Leitsatz
Die Krankenkasse hat dem Heilmittelerbringer eine Leistung auch dann zu vergüten, wenn ein medizinisch notwendiges, aber genehmigungsbedürftiges Heilmittel verordnet worden ist und die Krankenkasse die ihr vorgelegte, vom Vertragsarzt nicht als Abweichung vom genehmigungsfreien Regelfall gekennzeichnete Verordnung auf Anfrage des Versicherten als nicht genehmigungsbedürftig bezeichnet hat.
Gesetze: SGB V § 27 Abs 1 S 2 Nr 3; SGB V § 32 Abs 1; SGB V F: § 69 S 3 ; SGB V F: § 69 S 4 ; SGB V § 92 Abs 1 S 2 Nr 6; SGB V § 125 Abs 1; HeilMRL Teil I Abschn II Nr 11.5; BGB § 611 Abs 1; BGB § 286; BGB § 288
Instanzenzug: SG Darmstadt, S 13 KR 176/03 vom LSG Darmstadt, L 8 KR 23/06 vom
Gründe
I
Streitig ist die Vergütung einer krankengymnastischen Behandlung.
Die Kläger betreiben gemeinschaftlich eine physiotherapeutische Praxis und sind gemäß § 124 SGB V zur Versorgung der Versicherten der beklagten Krankenkasse mit physiotherapeutischen Leistungen zugelassen. Am verordnete ein Vertragsarzt einer Versicherten, die ein künstliches Kniegelenk erhalten hatte, "zehnmal stabilisierende Krankengymnastik einzeln, zweimal wöchentlich - Doppelstunden erforderlich". Als Diagnose wurde eine "Knie-TEP links" und als Therapieziel "Beseitigen der Gelenkfunktionsstörungen, Schmerzreduktion" angegeben. Ferner war "2. Folgeverordnung" in der Rubrik "Verordnung nach Maßgabe des Kataloges (Regelfall)" angekreuzt. Die Rubriken "Verordnung außerhalb des Regelfalls" und "Medizinische Begründung bei Verordnungen außerhalb des Regelfalls" enthielten keine Eintragungen. Diese Heilmittelverordnung legte die Versicherte auf Rat der Kläger der Beklagten zur Genehmigung vor, die der Versicherten daraufhin mit Schreiben vom mitteilte, die Verordnung müsse nicht genehmigt werden. Die Kläger führten in der Zeit vom 31.8. bis zum die verordneten 10 Doppelbehandlungen Krankengymnastik (= 20 Einheiten) durch und stellten der Beklagten hierfür einen Betrag von 521 DM (jetzt: 266,38 Euro) in Rechnung.
Mit Schreiben vom lehnte die Beklagte die Begleichung der Rechnung ab, weil die Verordnung keine Leitsymptomatik angebe und nach dem Indikationenkatalog nur maximal 10, nicht aber 20 Leistungen abrechenbar seien. Nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt wurde die Verordnung um die Leitsymptomatik "Bewegungsstörung" ergänzt. Die Beklagte lehnte die Vergütung der Behandlungen dennoch weiterhin ab.
Im Klageverfahren haben die Kläger geltend gemacht, der Arzt habe ausdrücklich zehn Doppelstunden Krankengymnastik verordnet, weil dies medizinisch notwendig gewesen sei. Ein Arzt sei nach den Heilmittelrichtlinien (HMR) auch berechtigt, im Einzelfall aus medizinischen Gründen von den dort vorgesehenen "Regelfällen" abzuweichen, und müsse sich dabei lediglich im Rahmen der nach den HMR grundsätzlich verordnungsfähigen Leistungen bewegen, was hier geschehen sei. Einem Physiotherapeuten stehe kein Recht zur Prüfung der Notwendigkeit einer ärztlich angeordneten Maßnahme zu. Außerdem habe die Beklagte erklärt, dass die ihr zur Genehmigung vorgelegte Verordnung nicht genehmigt werden müsse.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und meint, nach § 2 der ab geltenden "Vereinbarung über Vergütungssätze für physiotherapeutische Leistungen (Krankengymnastik und physikalische Therapie) durch Krankengymnasten/Physiotherapeuten, Masseure, Masseure und medizinische Bademeister in Hessen" vom (im Folgenden: Vergütungsvereinbarung) entstehe der Vergütungsanspruch nur, wenn der Physiotherapeut die Leistungen aufgrund einer gültigen vertragsärztlichen Verordnung erbringe, woran es hier fehle. Die Überprüfung einer Verordnung durch den Leistungserbringer greife nicht in die vertragsärztliche Behandlungsfreiheit ein, sondern habe lediglich zur Folge, dass sich der Leistungserbringer mit dem verordnenden Arzt in Verbindung setzen müsse. Im Übrigen könne aus ihrer "Kurzmitteilung" vom über die nicht bestehende Genehmigungsbedürftigkeit der Verordnung keine Genehmigung der Behandlung abgeleitet werden.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom ). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufungen der Kläger zurückgewiesen (Urteil vom ). Es hat ausgeführt, nach § 2 Vergütungsvereinbarung sei der Vergütungsanspruch nicht entstanden, weil die vertragsärztliche Verordnung vom nicht gültig gewesen sei. Die Kläger hätten die Leistungen nur dann ohne Genehmigung der Beklagten erbringen dürfen, wenn maximal 10 Therapieeinheiten verordnet worden wären, also nach den HMR ein - genehmigungsfreier - "Regelfall" vorgelegen hätte. Die verordneten 10 Doppelstunden entsprächen aber 20 Therapieeinheiten, sodass die Verordnung als Ausnahmefall ("Verordnung außerhalb des Regelfalles") hätte gekennzeichnet werden und eine medizinische Begründung für die Abweichung vom Regelfall hätte enthalten müssen, was jedoch nicht der Fall gewesen sei. Die Pflicht der Leistungserbringer, ihnen vorgelegte vertragsärztliche Verordnungen auf ihre Gültigkeit zu überprüfen, ergebe sich aus den Regelungen der Vergütungsvereinbarung; ein Verstoß gegen höherrangiges Recht sei nicht ersichtlich. Der Vergütungsanspruch sei hier auch nicht dadurch entstanden, dass die Beklagte eine Vergütung im Einzelfall zugesagt habe. Das Schreiben der Beklagten vom habe sich nur an die Versicherte und nicht an die Leistungserbringer gerichtet.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 125 SGB V, § 69 SGB V iVm § 611 BGB). Als Leistungserbringer seien sie nur verpflichtet gewesen, die Verordnung auf ihre Genehmigungsfreiheit bzw Genehmigungsbedürftigkeit hin zu überprüfen, was auch geschehen sei. Im Übrigen habe die Beklagte mit dem Schreiben vom die verordnete krankengymnastische Behandlung selbst als nicht genehmigungsbedürftigen Regelfall eingestuft. Deshalb sei der Beklagten auch ihnen gegenüber die Berufung auf Einwände gegen die Gültigkeit der Verordnung verwehrt.
Die Kläger beantragen,
die Urteile des Hessischen und des SG Darmstadt vom zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 266,38 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem zu zahlen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.
II
Die Revisionen der Kläger sind begründet. Ihnen steht ein Vergütungsanspruch in Höhe von 521 DM bzw 266,38 Euro (20 x 26,05 DM = 521 DM) nebst Zinsen gegen die Beklagte für die krankengymnastische Behandlung der Versicherten mit 20 Therapieeinheiten in 10 Doppelstunden in der Zeit vom 31.8. bis zum zu. Die Vorinstanzen haben den Vergütungsanspruch zu Unrecht verneint.
1) Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Die Kläger verfolgen ihr Begehren zulässigerweise durch allgemeine Leistungsklagen nach § 54 Abs 5 SGG. Zwischen den Beteiligten besteht im Rahmen der Versorgung der Versicherten mit Heilmitteln in Form krankengymnastischer Behandlungen (§ 32 SGB V) ein Gleichordnungsverhältnis, weil § 125 SGB V sowohl in der hier noch maßgeblichen, bis zum geltenden Fassung des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes vom (BGBl I 1520) als auch in den späteren Fassungen des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom (BGBl I 2190) sowie des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) vom (BGBl I 378, gültig ab ) eine vertragliche Regelung der Beziehungen zwischen Krankenkassen und zugelassenen Heilmittelerbringern (§ 124 SGB V) vorsieht, zu denen die Kläger bei der Versorgung der Versicherten mit Leistungen der Physiotherapie gehören. Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht.
2) In der Sache haben die Revisionen der Kläger Erfolg. Die Entscheidungen der Vorinstanzen verstoßen gegen Bundesrecht (§ 162 SGG). Die Kläger machen zu Recht einen Vergütungsanspruch für die streitige krankengymnastische Behandlung der Versicherten gegen die Beklagte geltend. Die Vergütungsansprüche beruhen auf einem öffentlich-rechtlichen, als Dienstvertrag einzustufenden Behandlungsvertrag (BSGE 77, 219 = SozR 3-2500 § 124 Nr 3) nach § 69 SGB V iVm § 611 BGB. Rechtsgrundlagen des Vergütungsanspruchs sind § 611 BGB iVm § 125 SGB V und § 2 Vergütungsvereinbarung sowie die "Gemeinsamen Rahmenempfehlungen gemäß § 125 Abs 1 SGB V über die einheitliche Versorgung mit Heilmitteln" vom (im Folgenden: Rahmenempfehlungen). Die Anwendung der Bestimmungen des "jeweils gültigen Rahmenvertrages" einschließlich aller etwaigen Nachträge sowie der jeweils gültigen Vergütungsvereinbarungen haben die Klägerin zu 1) am und der Kläger zu 2) am in "Verpflichtungsscheinen" erklärt. Die vertragsärztliche Verordnung ist nach § 2 Nr 1 Satz 2 Vergütungsvereinbarung nur gültig gemäß den jeweils geltenden HMR nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V und deren Anlagen. Die Rahmenempfehlungen regeln nach § 1 Abs 1 die "Sicherstellung einer wirksamen und wirtschaftlichen ambulanten Versorgung mit Heilmitteln" ebenfalls "unter Berücksichtigung der jeweils geltenden HMR". Damit sind die - ab geltenden - HMR vom auch für die Kläger als Leistungserbringer verbindlich. Für die Versicherten, die Krankenkassen, die Krankenhäuser und die an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer sind die HMR bereits nach § 91 Abs 9 SGB V verbindlich. Gemäß § 2 Ziffer 4 der Vergütungsvereinbarung werden Leistungen von der Krankenkasse nur vergütet, wenn sie entsprechend den Abgabebedingungen dieser Vereinbarung und den jeweils gültigen Gemeinsamen Rahmenempfehlungen gemäß § 125 Abs 1 SGB V über die einheitliche Versorgung mit Heilmitteln einschließlich der zugehörigen Anlagen erbracht werden.
a) Mit der Neufassung des § 69 SGB V durch Art 1 Nr 26 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) vom (BGBl I 2626) hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern ab dem ausschließlich öffentlichem Recht unterliegen (vgl BSGE 89, 24 = SozR 3-2500 § 69 Nr 1). Jedoch ordnet § 69 Satz 3 SGB V (ab inhaltsgleich § 69 Satz 4 SGB V) die entsprechende Anwendung der Vorschriften des Zivilrechts an, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem 4. Kapitel des SGB V (§§ 69 bis 140h SGB V) vereinbar sind. Die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den zugelassenen Heilmittelerbringern (§ 124 SGB V) sind daher ab 2000 sowohl bezüglich des allgemeinen Versorgungsvertrages (§ 125 SGB V) als auch bezüglich der in jedem Einzelfall abzuschließenden Behandlungsverträge (Dienstverträge) öffentlich-rechtlich geprägt. Die Vergütungsansprüche der Kläger gegen die Beklagte gründen sich daher nicht unmittelbar auf § 611 Abs 1 BGB, sondern nur auf die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift im Leistungserbringerrecht (§ 69 SGB V).
b) Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung umfasst ua die Versorgung mit Heilmitteln (§ 27 Abs 1 Nr 3 SGB V), und zwar nach Maßgabe des § 32 SGB V. Dieser Versorgungsanspruch ist von der Krankenkasse prinzipiell in Form einer Sachleistung (§ 2 Abs 2 Satz 1 SGB V) zu erbringen, wobei die Versicherten nach § 32 Abs 2 iVm § 61 Satz 3 SGB V in der Regel eine Zuzahlung zu leisten haben. Die Zuzahlung steht der Krankenkasse zu, ist aber vom Heilmittelerbringer einzuziehen (§ 43b Abs 1, § 61 Satz 4 SGB V). Im vorliegenden Fall war die Versicherte von Zuzahlungen befreit (§ 62 SGB V); sie hat demgemäß auch keine Zuzahlung entrichtet.
c) Ein Heilmittel-Behandlungsvertrag zwischen dem Leistungserbringer und der Krankenkasse kommt dadurch zustande, dass dem Leistungserbringer nach Maßgabe der vertragsärztlichen Verordnung ein Angebot der Krankenkasse zu einer bestimmten Heilmittelabgabe unterbreitet wird und der Leistungserbringer das Vertragsangebot durch Entgegennahme der Verordnung zwecks Behandlungsbeginn annimmt (§§ 145 ff BGB). Da die Krankenkasse dabei in aller Regel nicht selbst mit dem Leistungserbringer in Kontakt tritt, muss sie bei Abgabe des Angebots durch einen Bevollmächtigten vertreten werden (§ 164 BGB). Wie der erkennende Senat bereits mehrfach entschieden hat, wird die Krankenkasse im Heilmittelbereich bei der Konkretisierung des Hilfsmittelanspruchs durch den Vertragsarzt vertreten, dessen vertragsärztliche Verordnung das Angebot verkörpert (BSG SozR 3-2500 § 19 Nr 2; BSGE 73, 271, 277 = SozR 3-2500 § 13 Nr 4), während der Versicherte als Überbringer der Verordnung als Bote fungiert, selbst aber Vertreter ist, soweit er den Leistungserbringer auswählt (§ 6 Abs 1 Rahmenempfehlungen; ebenso BSGE 94, 213 = SozR 4-5570 § 30 Nr 1 für die Versorgung mit Arzneimitteln).
aa) Der Umfang der Vertretungsmacht des Vertragsarztes hängt dabei davon ab, ob sich die Krankenkasse die Zustimmung zu der verordneten Heilmittelbehandlung vorbehalten hat oder nicht. Bei vertragsärztlichen Verordnungen, die einen "Regelfall" iS der HMR darstellen, bedarf es keiner zusätzlichen Genehmigung der Krankenkasse, um die Leistungen zu Lasten der Krankenkasse an den Versicherten abzugeben (§ 18 Rahmenempfehlungen iVm Teil I Abschnitt II Nr 11 HMR). Ein Regelfall geht danach von der Vorstellung aus, dass mit dem der Indikation zugeordneten Heilmittel und den entsprechenden Verordnungsmengen das angestrebte Therapieziel typischerweise erreicht werden kann. Eine Heilmittelverordnung im Regelfall liegt dann vor, wenn die Auswahl zwischen den im jeweiligen Abschnitt des Heilmittelkataloges angegebenen Heilmitteln getroffen und die dort für eine bestimmte Diagnose/Leitsymptomatik festgelegte Verordnungsmenge nicht überschritten wird. Heilmittelverordnungen außerhalb des Regelfalls sind - bis auf die in den Richtlinien genannten Ausnahmen - nicht zulässig (Teil I Abschnitt II Nr 11.1 Abs 1 HMR). Verordnet ein Vertragsarzt aus medizinischen Gründen eine den Regelfall überschreitende, aber als Ausnahme nach den HMR zugelassene umfangreichere Behandlung, hat er auf der Verordnung dafür eine besondere Begründung, ggf mit prognostischer Einschätzung, abzugeben (Teil I Abschnitt II Nr 11.1 und 11.4 HMR). Solche begründungspflichtigen Verordnungen sind der zuständigen Krankenkasse vor Fortsetzung der Therapie zur Genehmigung vorzulegen. Verzichtet die Krankenkasse auf die Vorlage für bestimmte Ausnahmefälle, hat sie darüber die Kassenärztlichen Vereinigungen (KÄVen) schriftlich zu informieren (Teil I Abschnitt II Nr 11.5 HMR).
bb) Eine vertragsärztliche Verordnung kann nach § 2 Nr 1 Satz 2 Vergütungsvereinbarung allerdings nur dann die Zahlungspflicht der Krankenkasse auslösen, wenn sie gültig ist. Danach ist die Verordnung nur gültig "gemäß den jeweils geltenden HMR und deren Anlagen". Dies bezieht sich insbesondere auf Teil VI der HMR, der den Inhalt und die Durchführung der Heilmittelverordnung regelt, und wird konkretisiert in § 18 Abs 1 Rahmenempfehlungen: "Diagnose, Leitsymptomatik, ggf Spezifizierung des Therapieziels, Art, Anzahl und ggf Frequenz der Leistungen ergeben sich aus der vom Vertragsarzt ausgestellten Verordnung. Die vertragsärztliche Verordnung kann ausgeführt werden, wenn diese für die Behandlung erforderlichen Informationen enthalten sind. Zur Abgabe dieser Leistungen ist der zugelassene Heilmittelerbringer dann entsprechend der Leistungsbeschreibung (vgl § 8) berechtigt und verpflichtet". Die vertragsärztliche Verordnung kann also nicht in jedem Fall, sondern nur bei Erfüllung der in § 18 Abs 1 Rahmenempfehlungen festgelegten formellen Voraussetzungen als wirksame Verkörperung des Vertragsangebots der Krankenkasse angesehen werden. Dabei müssen diese Angaben grundsätzlich schon bei Beginn der Behandlung in der Verordnung aufgeführt sein, während die dort nicht gesondert aufgeführten Angaben, die nach Teil I Abschnitt VI HMR gemacht werden müssen, grundsätzlich nachholbar sind. Ist die Verordnung nicht vollständig oder unklar ausgefüllt, hat der Leistungserbringer sich unverzüglich mit dem Vertragsarzt in Verbindung zu setzen, um eine die Anforderungen des § 18 Abs 1 Rahmenempfehlungen erfüllende Verordnung herbeizuführen (vgl Teil VI und VII HMR).
cc) Weitere Gültigkeitsvoraussetzungen für eine vertragsärztliche Versorgung ergeben sich aus § 2 Nr 2 und 3 Vergütungsvereinbarung.
Nach § 2 Nr 2 Vergütungsvereinbarung sind die dort im Einzelnen aufgeführten Leistungen nur dann abrechnungsfähig, wenn auf der ärztlichen Verordnung auch die entsprechende Behandlungstechnik (Bobath-Kinder, Vojta-Kinder und Bobath, Vojta, PNF) angegeben ist. Ein solcher Behandlungsfall lag hier nicht vor.
Nach § 2 Nr 3 Vergütungsvereinbarung dürfen Leistungen aufgrund von Langfrist- und Folgeverordnungen (begründungspflichtige Verordnungen) nur dann abgerechnet werden, wenn diese Verordnungen entsprechende Kostenübernahmeerklärungen der Krankenkasse enthalten, "falls die einzelne Krankenkasse nicht darauf verzichtet hat". Dies bezieht sich auf die bereits erwähnte Regelung der HMR (Teil I Abschnitt II Nr 11.5), wonach begründungspflichtige Verordnungen der zuständigen Krankenkassen vor Fortsetzung der Therapie grundsätzlich zur Genehmigung vorzulegen sind.
d) Mit dem Behandlungsbeginn am ist ein schwebend unwirksamer Behandlungsvertrag nach § 69 SGB V iVm § 611 BGB zwischen den Klägern und der Beklagten zustande gekommen. Die vertragsärztliche Verordnung vom verkörperte zu diesem Zeitpunkt noch kein wirksames Angebot der Beklagten, weil sie nicht den notwendigen Genehmigungsvermerk der Beklagten enthielt und deshalb noch nicht gültig war. Der weitergehende Einwand der Beklagten, der Vergütungsanspruch sei schon deshalb unbegründet, weil die vertragsärztliche Verordnung nach § 2 Nr 1 Vergütungsvereinbarung wegen unvollständiger bzw fehlerhafter Ausfüllung durch den Arzt nicht den HMR und deren Anlagen entspreche, greift indes nicht durch.
aa) Die in der Verordnung zunächst fehlende Angabe zur "Leitsymptomatik" ist von den Klägern nach Absprache mit dem Arzt um die Angabe "Bewegungsstörung" ergänzt worden, nachdem die Beklagte das Fehlen dieser Angabe im Abrechnungsverfahren bemängelt hatte (Schreiben vom ). Nach der Ergänzung durfte die Rechnung erneut eingereicht werden, wie auch schon im Beanstandungsschreiben vermerkt worden ist. Dieses Verfahren entspricht der "Protokollnotiz zu den Rahmenempfehlungen" vom , wonach die Partner der Rahmenempfehlungen sich darüber einig sind, dass in den ersten sechs Monaten nach Inkrafttreten der HMR für den Fall, dass ein Vertragsarzt hinsichtlich der Leitsymptomatik eine unvollständige Verordnung ausstellt, der Heilmittelerbringer in "einvernehmlicher Abstimmung" mit dem Arzt eine Ergänzung dieser Inhalte vornehmen kann (Protokollnotiz zu § 18). Die Angabe zur Leitsymptomatik durfte in der Übergangszeit bis zum , um die es hier geht, also zunächst fehlen, ohne dass die vertragsärztliche Verordnung deswegen ungültig wurde. Die Angabe musste auch nicht vor dem Beginn der Behandlung ergänzt werden, sondern konnte im Rahmen des Abrechnungsverfahrens noch nachgeholt werden.
bb) Die nach Teil I Abschnitt VI Nr 22 HMR ebenfalls erforderliche Angabe der "medizinischen Begründung bei Verordnungen außerhalb des Regelfalls" ist nach § 18 Abs 1 Rahmenempfehlungen kein notwendiger Bestandteil der Verordnung, der vor Beginn bzw Fortsetzung einer Behandlung vorhanden sein muss. Die Angabe ist lediglich eine Entscheidungshilfe für die Krankenkasse im Rahmen des Genehmigungsverfahrens bei "Ausnahmefällen". Im Genehmigungsverfahren hat die Krankenkasse umfassend zu prüfen, ob alle formellen und materiellen Voraussetzungen für die vom Versicherten beantragte Genehmigung vorliegen. Fehlen dazu notwendige Angaben, kann sie auf Ergänzung durch den Vertragsarzt bestehen und ggf ablehnen. Wird ohne die Ergänzung einer fehlenden Angabe die Genehmigung erteilt oder - wie hier - auf die genehmigungsfreie Durchführung der Behandlung als Sachleistung verwiesen, ist der Leistungserbringer berechtigt, auch ohne diese Angabe die Behandlung weiter als Sachleistung der Krankenkasse durchzuführen und abzurechnen. Die Krankenkasse ist im Abrechnungsverfahren mit allen Einwänden gegen die Gültigkeit einer Verordnung ausgeschlossen, die im Genehmigungsverfahren zum Versagen der Genehmigung hätten führen können, dort aber von der Krankenkasse nicht geltend gemacht worden sind (§ 242 BGB).
cc) Die unrichtige Einstufung der Verordnung durch den Vertragsarzt als Regelfall statt als Ausnahmefall, wie es hier in Form unrichtigen Ankreuzens geschehen ist, berührt die Gültigkeit der Verordnung ebenfalls nicht. Weder die HMR noch die Rahmenempfehlungen stufen eine derartige Verwechslung als Gültigkeitshindernis ein.
Die vertragsärztliche Verordnung vom ist somit lediglich deshalb "schwebend unwirksam" gewesen, weil sie nicht den für Ausnahmefälle nach Teil I Abschnitt II Nr 11.5 HMR und § 2 Nr 3 Vergütungsvereinbarung grundsätzlich erforderlichen Genehmigungsvermerk der Beklagten enthielt.
e) Der Behandlungsvertrag ist mit dem Schreiben der Beklagten vom rückwirkend rechtswirksam geworden, weil die vertragsärztliche Verordnung vom nunmehr ein wirksames Vertragsangebot der Beklagten darstellte, das die Kläger durch Entgegennahme der Verordnung und Fortsetzung der Behandlung angenommen haben. Die Gültigkeit der Verordnung ergibt sich daraus, dass die Beklagte durch ihr Schreiben vom auf die Genehmigung im Einzelfall gegenüber den Klägern als Leistungserbringer verzichtet hatte. Zwar war dieses Schreiben formell nur an die Versicherte gerichtet; die Beklagte wusste jedoch, musste jedenfalls aber als selbstverständlich davon ausgehen, dass die Versicherte diese Mitteilung - wie es dann auch geschehen ist - an den von ihr gewählten Leistungserbringer weiterleiten würde, dem die "Ungültigkeit" der Verordnung wegen der offensichtlichen Abweichung vom Regelfall aufgefallen war. Damit hat die Beklagte sowohl im Verhältnis zur Versicherten als auch im Verhältnis zu den Klägern auf den Genehmigungsvermerk als Gültigkeitsvoraussetzung der Verordnung verzichtet. Der Verzicht auf einen solchen Genehmigungsvermerk bzw die damit verkörperte Kostenübernahmeerklärung ist nach Teil I Abschnitt II Nr 11.5 HMR in genereller Form und nach § 2 Nr 3 Vergütungsvereinbarung - so hier - auch im Einzelfall zulässig. Durch den nachträglichen Verzicht auf den Genehmigungsvermerk als Gültigkeitsvoraussetzung ist die vertragsärztliche Verordnung als von Anfang an gültig zu behandeln, sodass der Behandlungsvertrag mit auf den Behandlungsbeginn () rückwirkende Kraft wirksam abgeschlossen werden konnte und die Kläger deshalb berechtigt waren, die krankengymnastischen Leistungen zu Lasten der Beklagten an die Versicherte abzugeben.
f) Der Vergütungsanspruch ist auch der Höhe nach begründet. Der geltend gemachte Betrag entspricht den vereinbarten Sätzen für 20 Therapieeinheiten.
3) Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB. Die Beklagte befand sich mit der Rechnungsbegleichung spätestens ab in Verzug, nachdem die Kläger die fehlende Angabe der Leitsymptomatik auf die Beanstandung der Beklagten vom hin im Einvernehmen mit dem Vertragsarzt ergänzt hatten, die Beklagte aber die Zahlung dennoch wegen der nicht dem Regelfall entsprechenden Behandlung in Doppelstunden abgelehnt hatte. Die Berechtigung der nichtärztlichen Leistungserbringer zur Geltendmachung von Verzugszinsen gegenüber den Krankenkassen entspricht der stRspr des Senats (vgl Urteil vom - B 3 KR 7/06 R -SozR 4-2500 § 129 Nr 3).
4) Die Kostenentscheidung basiert auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs 2, § 47 Abs 1, § 52 Abs 3 Gerichtskostengesetz.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
GAAAC-72456