Keine Bindungswirkung durch ergänzende Hinweise des BFH zum Verfahren im zweiten Rechtsgang; Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens; Vorliegen einer Divergenz
Gesetze: FGO § 110, FGO § 76, FGO § 115 Abs. 2, FGO § 82
Instanzenzug:
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gerügten Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.
a) Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen eine durch die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) im ersten Rechtsgang ausgelöste mögliche Bindungswirkung.
Durch den (BFH/NV 2005, 367) ist das finanzgerichtliche Urteil wegen eines Verfahrensfehlers, der Verletzung der Pflichten gemäß § 76 Abs. 1 und 2 FGO, aufgehoben und an das Finanzgericht (FG) zurückverwiesen worden. Ein derartiger Beschluss des BFH kann allenfalls —entsprechend der für rechtskräftige Urteile geltenden Regelung des § 110 Abs. 1 Satz 1 FGO (vgl. Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 110 Rz 1)— Bindungswirkung entfalten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, also nicht in Bezug auf ergänzende Hinweise des BFH zur Sachbehandlung und zum Verfahren im zweiten Rechtsgang.
Zudem hat das FG die Hinweise des BFH zutreffend berücksichtigt. Denn danach setzt ein ingenieurähnlicher Beruf neben einer qualifizierten Tätigkeit auch theoretische Kenntnisse voraus, die in ihrer Breite und Tiefe denjenigen eines an einer Fachhochschule ausgebildeten Ingenieurs entsprechen.
b) Das FG hat seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 FGO) nicht deshalb verletzt, weil es kein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt hat.
Gemäß § 82 FGO i.V.m. § 412 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Gericht eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet. Die Einholung eines weiteren Gutachtens kommt insbesondere in Betracht, wenn sich das Gericht auf der Grundlage des vorliegenden Gutachtens keine sichere Überzeugung bilden kann (Gräber/Koch, a.a.O., § 82 Rz 38).
Das FG hat bei seiner Beurteilung der Tätigkeit des Klägers als gewerbliche die Feststellungen des vom Kläger eingeschalteten Sachverständigen zugrunde gelegt. Es ist —wie der Sachverständige— davon ausgegangen, dass der Kläger im streitigen Zeitraum Januar 1991 bis Juli 1992 im Rahmen einer klassischen ingenieurmäßigen Vorgehensweise qualifizierte Software entwickelt hat. Die Qualifizierung der Tätigkeit als freiberufliche i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) scheiterte allerdings daran, dass der Kläger nicht über theoretische Kenntnisse verfügte, die in ihrer Breite und Tiefe denjenigen eines Diplom-Informatikers entsprachen. Zu dieser Beurteilung konnte das FG auch ohne ein weiteres Sachverständigengutachten gelangen. Denn bereits in dem vom Kläger vorgelegten Gutachten ist ausgeführt, dass bei ihm zum Bewertungszeitraum theoretische Kenntnisse betreffend Mathematik und „physikalische Grundlagen” nicht oder nur marginal vorhanden waren. Dementsprechend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass er sich keine Kenntnisse in Mathematik und Physik angeeignet habe, weil diese Kenntnisse für die Praxis ohne jegliche Relevanz seien. Diese fehlenden Kenntnisse konnten jedoch für die Einstufung der Tätigkeit nicht unbeachtet bleiben, auch wenn dem Kläger eine ingenieurmäßige Vorgehensweise bei seinen praktischen Arbeiten bestätigt wurde. Eine ergänzende Stellungnahme des Gutachters war insoweit entbehrlich.
2. Die Revision war nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO) zuzulassen.
Eine Divergenz der angefochtenen Entscheidung zu dem (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2006, 1324) ist nicht gegeben. Maßgebend für das Vorliegen einer Abweichung ist der Stand der Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 51). Das Urteil des FG Hamburg in EFG 2006, 1324 wurde mit Urteil des Senats vom XI R 29/06 (BStBl II 2007, 781) aufgehoben. Zugleich wurde die Klage abgewiesen. Der Senat hat entschieden, dass ein Steuerpflichtiger, der über keinen Abschluss an einer (Fach-)Hochschule oder Bergakademie verfügt und als Systemberater auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung selbständig tätig ist, eine gewerbliche Tätigkeit ausübt, wenn er nicht nachweist, dass er in Breite und Tiefe das Wissen eines Diplom-Informatikers hat. Vertiefte Kenntnisse (nur) auf einem Teilgebiet des Fachstudiums reichen für eine freiberufliche Tätigkeit nicht aus.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BAAAC-71412