BFH Beschluss v. - III B 3/07

Annahme der Prozessfähigkeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über Prozessfähigkeit

Gesetze: FGO § 58, FGO § 76, FGO § 115 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Das Finanzgericht (FG) wies die auf Gewährung von Kindergeld gerichtete Klage ab. Es führte aus, der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sei prozessfähig. Insofern bestünden zwar gewisse Zweifel, deretwegen ein Sachverständigengutachten habe eingeholt werden sollen. Der Kläger habe sich der Untersuchung aber entzogen und die behauptete stationäre Behandlung nicht glaubhaft gemacht. Die Klage sei jedoch unzulässig, weil der Kläger seine Wohnanschrift nicht angegeben habe und dafür nach der Verjährung einer noch offenen Restfreiheitsstrafe keine beachtenswerten Gründe bestünden. Im Übrigen wäre die Klage auch unbegründet, da der Kläger bis zum Ende der ihm gesetzten Ausschlussfrist keinen Nachweis der Geburt des Kindes und seiner Vaterschaft erbracht habe.

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Kläger vor, er sei nach Unfällen körperlich und seelisch stark belastet, verängstigt, handlungsunfähig und —wie auch andere Gerichte festgestellt hätten— prozessunfähig. Das klagabweisende Urteil hätte deshalb nicht ergehen dürfen. Den Gutachtertermin habe er wahrnehmen wollen, sei daran aber durch eine Krankheit, die ihn reiseunfähig gemacht habe, gehindert gewesen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 132 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Der Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde steht eine mögliche Prozessunfähigkeit des Klägers nicht entgegen, denn er gilt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Frage seiner Prozessfähigkeit als prozessfähig (, BFH/NV 2002, 651, m.w.N.; , BFH/NV 2006, 94).

2. Dem FG ist kein Verfahrensfehler unterlaufen, der eine Zulassung der Revision rechtfertigen würde (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), denn es hat seiner Sachaufklärungspflicht genügt (§ 76 Abs. 1 FGO). Nachdem der Kläger zu dem Gutachtertermin nicht erschienen war, ohne die behaupteten Hinderungsgründe glaubhaft zu machen oder sich um einen Ausweichtermin zu bemühen, konnte das FG von weiteren Bemühungen zur Erforschung seiner Prozessfähigkeit absehen. Dies gilt umso mehr, als der Kläger seinen Aufenthaltsort geheim hielt und auch zur mündlichen Verhandlung nicht erschien.

3. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

Nach § 58 Abs. 1 Nr. 1 FGO sind alle nach bürgerlichem Recht geschäftsfähigen Personen prozessfähig. Da die Prozessfähigkeit in jedem Verfahrensstadium von Amts wegen (§ 58 Abs. 2 Satz 2 FGO i.V.m. § 56 Abs. 1 der Zivilprozessordnung) zu prüfen ist, waren die vom Kläger behaupteten, aber nicht belegten Feststellungen anderer Gerichte dazu für das FG nach der Rechtsprechung des BFH nicht bindend (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 94, m.w.N.). Mit dieser Rechtsprechung hat sich der Kläger weder auseinandergesetzt noch erläutert, inwiefern über die Frage der Bindungswirkung unterschiedliche Auffassungen bestehen oder warum sonst eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32, 38 und 40).

Fundstelle(n):
NAAAC-71434