Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: SGB II § 11 Abs 3 Satz 1 Nr 1 Buchstabe a
Instanzenzug: LSG Hamburg, L 5 AS 5/06 vom SG Hamburg, S 50 AS 735/05 vom
Gründe
I
Streitig ist die Höhe der dem Kläger im Zeitraum vom 1. Januar bis zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), unter Berücksichtigung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) als Einkommen.
Der 1946 geborene Kläger bezieht eine Verletztenrente von der Groß- und Lagerei-Berufsgenossenschaft nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 vH, die sich im streitigen Zeitraum auf 396,20 € monatlich belief.
Durch Bescheid vom bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten der Unterkunft für den Zeitraum vom 1. Januar bis in Höhe von zunächst monatlich 344,34 €. Die Verletztenrente des Klägers berücksichtigte sie als Einkommen iS des § 11 SGB II. Diesen Bescheid änderte sie durch Bescheid vom und setzte die Leistungshöhe nunmehr wegen gestiegener Kosten der Unterkunft ab dem auf 409,35 € fest (Regelleistung: 345 € plus Kosten der Unterkunft einschließlich Heizkosten: 460,55 € minus Verletztenrente: 396,20 €). Den Widerspruch des Klägers insbesondere wegen der Berücksichtigung der Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung als Einkommen wies sie durch Widerspruchsbescheid vom zurück. Die Regelleistung erhöhte sie jedoch zugleich um 30 € monatlich, weil eine Versicherungspauschale in dieser Höhe von der Verletztenrente abzusetzen war. Durch Widerspruchsbescheid vom bestätigte sie diese Entscheidung während des laufenden Klageverfahrens nochmals.
Vor dem Sozialgericht Hamburg (SG) ist der Kläger erfolglos geblieben (Urteil vom ). Das Landessozialgericht Hamburg (LSG) hat die Entscheidung des aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Anrechnung des Betrags seiner Versichertenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, der bei gleichem Grad der MdE als Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) geleistet würde. Es führt zur Begründung aus: Die teilweise Nichtberücksichtigung der Verletztenrente als Einkommen ergebe sich aus § 11 Abs 3 Nr 1 Buchstabe a SGB II. Bei der Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung handele es sich um eine zweckbestimmte Einnahme, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II diene und die die Lage des Leistungsempfängers nicht so nachhaltig günstig beeinflusse, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt seien. Die Vorschrift solle einerseits verhindern, dass die besondere Zweckbestimmung bestimmter Einnahmen durch eine Anrechnung als Einkommen nach dem SGB II vereitelt werde, und andererseits ausschließen, dass für einen mit den Zielen des SGB II identischen Zweck zusätzliche Leistungen aus öffentlichen Mitteln erbracht würden. Der Unfallrente fehle zwar die ausdrückliche Zweckbestimmung. Eine explizite Zweckbestimmung werde jedoch, anders als im Sozialhilferecht, im SGB II auch nicht verlangt. Im SGB II genüge eine erkennbare Zweckbestimmung. Erkennbar diene die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auch der Kompensation immaterieller Schäden und dem Ausgleich eines durch die Körperschäden bedingten Mehrbedarfs. Soweit die Unfallrente Einkommensersatz sei, erfülle sie ebenso wie die Leistungen nach dem SGB II den Zweck der Sicherung des Lebensunterhalts. Hinsichtlich des immateriellen Anteils bestehe jedoch keine Zweckidentität. Die Verletztenrente sei daher nicht als Einkommen bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II zu berücksichtigen. Soweit im Sozialhilferecht die Unfallrente nicht als "privilegiertes" Einkommen angesehen worden sei, ändere sich die dargelegte Wertung für das SGB II nicht. Das Sozialhilferecht diene nach der Gesetzesbegründung nur "im Wesentlichen" als Referenzmodell. Somit seien Ausnahmen im Einzelfall möglich. Die Abweichung vom Sozialhilferecht im Falle der Verletztenrente rechtfertige sich aus Folgendem: § 83 Abs 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) verlange für den Bereich der Sozialhilfe weiterhin ausdrücklich eine anderweitige Zweckbestimmung, was nach dem SGB II nicht der Fall sei. Zudem gebe es insoweit signifikante Unterschiede, als beispielsweise die Vermögensanrechnung nach § 12 SGB II - insbesondere im Hinblick auf die Freibeträge - deutlich großzügiger ausgestaltet sei als in § 90 SGB XII. Die volle Berücksichtigung der Unfallrente als Einkommen führe ferner zu einer verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung von Beziehern einer Unfallrente gegenüber Empfängern der in § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II genannten Leistungen. Die unterschiedliche Behandlung sei nicht bereits deswegen sachgerecht, weil die in § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II ausdrücklich genannten Leistungen ein Sonderopfer für die Allgemeinheit voraussetzten. Insbesondere bei den Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz sei das nicht der Fall, wohingegen der Gedanke des Sonderopfers bei bestimmten Verletztenrenten, beispielsweise denen wegen einer Verletzung anlässlich eines Nothelfereinsatzes eine Rolle spielten. Zudem sei es nicht zu rechtfertigen, wenn die Unfallrente in vollem Umfang berücksichtigt werde, nicht hingegen das Schmerzensgeld nach § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II, obwohl für Bezieher von Verletztenrenten privatrechtliche Schmerzensgeldansprüche weitgehend ausgeschlossen seien. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber die Regelung der Arbeitslosenhilfeverordnung (AlhiV), die die Unfallrente bei der Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) teilweise anrechnungsfrei gestellt habe, nicht übernommen habe, könne nicht gefolgert werden, er habe eine Entscheidung gegen die Privilegierung der Verletztenrente im SGB II getroffen. Dem Gesetzgeber sei bewusst gewesen, dass bereits der Verzicht auf das Erfordernis der ausdrücklichen Zweckbestimmung in § 11 Abs 3 Satz 1 Nr 1 Buchstabe a SGB II eine Nichtberücksichtigung eines Teils der Verletztenrente ermögliche. Hinsichtlich der Höhe des freizustellenden Anteils der Unfallrente werde auf die Regelung des § 93 Abs 2 Nr 2 Buchstabe a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zurückgegriffen. Der Anteil werde mithin bestimmt nach dem Betrag, der bei gleichem Grad der MdE als Grundrente nach dem BVG zu leisten sei. Bei einer MdE von 30 vH - wie hier - betrage er 118 €.
Die Beklage hat die vom LSG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegt. Sie rügt eine rechtsfehlerhafte Anwendung des § 11 Abs 3 Satz 1 Nr 1 Buchstabe a SGB II. Die Verletztenrente sei keine zweckbestimmte Einnahme iS dieser Vorschrift. Eine vom Gesetzgeber erkennbar zugebilligte klare Zweckbestimmung sei nicht feststellbar. Als Lohnersatz erfülle die Verletztenrente ebenso wie Leistungen nach dem SGB II den Zweck der Sicherung des Lebensunterhalts. Soweit § 11 SGB II keine ausdrückliche Zweckbestimmung erfordere, könne hieraus nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe anders als noch in der AlhiV auf die Erwähnung der Verletztenrente als privilegiertes Einkommen verzichten können. Er habe sich vielmehr an die gesetzliche Regelung im Sozialhilferecht anlehnen wollen. Ein Verfassungsverstoß sei nicht auszumachen. Dieses habe das BSG bereits im Hinblick auf die Nichtprivilegierung der Verletztenrente im Referenzsystem der Sozialhilfe festgestellt. Schlussendlich sei der Ausgleich des immateriellen Schadens bei der Unfallrente von untergeordneter Bedeutung; sie diene primär der Kompensation des materiellen Schadens, denn die Höhe der Verletztenrente ergebe sich allein auf Grund der Höhe einer abstrakt ermittelten MdE.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Ausführungen im Urteil des LSG für zutreffend. Im Hinblick auf die Entscheidung des 11b. Senats des (B 11b AS 15/06 R) führt er aus: Der Gesetzgeber habe mit §§ 11 SGB II und 82, 83 SGB XII keine wortgleichen Regelungen geschaffen.
Die daraus folgende unterschiedliche Behandlung der Berücksichttigung der Verletztenrente als Einkommen in den beiden Systemen sei durchaus gerechtfertigt. Die Orientierung am Sozialhilfesystem erfordere keine zwingende Gleichbehandlung der Anrechnungsmodalitäten. Das SGB II sei ein "Übergangssystem" mit gewisser Nähe zur Alhi. Aus diesem Grunde liege es nahe, die Einkommensberücksichtigung im SGB II auch an die vormaligen Regeln der Alhi anzuknüpfen und die Verletztenrente wie schon dort in Höhe der entsprechenden Grundrente nicht als Einkommen anzurechnen. Der von den Regelungen des Sozialhilferechts abweichende Wortlaut des § 11 SGB II lasse eine solche Auslegung durchaus zu. Zudem sei auch nach dem Wortlaut des § 77 Abs 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) eine volle Anrechnung der Verletztenrente als Einkommen im Hinblick auf die Formulierung "soweit" nicht zwingend notwendig gewesen. Lediglich das Erfordernis des ausdrücklich genannten Zwecks, an dem es in § 11 SGB II mangele, habe dazu geführt, die Verletztenrente im Sozialhilferecht auch nicht in Teilen anrechnungsfrei zu stellen. Ferner hätte der Gesetzgeber, wenn er die Verletztenrente als Einkommen hätte berücksichtigen wollen, dieses ausdrücklich geregelt. § 18a Viertes Buch Sozialgesetzbuch enthalte eine nicht nur für die Rente grundsätzliche Wertung. Jede andere Wertung sei zudem verfassungsrechtlich nicht haltbar.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet.
Das Urteil des LSG ist aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen. Dem Kläger stehen im Zeitraum vom 1. Januar bis keine höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu, als von der Beklagten bewilligt. Die Beklagte hat die Höhe der dem Kläger zu gewährenden Regelleistung, einschließlich der Kosten der Unterkunft, unter Berücksichtigung der Verletztenrente als Einkommen zutreffend ermittelt.
Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom in der Fassung vom , beide in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom und dem nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Gerichtsverfahrens gewordenen Bescheid vom . Da die Leistungsbewilligung in diesen Bescheiden auf den Zeitraum vom 1. Januar bis begrenzt worden ist, ist auch nur die Leistungsgewährung für diesen Zeitraum streitbefangen. Die Ausdehnung des Klagegegenstandes auf Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume kommt beim Arbeitslosengeld II (Alg II) regelmäßig nicht in Betracht (s dazu näher B 7b AS 14/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; - B 11b AS 1/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr 3; - B 7b AS 4/06 R).
Die Leistungsansprüche des Klägers sind im Rahmen der erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu überprüfen. Die Begrenzung in Revisionsantrag und -begründung auf die - nach Auffassung des Klägers rechtswidrige - Berücksichtigung der Verletztenrente als Einkommen, ändert hieran nichts. Bei einem Streit um höhere Leistungen nach dem SGB II sind grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (s B 7b AS 14/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; - B 11b AS 9/06 R = SozR 4-4300 § 428 Nr 3 und - B 11b AS 29/06 R). Für den vorliegenden Fall gilt nichts anderes. Abstrakt wird das Klagebegehren bestimmt durch den konkreten Sachverhalt und die auf Grund dessen an das Gericht gerichtete Klage sowie den Klagegrund, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (stRspr, vgl ; SozR 4-2600 § 237 Nr 2). Im konkreten Fall begehrt der Kläger mit dem Antrag auf Nichtberücksichtung der Verletztenrente letztendlich höheres Alg II. Insoweit greift jedoch der im Arbeitsförderungsrecht entwickelte "Meistbegünstigungsgrundsatz" (BSG, SozR 3-6050 Art 71 Nr 11 S 57; BSGE 74, 77, 79 = SozR 3-4100 § 104 Nr 11 S 47 mwN; siehe auch Eicher, in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 40 RdNr 16 mwN), nach dem im Zweifel davon auszugehen ist, dass ein Kläger mit seiner Klage ohne Rücksicht auf den Wortlaut des Antrags das begehrt, was ihm den größten Nutzen bringen kann (§ 123 SGG).
(1) Nach den von den Beteiligten nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) bestehen keine Zweifel, dass der Kläger Anspruch auf Alg II hat. Er erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 SGB II. Er hat das 15. Lebensjahr vollendet, das 65. jedoch noch nicht, ist erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Zudem liegt Hilfebedürftigkeit iS des § 9 Abs 1 SGB II vor. Diesen Tatbestand erfüllt, wer seinen Lebensunterhalt ... nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Die Beklagte hat das Alg II des Klägers in den angefochtenen Bescheiden zutreffend wie folgt berechnet: Sie ist von der Regelleistung nach § 20 Abs 2 SGB II (hier in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom , BGBl I 2954) für einen Alleinstehenden in Höhe von 345 € ausgegangen. Als Kosten der Unterkunft iS des § 22 SGB II hat sie zusammen 395,54 € für den Monat Januar 2005 und für den Zeitraum vom 1. Februar bis in Höhe von 460,55 € angesetzt. Von diesen insgesamt 740,54 bzw 805,55 € hat sie die Verletztenrente als Einkommen in Höhe von 396,20 € monatlich, gemindert um 30 € (§ 11 Abs 2 Nr 3 iVm § 13 Satz 1 Nr 3 SGB II iVm § 3 Nr 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom <BGBl I 2622>) = 366,20 € abgezogen. Hieraus ergibt sich der von der Beklagten rechtmäßig festgesetzte Zahlbetrag an Alg II und Kosten der Unterkunft in Höhe von 374,34 bzw 439,35 €.
Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung ist die Verletztenrente als Einkommen iS des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigen (a). § 11 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II kann nicht analog auf die Verletztenrente angewendet werden (b). Ebenso wenig handelt es sich um eine von der Einkommensberücksichtigung auszunehmende zweckgebundene Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchstabe a SGB II (c) oder ist sie wie eine Entschädigung iS des § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II zu behandeln (d). Aus der leistungsmindernden Berücksichtigung der Verletztenrente folgt zuletzt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung nach Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) (e).
(a) Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen, Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem BVG und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG. Der Wortlaut des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II erfasst die Verletztenrente mithin eindeutig nicht als Ausnahme von den zu berücksichtigenden Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Aber auch Gesetzesbegründung und systematischer Zusammenhang sprechen gegen die "Nichtberücksichtigung" der Verletztenrente als Einkommen iS des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II. Der Gesetzgeber hat bewusst § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II an den Wortlaut des § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII angeknüpft (vgl BT-Drucks 15/1514, S 65 - zu § 77 <= § 82 SGB XII> BT-Drucks 15/1516, S 53 zu § 11 SGB II). Er greift auch insoweit auf den Gleichklang mit dem Sozialhilferecht als dem Referenzsystem des SGB II zurück (vgl BT-Drucks 15/1514, S 1). Weder nach § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII, noch dem bisherigen § 76 Abs 1 BSHG ist die Verletztenrente nicht zu berücksichtigendes Einkommen. In diesem Sinne hat auch der 2. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom (BSGE 90, 172 ff = SozR 3-5910 § 76 Nr 4) zum Verhältnis von § 76 Abs 1 BSHG und Verletztenrente ausgeführt, der Gesetzgeber des Sozialhilferechts habe gezielt nur bestimmte - im Gesetz aufgezählte - Leistungen von der Einkommensanrechnung ausgenommen. Hierzu zähle nicht die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
(b) Eine analoge Anwendung des § 11 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II, also eine Übertragung der für Grundrenten nach dem BVG geltenden Regelung auf die Verletztenrente kommt nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass Gesetzesbegründung und Wortlaut des § 11 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II bereits gegen eine planwidrige Lücke sprechen, folgt dieses auch aus dem systematischen Zusammenhang der §§ 11 SGB II und 58 Sätze 1 und 2 SGB VII. Der Gesetzgeber hat das Verhältnis zwischen Verletztenrente und Alg II durchaus bedacht und geregelt. Zeitgleich mit der Einführung des SGB II ist eine Änderung der Sätze 1 und 2 in § 58 SGB VII erfolgt (Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom , BGBl I 2954). Danach wird die Rente längstens für zwei Jahre nach ihrem Beginn um den Unterschiedsbetrag erhöht, solange Versicherte infolge des Versicherungsfalls ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen sind und die Rente zusammen mit dem Alg oder dem Alg II nicht den sich aus § 46 Abs 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) ergebenden Betrag des Übergangsgeldes erreicht. Der Unterschiedsbetrag wird bei dem Alg II nicht als Einkommen berücksichtigt. Der Gesetzgeber hat mithin zur Harmonisierung der Leistungen nach dem SGB II und dem SGB VII (vgl BT-Drucks 15/1516, S 28) Regelungen geschaffen, insbesondere zum Verhältnis von Verletztenrente zu Alg II. Hierbei hat er ausdrücklich normiert, in welchem Fall die Verletztenrente als Einkommen bei der Berechnung des Alg II außer Betracht zu bleiben hat.
(c) Bei der Verletztenrente handelt es sich auch nicht um eine von der Einkommensberücksichtigung auszunehmende zweckgebundene Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchstabe a SGB II. Nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchstabe a SGB II sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen:
1. Einnahmen, soweit sie als
a) zweckbestimmte Einnahmen, ...
einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.
Die Verletztenrente nach dem SGB VII ist keine Einnahme, die wegen ihres Charakters und ihrer Zweckbestimmung aus der Einkommensberechnung auszunehmen ist (vgl B 11b AS 15/06 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Der Senat folgt insoweit dem 11b. Senat des BSG. Dieser nimmt Bezug auf die Entscheidung des 2. Senats des BSG (BSGE 90, 172, 175 = SozR 3-5910 § 76 Nr 4 S 12; ebenso VGH Hessen, FEVS 43, 195 ff) zu der vergleichbaren Vorschrift des § 77 Abs 1 und Abs 2 BSHG.
Sinn des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchstabe a SGB II ist es, eine Leistung, die zu einem ausdrücklich genannten Zweck gewährt wird, nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die SGB II-Leistung im Einzelfall demselben Zweck dient. Es soll mit § 11 Abs 3 Nr 1 SGB II einerseits vermieden werden, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch die Berücksichtigung im Rahmen des SGB II verfehlt wird. Andererseits soll die Vorschrift aber auch verhindern, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden. Die Regelung des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchstabe a SGB II folgt demnach den Regelungen der §§ 77 Abs 1 Satz 1 und 78 BSHG. Diesen entsprechen die §§ 83 Abs 1 und 84 Abs 1 SGB XII (vgl daher insoweit zu den BSHG-Vorschriften: BVerwGE 45, 157, 160; BSGE 90, 172, 175 = SozR 3-5910 § 76 Nr 4 S 12 mwN). Für § 77 Abs 1 BSHG war angenommen worden, eine genügende Zweckbestimmung der betreffenden Leistung sei dann gegeben, wenn sich dieser Zweck aus der jeweiligen gesetzlichen Vorschrift eindeutig ergebe. Letzteres ist bei der Verletztenrente, die durchaus verschiedene Funktionen hat (Einkommensersatz, Kompensation immaterieller Schäden, Mehrbedarfsausgleich), gerade nicht der Fall - wie bereits der 2. Senat des BSG in der genannten Entscheidung vom (BSGE, aaO, S 176; ebenso zum Wohngeldrecht BVerwGE 101, 86, 89 f) zu § 77 Abs 1 BSHG ausgeführt hat. Mit Ausnahme der Einkommensersatzfunktion, anknüpfend an die maßgeblichen Berechnungsfaktoren (MdE bzw Jahresarbeitsverdienst), ergibt sich aus dem Gesetz selbst keine klare Zweckbestimmung. Im Hinblick auf die Lohnersatzfunktion (vgl bereits BSGE 90, 172, 176 = SozR 3-5910 § 76 Nr 4 S 14; vgl zur Lohnersatzfunktion auch = SozR 4-2500 § 240 Nr 9; BGHZ 153, 113 ff mwN) ist sie jedoch zweckidentisch mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Der unterschiedliche Wortlaut von § 77 Abs 1 Satz 1 BSHG bzw § 83 Abs 1 SGB XII und § 11 Abs 3 Nr 1 Buchstabe a SGB II lässt sich dem nicht entgegenhalten. Die Abweichung besteht darin, dass die nach sozialhilferechtlichen Vorschriften anzurechnenden Leistungen auf Grund "öffentlich-rechtlicher Vorschriften" zu einem "ausdrücklich genannten" Zweck gewährt sein mussten und müssen, während diese Erfordernisse in § 11 Abs 3 Nr 1 SGB II nicht genannt werden (so aber Hänlein in Gagel, SGB III mit SGB II, § 11 SGB II RdNr 62; Koch, NZS 2006, 408, 409). Die demgegenüber weitere Gesetzesfassung des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchstabe a SGB II erklärt sich aus dem Bestreben, zweckidentische Leistungen unabhängig von ihrer Bezeichnung und ihrem Rechtscharakter zu erfassen. Es kommt also darauf an, ob die in Frage stehende Leistung ebenso wie die Leistungen nach dem SGB II der Existenzsicherung des Begünstigten dient. Dieses ist, wie oben dargelegt, bei Verletztenrente und Alg II der Fall. Die Verletztenrente hat zumindest auch einkommenssichernde Funktion.
Der Gesetzgeber will im Rahmen der Berücksichtigung von Einkommen nach dem SGB II auch grundsätzlich sämtliche Zahlungen mit Entgeltfunktion erfassen. § 11 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II zeigt dieses deutlich. Für die dort aufgeführten Renten und Beihilfen gilt: Es werden nur die Grundrenten von einer Einkommensanrechnung ausgenommen, nicht aber die nach den genannten Gesetzen zu zahlenden weiteren Leistungen über die Grundrente hinaus, also solche, die - abstellend auf die betreffende Einkommensminderung - ihrerseits erkennbar Entgeltersatzfunktion haben.
Ebenso wenig ist der Argumentation der Revisionsbegründung zu folgen, wonach der Gesetzgeber durch die Verwendung des Wortes "soweit" in § 11 Abs 3 Nr 1 SGB II selbst zum Ausdruck gebracht habe, dass zweckbestimmte Einnahmen zu dem Teil von der Berücksichtigung als Einkommen auszunehmen seien, zu dem sie anderen Zwecken als die Leistungen nach dem SGB II dienten. Allein der Verweis auf das Referenzsystem "Sozialhilfe" und den dortigen gleich lautenden § 77 Abs 1 BSHG vermag zwar nicht zu überzeugen (s B 11b AS 15/06 R, RdNr 28; aA Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Aufl 2005, § 11 RdNr 77). Die obigen Ausführungen zu § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II zeigen jedoch, dass der Gesetzgeber die Verletztenrente bewusst - anders als noch in § 2 Satz 1 Nr 2 AlhiV 2002 vom (BGBl I 3734) - von der Privilegierung als nicht zu berücksichtigendes Einkommen vollständig ausgenommen hat (aA ; Grimmke, juris Praxis-Report <jurisPR>, SozR 23/2004, Anm 3; Koch, NZS 2006, 408, 410; zustimmend Hänlein in Gagel, SGB III mit SGB II, § 11 SGB II RdNr 62; Söhngen in jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 11 RdNr 62; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 11 RdNr 252). Er hat eindeutig den Fall geregelt, wann sie als Einkommen iS des § 11 SGB II unberücksichtigt bleiben soll und hat die noch für das Arbeitslosenhilferecht geltende, darüber hinaus gehende Privilegierung für das SGB II nicht wiederholt. Aus der Verwendung des Wortes "soweit" kann mithin bereits aus systematischen Gründen für die Verletztenrente keine, auch nicht teilweise, Ausnahme von der Anrechenbarkeit auf das Alg II folgen.
(d) Die Verletztenrente ist auch nicht als eine Entschädigung iS des § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II zu behandeln. Der Senat folgt insoweit ebenfalls dem Ergebnis des 11b. Senats in seiner Entscheidung vom (B 11b AS 15/06 R).
(e) Aus der leistungsmindernden Berücksichtigung der Verletztenrente folgt zuletzt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung nach Art 3 Abs 1 GG. Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dieses Grundrecht ist daher vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfGE 98, 1 = SozR 3-5755 Art 2 § 27 Nr 1 mwN). Der Gesetzgeber hat aber gerade bei der Gewährung von Sozialleistungen, die - wie hier bei den Leistungen zur Grundsicherung - an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpfen, grundsätzlich einen weiten Spielraum, wenn er Regelungen darüber trifft, ob und in welchem Umfang das Einkommen des Empfängers auf den individuellen Bedarf angerechnet wird (BVerfGE 100, 195, 205; BSGE 90, 172, 178 = SozR 3-5910 § 76 Nr 4 S 16). Insofern besteht hier eine andere Situation als im Arbeitsförderungsund Rentenrecht.
Soweit § 11 SGB II im Rahmen der Gewährung von Leistungen demgegenüber nach wie vor die Empfänger von Leistungen für ein erlittenes so genanntes "Sonderopfer" bevorzugt, knüpft die Ungleichbehandlung an ein sachgerechtes Unterscheidungskriterium an und rechtfertigt damit die unterschiedliche Behandlung (BSGE 90, 172, 179 = SozR 3-5910 § 76 Nr 4 S 17; zum Wohngeldrecht BVerwGE 101, 86, 97 f). Das Gleiche gilt für Leistungen nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchstabe a SGB II, die einen mit den Zielen des § 11 SGB II nicht identischen Zweck verfolgen, dh über die reine Sicherung des Lebensunterhalts hinausgehen. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidung des 11b. Senats vom (B 11b AS 15/06 R) verwiesen.
Ebenfalls zu folgen ist dem 11b. Senat, soweit er ausführt, es begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen gemäß § 11 SGB II für die betroffenen Arbeitsuchenden ungünstiger als die bis Ende 2004 für die Bezieher von Alhi geltenden Bestimmungen sind ( B 11b AS 1/06 R, RdNr 55 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3). Wegen der Andersartigkeit des SGB II als existenzsichernde Leistung im Vergleich zur bisherigen Alhi ist es auch nicht zu beanstanden, dass das SGB III iVm § 2 Satz 1 Nr 1 AlhiV 2002 - wie schon § 11 Satz 1 Nr 4 AlhiV vom <AlhiV 1974> (BGBl I 1929) - für die Gewährung der ebenfalls bedürftigkeitsabhängigen Alhi eine Freistellung der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bis zur Höhe der Grundrente nach dem BVG vorsah. Die Alhi orientierte sich zumindest am zuletzt bezogenen Arbeitsentgelt (zu dem für die Alhi geltenden "Entgeltersatzprinzip" vgl Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, E 010 Rz 43 ff), während die Leistungen des SGB II ausschließlich bedürftigkeitsabhängig sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstelle(n):
GAAAC-71980