Hauptverhandlung habe das Gericht mehrmals geäußert, eine Einigung von Staatsanwaltschaft und Verteidigung werde es mittragen. Letztlich habe der Vorsitzende - je nach dem Umfang der Angaben des Angeklagten - eine Strafobergrenze von entweder zehn Jahren und sechs Monaten oder von acht Jahren und zehn Monaten zugesagt.

All dies stehe freilich nicht im Hauptverhandlungsprotokoll. Hier stehe nur die Erklärung des Gerichts, dass es sich nach dem Scheitern sämtlicher Verständigungsbemühungen nicht an nicht von ihm in Aussicht gestellte Strafrahmenobergrenzen gebunden fühle. Hierzu legt die Revision näher dar, dass und warum für die Verfahrensbeteiligten erkennbar war, dass sich diese Erklärung des Gerichts nicht auf die Strafrahmenobergrenze von zehn Jahren und neun Monaten bezog.

Die Rügen versagen schon deshalb, weil der Senat den genannten Vortrag nicht als erwiesen ansieht:

a) Die berufsrichterlichen Mitglieder der Strafkammer haben dem Vorbringen der Revision in einer dienstlichen Erklärung unter detaillierter Schilderung des Geschehensablaufs mit Nachdruck ("entspricht nicht der Wahrheit"; "falsch"; "befremdlich") widersprochen. Dem Angeklagten sei vom Gericht niemals eine Strafobergrenze oder Punktstrafe zugesichert worden; der Staatsanwalt sei niemals ermächtigt worden, irgendwelche Erklärungen mit bindender Wirkung für das Gericht abzugeben. Ein "Automatismus", wonach eine Einigung von Staatsanwaltschaft und Verteidigung vom Gericht mitgetragen würde, sei nie erklärt, ein entsprechender Anschein vom Gericht nie erweckt worden.

Der Staatsanwalt hat ebenfalls erklärt, das Revisionsvorbringen sei "in wesentlichen Punkten unzutreffend". Die Staatsanwaltschaft habe erklärt, sich (gegebenenfalls) bei Gericht dafür einzusetzen, dass die genannte Höchststrafe nicht überschritten werde; es sei nie erklärt worden, die Staatsanwaltschaft könne verbindliche Zusagen namens des Gerichts machen.

Zu alledem angehört, hat die Revision erklärt, Behauptungen, die ihrem Vortrag zuwiderliefen, seien "schlichtweg falsch".

b) Der Senat braucht den offenbar wiederholten, nicht stets in identischer Besetzung der Beteiligten geführten Gesprächen unter den gegebenen Umständen nicht im Detail nachzugehen. Liegen, wie hier, zu identischen Punkten untereinander unvereinbare Erklärungen der Verteidigung einerseits und von Gericht und Staatsanwaltschaft andererseits vor, so fehlt regelmäßig eine hinreichend sichere Grundlage für eine erfolgreiche Verfahrensrüge (vgl. < in dieser Sache ergangener gesonderter Beschluss gegen den Mitangeklagten G. K. >; BGH NStZ 1994, 196).

c) Gründe des Einzelfalls, die hier ausnahmsweise eine andere Beurteilung nahe legten, sind nicht ersichtlich. Die tatsächliche Richtigkeit von Behauptungen, aus denen sich ein verfahrensrechtlicher Verstoß ergeben soll, muss erwiesen sein und kann nicht lediglich nach dem Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" unterstellt werden (BGH aaO m.w.N.). Darauf, dass der zur Begründung der Verfahrensrüge vorgetragene Sachverhalt - etwa die Zusicherung, das Gericht werde sich nach dem ihm noch gar nicht bekannten Antrag des Staatsanwalts richten, weil sich der Vorsitzende mit dem Staatsanwalt "immer einig" sei - sehr ungewöhnlich erscheint und forensischer Erfahrung nicht entspricht, kommt es daher nicht mehr an.

2. Die auf Grund der Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils hat weder im Schuldspruch noch im Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Ebenso wenig stellt es den Bestand des Urteils in Frage, dass die Strafkammer davon abgesehen hat, den Angeklagten gemäß § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt unterzubringen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beschwert es den Angeklagten grundsätzlich nicht, wenn keine Maßregel gemäß § 64 StGB gegen ihn verhängt wird (vgl. zuletzt m.w.N.). Die insoweit nicht näher begründete gegenteilige Auffassung der Revision gibt dem Senat zu einer anderen Beurteilung keine Veranlassung. Eine Fallgestaltung, bei der trotz fehlender Beschwer des Angeklagten auf seine Revision eine Aufhebung des Urteils wegen einer zu Unrecht unterlassenen Unterbringung gemäß § 64 StGB in Betracht kommen kann (BGHSt 37, 5, 9 f.), liegt auch unter Berücksichtigung des gesamten auf die unterbliebene Unterbringung bezogenen Revisionsvorbringens nicht vor. Ebenso wie schon der hierzu gehörte Sachverständige ist auch die Strafkammer bei der Prüfung und Verneinung der Notwendigkeit einer Unterbringung von zutreffenden Maßstäben ausgegangen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
BAAAC-73956

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