Rüge mangelnder Sachaufklärung; Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 76
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Die fachkundig vertretenen Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die von ihnen geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebotenen Art und Weise dargelegt.
1. Die Rüge der Kläger, das Finanzgericht (FG) hätte den Sachverhalt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens weiter aufklären müssen, ist unbeachtlich.
a) Wird eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG in Form eines Verstoßes gegen den Grundsatz der unmittelbaren Beweisaufnahme geltend gemacht, gehört zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Verfahrensmangels auch der Vortrag, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2004, 217). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz nach § 76 Abs. 1 FGO einschließlich des Prinzips der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter —ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge— verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust zur Folge.
Die Kläger haben weder substantiiert dargelegt noch ist aus dem Sitzungsprotokoll des FG ersichtlich, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem FG Beweisanträge zu Protokoll erklärt und die unterlassene Beweisaufnahme gerügt haben. Ausweislich des Sitzungsprotokolls sind außer den Sachanträgen keine weiteren Anträge —also auch keine Beweisanträge— gestellt worden.
b) Soweit die Kläger mit der Rüge mangelnder Sachaufklärung geltend machen, das FG hätte auch unabhängig von einem entsprechenden Beweisantrag von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) eine Beweisaufnahme durchführen müssen, wären für eine schlüssige Verfahrensrüge u.a. Ausführungen dazu erforderlich gewesen, aus welchen Gründen sich dem FG unter Berücksichtigung seines Rechtsstandpunktes die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2005, 43, m.w.N.).
Der Vortrag der Kläger genügt diesen Anforderungen nicht. Vielmehr wird aus ihrem Vortrag deutlich, dass aus der maßgeblichen Sicht des FG kein Gutachten darüber eingeholt werden musste, ob eine Excel-Datei im Nachhinein rückdatiert werden kann. Das FG hat seine Entscheidung, dass die Kläger ihre Investitionsabsicht zum anhand der eingereichten Unterlagen nicht nachweisen konnten, nämlich nicht auf eine mögliche Rückdatierung des Rücklagenverzeichnisses, sondern darauf gestützt, dass dieses jedenfalls am geändert worden sei.
2. Die Kläger rügen weiter, das angefochtene Urteil beruhe auf der Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung habe das Gericht nicht darauf hingewiesen, der zeitliche Ablauf deute darauf hin, dass die Kläger erst durch das Schreiben des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) auf die notwendige Auflösung der im Jahr 1999 gebildeten Rücklage nach § 7g des Einkommensteuergesetzes (EStG) aufmerksam geworden seien und diese Auflösung sowie die sich hieraus ergebende Verzinsung durch die erneute Bildung einer Ansparrücklage hätten ausgleichen wollen. In der mündlichen Verhandlung habe sich das Gericht auch nicht dahingehend geäußert, das Rücklagenverzeichnis sei nicht schlüssig.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BFH liegt eine Überraschungsentscheidung und damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der alle oder einzelne Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen mussten (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 10, m.w.N.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt jedoch nicht, dass das Gericht die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend erörtert. Das Gericht ist grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet (Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 10a, m.w.N.). Auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, muss daher ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten (, Deutsches Verwaltungsblatt 1995, 34). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt erst dann vor, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter —selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen— nicht zu rechnen brauchte, so dass dies im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags gleichkommt (BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvR 1274/92, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1999, 3326; vom 1 BvR 2285/02, NJW 2003, 2524, jeweils m.w.N. der Rechtsprechung).
b) Es kann dahingestellt bleiben, ob —bei Anwendung der unter 2. a dargestellten Grundsätze— das FG-Urteil den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör verletzt, obwohl bereits das FA die Bildung einer Rücklage nach § 7g EStG mit der Begründung verweigert hatte, die voraussichtlichen Investitionen seien innerhalb des Investitionszeitraums von zwei Jahren nicht hinreichend konkretisiert und buchmäßig in der Gewinnermittlung nachgewiesen worden. Die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nur dann ordnungsgemäß vorgebracht, wenn der Beschwerdeführer darlegt, was er vorgetragen hätte, wenn sein Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt worden wäre und dass bei Berücksichtigung dieses zusätzlichen Vortrags eine andere Entscheidung des FG in der Sache möglich gewesen wäre (Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 14, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH). Daran haben es die Kläger fehlen lassen.
3. Auch die weitere Rüge der Kläger, das FG habe trotz ihres Hinweises auf die vom FA nicht vorgelegten Akten der Außenprüfung diese nicht beigezogen, kann nicht zur Zulassung der Revision führen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob —das FA verneint in der Beschwerdeerwiderung diese Frage— die steuerlich erheblichen Sachverhalte der Kläger im Streitjahr 2001 im Rahmen einer Außenprüfung geprüft worden sind. Die Kläger haben jedenfalls die Verletzung der in § 76 Abs. 1 FGO geregelten Pflicht des FG zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nicht schlüssig gerügt. In der Beschwerdebegründung fehlen substantiierte Angaben u.a. darüber, inwiefern die Vorlage der Akten der Außenprüfung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und inwiefern das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensmangel beruht, es also ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre (vgl. dazu Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 49).
4. Ebenso wenig haben die Kläger schlüssig dargelegt, dass eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
a) Zur schlüssigen Darlegung einer Abweichungsrüge muss der Beschwerdeführer u.a. tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus den behaupteten (genau —mit Datum sowie Aktenzeichen und/oder Fundstelle— bezeichneten) Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. z.B. , BFH/NV 2002, 1484; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 41 und 42, m.w.N.).
b) Daran fehlt es im Streitfall, weil die Kläger keinen bestimmten abstrakten und tragenden Rechtssatz aus der von ihnen erwähnten BFH-Entscheidung aufgezeigt haben, der von dem von ihnen herausgestellten Rechtssatz des angefochtenen FG-Urteils abweichen soll. Im Übrigen hat auch der Steuerpflichtige in dem der Entscheidung vom IV R 23/01 (BFHE 202, 250, BStBl II 2004, 187) zugrunde liegenden Streitfall den Gewinn —anders als die Kläger in der Beschwerdebegründung vorgetragen haben— nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Zudem ist den Klägern nach Überzeugung des FG der Nachweis, dass sie das Rücklagenverzeichnis am Ende des Wirtschafsjahres erstellt hatten, gerade nicht gelungen.
5. Im Kern erschöpft sich die Beschwerdebegründung der Kläger —nach Art einer Revisionsbegründung— in Ausführungen darüber, dass und warum das FG den Streitfall unrichtig entschieden habe. Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen jedoch für sich gesehen grundsätzlich nicht die Zulassung der Revision (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24, m.w.N.).
Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn das angefochtene Urteil derart schwerwiegende Fehler bei der Auslegung revisiblen Rechts aufweist, dass die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. z.B. , BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837; ferner Lange, Deutsche Steuer-Zeitung 2002, 782, 784).
Dass das angefochtene Urteil derart gravierende Mängel enthalte, haben die Kläger weder ausdrücklich behauptet noch konkludent —in schlüssiger Form— vorgetragen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 608 Nr. 4
FAAAC-72585