Feststellung der Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung; kein allgemeines Verwertungsverbot im Besteuerungsverfahren
Gesetze: AO § 370, AO § 378, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 116
Instanzenzug:
Gründe
I. Im Klageverfahren vor dem Finanzgericht (FG) war streitig, ob und in welcher Höhe der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in den Jahren 1995 und 1996 steuerpflichtige Umsätze ausgeführt hat und zu welchem Zeitpunkt sie zu versteuern waren.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) erließ im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1995 und 1996 (Streitjahre) und verwies zu deren Begründung auf die Feststellungen der Steuerfahndung.
Die Klage hatte hinsichtlich 1995 Erfolg. Die Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid für 1996 wies das FG als unbegründet zurück. Der Kläger habe, wie die Beweisaufnahme ergeben habe, nachhaltig Geschäftsbesorgungsleistungen gegenüber D gegen Entgelt erbracht. Er habe für diesen Geschäftskontakte vermittelt und hierfür vereinbarungsgemäß (Vereinbarung vom ) keine Geldzahlungen, sondern stattdessen Werklieferungen an Erfüllungs Statt erhalten. Die Voraussetzungen einer leichtfertigen Steuerverkürzung hätten vorgelegen; der Ablauf der verlängerten Festsetzungsfrist sei durch die Bekanntgabe der Eröffnung des Strafverfahrens vor deren Ablauf gehemmt und bei Erlass des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides noch nicht abgelaufen gewesen.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger im Wesentlichen geltend, der Tatbestand sei in einigen Punkten unrichtig. Er habe deshalb die Berichtigung des Tatbestandes wegen Unrichtigkeit und Unklarheit beantragt. Als Rechtsfolge ergebe sich bei entsprechender Berichtigung, dass die Festsetzungsfrist nicht habe erweitert werden können, so dass auch für 1996 Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Insoweit sei das Gericht seiner Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen nicht nachgekommen. Wegen Nichtvorlage der Strafakten sei auch das FA seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen.
Es habe kein tauschähnlicher Umsatz vorgelegen. Wenn eine Werklieferung im Jahr 1997 Tauschgegenstand habe sein sollen, sei 1995 und 1996 keine Gegenleistung erbracht worden. Der Anscheinsbeweis der Rechnung vom spreche dafür, dass die Leistungen des D an ihn, den Kläger, auch 1997 erbracht worden seien. Die Feststellungen zur Steuerbarkeit und zur Bemessungsgrundlage in beiden Jahren seien unzureichend.
Die vom FG vorgenommene hälftige Aufteilung auf die beiden Streitjahre entspreche nicht den tatsächlichen Verhältnissen; es sei nicht sachgerecht, dass die Schätzung auf Grundlage einer für das Besteuerungsverfahren unwirksamen Vereinbarung mit dem Strafverteidiger vorgenommen worden sei. Es sei nicht berücksichtigt, dass eine Bekanntgabe und damit auch eine Belehrung nach § 136 der Strafprozessordnung (StPO) nicht stattgefunden habe. Des Weiteren gelte der Grundsatz „in dubio pro reo”. Das FG habe übersehen, dass nach den Grundsätzen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts nicht die überwiegende Wahrscheinlichkeit, sondern der konkrete Beweis erforderlich sei. Es habe deshalb zu Unrecht die Leichtfertigkeit i.S. des § 378 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) festgestellt.
II. 1. Das Beschwerdeverfahren wird, soweit es Umsatzsteuer 1995 betrifft, eingestellt, nachdem der Kläger die Beschwerde insoweit zurückgenommen hat (§ 125 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO— entsprechend).
2. Die Beschwerde wegen Umsatzsteuer 1996 war als unzulässig zu verwerfen, weil der Kläger Zulassungsgründe nicht i.S. des § 116 Abs. 1 Satz 3 FGO dargelegt hat.
Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (Nr. 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden.
a) Soweit sich die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die behauptete Unrichtigkeit und Unklarheit im Tatbestand wendet, kann dies nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde, sondern nur mit der Tatbestandsberichtigung geltend gemacht werden. Hat das FG —wie hier mit Beschluss vom — die Berichtigung abgelehnt, kann die Unrichtigkeit des Tatbestandes nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden, selbst wenn —wie der Kläger meint— dennoch vorhandene Unrichtigkeiten vorlägen (z.B. , BFH/NV 2005, 1809, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung).
b) Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht mit der Begründung gerügt, das FG hätte den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufklären müssen, so sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. hierzu die Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 70) u.a. Ausführungen zu folgenden Punkten erforderlich:
- welche Tatsachen das FG auch ohne besonderen Antrag hätte aufklären müssen oder welche Beweise zu welchem Beweisthema es von Amts wegen hätte erheben müssen;
- aus welchen (genau bezeichneten) Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts oder einer Beweisaufhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen;
- inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.
Zu keinem dieser Punkte enthält die Beschwerdebegründung substantiierte Angaben.
c) Auch eine Zulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO kommt nicht in Betracht. Es muss sich bei der Annahme dieses Zulassungsgrundes um einen qualifizierten Rechtsanwendungsfehler handeln. Derartige Fehler kommen allenfalls bei offensichtlichen materiellen oder formellen Fehlern des FG im Sinne einer willkürlichen Entscheidung in Betracht. Insoweit fehlt es schon an einer schlüssigen Darlegung, denn eine bloß fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles reicht nicht (BFH-Beschlüsse vom IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25; vom III B 143/04, BFH/NV 2005, 1632). Der Kläger macht vielmehr —auch soweit er meint, das FG habe das Verwertungsverbot nicht beachtet— lediglich nach Art einer Revisionsbegründung geltend, das angefochtene Urteil sei fehlerhaft. Im Übrigen besteht —worauf das FA in der Beschwerdeerwiderung zu Recht hingewiesen hat— anders als im Strafverfahren im Besteuerungsverfahren kein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt wurden (, BFHE 198, 7, BStBl II 2002, 328).
d) Soweit der Kläger eine Verletzung von Denkgesetzen rügt, ist die Beschwerde schon deshalb unzulässig, weil es sich bei einem solchen Verstoß um einen materiell-rechtlichen Fehler handeln würde (z.B. , BFH/NV 1999, 1612), für den eigene Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 FGO vorgetragen werden müssten. Dies ist aber nicht geschehen.
e) Die Feststellung der Voraussetzungen der Steuerhinterziehung bestimmt sich nach den Vorschriften der AO und der FGO, wonach der Steuergläubiger (FA) die Feststellungslast für steueranspruchsbegründende Tatsachen trägt (vgl. z.B. , BFHE 165, 458, BStBl II 1992, 128). Insoweit ist kein höherer Grad von Gewissheit erforderlich als für die Feststellung anderer Tatsachen (vgl. z.B. , BFHE 155, 232, BStBl II 1989, 216, zur Feststellung der Steuerhinterziehung).
f) Verfahrensfehler des FA erlauben, selbst wenn sie vorlägen, keine Zulassung der Revision.
Fundstelle(n):
IAAAC-71440