BGH Urteil v. - RiZ(R) 4/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SächsRiG § 34 Nr. 4 Buchst. f; SächsRiG § 45 Abs. 1; SächsRiG § 45 Abs. 2; SächsRiG § 48 Satz 2; DRiG § 26; DRiG § 26 Abs. 1; DRiG § 26 Abs. 2; DRiG § 26 Abs. 3; DRiG § 66 Abs. 1 Satz 1; DRiG § 71 Abs. 3; DRiG § 80; DRiG § 80 Abs. 1 Satz 1; DRiG § 80 Abs. 2; DRiG § 83; BRRG § 126 Abs. 3 Nr. 2; VwGO § 58 Abs. 1 Satz 1; VwGO § 58 Abs. 2 Satz 1; VwGO § 74 Abs. 1; VwGO § 154; VwGO § 155; ZPO § 227

Instanzenzug: LG Leipzig, 66 DG 3/06 vom

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Schreiben des seinerzeitigen Präsidenten des eine Maßnahme der Dienstaufsicht darstellt und ob die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers hierdurch beeinträchtigt wird.

Der Antragsteller ist Richter am . Er ist Vorsitzender der Sechsten Kammer dieses Gerichts. Der Präsident des richtete unter dem ein Schreiben folgenden Wortlauts an die Präsidenten und Direktoren der Gerichte seines bezirks:

"Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege, der Präsident der Rechtsanwaltskammer , Herr Dr. K. , hat mich in einem Telefongespräch darauf hingewiesen, dass auf Grund der im Jahr 2002 durch den Bundestag beschlossenen Reform der Juristenausbildung sich für die Anwaltsstation grundlegende Änderungen ergeben haben. Insbesondere besteht eine Neuerung in der Übertragung wesentlicher Teile der organisatorischen und inhaltlichen Planung des anwaltlichen Unterrichts auf die Rechtsanwaltskammern und damit auf eine Vielzahl von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. Ich bitte diese gesetzliche Änderung bei den Terminierungen und insbesondere bei entsprechenden Verlegungsanträgen von Rechtsanwälten zu berücksichtigen. Es handelt sich bei diesem anwaltlichen Unterricht um eine gesetzliche Regelung und Ausbildung, der von den Rechtsanwaltskammern nachgekommen werden muss. Die Rechtsanwälte als Organ der Rechtspflege müssen diesem gesetzlichen Auftrag nachkommen und es besteht deshalb m.E. bei derartigen Fällen immer ein Verhinderungs- und damit Verlegungs- oder Vertagungsgrund.

Ich habe dem Präsidenten der Rechtsanwaltskammer von meinem Rundschreiben an Sie, von welchem Sie bitte ihre Richterschaft informieren, Kenntnis gegeben."

Dieses Schreiben wurde den Richterinnen und Richtern der gerichtsbarkeit bekannt gegeben. Dem Antragsteller ging das Schreiben am zu.

Mit einem an das Staatsministerium der Justiz gerichteten Schreiben vom erhob der Antragsteller gegen das Schreiben Widerspruch. Das Staatsministerium der Justiz leitete den Widerspruch zuständigkeitshalber an den Präsidenten des gerichts weiter. Dieser wies den Widerspruch mit Schreiben vom , dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, zurück. Das Schreiben ging dem Antragsteller am zu.

Mit der am beim Landgericht Leipzig eingegangenen Antragsschrift hat der Antragsteller eine gerichtliche Entscheidung des Dienstgerichts für Richter beantragt.

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, bei dem Schreiben des Präsidenten des vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom handele es sich um eine Maßnahme der Dienstaufsicht, die seine richterliche Unabhängigkeit beeinträchtige. Das Schreiben vom beziehe sich auf sein dienstliches Verhalten im Kernbereich richterlicher Tätigkeit. Die Entscheidung zur Bestimmung oder Änderung eines Termins zur mündlichen Verhandlung obliege allein ihm als Kammervorsitzenden und sei der Dienstaufsicht grundsätzlich entzogen. Mit dem Schreiben vom sei es dem Präsidenten des nicht darum gegangen, auf die geänderte Rechtslage in der Referendarausbildung aufmerksam zu machen, sondern um eine Einflussnahme auf den Inhalt richterlicher Entscheidungen bei der Terminierung und bei Terminsverlegungs- und -vertagungsanträgen. Dies ergebe sich aus der vom Präsidenten des geäußerten Bitte, die gesetzliche Änderung bei den Terminierungen, insbesondere bei entsprechenden Verlegungsanträgen von Rechtsanwälten, zu berücksichtigen. Darin liege ein unzulässiger Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit. Durch den Hinweis darauf, dass aus seiner Sicht in derartigen Fällen immer ein Verhinderungs- und damit Verlegungs- oder Vertagungsgrund bestehe, habe der Präsident des seine Autorität als dienstaufsichtsführender "Chefpräsident" in die Waagschale geworfen, um die Richterschaft auf das von ihm gewünschte Ergebnis festzulegen.

Der Antragsteller hat beantragt

festzustellen, dass das Schreiben des Präsidenten des vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Präsidenten des vom eine unzulässige Maßnahme der Dienstaufsicht darstellt.

Der Antragsgegner hat die Zurückweisung des Antrags beantragt und gemeint, der Antrag sei unzulässig. Das Schreiben des Präsidenten des vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom enthalte keine Maßnahme der Dienstaufsicht, sondern lediglich eine Information über das mit dem Präsidenten der Rechtsanwaltskammer geführte Telefongespräch sowie die Bitte um Berücksichtigung der Gesetzesänderung insbesondere bei Terminsverlegungsanträgen der betroffenen Rechtsanwälte. Durch die vom Präsidenten des gezogene Schlussfolgerung, bei derartigen Fällen liege aus seiner Sicht immer ein Verhinderungsgrund vor, werde der Informationscharakter des Schreibens vom nicht verändert. Dadurch werde auf die Entscheidung des Richters im Einzelfall kein Einfluss genommen.

Das Landgericht Leipzig - Dienstgericht für Richter - hat den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Dienstgericht ausgeführt, der Antrag sei zwar zulässig, da das Schreiben des Präsidenten des vom eine Maßnahme der Dienstaufsicht darstelle. Der Antrag sei aber unbegründet. Das Schreiben vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom beeinträchtige die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers nicht. Zu der der Dienstaufsicht entzogenen richterlichen Tätigkeit gehörten zwar grundsätzlich auch die Terminierung von mündlichen Verhandlungen und die Entscheidung über Anträge auf Terminsverlegung. Der Dienstvorgesetzte habe sich jeder direkten oder indirekten, auch nur mental-psychischen Einflussnahme hierauf zu enthalten. Hiergegen habe der Präsident des jedoch nicht verstoßen. Erkennbares Ziel des Schreibens vom sei es gewesen, auf eine geänderte Rechtslage aufmerksam zu machen und darauf hinzuweisen, dass Rechtsanwälte künftig häufiger im Rahmen der Referendarausbildung mit der Durchführung von Unterrichtsveranstaltungen befasst sein würden. In diesem Zusammenhang habe der Präsident des seine Rechtsauffassung zum Vorliegen eines Verhinderungsgrundes im Falle einer wegen Unterrichtserteilung entstehenden Terminskollision zum Ausdruck gebracht. Darin könne bei verständiger Würdigung des Schreibens keine Einflussnahme auf die eigenverantwortliche richterliche Überprüfung der zur Begründung eines Verlegungsgesuchs jeweils vorgetragenen Verhinderungsgründe gesehen werden.

Mit der Revision verfolgt der Antragsteller seinen Antrag weiter.

Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

Die zulässige Revision ist zum Teil begründet.

I.

Die Revision ist zulässig. Sie wurde vom Dienstgericht zugelassen (§ 80 Abs. 2 DRiG).

1. Nach § 45 Abs. 2 SächsRiG steht den Beteiligten im Prüfungsverfahren nach § 34 Nr. 4 Buchst. f SächsRiG gegen Urteile des Dienstgerichts die Revision an das Dienstgericht des Bundes nach Maßgabe des § 80 DRiG zu. Die Revision ist nach § 80 Abs. 2 DRiG stets zuzulassen. Die Revision ist daher nicht bereits kraft Gesetzes ohne weiteres zulässig, sondern bedarf der Zulassung durch das Dienstgericht, auch wenn diese nicht vom Bestehen besonderer Zulassungsgründe abhängt (vgl. etwa Fürst in: Fürst/Finger/Mühl/Niedermaier Beamtenrecht des Bundes und der Länder Stand: März 2003 § 80 DRiG Rn. 2; Schmidt-Räntsch DRiG 4. Aufl. § 80 Rn. 4).

2. Das Dienstgericht hat die Revision zugelassen. Die Zulassung ist zwar weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils erfolgt. Sie ergibt sich aber aus der von den Unterschriften der Richter gedeckten Rechtsmittelbelehrung. Dies genügt unter den gegebenen Umständen für die nach § 80 Abs. 2 DRiG zu treffende Zulassungsentscheidung.

Die Zulassung eines Rechtsmittels muss zwar nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich entweder im Tenor oder in den Entscheidungsgründen des Urteils erfolgen. Allein die im Anschluss an die Urteilsgründe beigefügte Rechtsmittelbelehrung, nach der den Beteiligten gegen die Entscheidung ein Rechtsmittel zusteht, genügt in der Regel nicht als Zulassungsentscheidung. Die Entscheidung über die Zulassung eines Rechtsmittels ist eine Willenserklärung des Gerichts und kann als solche regelmäßig nur in der Entscheidungsformel, unter Umständen auch in den Urteilsgründen zum Ausdruck gebracht werden. Die Rechtsmittelbelehrung, nach der den Beteiligten ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung zusteht, ist lediglich formal Bestandteil der Entscheidung. Sie enthält als Hinweis oder Auskunft keine Willenserklärung, sondern nur eine Wissenserklärung des Gerichts. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Unterschriften der Richter der Rechtsmittelbelehrung nachfolgen (vgl. 8 B 54.81 - Buchholz 310 § 131 VwGO Nr. 1, zu II der Gründe, vom - 5 CB 111.81 - Buchholz 310 § 131 VwGO Nr. 2, und vom - 2 C 14.84 - BVerwGE 71, 73, 75, 76). Ausnahmsweise reicht es für die Zulassung des Rechtsmittels jedoch aus, wenn sich aus der Rechtsmittelbelehrung die Absicht des Gerichts zur Zulassung des Rechtsmittels erkennen lässt (vgl. V C 80.68 - Buchholz 310, § 134 VwGO Nr. 13, zu 1 der Gründe, vom - V C 74.71 - Buchholz 310 § 134 VwGO Nr. 15, zu II 1 der Gründe, und vom - 3 C 10.82 - Buchholz 451.53 Fischwirtschaft Nr. 1, zu II 1 der Gründe) oder sonstige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Gericht durch die Rechtsmittelbelehrung die Zulassung des Rechtsmittels aussprechen wollte ( 8 B 54.81 - aaO und vom - 2 C 14.84 - aaO).

Die Zulassung der Revision nach § 80 Abs. 2 DRiG erfordert nicht zwingend, dass sich die Zulassungsentscheidung des Dienstgerichts aus dem Tenor oder den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergibt. Wegen der Besonderheiten der Revisionszulassung nach § 80 Abs. 2 DRiG genügt es für die Zulassung, wenn sich an die Entscheidungsgründe eine von den Richtern unterzeichnete Rechtsmittelbelehrung anschließt, aus der sich entnehmen lässt, dass die Beteiligten gegen die Entscheidung Revision einlegen können. Die Zulassung der Revision nach § 80 Abs. 2 DRiG ist nicht an Zulassungsgründe gebunden. Die Revision ist vom Dienstgericht stets und ohne weitere Prüfung zuzulassen. Jede andere Entscheidung als die Zulassung der Revision für den unterlegenen Verfahrensbeteiligten wäre rechtsfehlerhaft. Die Zulassungsentscheidung ist daher lediglich der Vollzug der in § 80 Abs. 2 DRiG getroffenen Anordnung. Eine Darlegung der Gründe für die Zulassung der Revision in den Entscheidungsgründen des dienstgerichtlichen Urteils ist deshalb entbehrlich. Aufgrund dieser Besonderheiten kann aus einer an die Entscheidungsgründe des Urteils anschließenden und von den Richtern unterzeichneten Rechtsmittelbelehrung auf die Absicht des Gerichts geschlossen werden, der gesetzlichen Anordnung in § 80 Abs. 2 DRiG zu folgen und die Revision zuzulassen.

II.

Die Revision ist zum Teil begründet. Das Dienstgericht hat den Antrag zu Unrecht insgesamt zurückgewiesen.

1. Der Antrag ist zulässig.

a) Das im Prüfungsverfahren nach § 34 Nr. 4 Buchst. f SächsRiG gem. § 48 Satz 2 SächsRiG erforderliche Vorverfahren wurde durchgeführt. Der Antragsteller hat gegen das ihm am zugegangene Schreiben des Präsidenten des vom mit dem an das Staatsministerium der Justiz gerichteten Schreiben vom Widerspruch erhoben. Der Präsident des hat den ihm zuständigkeitshalber (§ 71 Abs. 3 DRiG, § 126 Abs. 3 Nr. 2 BRRG iVm. § 1 Abs. 2 der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung zur Übertragung von Zuständigkeiten für den Erlass von Widerspruchsbescheiden und zur Vertretung des Freistaats Sachsen bei Klagen aus dem Beamtenverhältnis vom [SächsGVBl. 1993, 369 f.]) zugeleiteten Widerspruch durch Bescheid vom zurückgewiesen.

b) Die Antragsfrist ist gewahrt.

aa) Nach § 83, § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 45 Abs. 1 SächsRiG gelten für Prüfungsverfahren nach § 34 Nr. 4 Buchst. f SächsRiG die Vorschriften der VwGO entsprechend. Danach muss die Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht aus den Gründen des § 26 Abs. 3 DRiG nach § 74 Abs. 1 VwGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids durch Einreichung einer Antragsschrift beim Dienstgericht erfolgen. Die Monatsfrist beginnt nach § 58 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur nach Erteilung einer entsprechenden Rechtsbehelfsbelehrung zu laufen. Ist die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben, ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung des Widerspruchsbescheids zulässig.

bb) Diese Voraussetzungen hat der Antragsteller eingehalten. Die Antragsschrift ist zwar erst am beim Dienstgericht eingegangen, obwohl der Widerspruchsbescheid dem Antragsteller nach seinem unbestrittenen Vorbringen bereits am zugegangen ist. Die Frist zur Antragstellung lief jedoch erst am ab, da der Widerspruchsbescheid keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt.

c) Der Antrag ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht deshalb unzulässig, weil es sich bei dem Schreiben des Präsidenten des vom nicht um eine Maßnahme der Dienstaufsicht handelte. Das Dienstgericht hat das Schreiben zu Recht als Maßnahme der Dienstaufsicht iSv § 26 Abs. 3 DRiG angesehen, die Gegenstand eines Prüfungsverfahrens sein kann.

aa) Das Dienstgericht des Bundes hat den Begriff "Maßnahme der Dienstaufsicht" entsprechend dem auf einen umfassenden Rechtsschutz der richterlichen Unabhängigkeit gerichteten Zweck des § 26 Abs. 3 DRiG seit jeher weit ausgelegt. Der Begriff setzt nicht voraus, dass der Dienstvorgesetzte oder die Dienstaufsichtsbehörde sich unmittelbar an den Richter gewandt hat. Es genügt bereits eine Einflussnahme, die sich lediglich mittelbar auf die rechtsprechende Tätigkeit des Richters auswirkt oder darauf abzielt. Erforderlich ist jedoch, dass sich das Verhalten einer dienstaufsichtführenden Behörde bei objektiver Betrachtung gegen einen bestimmten Richter oder eine bestimmte Gruppe von Richtern wendet, es also zu einem konkreten Konfliktfall zwischen der Justizverwaltung und dem Richter oder bestimmten Richtern gekommen ist (st. Rspr., vgl. etwa RiZ(R) 1/01 - NJW-RR 2002, 929, 931 mwN). Eine Maßnahme der Dienstaufsicht muss sich in irgendeiner Weise kritisch mit dem dienstlichen Verhalten eines oder mehrerer Richter befassen oder geeignet sein, sich auf das künftige Verhalten dieser Richter in bestimmter Richtung auszuwirken. Wegen dieser erforderlichen Zielsetzung sind bloße Meinungsäußerungen einer dienstaufsichtführenden Stelle zu einer Rechtsfrage nicht als "Maßnahme der Dienstaufsicht" iSd. § 26 Abs. 3 DRiG anzusehen (vgl. etwa RiZ(R) 1/73 - BGHZ 61, 374, 378 f., vom - RiZ(R) 3/73 - DRiZ 1974, 99, 100, vom - RiZ(R) 1/79 - DRiZ 1980, 229, 230 und vom - RiZ(R) 2/84 - NJW 1984, 2471, 2472).

bb) Nach diesen Grundsätzen stellt das Schreiben des Präsidenten des vom eine Maßnahme der Dienstaufsicht iSv § 26 Abs. 3 DRiG dar. Das Schreiben ist zwar nicht unmittelbar an den Antragsteller und auch nicht an eine Gruppe von Richtern gerichtet, denen der Antragsteller angehört, sondern an die Präsidenten und Direktoren der gerichte in Sachsen. In dem Schreiben wird auf eine geänderte Rechtslage bei der Juristenausbildung sowie darauf hingewiesen, dass von diesen Änderungen zahlreiche Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte betroffen sind, die mit der Erteilung von Unterricht für Rechtsreferendare befasst werden. Damit besitzt das Schreiben den Charakter einer Information der Gerichtsvorstände. Aufgrund der am Ende des Schreibens geäußerten Bitte, der Richterschaft von dem Schreiben Kenntnis zu geben, ist mit dem Schreiben jedoch zugleich auch eine Information der Richterschaft bezweckt. Damit ist auch der Antragsteller Adressat des Schreibens. Der Präsident des hat sich allerdings nicht auf eine reine Information der Richterschaft beschränkt, sondern auch um Berücksichtigung der mitgeteilten Umstände bei den Terminierungen und insbesondere bei entsprechenden Verlegungs- und Vertagungsanträgen von Rechtsanwälten gebeten. Außerdem hat er seiner Ansicht Ausdruck verliehen, dass diese Umstände immer einen Verhinderungs- und damit einen Verlegungs- oder Vertagungsgrund bildeten. Damit erschöpft sich das Schreiben nicht lediglich in der Kundgabe allgemein gehaltener rechtlicher Hinweise, sondern ist geeignet, die richterliche Tätigkeit, zu der auch die Terminierung von Rechtsstreitigkeiten und die Behandlung von Verlegungs- und Vertagungsanträgen von Rechtsanwälten gehört, zu beeinflussen.

Da der Antragsteller behauptet, durch das Schreiben des Präsidenten des in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt zu sein und seine Behauptung nicht von vornherein völlig fern liegend erscheint (vgl. dazu RiZ(R) 7/84 - BGHZ 93, 238, 243, vom - RiZ(R) 5/87 - NJW 1988, 421, vom - RiZ(R) 5/00 - NJW 2002, 359 und vom - RiZ(R) 2/04 - BGHZ 162, 333), hat das Dienstgericht den Antrag zu Recht als zulässig angesehen.

2. Der Antrag ist zum Teil begründet. Das Dienstgericht hat den Antrag, der sich gegen das Schreiben des Präsidenten des vom insgesamt richtet, zu Unrecht vollständig zurückgewiesen. Der Antrag ist zwar unbegründet, soweit der Antragsteller geltend macht, er werde durch die seitens des Präsidenten des geäußerte Bitte, die Unterrichtsverpflichtung der Rechtsanwälte im Rahmen der Referendarausbildung bei der Terminierung, insbesondere bei Verlegungsanträgen, zu berücksichtigen, in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt. Anders verhält es sich jedoch, was die Meinungsäußerung des Präsidenten des betrifft, nach seiner Auffassung bestehe in derartigen Fällen immer ein Verhinderungs- und damit ein Verlegungs- oder Vertagungsgrund. Dies läuft auf einen Versuch einer Beeinflussung hinaus, wie der Richter über Terminsverlegungsanträge, die mit der Unterrichtsverpflichtung begründet werden, entscheiden soll. Dadurch wird der Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt.

a) Nach § 26 DRiG untersteht der Richter einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt wird. Dienstvorgesetzte haben sich daher im Kernbereich richterlicher Tätigkeiten jeglicher Einflussnahme zu enthalten (st. Rspr., vgl. etwa RiZ(R) 2/66 - BGHZ 47, 275, 282 f. und vom - RiZ(R) 7/84 - BGHZ 93, 238, 241). Im Interesse eines wirksamen Schutzes der richterlichen Unabhängigkeit ist nicht nur die eigentliche Rechtsfindung der Dienstaufsicht entzogen, sondern zugleich alle ihr auch nur mittelbar dienenden, sie vorbereitenden oder ihr nachfolgenden Sach- und Verfahrensentscheidungen (st. Rspr., vgl. etwa RiZ(R) 1/62 - BGHZ 42, 163, 169, vom - RiZ(R) 1/96 - DRiZ 1997, 467, 468 f. und vom - RiZ(R) 3/05 - NJW 2006, 1674, 1675). Eine Maßnahme der Dienstaufsicht ist wegen einer Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit unzulässig, wenn sie im Bereich der eigentlichen Rechtsfindung auf eine direkte oder indirekte Weisung hinausläuft, wie der Richter entscheiden oder verfahren soll. Insoweit muss sich die Dienstaufsicht auch jeder psychischen Einflussnahme enthalten. Auch der Versuch, die Entscheidungsfreiheit des Richters zu beeinträchtigen, ist unzulässig (vgl. etwa RiZ(R) 3/94 - DRiZ 1995, 352, 353). Dies gilt selbst dann, wenn eine Rechtsanwendung für fehlerhaft gehalten oder ein Verfahren als nicht im Einklang mit dem Gesetz angesehen wird. Nur wenn es sich um einen offensichtlichen und jedem Zweifel entrückten Fehlgriff handelt, kann etwas anderes gelten (st. Rspr., vgl. etwa RiZ(R) 3/75 - BGHZ 67, 184, 187, vom - RiZ(R) 5/83 - DRiZ 1984, 194, 195, vom - RiZ(R) 2/95 - DRiZ 1996, 371, 372, vom - RiZ(R) 6/99 - NJW-RR 2001, 498, 499 und vom - RiZ(R) 4/03 - NJW-RR 2005, 433, 435 mwN).

Lediglich in Teilbereichen ist die richterliche Amtstätigkeit der Dienstaufsicht zugänglich. Dies ergibt sich aus § 26 Abs. 1 und Abs. 2 DRiG. Nach § 26 Abs. 2 DRiG steht der Dienstaufsicht die Befugnis zu, dem Richter die ordnungswidrige Art der Amtsführung von Dienstgeschäften vorzuhalten und ihn zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen ( - BGHZ 42, 163, 169 f., und vom - RiZ(R) 7/84 - BGHZ 93, 238, 243, 244). Diese Vorschrift hätte keinen Anwendungsbereich, wenn die richterliche Tätigkeit der Dienstaufsicht vollständig entzogen wäre. Nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes unterliegt daher die richterliche Amtsführung der Dienstaufsicht, soweit es um die Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs, die äußere Form der Erledigung der Amtsgeschäfte oder um solche Fragen geht, die dem Kernbereich der eigentlichen Rechtsprechung so weit entrückt sind, dass sie nur noch als der äußeren Ordnung zugehörig anzusehen sind (vgl. etwa RiZ(R) 7/84 - BGHZ 93, 238, 244, vom - RiZ(R) 5/87 - NJW 1988, 421, 422, vom - RiZ(R) 6/94 -, zu 2 der Gründe und vom - RiZ(R) 1/01 - NJW-RR 2002, 929, 931).

b) Nach diesen Grundsätzen wird der Antragsteller durch die in dem Schreiben des Präsidenten des vom geäußerte Bitte, die Unterrichtsverpflichtung der Rechtsanwälte im Rahmen der Referendarausbildung bei der Terminierung von Rechtsstreitigkeiten und insbesondere bei Verlegungsanträgen zu berücksichtigen, nicht in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt. Diese Bitte berührt zwar die dem Kernbereich richterlicher Tätigkeit zuzuordnende Terminierung von Rechtsstreitigkeiten. Die Bitte enthält jedoch lediglich einen Hinweis auf die nach § 227 ZPO offensichtlich und zweifelsfrei bestehende Rechtslage. Danach obliegt es dem Richter, bei einem Antrag auf Terminsaufhebung, -verlegung oder -vertagung zu prüfen, ob hierfür ein erheblicher Grund besteht. Liegt ein erheblicher Grund für die beantragte Terminsänderung vor, eröffnet dies nicht nur die Möglichkeit, sondern begründet die Pflicht des Gerichts zur Terminsänderung (vgl. - NJW 1996, 677, 678). Ein erheblicher Grund für eine Terminsänderung kann in einer Terminskollision bei dem Prozessbevollmächtigten einer Partei bestehen ( - aaO), somit auch in der Verhinderung eines Rechtsanwalts wegen der Verpflichtung, zur Zeit des anberaumten Verhandlungstermins Unterricht für Rechtsreferendare im Rahmen der Juristenausbildung zu erteilen. Die Bitte um Berücksichtigung derartiger offenkundig und selbstverständlich als Verhinderungsgründe in Betracht kommender Umstände bei der Terminierung und bei Entscheidungen über Terminsverlegungsanträge ist nicht geeignet, den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit zu beeinträchtigen.

Eine andere Beurteilung erfordert jedoch die Äußerung des Präsidenten des , bei derartigen Fällen bestehe nach seiner Auffassung immer ein Verhinderungs- und damit ein Verlegungs- oder Vertagungsgrund. Diese Meinungsäußerung kann so verstanden werden, dass den Adressaten des Schreibens nahe gelegt werden soll, ihre Terminierungspraxis hieran auszurichten und jedem auf die Unterrichtsverpflichtung gestützten Terminsverlegungs- oder -vertagungsantrag eines Rechtsanwalts ohne weitere Prüfung sonstiger für oder gegen eine Terminsänderung sprechender Gesichtspunkte stattzugeben. Die Meinungsäußerung läuft daher auf einen Versuch einer Beeinflussung hinaus, wie bei bestimmten Anträgen auf Terminsänderung zu entscheiden ist. Eine derartige Einflussnahme seitens des Dienstvorgesetzten ist als Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit unzulässig.

III.

Das Urteil des Dienstgerichts war daher teilweise abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG iVm §§ 154, 155 VwGO.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG).

Fundstelle(n):
NJW 2008 S. 1448 Nr. 20
UAAAC-72019

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein