BFH Urteil v. - III R 10/07

Widerruf der Zustimmung nach § 32 Abs. 7 EStG, das Kind für den Haushaltsfreibetrag dem anderen Elternteil zuzuordnen

Leitsatz

Die Zustimmung nach § 32 Abs. 7 Satz 2 EStG kann auf Dauer abgegeben, aber auch auf einen Veranlagungszeitraum beschränkt werden. Der Gesetzgeber hat nicht geregelt, ob eine Zustimmung grundsätzlich bis zu einem Widerruf gilt, d. h. auch für Folgejahre, oder nur für einen Veranlagungszeitraum. Die Dauer der Geltung der Zustimmung ist deshalb durch Auslegung zu ermitteln. Wurde die Zustimmung unter Verwendung des amtlichen Formulars zur Änderung der Zuordnung von Kindern für den Haushaltsfreibetrag "für den Veranlagungszeitraum 2001" erteilt, galt sie nur für diesen Veranlagungszeitraum.

Gesetze: EStG § 32 Abs. 7

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. In den Streitjahren 2002 und 2003 lebte die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) mit ihrer 1997 geborenen Tochter und deren Vater, dem Beigeladenen, in einem gemeinsamen Haushalt. Am unterzeichneten der Beigeladene als „antragstellende Person” und die Klägerin als „zustimmende Person” je eine „Anlage K für den Veranlagungszeitraum 2001”. Unter der Überschrift „Änderung der Zuordnung von Kindern für den Haushaltsfreibetrag” lautet der Vordruck der Erklärung: „Ich stimme für das oben genannte Kalenderjahr zu, dass die zu Beginn dieses Kalenderjahrs…bei beiden Elternteilen gemeldeten Kinder dem Vater (antragstellender Elternteil)…zugeordnet werden. Name, Vorname des Kindes…Die Zustimmung kann nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden.”

Der Beigeladene reichte diese Anlage K mit seiner Einkommensteuererklärung für 2001 im November 2002 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) ein und erhielt bei der Veranlagung den Haushaltsfreibetrag. Seine Einkommensteuererklärungen für 2002 und 2003 gingen am und am beim FA ein. Eine Zuordnung der Tochter für den Haushaltsfreibetrag beantragte er darin nicht.

Die Klägerin gab ihre Einkommensteuererklärungen für 2001, 2002 und 2003 am , am und am beim FA ab. In ihrer Erklärung für 2002 beantragte sie die Zuordnung der Tochter.

In den Einkommensteuerbescheiden für 2002 und 2003 versagte das FA der Klägerin den Haushaltsfreibetrag, weil sie zugestimmt habe, ihn dem Beigeladenen zuzuordnen. Stattdessen gewährte es den Haushaltsfreibetrag für die Veranlagungszeiträume 2002 und 2003 dem Beigeladenen, bei dem er sich jedoch nicht bzw. nur geringfügig auswirkte.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 969 abgedruckt ist, entschied, die Zustimmungserklärung bezüglich der Zuordnung der Tochter für Zwecke des Haushaltsfreibetrages könne nach § 32 Abs. 7 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für die Streitjahre 2002 und 2003 geltenden Fassung nur für zukünftige Kalenderjahre widerrufen werden; dies sei auch Bestandteil des Vordrucks. Der Widerruf hätte deshalb, um für 2002 und 2003 Wirkung zu entfalten, beim FA vor dem bzw. vor dem oder zeitgleich mit der Erklärung für 2001 eingehen müssen. Falls die Klägerin nur für 2001 hätte zustimmen wollen, hätte es eines entsprechenden Zusatzes im Vordruck oder eines klarstellenden Begleitschreibens bedurft.

Mit ihrer Revision trägt die Klägerin vor, der amtliche Vordruck beschränke die Zustimmung zur Zuordnung von Kindern ausdrücklich auf ein bestimmtes Kalenderjahr. Sie könne für künftige Jahre nicht widerrufen werden und verliere ihre Rechtswirkungen durch Zeitablauf. Dem stehe der Hinweis, dass sie für künftige Jahre widerrufen werden könne, nicht entgegen. Denn anderenfalls ergäbe sich ein Widerspruch zum übrigen Erklärungsinhalt des Vordrucks, so dass die Zustimmung insgesamt unwirksam wäre. Die Ausführungen des FG zur gesetzlichen Leitentscheidung und der Rückausnahme von einem gesetzlichen Ausnahmetatbestand seien unzutreffend. Deshalb könnten keine erhöhten Anforderungen an die Ausübung des Gestaltungswahlrechtes gestellt werden. Insbesondere sei sie, die Klägerin, nicht gehalten gewesen, den Vordruck zu ändern, zu ergänzen oder mit einem klarstellenden Begleitschreiben zu versehen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer für 2002 unter Änderung des Bescheids vom auf 83 € und für 2003 unter Änderung des Bescheids vom auf 298 € herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es meint, der Widerruf der Zustimmung zur Zuordnung von Kindern sei ihm, dem FA, gegenüber abzugeben, und zwar vor Beginn des Kalenderjahres, für das sie erstmals nicht mehr gelten solle.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Änderung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Die Klägerin hat die Zustimmung, ihre Tochter für den Haushaltsfreibetrag beim Beigeladenen zu berücksichtigen, nur für 2001 erteilt, so dass ihr für 2002 und 2003 ein Haushaltsfreibetrag zusteht.

1. Steuerpflichtige, die einzeln nach dem Grundtarif veranlagt werden und für mindestens ein Kind einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld erhalten, konnten in den Streitjahren 2002 und 2003 den Haushaltsfreibetrag beanspruchen, wenn das Kind in ihrer Wohnung im Inland gemeldet war (§ 32 Abs. 7 Satz 1 EStG in der für 2002 und 2003 geltenden Fassung). Ein im ganzen Kalenderjahr bei beiden Elternteilen gemeldetes Kind wird bei der Mutter berücksichtigt und mit deren Zustimmung beim Vater. Diese Zuordnungsregeln begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. die Nachweise im , BFH/NV 2001, 779).

2. Die Zustimmung nach § 32 Abs. 7 Satz 2 EStG kann auf Dauer abgegeben, aber unstreitig auch auf einen Veranlagungszeitraum beschränkt werden (Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 EStG Rz 228; Jachmann in Kirchhof, EStG, 3. Aufl., § 32 Rz 39, a.E.).

a) Der Gesetzgeber hat nicht geregelt, ob eine Zustimmung grundsätzlich bis zu einem Widerruf gilt, d.h. auch für Folgejahre, oder nur für einen Veranlagungszeitraum. § 32 Abs. 7 Satz 2 2. Halbsatz und Satz 5 EStG unterscheidet sich insoweit von § 10 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 3 und 4 EStG, wonach die Zustimmung zum Realsplitting bis auf Widerruf wirksam ist (vgl. , BFH/NV 2007, 903).

Eine Dauerwirkung ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass gemäß § 32 Abs. 7 Satz 5 EStG die „Zustimmung nach Satz 2…nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden” kann. Dadurch wird zum einen ein Widerruf für das Jahr, für das die Zustimmung (erstmals) abgegeben wird, ausgeschlossen. Zum anderen wird die Widerrufsmöglichkeit für künftige Jahre dahin beschränkt, dass sie vor Beginn des jeweiligen Jahres zu erfolgen hat. Dies setzt aber voraus, dass die Zustimmung für Folgejahre überhaupt wirksam erteilt wurde. Fehlt eine Zustimmung für Folgejahre, so bedarf es auch keines Widerrufs.

b) Eine Dauerwirkung der Zustimmung ergibt sich auch nicht aus der Natur der Sache. Beim Realsplitting sind die Interessen von Unterhaltsgläubiger und -schuldner regelmäßig gegensätzlich und die Durchführung des Realsplittings wirkt sich auf die Zivilrechtslage aus (, BGHZ 171, 206, Neue Juristische Wochenschrift 2007, 1961, Familie und Recht 2007, 276, unter B.I.6. a). Deshalb konnte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass eine einmal getroffene Wahl üblicherweise langfristig Bestand haben soll (vgl. dazu den BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 903, a.E.). Die Zuordnung des Haushaltsfreibetrages bei zusammenlebenden, nicht verheirateten Eltern dürfte dagegen regelmäßig einvernehmlich danach erfolgen, bei wem er sich im jeweiligen Veranlagungszeitraum am günstigsten auswirkt. Fiskalische Interessen gebieten lediglich, dass der Haushaltsfreibetrag nicht im Laufe des Kalenderjahres bei einem Elternteil steuermindernd berücksichtigt und nach Ablauf des Jahres dann dem anderen Elternteil zugeordnet wird. Dies erfordert aber keine Dauerwirkung der Zustimmung, sondern lediglich, dass eine vor Jahresbeginn getroffene Wahl, die z.B. zum Einbehalt der Lohnsteuer nach der Steuerklasse II oder zur Herabsetzung von Vorauszahlungen geführt hat, nicht mehr widerrufen werden kann.

c) Die Auslegung der von der Klägerin abgegebenen Willenserklärung ergibt, dass sie ihre Zustimmung nur für 2001 gegeben hat. Denn die Überschrift des von ihr verwendeten amtlichen Formulars bestimmt die Geltung „für den Veranlagungszeitraum 2001”, nicht aber z.B. für „die Veranlagungszeiträume ab 2001”, und die Zustimmung gilt nach dem verwendeten Verwaltungsvordruck „für das oben genannte Kalenderjahr”. Der Zusatz, dass die Zustimmung nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann, gibt den Gesetzeswortlaut des § 32 Abs. 7 Satz 5 EStG wieder und führt, wie oben dargelegt, nicht dazu, dass sich die Zustimmung auf Folgejahre erstreckt.

d) Der Senat weicht mit dieser Entscheidung nicht vom (BFH/NV 2004, 1254) ab; die Klägerin jenes Verfahrens hatte die Zustimmung „für das Jahr 1996 und die Folgejahre” erteilt.

3. Die angefochtenen Bescheide sind dahin zu ändern, dass vom Einkommen der Klägerin ein Haushaltsfreibetrag abgezogen wird. Die Berechnung wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 538 Nr. 4
NWB-Eilnachricht Nr. 18/2008 S. 10
KAAAC-70813