BFH Beschluss v. - I B 138/07

Darlegung bei verzichtbaren Mängeln

Gesetze: FGO § 76, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug:

Gründe

I. Streitig ist, ob der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Einspruchsfrist gegen einen Haftungsbescheid versäumt hat.

Der Kläger war Geschäftsführer einer GmbH. Der Kläger hatte am Sitzort der GmbH (X) auch seinen Wohnsitz. Nachdem das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH mangels Masse eingestellt worden war, nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) den Kläger mit Haftungsbescheid vom für rückständige Steuern in Anspruch. Der Versendung des Haftungsbescheids war eine Adressanfrage beim Einwohnermeldeamt vorausgegangen. Nach der Auskunft dieser Behörde hatte sich der Kläger mit seinem Hauptwohnsitz nach Y —dem Wohnsitz seiner Eltern— abgemeldet (unter Beibehaltung seines Wohnsitzes in X als Nebenwohnsitz). Eine Postzustellungsurkunde (vom ) weist eine „Ersatzzustellung in der Wohnung” durch Übergabe des Haftungsbescheids an die Mutter des Klägers aus. Ein Einspruch des Klägers ging am beim FA ein. Das Finanzgericht (FG) München wies die Klage, mit der geltend gemacht worden war, der Haftungsbescheid sei nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, durch Urteil vom 3 K 4216/06 ab.

Der Kläger rügt einen Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Er beantragt sinngemäß, die Revision gegen das zuzulassen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unzulässig; die Verfahrensrüge genügt den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht.

1. Eine Rüge von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) der Vorinstanz genügt nur dann den gesetzlichen Anforderungen, wenn die Tatsachen schlüssig bezeichnet werden, aus denen sich ein Verfahrensmangel ergibt, und ferner dargelegt wird, dass das angefochtene Urteil auf ihm beruhen kann (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom I B 53/05, BFH/NV 2006, 1484). Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) geltend gemacht, sind Ausführungen dazu erforderlich, aus welchen Gründen sich die Notwendigkeit einer Beweiserhebung dem FG auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern die Beweiserhebung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Ferner muss, da es sich bei dem gerügten Verfahrensmangel um einen gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung verzichtbaren Mangel handelt, dargelegt werden, weshalb in der mündlichen Verhandlung keine entsprechenden Beweisanträge gestellt wurden (z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom XI B 213/02, BFH/NV 2005, 566; vom X B 8/05, BFH/NV 2005, 2167; Senatsbeschluss vom I B 65/06, BFH/NV 2007, 745). Denn das Rügerecht geht mit Blick auf eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge; ein Verzichtswille ist dafür nicht erforderlich (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 566). Geht das FG einem durch Schriftsatz gestellten Beweisantrag nicht nach, muss jedenfalls ein rechtskundig vertretener Beteiligter dies in der (nächsten) mündlichen Verhandlung, an der er teilnimmt, rügen, weil sonst das Rügerecht endgültig verloren geht (, BFH/NV 2005, 1843).

2. Im Streitfall ist das Rügerecht entfallen. Das FG ist im angefochtenen Urteil den im Laufe des Verfahrens gestellten Beweisanträgen des Klägers (Vernehmung seiner Eltern; Vernehmung des Postzustellers) nicht nachgekommen. Ausweislich der Niederschrift der mündlichen Verhandlung ist vom rechtskundig vertretenen Kläger aber nur ein Sachantrag gestellt worden; es wurde weder ein Beweisantrag wiederholt noch vorsorglich die Nichterhebung der angebotenen Beweise gerügt.

Fundstelle(n):
JAAAC-71418