Leitsatz
Personen, die vor dem mit eigenem Aufnahmebescheid ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet genommen haben und nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage alle Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 2 BVFG erfüllt hatten, ist auch dann nach § 15 Abs. 1 BVFG eine Bescheinigung zum Nachweis der Spätaussiedlereigenschaft auszustellen, wenn sie sich bis zur Ausreise nicht durchgängig zum deutschen Volkstum bekannt hatten.
Gesetze: BVFG F. 1998 § 4 Abs. 1; BVFG F. 1998 § 6 Abs. 2; BVFG F. 2001 § 6 Abs. 2; BVFG F. 2001 § 15 Abs. 1; BVFG F. 2001 § 100a; BVFG F. 2007 § 6 Abs. 2; BVFG F. 2007 § 15 Abs. 1; BVFG F. 2007 § 100a Abs. 1
Instanzenzug: VG Würzburg VG W 8 K 02.896 vom VGH München VGH 11 B 03.609 vom Fachpresse: ja BVerwGE: ja
Gründe
I
Die Klägerin begehrt eine Spätaussiedlerbescheinigung.
Die 1969 in der Ukraine geborene Klägerin beantragte 1995 ihre Aufnahme in die Bundesrepublik Deutschland. Sie berief sich dabei auf die deutsche Volkszugehörigkeit ihrer Eltern, ihrer Großeltern väterlicherseits und der Großmutter mütterlicherseits. Die Eltern der Klägerin waren bereits 1990 in das Bundesgebiet ausgesiedelt. Ihr Vater erhielt den Vertriebenenausweis A, ihre Mutter wurde als Vertriebene nach § 1 Abs. 3 BVFG anerkannt. Mit dem Aufnahmeantrag wurde die Kopie eines sowjetischen Inlandspasses vom vorgelegt, in dem die Nationalität der Klägerin laut Teilübersetzung mit deutsch angegeben war. Eine notariell beglaubigte Abschrift der Geburtsurkunde der Klägerin vom nebst Übersetzung weist den Vater der Klägerin als Deutschen, ihre Mutter als Ukrainerin aus. Nach einem am vor der Deutschen Botschaft in Kiew abgelegten Sprachtest, bei dem festgestellt wurde, dass die Klägerin über ausgezeichnete, offensichtlich muttersprachlich erworbene Deutschkenntnisse verfüge, erteilte ihr das Bundesverwaltungsamt unter dem den beantragten Aufnahmebescheid.
Am traf die Klägerin mit ihrer Tochter und ihrem ukrainischen Ehemann im Bundesgebiet ein und beantragte am die Ausstellung einer Bescheinigung für Spätaussiedler nach § 15 Abs. 1 BVFG. Der Sprachtest verlief wiederum positiv. Im Bescheinigungsverfahren erklärte die Klägerin zunächst, dass sie auch in ihrem ersten Inlandspass mit deutscher Nationalität eingetragen gewesen sei. Später erklärte sie, in ihrer 1969 ausgestellten Geburtsurkunde seien ihr Vater mit tschechischer und ihre Mutter mit ukrainischer Nationalität verzeichnet gewesen und in ihrem 1985 ausgestellten ersten Inlandspass sei sie nach ihrem Vater mit tschechischer Nationalität eingetragen gewesen. Dabei habe sie sich für die deutsche Nationalität ihres Vaters nicht entscheiden können, weil dieser in ihrer Geburtsurkunde mit tschechischer Nationalität eingetragen gewesen sei. Erst 1991 habe sie erfahren, dass ein Archiv existiere und dort nachgefragt werden könne, ob Nachweise für die deutsche Volkszugehörigkeit von Angehörigen vorhanden seien. Sie habe vom Archiv die Bestätigung erhalten, dass ihr Großvater väterlicherseits Deutscher sei. Gleichwohl habe sie zunächst beim Standesamt die Änderung der Nationalität ihres Vaters in ihrer Geburtsurkunde nicht erreichen können. Dies sei ihr erst aufgrund eines Gerichtsbeschlusses vom gelungen. Nach der Archivbescheinigung vom sei ihre Nationalität im Inlandspass von 1989 geändert worden. Ein bis zwei Jahre später habe sie einen ukrainischen Pass erhalten und ihren alten Inlandspass im Original abgeben müssen. Deshalb sei es nicht mehr nötig gewesen, den Inlandspass nach dem Gerichtsbeschluss im Jahr 1993 zu ändern.
Mit Bescheid vom lehnte das Zentrale Ausgleichsamt B. den Antrag der Klägerin ab, weil kein Bekenntnis zum deutschen Volkstum durch eine durchgängige Nationalitätenerklärung vorliege.
Der Klage der Klägerin mit dem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, ihr eine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG auszustellen, hat das Verwaltungsgericht stattgegeben, weil der Klägerin die Eintragung der tschechischen Nationalität in ihrem ersten Inlandspass nicht entgegengehalten werden dürfe. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen:
Die deutsche Volkszugehörigkeit der Klägerin sei zu verneinen, weil sie sich nicht, wie § 6 Abs. 2 Satz 1 F. 2001 BVFG fordere, bis zum Verlassen des Aussiedlungsgebietes durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung nur zum deutschen Volkstum bekannt habe. Nach § 100a BVFG F. 2001 beanspruchten die Merkmale der deutschen Volkszugehörigkeit nach § 6 Abs. 2 BVFG F. 2001 Geltung auch für noch nicht abgeschlossene Bescheinigungsverfahren nach § 15 BVFG, und zwar auch dann, wenn der Antragsteller bereits Jahre vor Inkrafttreten des neuen Rechts im Aufnahmeverfahren nach §§ 26 ff. BVFG in das Bundesgebiet eingereist sei. Verfassungsrechtliche Bedenken stünden dem, wie die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zeige, nicht entgegen. Dass die Klägerin mit einem Aufnahmebescheid aus eigenem Recht eingereist sei, begründe kein schutzwürdiges Vertrauen. Denn über die Eigenschaft als Spätaussiedler werde endgültig erst im Bescheinigungsverfahren entschieden.
Ein durchgängiges Bekenntnis zum deutschen Volkstum liege bei der Klägerin nicht vor. Zwar sei es der Klägerin zunächst verwehrt gewesen, die deutsche Nationalität zu wählen, und fehlten Anhaltspunkte für ein tschechisches Volkstumsbewusstsein der Klägerin, weshalb der tschechische Nationalitäteneintrag in den Inlandpässen von 1985 und 1989 nicht auf ein die deutsche Volkszugehörigkeit ausschließendes Gegenbekenntnis hinweise. Aber ein positives, nach außen gerichtetes Bekenntnis der Klägerin zum deutschen Volkstum könne für den Zeitraum zwischen dem Eintritt ihrer Bekenntnisfähigkeit und der durch die Archivbescheinigung vom bewirkten Änderung des Nationalitäteneintrags im Inlandspass von 1989 nicht festgestellt werden.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie rügt die Verletzung des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG. Das verfassungsrechtliche Verbot echter Rückwirkung stehe der Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG F. 2001 auf die Klägerin entgegen, die 1998 mit Aufnahmebescheid aus eigenem Recht eingereist sei und 1998 mit der ständigen Aufenthaltnahme in Deutschland den Status einer Spätaussiedlerin erworben habe.
Der Beklagte verteidigt den Berufungsbeschluss.
II
Die Revision der Klägerin ist begründet. Der klagabweisende Berufungsbeschluss beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), denn der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin eine Bescheinigung zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft auszustellen.
Das Begehren der Klägerin, den Beklagten zur Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 BVFG zu verpflichten, ist nach der im Entscheidungszeitpunkt geltenden Rechtslage zu beurteilen ( BVerwG 5 C 2.01 - BVerwGE 116, 114 <115> und - BVerwG 5 C 45.01 - BVerwGE 116, 119 <120>).
Für die Durchführung des Bescheinigungsverfahrens nach § 15 Abs. 1 BVFG ist der Beklagte zuständig geblieben (§ 100b BVFG). Der Klägerin steht die begehrte Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG zu, denn sie ist Spätaussiedlerin.
Die Spätaussiedlereigenschaft der aus der Ukraine stammenden Klägerin ergibt sich aus § 4 Abs. 1 BVFG. Danach ist Spätaussiedler in der Regel ein deutscher Volkszugehöriger, der die Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach dem im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen und innerhalb von sechs Monaten im Geltungsbereich des Gesetzes seinen ständigen Aufenthalt genommen hat, wenn er zuvor zu bestimmten Zeiten, die hier nicht im Streit stehen, seinen Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten hatte.
Die Klägerin hat die Aussiedlungsgebiete 1998 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen, indem sie mit dem ihr am nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG erteilten Aufnahmebescheid des Bundesverwaltungsamtes ausgereist ist. Mit diesem Aufnahmebescheid ist sie am in der Bundesrepublik Deutschland eingetroffen und hat damit im Bundesgebiet Aufenthalt genommen.
Die Klägerin erfüllt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch die weitere Voraussetzung für die Spätaussiedlereigenschaft nach § 4 Abs. 1 BVFG, dass sie deutsche Volkszugehörige ist. Das ergibt sich für die 1969 geborene Klägerin aus § 6 Abs. 2 BVFG, der für die nach dem Geborenen bestimmt, unter welchen Voraussetzungen jemand deutscher Volkszugehöriger ist.
Zur Frage, ob § 6 Abs. 2 BVFG hier in seiner zur Zeit der ständigen Aufenthaltnahme der Klägerin 1998 geltenden Fassung oder in seiner seit dem geltenden Fassung anzuwenden ist, hat das Berufungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass der erkennende Senat die Übergangsregelung des § 100a BVFG F. 2001, wonach auch Anträge nach § 15 Abs. 1 BVFG nach dem Recht zu bescheiden sind, das nach dem gilt, dahin ausgelegt hat, dass die Merkmale der deutschen Volkszugehörigkeit nach § 6 Abs. 2 BVFG F. 2001 auch für noch nicht abgeschlossene Bescheinigungsverfahren nach § 15 BVFG Geltung beanspruchen, selbst wenn die Antragsteller bereits Jahre vor Inkrafttreten des neuen Rechts im Aufnahmeverfahren nach §§ 26 ff. BVFG in das Bundesgebiet eingereist sind ( BVerwG 5 C 2.01 - BVerwGE 116, 114 und - BVerwG 5 C 28.01 - Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 98 zum Spracherfordernis). An dieser Auslegung hat der Senat in seinen Urteilen vom (- BVerwG 5 C 14.03 - BVerwGE 119, 188) zum Erfordernis eines Bekenntnisses nach dem Ende der Bekenntnisfiktion nach § 6 Abs. 2 Satz 5 BVFG und vom (- BVerwG 5 C 49.03 - BVerwGE 122, 249) zur Bekenntnisvertretung festgehalten. Dabei hat der Senat auch geprüft, ob § 100a BVFG F. 2001 "mit Rücksicht darauf, dass die Bescheinigung nach § 15 BVFG keine konstitutive, sondern nur bestätigende Wirkung hat, der zu bestätigende Status als Spätaussiedler aber bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 4, 6 BVFG mit der Aufnahme in das Bundesgebiet entsteht (vgl. BVerwGE 99, 133 <138>), für Bescheinigungsbewerber, die bereits Jahre vor In-Kraft-Treten des Spätaussiedlerstatusgesetzes im Wege des Aufnahmeverfahrens in das Bundesgebiet eingereist sind, Wirkungen entfaltet, die eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung bedeuten könnten" (Urteile vom a.a.O.).
In seinen Urteilen vom a.a.O. hat der Senat einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot in Bezug auf geänderte Anforderungen an das Sprachvermögen neben dem Hinweis, dass die endgültige Prüfung ausreichender Sprachkenntnis erst im Bescheinigungsverfahren erfolge, mit der Begründung verneint, dass die Kläger wegen der engeren Verwaltungspraxis von Bund und Ländern zum Spracherfordernis nicht auf eine für sie günstigere Rechtsauslegung durch das Bundesverwaltungsgericht hätten vertrauen können. Im Urteil vom a.a.O. hat der Senat einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verneint, weil ein Vertrauen der Klägerin darauf, dass die deutsche Volkszugehörigkeit in diesem Verfahren nach denselben Kriterien beurteilt werde, wie sie im Zeitpunkt der Aufnahme der Klägerin in den Geltungsbereich des Gesetzes für Spätaussiedlerbewerber gegolten habe, nicht schutzwürdig sei; denn die Klägerin sei nicht aufgrund eines Verfahrens, in dem ihre deutsche Volkszugehörigkeit geprüft und bejaht worden sei, in das Bundesgebiet aufgenommen worden, sondern aufgrund einer Einbeziehung als Angehörige einer deutschen Volkszugehörigen in den ihrer Mutter erteilten Aufnahmebescheid. Auch im Urteil vom a.a.O., das ebenfalls eine Person betraf, die als in den Aufnahmebescheid der Mutter einbezogener Abkömmling eingereist war, hat der Senat für eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG § 6 Abs. 2 BVFG F. 2001 als maßgeblich angesehen und verfassungsrechtliche Bedenken unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Rückwirkungsverbotes verneint.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt aber in Fällen wie dem vorliegenden, in dem eine Person mit einem eigenen Aufnahmebescheid, also nach - wenngleich nur vorläufiger - Prüfung und Bejahung ihrer deutschen Volkszugehörigkeit, in das Bundesgebiet aufgenommen worden ist und nach der damals (hier:1998) geltenden Rechtslage nach § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 2 BVFG Spätaussiedler geworden ist, eine aus § 100a BVFG für noch offene Bescheinigungsverfahren nach § 15 Abs. 1 BVFG abgeleitete Anwendung des § 6 Abs. 2 BVFG F. 2001 in Bezug auf die danach nun erforderliche zeitliche Durchgängigkeit des Bekenntnisses zum deutschen Volkstum zu echter Rückwirkung (dazu unter 1.). Auch ist eine in dieser Fallkonstellation zuvor mit der Aufnahme in Deutschland erlangte Spätaussiedlereigenschaft, die durch die Rückwirkung verloren ginge, schutzwürdig (dazu unter 2.). Die Rechtsposition der Klägerin unterfällt daher dem grundsätzlichen verfassungsrechtlichen (Art. 20 Abs. 3 GG) Verbot echter (retroaktiver) Rückwirkung, also des nachträglich ändernden Eingriffs in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat und zurücktritt, wenn sich ausnahmsweise kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (, 1 BvL 48/92 - BVerfGE 95, 64 <86 f.> = juris Rn. 110). § 100a Abs. 1 BVFG ist für derartige Fallkonstellationen, in denen ein schutzwürdiges Vertrauen besteht, verfassungskonform dahin auszulegen, dass er für noch offene Bescheinigungsverfahren nach § 15 Abs. 1 BVFG die Anwendung des § 6 Abs. 2 BVFG F. 2001 nicht in Bezug auf die danach nun erforderliche zeitliche Durchgängigkeit des Bekenntnisses zum deutschen Volkstum anordnet (dazu unter 3.).
1. Verstünde man § 100a Abs. 1 BVFG dahin, dass er die Anwendung des § 6 Abs. 2 BVFG auch in Bezug auf die danach nun auch erforderliche zeitliche Durchgängigkeit des Bekenntnisses zum deutschen Volkstum anordnet, käme ihm echte Rückwirkung zu.
Die Klägerin ist 1998 mit einem ihr zuvor im selben Jahr erteilten Aufnahmebescheid für eine Aufnahme als Spätaussiedlerin nach Deutschland eingereist. Nach der damals - 1998 - geltenden Rechtslage (§ 15 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 2 BVFG) und Rechtspraxis in Verwaltung und Rechtsprechung (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Vorliegen einer Erklärung zur deutschen Nationalität sowie für ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum BVerwG 9 C 391.94 - BVerwGE 99, 133 <144 ff.>) hat sie 1998 mit ihrer ständigen Aufenthaltnahme in Deutschland den Spätaussiedlerstatus (§ 4 Abs. 1 BVFG) erlangt, weil sie sich - andere Voraussetzungen für ihre deutsche Volkszugehörigkeit stehen nicht im Streit - nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts im Aussiedlungsgebiet jedenfalls ab 1991 (Antrag, im Inlandspass als Nationalität Deutsch einzutragen) bzw. 1993 (Änderung der Nationalität des Vaters in der Geburtsurkunde der Klägerin aufgrund Gerichtsbeschlusses), also deutlich vor ihrem Antrag auf Aufnahme 1995 und ihrer Umsiedlung nach Deutschland 1998, zum deutschen Volkstum bekannt hat (§ 6 Abs. 2 BVFG F. 1998). Dem Statuserwerb im Zeitpunkt der Aufenthaltnahme, also im Jahre 1998, stand nicht entgegen, dass der Klägerin die Spätaussiedlereigenschaft zu diesem Zeitpunkt noch nicht nach § 15 Abs. 1 BVFG bescheinigt worden war. Denn die Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG begründet die Spätaussiedlereigenschaft nicht erst, sondern dient ihrem Nachweis, setzt sie also voraus und hat lediglich feststellende Wirkung ( BVerwG 1 C 26.00 - BVerwGE 114, 332 <336>; vom - BVerwG 5 C 2.01 - BVerwGE 116, 114 <116> und - BVerwG 5 C 28.01 - Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 98 = juris Rn. 9 sowie - BVerwG 5 C 45.01 - BVerwGE 116, 119 <121>). Wer Spätaussiedler ist, regelt § 4 BVFG. Der hier einschlägige § 4 Abs. 1 BVFG bestimmt sowohl Voraussetzungen für den Erwerb des Spätaussiedlerstatus als auch den Zeitpunkt, zu dem die Erwerbsvoraussetzungen vorliegen müssen, nämlich zu der Zeit, zu der der Einreisende in Deutschland seinen ständigen Aufenthalt nimmt ( BVerwG 5 C 45.01 - BVerwGE 116, 119 <121 f.>).
Würde § 100a BVFG so angewandt, dass die Merkmale der deutschen Volkszugehörigkeit nach § 6 Abs. 2 BVFG F. 2001 umfassend auch für noch nicht abgeschlossene Bescheinigungsverfahren nach § 15 BVFG Geltung beanspruchten, selbst wenn die Antragsteller bereits Jahre vor In-Kraft-Treten des neuen Rechts im Aufnahmeverfahren nach §§ 26 ff. BVFG in das Bundesgebiet eingereist sind, so führte das für Personen, die sich zwar, wie es für § 6 Abs. 2 BVFG F. 1998 ausreichend gewesen ist, noch rechtzeitig vor der Ausreise zum deutschen Volkstum bekannt hatten, aber sich nicht, wie es nach § 6 Abs. 2 BVFG F. 2001 erforderlich ist, soweit zumutbar ab Bekenntnisfähigkeit durchgängig zum deutschen Volkstum bekannt hatten, dazu, dass sie ihren bereits mit der Aufenthaltnahme im Bundesgebiet erworbenen Spätaussiedlerstatus mit der späteren unanfechtbaren Ablehnung der Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG wieder verlören. Denn mit der unanfechtbaren Versagung einer beantragten Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG stünde verbindlich fest, dass der Antragsteller kein Spätaussiedler ist (§ 15 Abs. 1 <früher Satz 2, jetzt> Satz 4 BVFG; BVerwG 1 C 26.00 - BVerwGE 114, 322 <337 f.>). In dieser Auslegung bewirkte § 100a BVFG den Verlust einer in der Vergangenheit - im Streitfall vor drei Jahren - erlangten Rechtsposition und hätte echte Rückwirkung.
2. Wer die Spätaussiedlereigenschaft aufgrund eines eigenen Aufnahmebescheides (§ 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG) mit der Aufenthaltnahme im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 2 BVFG in der Fassung vor 2001 rechtmäßig erworben hat, konnte in Bezug auf das Bekenntniserfordernis auf deren Bestand und darauf vertrauen, dass sie ihm nicht rückwirkend genommen wird.
Allerdings ergibt sich, worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, ein schützenswertes Vertrauen noch nicht aus der vorläufigen Prüfung und Bejahung der Spätaussiedlereigenschaft im Aufnahmeverfahren. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind das Aufnahmeverfahren mit der vorläufigen Prüfung der Spätaussiedlereigenschaft ( BVerwG 1 C 26.00 - BVerwGE 114, 332 <337>; Entwurfsbegründung zum Zuwanderungsgesetz BTDrucks 15/420 S. 118) einerseits und das Bescheinigungsverfahren mit der abschließenden Prüfung der Spätaussiedlereigenschaft andererseits auseinanderzuhalten ( BVerwG 5 C 30.00 - BVerwGE 115, 10 <13 f.> und vom - BVerwG 5 C 10.04 - BVerwGE 123, 101 <105 f.>). Als Folge dieser Vorläufigkeit hat es der Gesetzgeber in Kauf genommen, dass damit Personen in Deutschland aufgenommen werden, deren Spätaussiedlereigenschaft der Überprüfung im Bescheinigungsverfahren nach § 15 BVFG gegebenenfalls nicht standhält ( BVerwG 5 C 30.00 - BVerwGE 115, 10 <14>). Damit hat er auch zulasten der mit einem Aufnahmebescheid Eingereisten die Härte in Kauf genommen, dass sie dann, wenn sich im Bescheinigungsverfahren herausstellt, dass sie keine Spätaussiedler sind, als Ausländer behandelt werden und gegebenenfalls Deutschland wieder verlassen und in ihre Heimat zurückkehren müssen ( - juris Rn. 2). Eine mit Aufnahmebescheid eingereiste Person kann sich deshalb nicht auf Vertrauen berufen, wenn sich bei unveränderter Rechtslage im Bescheinigungsverfahren herausstellt, dass sie doch keine deutsche Volkszugehörige ist. Auch Rechtsänderungen zwischen Aufnahmebescheid und Einreise, die die Voraussetzungen zum Erwerb des Spätaussiedlerstatus einengen, gehen grundsätzlich (vorbehaltlich einer Übergangsregelung) zulasten der noch nicht eingereisten Person. Denn die Frage, ob eine Person mit ihrer Einreise nach Deutschland Spätaussiedlerin wird, hängt von der Rechtslage im Zeitpunkt der Einreise ab (§ 4 Abs. 1 BVFG).
Das Vertrauen auf den Bestand der mit ständiger Aufenthaltnahme in Deutschland erworbenen Spätaussiedlereigenschaft (§ 4 Abs. 1, § 6 Abs. 2 BVFG in der bei dieser Aufenthaltnahme geltenden Fassung) als Rechtsposition ist in Bezug auf das hier zu beurteilende Bekenntnis zum deutschen Volkstum schutzwürdig, weil diese Rechtsposition bereits kraft der bei der Aufenthaltnahme geltenden Rechtslage erworben worden ist. Zu dieser Zeit - im August 1998 - gab es keine Anzeichen dafür, dass Personen, die wie die Klägerin die Spätaussiedlereigenschaft nach § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 2 BVFG F. 1998 auf der Grundlage eines vor der Ausreise abgegebenen Bekenntnisses erworben hatten, diese (rückwirkend) durch die nachträgliche Festlegung erhöhter Anforderungen an das Bekenntnis zum deutschen Volkstum wieder verlieren könnten. Auf diesen lange vor einem Beschluss zum Spätaussiedlerstatusgesetz erlangten Rechtsstatus als Spätaussiedler (und Deutscher i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG) durfte und konnte der Rechtsinhaber, hier die Klägerin, vertrauen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass das Bescheinigungsverfahren noch nicht abgeschlossen war. Denn diesem kommt, wie bereits ausgeführt, keine konstitutive Wirkung zu.
3. Da die Klägerin auf den Fortbestand der mit ihrer Aufenthaltnahme in Deutschland erworbenen Spätaussiedlereigenschaft vertrauen durfte und auch kein überragender Belang des Gemeinwohls erkennbar ist, der den rückwirkenden Verlust dieser Rechtsposition gebieten könnte, ist § 100a Abs. 1 BVFG so auszulegen, dass bei der Anwendung des § 6 Abs. 2 BVFG F. 2001 nicht auch das Erfordernis eines zeitlich durchgängigen Bekenntnisses zum deutschen Volkstum herzuleiten ist. Personen, die vor dem (Beschlussfassung über das Spätaussiedlerstatusgesetz) mit eigenem Aufnahmebescheid ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet genommen haben und nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage alle Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 2 BVFG erfüllt hatten, ist auch dann nach § 15 Abs. 1 BVFG eine Bescheinigung zum Nachweis der Spätaussiedlereigenschaft auszustellen, wenn sie sich bis zur Ausreise nicht durchgängig zum deutschen Volkstum bekannt hatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BAAAC-71276