BFH Beschluss v. - XI B 160/06

Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei Abkürzung der Ladungsfrist

Gesetze: FGO § 96 Abs. 2, FGO § 91, FGO § 128

Instanzenzug:

Gründe

Gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision u.a. zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

1. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhobene Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO) erfüllt nicht die Anforderungen an eine schlüssige Darlegung eines Verfahrensfehlers gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO und ist daher unzulässig.

a) Im finanzgerichtlichen Verfahren wird das Recht auf Gehör u.a. durch die Ladungsfristen zum Termin zur mündlichen Verhandlung gewährleistet (§ 91 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die vom Gesetz vorgegebene Zeitspanne von mindestens zwei Wochen zwischen dem Tag der Zustellung der Ladung und dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht —FG— (§ 91 Abs. 1 Satz 1 FGO, § 155 FGO i.V.m. § 217 der ZivilprozessordnungZPO—) soll es den Beteiligten nicht nur ermöglichen, die Anwesenheit bei der mündlichen Verhandlung sicherzustellen; sie soll außerdem gewährleisten, dass sich die Beteiligten auf den Termin vorbereiten können, damit sie imstande sind, sich in der mündlichen Verhandlung zur Wahrung ihrer Rechte angemessen zu äußern (, BFH/NV 1993, 608). Wer eine ständige Wohnung hat und diese nur vorübergehend nicht benutzt, braucht für die Zeit seiner Abwesenheit keine besonderen Vorkehrungen hinsichtlich möglicher Zustellungen zu treffen (, BVerfGE 25, 158).

Obschon die Mindestladungsfrist mit zwei Wochen knapp bemessen ist, lässt es das Gesetz zu, dass diese Frist vom Vorsitzenden des betreffenden Senats in dringenden Fällen abgekürzt werden kann (§ 91 Abs. 1 Satz 2 FGO; vgl. hierzu Tipke in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 91 FGO Rz 3). Im Streitfall hatte der Vorsitzende die Ladungsfrist auf 10 Tage abgekürzt. Da mehr als 10 Tage zwischen dem Tag der Ladung und dem Terminstag lagen, wobei Zustelltag () und Terminstag () bei der Berechnung der Frist nicht mitgerechnet werden (§ 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), ist die abgekürzte Ladungsfrist eingehalten worden. Ein Ladungsfehler lag mithin nicht vor.

b) Allein mit dem Vorbringen, es habe kein dringender Fall vorgelegen, der eine Verkürzung der Ladungsfrist nach § 91 Abs. 1 Satz 2 FGO gerechtfertigt hätte, kann der von der Abkürzung der Ladungsfrist Betroffene nicht gehört werden. Die Abkürzung der Ladungsfrist stellt eine im Ermessen des Gerichts stehende prozessleitende Verfügung dar, die nach § 128 Abs. 2 FGO nicht mit der Beschwerde selbstständig angefochten werden kann (, BFH/NV 1996, 230). Entsprechend unterliegt sie nach § 124 Abs. 2 FGO auch nicht der Beurteilung im Revisionsverfahren, so dass eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf die bloße Tatsache der Abkürzung der Ladungsfrist gestützt werden kann (vgl. , BFH/NV 2000, 589). Hat die Abkürzung allerdings eine Versagung des rechtlichen Gehörs zur Folge, kann zur Wahrung des Rechtsschutzes eine diesbezügliche Rüge (vgl. nachfolgend) erhoben werden.

c) Die Abkürzung der Ladungsfrist kann das Recht des Beteiligten auf Gehör berühren und unter diesem Gesichtspunkt zum Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde gemacht werden (vgl. BFH in BFH/NV 2000, 589). Ein Beteiligter, der wegen der Kürze der Ladungsfrist nicht erscheinen und auch keine Terminsverlegung beantragen konnte, kann die in der Sache ergangene Entscheidung mit der Begründung anfechten, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, weil die Voraussetzungen für eine Verkürzung der Ladungsfrist nicht vorgelegen hätten (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 195, 530, BStBl II 2001, 681, m.w.N.).

Der Kläger hat in seiner auf die Verletzung rechtlichen Gehörs gestützten Beschwerde nicht schlüssig dargelegt (BFH-Beschluss in BFHE 195, 530, BStBl II 2001, 681), dass er den vom FG bestimmten Termin zur mündlichen Verhandlung am bereits deshalb nicht wahrnehmen konnte, weil er von diesem Termin erst nach seiner Rückkehr an seinen Wohnort Kenntnis bekommen habe, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die mündliche Verhandlung vor dem FG bereits stattgefunden hatte.

Die schlichte Behauptung, er sei für 13 Tage bis einschließlich nicht in Berlin gewesen, genügt insoweit zu einer schlüssigen Darlegung nicht. Laut der in den finanzgerichtlichen Akten befindlichen Zustellungsurkunde wurde die Ladung am in den zu der Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten eingelegt, weil die Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung des Klägers nicht möglich war. Wenn der Kläger für 13 Tage bis einschließlich nicht in Berlin war, ist er erst am verreist, und konnte demnach die Ladung noch am in seiner Wohnung vorfinden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
AAAAC-71408