Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 254 Abs. 1; StPO § 261; BtMG § 31; StGB § 73 Abs. 1 Satz 1; StGB § 73 a; StGB § 73 b
Instanzenzug: LG Oldenburg vom
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagte Z. K. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen sowie wegen Einfuhr von und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten B. K. hat es wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren erkannt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Den Angeklagten E. hat es wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf zahlreiche Verfahrensrügen und sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Sie beanstandet, dass der Angeklagte E. nicht und die Angeklagte Z. K. nicht in allen Fällen wegen bandenmäßiger Begehungsweise verurteilt worden sind; sie wendet sich im Übrigen gegen die Höhe der erkannten Strafen, bezüglich des Angeklagten B. K. auch gegen die Strafaussetzung zur Bewährung, sowie gegen das Absehen von der Festsetzung von Wertersatzverfall. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg.
I.
Das Landgericht hat festgestellt:
Die Angeklagte Z. K. erklärte sich dem gesondert verfolgten Betäubungsmittelhändler A. gegenüber bereit, für einen Kurierlohn von 3.000 € und 1.000 € Spesen pro Fahrt Drogentabletten aus Holland über Deutschland in die Türkei zu transportieren. Sie nahm Ende März 2005 in Hengelo von A. 20.000 Ecstasy-Tabletten entgegen, die sie in einem Kraftfahrzeug, gesteuert von einem Komplizen A. s, nach Frankfurt am Main mitnahm und von da aus mit einem Reisebus nach Istanbul verbrachte. Am dortigen Busbahnhof nahm A. das Rauschgift in Empfang (Tat 1 - abgeurteilt als täterschaftliche Einfuhr und täterschaftliches Handeltreiben der Angeklagten Z. K. ).
Ende April 2005 bestellte A. die Angeklagte wieder nach Holland. Auf sein Betreiben überredete die Angeklagte ihren Ehemann B. K. sie als Fahrer zu begleiten, indem sie ihm einen Lohn von jeweils 2.000 € für jeden Transport in Aussicht stellte. Dies wurde von A. bei einem Treffen in Eindhoven bestätigt. Beide Angeklagte waren bereit, dem A. zukünftig für Transporte zur Verfügung zu stehen. Sie verbrachten im Kraftfahrzeug des Angeklagten B. K. mindestens 10 Kilo Ecstasy-Tabletten nach Frankfurt am Main. Von dort aus transportierte die Angeklagte Z. K. das Rauschgift mit einem Reisebus nach Istanbul und übergab es dort wiederum an A. (Tat 2 - abgeurteilt als täterschaftlicher Bandenhandel der Angeklagten Z. und B. K. ).
Ende Oktober 2005 wurden die beiden Angeklagten K. von A. nach Amsterdam bestellt. Dort erhielten sie von A. und dem Angeklagten E. mindestens 15 Kilo Ecstasy-Tabletten. Das Rauschgift war von dem Angeklagten E. "organisiert" worden, der den zum Kauf notwendigen Geldbetrag zumindest teilweise dem A. als Darlehen zur Verfügung gestellt hatte. Die Angeklagten K. fuhren mit den Tabletten gemeinsam nach Frankfurt, von wo aus die Angeklagte Z. K. wieder mit einem Reisebus nach Istanbul fuhr und die Betäubungsmittel einer Vertrauten des A. übergab (Tat 3 - abgeurteilt als täterschaftlicher Bandenhandel der Angeklag-ten Z. und B. K. sowie als Handeltreiben des Angeklagten E. ).
Im Dezember 2005 fuhr die Angeklagte Z. K. wieder in die Niederlande. Ihr Ehemann hatte keine Zeit zur Begleitung, stellte aber sein Fahrzeug zur Verfügung, das von Ki. , der Schwester der Angeklagten K. , gesteuert wurde. Außerdem bemühte er sich telefonisch um die Organisation der Kurierfahrt. Der Angeklagte E. lotste die beiden Frauen telefonisch zu einem Treffpunkt nach Oss, wo 26,78 Kilo Ecstasy-Tabletten mit einem durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von 28,1 % MDMA in das Kraftfahrzeug eingeladen wurden. Das Rauschgift hatte der Angeklagte E. organisiert. Der gesondert verfolgte A. war bei der Übergabe nicht anwesend, da er sich in der Türkei befand. Die Drogen sollten zuerst nach Bremerhaven gebracht werden. Auf der Fahrt dorthin wurden die Angeklagte Z. K. und ihre Fahrerin nach Überschreiten der Grenze in Deutschland festgenommen (Tat 4 - abgeurteilt als täterschaftlicher Bandenhandel der Angeklagten Z. und B. K. sowie als Handeltreiben des Angeklagten E. ).
Das Landgericht hat weder feststellen können, dass sich der Angeklagte E. mit A. auf die fortgesetzte Begehung weiterer Taten verständigt hatte, noch sich davon überzeugen können, "wieviel" Kurierlohn die Angeklagten für die Fahrten tatsächlich erhalten hatten.
II. Die Angeklagten K.
1. Die Verfahrensrügen der Staatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg.
a) Soweit die Revision (RB S. 10-65) unter dem Aspekt einer Verletzung von § 254 Abs. 1, § 261 StPO beanstandet, das Landgericht habe seinem Urteil die vor der Polizei abgelegten Geständnisse der beiden Angeklagten K. zugrunde gelegt, obwohl diese nicht in zulässiger Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden seien, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf. Es ist nicht bewiesen, dass die Geständnisse im Wege des Urkundsbeweises Gegenstand der Hauptverhandlung geworden sind. Zwar sind die polizeilichen Aussagen nach der Sitzungsniederschrift "verlesen" worden; indes haben sich die Angeklagten nach der Verlesung jeweils "dazu" erklärt, was für eine Verlesung zum Zwecke des Vorhalts und eine sich anschließende Einlassung der Angeklagten in der Hauptverhandlung spricht. Auch die Formulierungen in den Urteilsgründen, die Angeklagten hätten ihre geständigen Einlassungen im Ermittlungsverfahren jeweils in der Hauptverhandlung als richtig bestätigt, lassen es als möglich erscheinen, dass allein die - nach Vorhalt der polizeilichen Geständnisse - in der Hauptverhandlung gemachten Angaben der Angeklagten Grundlage des Urteils geworden sind. Eine weitergehende Aufklärung ist ohne die im Revisionsverfahren nicht zulässige Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht möglich.
b) Die Beschwerdeführerin sieht zum Vorteil der Angeklagten Z. K. § 261 StPO als verletzt an (RB S. 65-90), weil sich das Landgericht mit dem Inhalt von zwei gegen den gesondert verfolgten A. ergangenen Haftbefehlen des Amtsgerichts Oldenburg, die in der Hauptverhandlung verlesen worden sind, sowie mit den in der Hauptverhandlung erörterten Haftdaten des Angeklagten E. in den Urteilsgründen nicht auseinandergesetzt hat, obwohl sich dies im Hinblick auf die vom Landgericht angenommenen Voraussetzungen des § 31 BtMG aufgedrängt hätte. Die Rüge hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler die Anwendung des § 31 BtMG darauf gestützt, dass die Angeklagte mit ihren Angaben die bereits vorhandenen Erkenntnisse über den gesondert verfolgten A. bekräftigt hatte. Mit den Haftbefehlen und den Haftdaten musste sich das Urteil deshalb nicht auseinandersetzen.
c) Auch die weitere Rüge einer Verletzung von § 261 StPO (RB S. 91-125) versagt. Der Inhalt des Gesprächs zwischen den Angeklagten K. , dessen Aufzeichnung in die Hauptverhandlung eingeführt wurde, ist für die Bemessung der Strafe der Angeklagten Z. K. nicht von solcher Bedeutung, dass das Landgericht verpflichtet gewesen wäre, sich in den Urteilsgründen mit ihm auseinanderzusetzen.
d) Soweit die Revision mit dem Ziel einer höheren Bestrafung beider Angeklagter beanstandet, das Landgericht habe einen Beweisantrag fehlerhaft abgelehnt (RB S. 138-155), bleibt sie ebenfalls ohne Erfolg. Die erstrebte Vernehmung des Ermittlungsrichters über die Aussage der Ki. hätte, was die Beschwerdeführerin selbst einräumt, nur ein Indiz für die Glaubhaftigkeit der Aussagen des gesondert verfolgten A. erbringen können. Das Landgericht hätte dem A. auch dann nicht geglaubt, wenn der Ermittlungsrichter über die Angaben der Ki. vor ihm berichtet hätte. Es hat deshalb den Beweisantrag zutreffend wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache abgelehnt.
2. Soweit sich die Revision mit sachlichrechtlichen Beanstandungen gegen den Schuldspruch wendet, zeigt sie ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten auf. Die in diesem Zusammenhang wiederholte Rüge, die Beweiswürdigung beruhe auf nicht ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführten Beweismitteln (RB S 156-168), ist für die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge irrelevant.
Jedoch ist der Schuldspruch zu Gunsten der Angeklagten zu ändern (§ 301 StPO). Das Landgericht hat die Taten der Angeklagten rechtsfehlerhaft jeweils als täterschaftlich begangenes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln eingeordnet.
Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht ausgeführt, das Verhalten der Angeklagten Z. K. stelle sich insgesamt nur als Unterstützungshandlung dar; sie sei als Kurierin jeweils "zitiert" worden, habe einen geplanten Transportweg genommen, die Drogen seien ihr unmittelbar nach ihrer Ankunft abgenommen worden. Diese Einschätzung hat das Landgericht erkennbar auch bezüglich des Angeklagten B. K. vertreten, wenn es ausführt, dieser habe sich "im geringsten Umfang an den Rauschgiftgeschäften" beteiligt. Es hat die Angeklagten gleichwohl "wegen der Weite des Tatbestandes" jeweils als Täter des Handeltreibens verurteilt. Damit hat das Landgericht Kriterien zur Abgrenzung des vollendeten Handeltreibens vom Versuch oder der Vorbereitungshandlung (vgl. dazu BGHSt 50, 252; vorausgehend BGH NJW 2005, 1589) rechtsfehlerhaft auf die Abgrenzung von Täterschaft und Beihilfe angewendet und zudem verkannt, dass nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs "schlichte" Kuriere nur als Gehilfen des Handeltreibens anzusehen sind (vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung Winkler NStZ 2007, 317 m. zahlr. N.). Nach den Feststellungen stellt sich die Tat der Angeklagten Z. K. im Fall 1 deshalb nur als Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge dar. In den Fällen 2 bis 4 haben sich die Angeklagten der Bandeneinfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht. Auch soweit die Angeklagte Z. K. in diesen Fällen Aktivitäten entwickelte, um ihren Ehemann zur Teilnahme an den Taten zu bewegen, ist sie nur Gehilfin beim Handeltreiben, da sie dadurch lediglich einen Kurier anwarb.
3. Die Strafaussprüche haben Bestand. Das Landgericht ist in den Fällen, in denen das Rauschgift nicht sichergestellt werden konnte, erkennbar davon ausgegangen, dass das Betäubungsmittel von vergleichbarer Qualität war wie das im Fall 4 sichergestellte. Zwar hat es den Wirkstoffgehalt in diesen Fällen nicht ausdrücklich festgestellt, jedoch bei der Strafzumessung berücksichtigt, dass die Angeklagten "riesige Mengen" transportiert haben. Die Annahme der Voraussetzungen des § 31 BtMG wird von den Feststellungen getragen. Zu der von der Revision vermissten Benennung einer Strafe, die das Landgericht ohne Anwendung von § 31 BtMG verhängt hätte, bestand keine rechtliche Veranlassung.
Die verhängten Strafen sind zwar sehr mild; entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts verfehlen sie den Zweck gerechten Schuldausgleichs indes noch nicht. Letztlich überschreitet auch die Entscheidung, die Vollstreckung der gegen den Angeklagten B. K. verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, nicht den dem Tatrichter insoweit eingeräumten weiten Spielraum.
Der Strafausspruch hält auch unter Berücksichtigung des zu Gunsten der Angeklagten geänderten Schuldspruchs rechtlicher Überprüfung Stand. Der Strafrahmen, aus dem das Landgericht die Strafe jeweils entnommen hat, ist unverändert geblieben. Es kann ausgeschlossen werden, dass es noch niedrigere Einzelstrafen oder niedrigere Gesamtstrafen festgesetzt hätte, wenn es das tateinheitlich neben der Einfuhr verwirklichte Delikt zutreffend als Beihilfe zum Handeltreiben eingeordnet hätte.
4. Das Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht Stand, soweit das Landgericht von einer Verfallsentscheidung abgesehen hat.
Der Kurier erlangt den Kurierlohn für die Tat. Dieser unterliegt daher nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB dem Verfall und bei Vermischung dem Wertersatzverfall gemäß § 73 a StGB (, insoweit in StV 2002, 254 nicht abgedruckt). Nach den Feststellungen des Landgerichts sollte die Angeklagte Z. K. für jeden Rauschgifttransport 3.000 € erhalten. Dem Angeklagten B. K. wurden für jede Fahrt 2.000 € versprochen. Das Landgericht hätte deshalb feststellen müssen, ob und wie viel die Angeklagten tatsächlich erhalten haben. Soweit das Landgericht einerseits ausführt, es habe nicht festgestellt werden können, wie viel Geld die Angeklagten tatsächlich erlangt haben (UA S. 9), andererseits aber darlegt, es habe nicht feststellen können, dass in dem Vermögen der Angeklagten Z. K. aus den Taten etwas verblieben sei (UA S. 27), findet dies in der Beweiswürdigung keine hinreichende Rechtfertigung und blendet rechtsfehlerhaft die Möglichkeit einer Schätzung gemäß § 73 b StGB aus. Dass die Angeklagten ohne sofortige Entlohnung mehrere umfangreiche, erfolgreiche Betäubungsmitteltransporte durchgeführt hätten, widerspräche - wie der Senat aus der Befassung mit solchen Fällen weiß - jeder Lebenserfahrung. Umstände, die gegen die Zahlung der vereinbarten Entlohnung (bei der Angeklagten Z. K. 9.000 € für drei, bei dem Angeklagten B. K. 4.000 € für zwei erfolgreich durchgeführte Kurierfahrten) sprechen könnten, sind nicht festgestellt. Warum eine Schätzung des von den Angeklagten erlangten Kurierlohns nicht möglich gewesen wäre, teilt das Urteil nicht mit.
Erst auf der Grundlage einer entsprechenden Feststellung oder Schätzung ist zu entscheiden und nachprüfbar zu begründen, ob die Anordnung des Verfalls oder Wertersatzverfalls nicht anzuordnen ist, weil er eine unbillige Härte wäre, oder ob der Wert des Erlangten im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist und Anlass besteht, das sodann eröffnete Ermessen dahingehend auszuüben, von einer Anordnung abzusehen (§ 73 c Abs. 1 StGB). Die bisherigen Feststellungen lassen weder das eine noch das andere als nahe liegend erscheinen. Danach befindet sich im gemeinsamen Eigentum der Angeklagten ein Eigenheim.
III. Der Angeklagte E.
Auf die Verfahrensrügen (RB S. 125-126, 126-138) kommt es nicht an, da das Urteil bereits auf die sachlichrechtliche Beanstandung aufgehoben werden muss. Das Landgericht hat nicht erörtert, ob der Angeklagte sich auch wegen Beteiligung an der Einfuhr der Betäubungsmittel strafbar gemacht hat, obwohl die Feststellungen hierzu Veranlassung geben. Danach hat der Angeklagte in den Fällen 3 und 4 das Rauschgift jeweils "organisiert", im Fall 3 sogar teilweise vorfinanziert und war bei der Übergabe an die Kuriere jeweils beteiligt. Seine Kenntnis von der Route, die die Kuriere zu nehmen hatten, und seine Beteiligung an der Einfuhr des Rauschgifts nach Deutschland liegen damit nahe.
Der neue Tatrichter wird auch zu prüfen haben, ob und wie viel der Angeklagte aus seinen Taten erlangt hat. Die bisherigen Feststellungen drängen zu dieser Erörterung, nachdem der Angeklagte im Fall 3 das Rauschgift teilweise vorfinanziert hatte und dieses in der Türkei erkennbar in den Verkehr gelangt ist.
Fundstelle(n):
CAAAC-71241
1Nachschlagewerk: nein