Bekleidungskosten von Transsexuellen keine außergewöhnliche Belastung
Leitsatz
Aufwendungen eines Transsexuellen für die Anschaffung von Kleidung und Schuhen, die er zur Vorbereitung auf die Geschlechtsumwandlung während eines Alltagstests benötigt, sind nicht als außergewöhnliche Belastung gem. § 33 EStG abziehbar. Das gilt jedenfalls dann, wenn Kleidung und Schuhe nach der Geschlechtsumwandlung für den Steuerpflichtigen im Alltag verwendbar sind. Die Vermögenseinbuße des Steuerpflichtigen infolge Unbrauchbarkeit der früheren Kleidung und Schuhe wegen der Geschlechtsumwandlung kann nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
Gesetze: EStG § 33
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist transsexuell. Zur Vorbereitung auf die Vornamensänderung und die Geschlechtsumwandlung vom Mann zur Frau führte sie ab der ersten Jahreshälfte 1998 einen Alltagstest durch, der später auf den beruflichen Bereich ausgedehnt wurde. In dieser Zeit änderte sie schrittweise das äußere Erscheinungsbild. Begleitend fand eine Hormontherapie statt. Die Klägerin erwarb im Jahre 1999 (Streitjahr) für den Alltagstest Damenkleidung, Damenschuhe sowie vier Perücken. Bereits im Vorjahr hatte sie Damenkleidung und eine Perücke angeschafft. Nach der operativen Geschlechtsumwandlung stellte das Vormundschaftsgericht B durch Beschluss vom gemäß § 8 des Transsexuellengesetzes vom (BGBl I 1980, 1654) die Zugehörigkeit der Klägerin zum weiblichen Geschlecht fest.
In der Einkommensteuererklärung 1999 machte die Klägerin Aufwendungen von 31 134 DM, die ihr im Zusammenhang mit dem Alltagstest und der geplanten Geschlechtsumwandlung entstanden waren, als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte Aufwendungen von 12 991 DM für Arztbesuche, Epilation, Rechtsanwaltskosten u.ä. als außergewöhnliche Belastung, nicht jedoch für Damenkleidung (7 598 DM), Damenschuhe (3 405 DM) und für die Perücken (4 110 DM). Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 119 veröffentlichten Urteil ab.
Zur Begründung der Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, der Alltagstest sei zwingende Voraussetzung für die positive Begutachtung durch zwei Ärzte und die Geschlechtsumwandlung gewesen. In einem solchen Test müsse ein Patient den Nachweis erbringen, dass er im anderen Geschlecht leben könne. Hierfür seien entsprechende Kleidung und Schuhe sowie Perücken erforderlich. Die Aufwendungen seien krankheitsbedingt entstanden, ohne dass es einer Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach bedürfe. Kleidung und Schuhe hätten in einem engen Zeitraum angeschafft werden müssen. Die frühere Herrenkleidung habe nicht mehr verwendet werden können. Hinsichtlich der Frisur habe nicht die Möglichkeit einer allmählichen Umstellung bestanden, so dass eine Perücke zwingend notwendig gewesen sei. Da der Alltagstest 24 Stunden umfasst habe, hätten Variationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen müssen.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1999 vom die Einkommensteuer bei Berücksichtigung einer zusätzlichen außergewöhnlichen Belastung von 15 114 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und wird daher zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat es zu Recht abgelehnt, die Aufwendungen für Damenkleidung, Damenschuhe und für die im Streitjahr angeschafften Perücken als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.
1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird die Einkommensteuer auf Antrag gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in bestimmtem Umfang gemindert. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
a) Bei krankheitsbedingten Aufwendungen liegt Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen vor, soweit Maßnahmen zum Zwecke der Heilung oder Linderung einer Krankheit durchgeführt werden (vgl. z.B. , BFHE 161, 432, BStBl II 1990, 958; vom III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805; vom III R 5/02, BFH/NV 2003, 1568). Der Begriff der Heilbehandlung umfasst alle Eingriffe und anderen Behandlungen, die nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zu dem Zweck angezeigt sind und vorgenommen werden, Krankheiten, Leiden, Körperschäden, körperliche Beschwerden oder seelische Störungen zu verhüten, zu erkennen, zu heilen oder zu lindern (Senatsurteil in BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805, m.w.N.). Aufwendungen für eine Heilbehandlung in diesem Sinne werden nach der Rechtsprechung des Senats typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass im Einzelfall die grundsätzlich nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG gebotene Prüfung der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach durchzuführen ist (Senatsurteil in BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805).
b) Aufwendungen, die lediglich in einem mittelbaren Zusammenhang mit einer Krankheit stehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden (Senatsurteil vom III R 106/93, BFHE 179, 93, BStBl II 1996, 88). Dementsprechend sind Aufwendungen für die Neuanschaffung von Kleidung als sog. Krankheitsfolgekosten nicht abziehbar, wenn ein Steuerpflichtiger seine bisherige Kleidung aus Krankheitsgründen nicht mehr verwenden kann (, BFHE 133, 550; Senatsbeschluss vom III B 63-64/85, BFH/NV 1986, 285).
c) Ebenso scheidet eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung aus, wenn der Steuerpflichtige einen Gegenwert für krankheitsbedingte Aufwendungen erhält. Denn in einem derartigen Fall handelt es sich um eine bloße Umschichtung von Vermögenswerten, die den Steuerpflichtigen nicht (außergewöhnlich) belastet (, BFH/NV 2006, 931; vom III R 7/06, BFH/NV 2007, 1081). Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin hat der BFH die sog. Gegenwertlehre nicht aufgegeben. Nur soweit Werte aus dem Vermögen eines Steuerpflichtigen oder seinem laufenden Einkommen endgültig abfließen, liegt eine Belastung vor, so bei verlorenem Aufwand zur Beseitigung von Schäden an einem Vermögensgegenstand von existentiell wichtiger Bedeutung (z.B. Senatsurteil vom III R 27/92, BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104).
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall können die geltend gemachten Aufwendungen für Damenkleidung und -schuhe nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Sie standen zwar im Zusammenhang mit der Transsexualität der Klägerin, die nach zutreffender Ansicht der Beteiligten und des FG als Krankheit anzusehen ist. Die Aufwendungen führten jedoch zu einem Gegenwert, da die erworbene Damenkleidung und die Schuhe für die Klägerin im Alltag verwendbar waren oder noch sind. Die Situation der Klägerin unterschied sich von der anderer, nicht transsexueller Steuerpflichtiger, die kontinuierlich Kleidung und Schuhe durch Neuanschaffungen ergänzen, nur durch die Zusammenballung der Anschaffungsaufwendungen in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum. Letztlich handelt es sich um typische Kosten der allgemeinen Lebensführung.
Die eigentliche Vermögenseinbuße der Klägerin ist darin zu sehen, dass ihre frühere Herrenkleidung und die Herrenschuhe wegen der Geschlechtsumwandlung für sie nicht mehr brauchbar waren und —abgesehen von einem etwaigen Wiederverkaufswert— wertlos wurden. Dieser Verlust entspricht dem eines Steuerpflichtigen, der wegen einer Erkrankung oder einer medizinisch indizierten Gewichtsabnahme seine frühere Bekleidung nicht mehr verwenden kann und bei dem eine steuerliche Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ausscheidet (vgl. BFH-Entscheidungen in BFHE 133, 550, sowie in BFH/NV 1986, 285).
Ob eine andere Beurteilung in Fällen gerechtfertigt ist, in denen der Alltagstest negativ verläuft und der Steuerpflichtige die für diese Phase angeschaffte Kleidung später nicht mehr verwenden kann, braucht der Senat nicht zu entscheiden.
3. Ein Abzug der Aufwendungen von 4 110 DM für die vier im Streitjahr erworbenen Perücken scheidet bereits deshalb aus, weil deren Anschaffung den Umständen nach nicht notwendig und angemessen war (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Die Klägerin hatte bereits im Vorjahr eine Perücke erworben, die sie in der Übergangsphase tragen konnte. Eine weitere Perücke war nicht erforderlich. Auf die Frage, ob die im Streitjahr gekauften Perücken einen Gegenwert darstellten, braucht der Senat nicht einzugehen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 544 Nr. 4
EStB 2008 S. 100 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 18/2008 S. 11
EAAAC-70815