Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 296 Abs. 2; ZPO § 519 Abs. 2; ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 531 Abs. 1
Instanzenzug: LG Koblenz, 3 O 89/01 vom OLG Koblenz, 1 U 379/06 vom
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer des Hauses A. Straße 4-6 in K. . Im Jahre 1994 führte dort die Beklagte zu 2 im Auftrag der erstbeklagten Verbandsgemeinde Kanalbauarbeiten durch. 1995 stellte der Kläger Risse an seinem Haus und 1999 ein starkes Absenken des Gebäudes und des Bürgersteiges fest. Mit der Behauptung, ursächlich hierfür seien Fehler bei den Kanalarbeiten, nimmt der Kläger die beiden Beklagten gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz in Höhe von zuletzt 51.685,34 € wegen Sanierungsmaßnahmen in Anspruch. Außerdem hat er die Feststellung begehrt, dass die Beklagten auch zur Erstattung der Kosten für die weiteren Schadensbeseitigungsarbeiten an seinem Haus im Zusammenhang mit den Kanalbauarbeiten 1994 verpflichtet seien.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In seiner Berufungsschrift hat der Kläger nur die Beklagte zu 1 als "Beklagte zu 1 und Berufungsbeklagte zu 1" bezeichnet, während die Beklagte zu 2 und der Streithelfer der Beklagten lediglich mit den Ordnungsnummern 2 und 3 angeführt sind, bei ihnen aber jegliche Parteirollen fehlen. Das Berufungsgericht hat durch Teilurteil unter Zurückweisung des vom Kläger gestellten Wiedereinsetzungsantrags die Berufung als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2 richte, und hat im Übrigen (Beklagte zu 1) das Rechtsmittel hinsichtlich des bezifferten Zahlungsantrags als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision.
Gründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
A. Beklagte zu 2
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die gegen die Beklagte zu 2 geführte Berufung unzulässig, weil aus der Berufungsschrift nicht hinreichend deutlich werde, dass sich das Rechtsmittel auch gegen die Beklagte zu 2 richten solle. Deren Einbeziehung ergebe sich erstmals eindeutig aus der späteren Berufungsbegründung. Mit der Einlegung der Berufung sei aber dem Berufungsgericht und dem Rechtsmittelgegner Klarheit über den Gegenstand und die Beteiligten des Rechtsmittelverfahrens zu verschaffen. Auch unter Anwendung eines großzügigen Maßstabs sei eine Berufung dann, wenn in der Berufungsschrift ein gegnerischer (einfacher) Streitgenosse als Berufungsbeklagter bezeichnet werde, der andere dagegen nicht, das Rechtsmittel gegenüber dem nicht Bezeichneten unzulässig, wenn Zweifel an dessen Inanspruchnahme als Rechtsmittelbeklagter verblieben. So liege es hier. In der Berufungsschrift sei allein die Beklagte zu 1 als Rechtsmittelgegnerin bezeichnet. Die Beklagte zu 2 sei ebenso wie der Streitverkündete (richtig: Streithelfer) ohne nähere Bezeichnung unter den nachfolgenden Ordnungsnummern aufgelistet. Gerade durch die gleichartige Bezeichnung der Beklagten zu 2 und des Streitverkündeten, der nicht Rechtsmittelgegner sein könne, ergäben sich erhebliche Zweifel, ob sich die Berufung auch gegen die Beklagte zu 2 richten solle. Diese Zweifel ließen sich auch unter Berücksichtigung des erstinstanzlichen Verfahrens (die Verfahrensakte sei bereits innerhalb der Berufungsfrist übersandt worden) nicht klären. Denn für die beiden erstinstanzlich Beklagten komme eine deutlich unterschiedliche Haftung in Betracht. Gegen die Versäumung der Berufungsfrist sei dem Kläger auch keine Wiedereinsetzung zu gewähren.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Richtig ist, dass den Anforderungen des § 519 Abs. 2 ZPO nur dann genügt ist, wenn bei der Einlegung der Berufung aus der Berufungsschrift sowohl der Rechtsmittelkläger als auch der Rechtsmittelbeklagte erkennbar sind oder doch jedenfalls bis zum Ablauf der Berufungsfrist eindeutig erkennbar werden. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die Berufung unzulässig (st. Rspr.; vgl. BGHZ 21, 168, 170 ff.; 65, 114, 115; 113, 228, 230; - NJW-RR 2007, 413, 414 Rn. 8; jeweils m.w.N.). An die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners sind indessen jedenfalls in denjenigen Fallgestaltungen, in denen der in der Vorinstanz obsiegende Gegner aus mehreren Streitgenossen bestand, keine strengen Anforderungen zu stellen. Unter solchen Umständen richtet sich das Rechtsmittel im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung, d.h. gegen alle gegnerischen Streitgenossen. Etwas anderes gilt nur, wenn die Rechtsmittelschrift eine Beschränkung der Anfechtung erkennen lässt ( - NJW 1969, 928 f.; Urteil vom - VI ZR 245/81 - VersR 1983, 984, 985; Urteil vom - XI ZR 214/92 - NJW 1994, 512, 514 unter B II 1, insoweit in BGHZ 124, 151 nicht abgedruckt; Urteil vom - VII ZR 65/01 - NJW 2002, 831, 832; Beschluss vom - II ZB 5/05 - NJW-RR 2006, 1569, 1570 Rn. 9). Das stellt auch das vom Berufungsgericht für seine Rechtsauffassung angeführte Urteil des V. Zivilsenats vom (V ZR 233/01 - NJW 2003, 3203, 3204) nicht in Frage.
2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist im Streitfall davon auszugehen, dass die Berufung des Klägers nicht nur gegen die Beklagte zu 1, sondern auch gegen die Beklagte zu 2 gerichtet war. In der Berufungsschrift ist die erstbeklagte Verbandsgemeinde als "Beklagte zu 1 und Berufungsbeklagte zu 1" bezeichnet, während bei der Beklagten zu 2 und dem Streithelfer jegliche Parteibezeichnungen fehlen. Schon aus diesem Grunde musste sich, was die Beklagte zu 2 betrifft, ein bloßes Versehen des Klägers aufdrängen. Mit dem sich denknotwendig anschließenden, jedoch ausgelassenen "Beklagten zu 2 und Berufungsbeklagten zu 2" konnte, wie das Berufungsgericht selbst erkennt, nur die Beklagte zu 2 gemeint sein. Hinzu kommt, dass sowohl das Berufungsgericht als auch die Parteien zunächst die Berufung des Klägers in diesem Sinne als uneingeschränkte Anfechtung verstanden und damit die Richtigkeit einer solchen objektiven Auslegung bestätigt haben. Zu einer geänderten Rechtsansicht kam das Berufungsgericht erst nach einem Wechsel in der Besetzung.
3. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht deswegen die Berufung des Klägers, soweit sie gegen die Beklagte zu 2 gerichtet war, als unzulässig verworfen. Auf den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers kommt es nicht an.
B. Beklagte zu 1
Auch die Teilabweisung der Klage als unbegründet gegenüber der Beklagten zu 1 ist von Verfahrensfehlern beeinflusst.
I.
Das Berufungsgericht hat es insoweit im Anschluss an das Landgericht und unter Bezugnahme auf dessen Begründung als nicht nachgewiesen angesehen, dass diejenigen Schäden, die der Kläger in den Jahren 1999/2000 reparieren ließ und deren Ersatz er nunmehr mit dem Leistungsantrag begehre, auf die Kanalbauarbeiten des Jahres 1994 zurückzuführen seien. Die Angriffe des Klägers gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts begründeten keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hatte über den Kausalzusammenhang umfangreich Beweis erhoben und unter anderem zu der Frage, ob wegen nicht oder nicht in dem erforderlichen Umfang eingebauter Sperrriegel eine Drainagewirkung entstanden sei, ein hydrogeologisches Gutachten sowie ein Ergänzungsgutachten des Sachverständigen C. eingeholt und ihn auch mündlich angehört. Er kam zu dem Ergebnis, die Schäden am Gebäude des Klägers seien hauptsächlich durch die schlechten Baugrundverhältnisse und nachrangig vermutlich auch durch Grundwasserabsenkungen verursacht. Hiergegen hatte der Kläger mit Schriftsatz vom Einwände erhoben und unter Hinweis auf zwei von ihm gleichzeitig vorgelegte Privatgutachten behauptet, aufgrund der Drainagewirkung des Kanals sei es zu einer Änderung der Grundwasserfließrichtung und zu einem Absinken des Grundwasserspiegels um ca. 50 cm seit den Bauarbeiten gekommen. Je nach den Witterungsverhältnissen sinke das Grundwasser in den Bereich des nicht tragfähigen Bachlehms ab, was Setzungen hervorrufe. Wegen der besonders fließgefährdeten Bodenstruktur sei ein dicht schließendes und kraftschlüssiges Verbausystem notwendig gewesen, um Setzungsbewegungen durch Bodenverluste zu verhindern, zumindest aber der Einbau von Sperrriegeln. Der Kläger hat sodann im nachgelassenen Schriftsatz vom den Beweisantrag gestellt, eine jahreszeitliche Messung des Grundwasserspiegels zur Feststellung von Grundwasserschwankungen vorzunehmen. Dieses Vorbringen hat das Landgericht für verspätet (§ 296 Abs. 2 ZPO) und zugleich für unerheblich gehalten. Beide Privatgutachten stützten sich auf Sachvortrag, den der Kläger unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes und der Prozessförderungspflicht schon früher hätte in das Verfahren einführen können und müssen (§ 282 ZPO). Selbst wenn man jedoch den Vortrag als rechtzeitig ansähe, wäre den weiteren Beweisangeboten nicht nachzugehen. Die Ausführungen des Klägers stellten einen Ausforschungsbeweis dar, da es hierfür an tatsächlichen Anhaltspunkten fehle.
II.
Der Revision ist zuzugeben, dass es für die Zurückweisung der nachträglichen Beweisanträge an einer rechtlichen Grundlage fehlt. Infolgedessen durfte das Berufungsgericht auch die vom Landgericht festgestellten Tatsachen nicht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 531 Abs. 1 ZPO seiner Entscheidung zugrunde legen.
1. Für eine Zurückweisung nach dem vom Landgericht herangezogenen § 296 Abs. 2 ZPO reicht ein - auch schuldhafter - Verstoß gegen die Prozessförderungspflicht (§ 282 Abs. 1 ZPO) allein nicht aus. Die Verspätung muss vielmehr auf grober Nachlässigkeit beruhen. Hierzu fehlen jegliche Feststellungen. Das Rechtsmittelgericht darf eine fehlerhafte Zurückweisung auch nicht auf eine andere Vorschrift stützen ( - NJW 1992, 1965; Urteil vom - XII ZR 23/03 - NJW-RR 2005, 1007, 1008 m.w.N.).
2. Darüber hinaus rügt die Revision zu Recht, dass die Vorinstanzen das ergänzende Vorbringen des Klägers zum Ursachenzusammenhang zwischen Kanalbau und Gebäudeschäden und seine weiteren Beweisanträge nicht als unbeachtlichen Ausforschungsbeweis würdigen durften. Eine unzulässige Ausforschung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vor, wenn eine Prozesspartei mangels der lediglich bei einem Sachkundigen vorhandenen Kenntnis von Einzeltatsachen nicht umhin kann, nur vermutete Angaben als Behauptung in den Rechtsstreit einzuführen ( - NJW 1995, 1160, 1161; vom - X ZR 19/98 - NJW 2000, 2812, 2813 f. und vom - V ZR 359/01 - NJW-RR 2003, 491; ebenso etwa Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 28. Aufl., § 284 Rn. 3; jeweils m.w.N.). So verhält es sich auch hier. Mangels näherer Kenntnisse über die geologischen und physikalischen Zusammenhänge zwischen den Bauarbeiten, der Grundwasserführung und den aufgetretenen Rissen und Senkungen am Gebäude war vom Kläger ohne sachverständige Hilfe eine substantiierte Darstellung nicht zu erwarten (vgl. BGHZ 164, 330, 335). Warum es überdies nunmehr, nachdem der Kläger zwei von ihm eingeholte Privatgutachten vorgelegt hatte, immer noch an hinreichenden Anknüpfungstatsachen für eine Beweiserhebung fehlen sollte, erschließt sich nicht und wird von den Vorinstanzen auch nicht näher begründet. Andere Bedenken gegen die Zulässigkeit des Klagevorbringens wie der weiteren Beweisanträge sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.
3. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung dieses Vortrags anders entschieden hätte und dass das Teilurteil somit auf diesen Verfahrensfehlern beruht.
C.
Infolge dessen kann das Berufungsurteil insgesamt nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben und der Rechtsstreit in dem in die Revisionsinstanz gelangten Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
ZAAAC-72480
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein