Leitsatz
[1] Ansprüche eines Vorstandsmitglieds auf Überbrückungsgeld und betriebliche Altersversorgung sind mit dem vor Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Anstellungskörperschaft erdienten Anteil Konkursforderung und mit dem während des eröffneten Verfahrens entstandenen Anteil Masseschuld.
Gesetze: KO § 59 Abs. 1 Nr. 2; InsO § 55 Abs. 1 Nr. 2; InsO § 108 Abs. 2
Instanzenzug: LG Berlin 34 O 396/98 vom KG Berlin 2 U 1737/99 vom
Tatbestand
Der Kläger war seit dem leitend für die K. AG tätig, bis zu ihrem Formwechsel als Geschäftsführer, nachher als zeitweilig alleiniger Vorstand. Zuletzt wurde der Kläger für eine Amtsdauer vom bis zum bestellt. Den Anstellungsvertrag des Klägers für diese Amtsperiode unterzeichneten die Beteiligten am , wobei die Gesellschaft durch ihren Aufsichtsratsvorsitzenden, den Beklagten zu 1, vertreten wurde.
Zu Anfang des Jahres 1995 geriet die K. AG in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Abberufung des Klägers aus dem Vorstand zum wurde durch rechtskräftiges Urteil für unwirksam erklärt. Am wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet und der Beklagte zu 2 zu ihrem Verwalter ernannt.
Der Kläger erhebt gegen den Konkursverwalter Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag. Soweit für die Revision noch von Interesse, verlangt er Überbrückungsgeld für die Zeit vom bis zum (vom Ende des Anstellungsvertrages bis zum Erreichen der Altersgrenze) sowie Altersruhe- und Witwengeld für die Zeit nach dem .
Das Landgericht hat Ansprüche des Klägers auf Überbrückungsgeld antragsgemäß als Masseschuld zur Tabelle festgestellt. Auf die Berufung des Beklagten zu 2 hat das Berufungsgericht die Feststellung dahingehend geändert, dass der Kläger nur Konkursgläubiger sei, und zwar in Höhe von 451.264,33 €. Dagegen hat der Senat die Revision des Klägers zugelassen, mit welcher dieser den Berufungsantrag (Berufungsurteil S. 19 Buchst. g) auf Zahlung von 455.108,59 € nebst Zinsen weiterverfolgt.
Den Anspruch des Klägers auf Altersruhegeld nach dem und die Versorgung seiner Witwe hat das Landgericht mit festen Monatsbeträgen von 11.327,58 DM beschränkt auf den Ausfall nach abgesonderter Befriedigung und unter Vorbehalt des Erlebens als Masseschuld zur Tabelle festgestellt, wobei sich die Beträge des Überbrückungsgeldes und des Altersruhegeldes für die Witwenversorgung auf die Hälfte ermäßigten. Auf die Berufung des Beklagten zu 2 hat das Oberlandesgericht die Klage in diesem Punkt - auch für die gesamte Witwenversorgung - abgewiesen. Hiergegen wendet sich die insoweit vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des Klägers mit dem Ziel, nach den zuletzt in der Berufungsinstanz gestellten Anträgen und Hilfsanträgen zu Buchstabe h (Ruhegehalt) und Buchstabe i (Witwenversorgung) - jeweils Seite 20 des Berufungsurteils - zu erkennen, weiterhin hilfsweise, insoweit das landgerichtliche Teilurteil vom in Nummer 2 Buchstabe h (Ruhegehalt seit dem ) und Buchstabe i (Witwenversorgung) seines Ausspruchs wieder herzustellen.
Der Beklagte zu 1 ist an dem weiteren Rechtsstreit nur noch wegen der Kosten der beiderseitig erhobenen und nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerden rechtskräftig aberkannten Ansprüche beteiligt.
Gründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie ist gemäß §§ 555, 331 ZPO gegenüber dem in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsmäßiger Ladung nicht vertretenen Beklagten zu 2 durch Versäumnisteilurteil zu bescheiden, welches jedoch auf sachlicher Prüfung beruht (BGHZ 37, 79, 81 f). Gegenüber dem Beklagten zu 1 ergeht wegen des noch offenen Kostenpunktes mit Zustimmung beider Teile Schlussurteil im schriftlichen Verfahren. Eine Entscheidung in der Sache selbst ist nach dem festgestellten Streitverhältnis gegenüber beiden Beklagten derzeit nicht möglich.
I.
Anspruch des Klägers auf Überbrückungsgeld vom bis zum
1. Das Berufungsgericht hat den im Anstellungsvertrag begründeten, anderweitig nicht abgedeckten Anspruch des Klägers auf Überbrückungsgeld bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres nur als Konkursforderung zur Tabelle festgestellt, weil der Kläger hierfür nach dem Ende seiner Anstellung keine Gegenleistung mehr zu erbringen gehabt habe.
2. Diese Auffassung hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Ansprüche aus einem vor Konkurseröffnung erteilten Ruhegehaltversprechen hat das Bundesarbeitsgericht nach Konkurseröffnung zwar im Allgemeinen als Konkursforderungen beurteilt (BAGE 60, 32, 34 = ZIP 1989, 319). Zutreffend hat es aber dann, wenn das Arbeitsverhältnis nach Konkurseröffnung fortdauerte, die während des Verfahrens zeitanteilig erdiente Rente als Masseschuld gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO gewertet (BAGE 57, 152, 157; zustimmend Kübler/Prütting/Pape, Insolvenzordnung § 55 Rn. 58; a.A. MünchKomm-InsO/Hefermehl, 2. Aufl. § 55 Rn. 192).
Dieser Aufteilungsgedanke entspricht auch der neueren gesetzlichen Regelung in § 55 Abs. 1 Nr. 2 und § 108 Abs. 2 InsO, die in der letztgenannten Vorschrift nur klarstellende Bedeutung hat (so der Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung, Begründung zu § 122, BT-Drucks. 12/2443 S. 147; zum Aufteilungsprinzip im Schrifttum Jaeger/Henckel, InsO § 55 Rn. 56). Er gilt allgemein für die Abgrenzung von Masseverbindlichkeiten gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO und § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO aus der betrieblichen Altersversorgung nach dem Erreichen des Ruhestandsalters und für vertraglich vereinbarte Überbrückungsgelder, die der Dienstherr für den Fall der Nichtverlängerung des Anstellungsvertrages dem Angestellten bis zum Erreichen des Ruhestandsalters schuldet. Das Bundesarbeitsgericht hat den Aufteilungsgedanken in jüngerer Zeit ferner auf die im Blockmodell bei Altersteilzeit erarbeiteten Ansprüche übertragen (BAGE 114, 13, 16). Dem schließt sich der Senat an. Hieraus ergibt sich zugleich, dass es nicht darauf ankommt, ob der Dienstherr nach der Konkurseröffnung von dem leitenden Angestellten noch die Erfüllung seines Vertrages zugunsten der Konkursmasse verlangt hat. Im Streitfall waren Dienste des Klägers infolge seiner vorkonkurslichen Kündigung nach diesem Zeitpunkt nicht mehr entgegen genommen worden. Der Anstellungsvertrag war jedoch wegen der Unwirksamkeit dieser Kündigung auch nach Konkurseröffnung zu Lasten der Masse erhalten geblieben. Dies reicht nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO zweite Alternative dafür aus, um die später gemäß § 615 BGB noch entstandenen Lohn-, Übergangs- und Versorgungsansprüche in den Rang von Masseverbindlichkeiten zu erheben.
3. Der Antrag des Klägers auf Überbrückungsgeld vom bis zum ist nicht spruchreif. Eine genaue rechnerische Feststellung dieses Anspruchs ist derzeit nicht möglich, weil offen ist, ob dem Kläger bereits bei erster Anstellung vom sogleich eine Versorgungszusage erteilt worden ist (vgl. dazu auch Anlage B 2 vom ). Bisher ist auch nicht gemäß § 287 Abs. 2 ZPO (vgl. BGHZ 147, 29, 38) festgestellt worden, ob die vom Beklagten zu 2 angezeigte Masseunzulänglichkeit eingetreten ist. In diesem Fall wäre der Anspruch auf Überbrückungsgeld in zeitanteiliger Höhe nur als Masseverbindlichkeit zur Tabelle festzustellen; ansonsten ist der Beklagte zu 2 insoweit zur Zahlung zu verurteilen.
Im zweiten Berufungsdurchgang wird im Übrigen die Höhe des Anspruchs wegen der bisher für den Zeitpunkt der letzten Berufungsverhandlung gemäß § 65 Abs. 2, § 69 KO vorgenommenen Abzinsung neu zu berechnen sein, weil die Erlebensbedingung für den gesamten Zeitraum dieses Anspruchs jetzt feststeht. Ferner ist der Anspruch auf eventuelle Witwenversorgung für diesen Zeitraum erledigt.
II.
Anspruch des Klägers auf Altersruhegeld und Witwenversorgung nach dem
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Ansprüche des Klägers auf Altersruhegeld und Witwenversorgung seien anders als das Überbrückungsgeld insolvenzgesichert und daher nach § 9 Abs. 2 BetrAVG mit Eröffnung des Konkursverfahrens auf den Träger der Konkurssicherung übergegangen; dem Kläger fehle die Aktivlegitimation.
2. Auch diese Auffassung des Berufungsgerichts trifft nicht zu. Eine bei Konkurseröffnung noch verfallbare Anwartschaft ist nicht insolvenzgesichert. Dies gilt selbst dann, wenn sie bei Fortdauer des Anstellungsverhältnisses im Verlaufe des Konkursverfahrens unverfallbar wird (vgl. Blomeyer/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung 3. Aufl. § 7 Rn. 142, 144; Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung § 7 Rn. 4332; Griebeling, Kassler Handbuch zum Arbeitsrecht 2. Aufl. Nr. 2.9 Rn. 751; siehe auch BAGE 57, 152, 157). Die gesetzliche Unverfallbarkeit der klägerischen Ansprüche auf Altersversorgung ist hier erst 1998 eingetreten, spätestens mit dem Ablaufen des Anstellungsvertrages am . Die in den Anstellungsverträgen des Klägers enthaltene Bestimmung, nach welcher er in seinen Versorgungsansprüchen so gestellt werden sollte, als ob er bereits zehn Jahre als Vorstand der Konkursschuldnerin tätig gewesen sei, ändert an diesem Ergebnis nichts. Denn nur vertraglich unverfallbare Versorgungsanwartschaften sind nach § 7 Abs. 2 BetrAVG nicht insolvenzgesichert (BAG 31, 45, 49; 78, 279, 284; 79, 370, 374; BAG NZI 2001, 607).
3. Das Berufungsurteil kann danach auch zur Altersversorgung des Klägers und seiner Witwe keinen Bestand haben. Die Forderungszuständigkeit für diese Ansprüche ist dem Kläger verblieben. Für die Aufteilung dieses Anspruchs in eine Masseverbindlichkeit und Konkursforderung gilt der gleiche Schlüssel wie für das vertragliche Überbrückungsgeld bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres.
Sollte sich das Berufungsgericht im zweiten Durchgang von der angezeigten Masseunzulänglichkeit überzeugen, ist der Gesamtanspruch nach § 69 KO zu schätzen und anteilig als Masseschuld zur Konkurstabelle festzustellen. Der Senat hat die bloße Sicherung nach § 67 KO zwar bisher in Fällen für geboten erachtet, in denen der Versorgungsbeginn noch nicht erreicht worden war (vgl. BGHZ 113, 207, 212; 136, 220, 223). Ein solcher Fall liegt jedoch jetzt nicht mehr vor, weil der Kläger im März 2004 das 65. Lebensjahr vollendet hat. Für den Schätzwert gemäß § 69 KO bleiben - anders als nach dem Vergleichsvorschlag des Senates vom - die Umstände zur Zeit der Konkurseröffnung (§ 3 Abs. 1 KO) maßgebend (BGHZ 113, 207, 215 unter II. 3. d am Ende).
Besteht bisher keine Masseunzulänglichkeit, kann der Beklagte zu 2 für die anteilige Masseverbindlichkeit entsprechend dem landgerichtlichen Teilurteil gemäß § 258 ZPO zur wiederkehrenden Zahlung verurteilt werden, während der vorkonkurslich erdiente Anteil der Versorgungsansprüche auch hier in einem Gesamtbetrag gemäß § 69 KO zu schätzen und zur Konkurstabelle festzustellen ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
AG 2008 S. 215 Nr. 6
DB 2008 S. 404 Nr. 8
WM 2008 S. 365 Nr. 8
ZIP 2008 S. 279 Nr. 6
GAAAC-70019
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja