BGH Urteil v. - XII ZR 173/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BGB § 1600 b Abs. 1 Satz 2 1. Halbs.; BGB § 1600 b; ZPO § 148 ff.

Instanzenzug: LG Lüneburg 29 F 13/04 vom OLG Celle 15 UF 89/04 vom

Tatbestand

Der Kläger, der bei der Geburt des Beklagten am mit dessen Mutter verheiratet war, begehrt im Wege der am rechtshängig gewordenen Vaterschaftsanfechtungsklage die Feststellung, nicht der Vater des Beklagten zu sein.

Nach seiner - bestrittenen - Darstellung hatte der Kläger Anfang November 2003 einen anonymen Anruf erhalten, mit dem eine ihm unbekannte Anruferin andeutete, der Beklagte sei nicht sein Sohn. Bei dessen nächstem Besuch sei ihm, dem Kläger, erstmals bewusst geworden, dass der Beklagte keinerlei Ähnlichkeit mit ihm aufweise.

Der Kläger ließ daraufhin ohne Wissen der zu diesem Zeitpunkt allein sorgeberechtigten Mutter des Beklagten anhand eines angeblich von diesem benutzten Taschentuchs sowie eines eigenen Wangenabstrichs eine private DNA-Analyse durchführen, nach deren Ergebnis vom seine Vaterschaft ausgeschlossen ist.

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Gründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

Die Vorinstanzen haben einen Anfangsverdacht im Sinne des § 1600 b Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. BGB als nicht dargetan angesehen. Hierfür reiche der behauptete anonyme Anruf ebensowenig aus wie der bloße Vortrag fehlender Ähnlichkeit zwischen den Parteien. Das eingeholte Privatgutachten sei - abgesehen von der nicht gesicherten Identität der Personen, auf deren genetischem Material die Analyse beruhe - im vorliegenden Verfahren nicht verwertbar, weil es ohne Zustimmung des Beklagten und somit unter Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung eingeholt worden sei.

Das hält der rechtlichen Prüfung und den Angriffen der Revision stand.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats genügt der seine Vaterschaft anfechtende rechtliche Vater seiner Darlegungslast nicht schon durch die bloße Behauptung, er sei nicht der biologische Vater des beklagten Kindes. Vielmehr muss er Umstände vortragen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Zweifel an der Abstammung des Kindes von ihm zu wecken und die Möglichkeit der Abstammung des Kindes von einem anderen Mann als nicht ganz fernliegend erscheinen zu lassen ( ­ XII ZR 227/03 ­ FamRZ 2005, 340 und ­ XII ZR 60/03 - FamRZ 2005, 342, vom ­ XII ZR 345/00 ­ FamRZ 2003, 155 und vom ­ XII ZR 229/96 ­ FamRZ 1998, 955 ff. m.N.). Auch dies hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gebilligt (BVerfG FamRZ 2007, 441, 446 unter B II 1 c).

Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß die bisherigen Anforderungen an einen solchen Vortrag zu senken sind, wie der Senat angedeutet hat ( ­ XII ZR 227/03 ­ FamRZ 2005, 340 unter II 2 und ­ XII ZR 60/03 - FamRZ 2005, 342 unter 2), und ob hierzu demnächst noch Anlass bestehen wird, wenn der Gesetzgeber entsprechend dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts ein rechtsförmiges Verfahren zur Klärung der Abstammung außerhalb eines Statusverfahrens zur Verfügung gestellt haben wird (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren, FamRZ 2007, 1299 ff.). Denn auch, wenn an die Darlegung der Umstände, die die biologische Vaterschaft des Anfechtungsklägers in Frage stellen, keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind (Senatsurteil vom ­ XII ZR 229/96 ­ FamRZ 1998, 955, 957), reicht hier der Vortrag des Klägers jedenfalls nicht aus:

a) Ein anonymer Telefonanruf, dessen Inhalt sich auf die nicht weiter begründete und durch keinerlei objektive Anhaltspunkte gestützte Behauptung beschränkt, das Kind stamme nicht von dem rechtlichen Vater ab, kann den zu stellenden Anforderungen jedenfalls nicht genügen. Denn daraus lässt sich bei objektiver Betrachtung nichts herleiten, was über eine entsprechende eigene Behauptung des rechtlichen Vaters hinausginge, da insbesondere offen bleibt, wer welchen Anlass zu dieser Behauptung gesehen hat und auf welche Erkenntnisquellen sich diese stützt. Dass ein Dritter diese Behauptung aufstellt, verleiht ihr ebensowenig zusätzliches Gewicht wie der Umstand, dass der rechtliche Vater sich diese Behauptung anschließend zu eigen macht. Insoweit ist ein anonymer Anruf einem bloßen Gerücht vergleichbar, das dem rechtlichen Vater zu Ohren gekommen ist; selbst wenn er dieses Gerücht für wahr hält, reicht dies zur Begründung einer Anfechtungsklage nicht aus (BGHZ 61, 195, 198).

b) Auch die Auffassung des Berufungsgerichts, die vom Kläger ohne nähere Konkretisierung behauptete fehlende Ähnlichkeit des Kindes mit ihm reiche für einen Anfangsverdacht im Sinne des § 1600 b BGB nicht aus, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

Laienhafte Ähnlichkeitsvergleiche sind aus der objektiven Sicht eines verständigen Betrachters generell nicht geeignet, den Verdacht anderweitiger Abstammung zu begründen, und reichen daher zur Begründung einer Anfechtungsklage regelmäßig nicht aus (Senatsurteil vom ­ XII ZR 60/03 - FamRZ 2005, 342 f. unter 2 a; OLG Köln FamRZ 2004, 1987 f.; MünchKomm-BGB/Wellenhofer-Klein 4. Aufl. § 1600 b Rdn. 13; Palandt/Diederichsen BGB 66. Aufl. § 1600 b Rdn. 10; a.A. OLG Düsseldorf FamRZ 1985, 1275).

Etwas anderes kann gelten, wenn erhebliche Abweichungen bei charakteristischen Erbmerkmalen wie etwa der Hautfarbe vorgetragen werden, oder wenn frappierende Ähnlichkeiten mit einem bestimmten anderen Mann konkret dargelegt werden, der mit der Kindesmutter in einer Beziehung gestanden habe, die einen Geschlechtsverkehr mit ihr möglich erscheinen lasse.

Darauf kommt es hier indes schon deshalb nicht an, weil die bloße Behauptung, es bestehe "keinerlei Ähnlichkeit" zwischen den Parteien, entgegen der Auffassung der Revision unsubstantiiert und daher unbeachtlich ist. Zwar deutet der Antrag des Klägers, darüber Beweis durch Augenschein zu erheben, darauf hin, dass er sich auf äußerlich sichtbare Merkmale und nicht etwa auf voneinander abweichende charakterliche Eigenschaften, Begabungen oder Verhaltensweisen bezieht. Die Umstände, die gegen eine Vaterschaft des Anfechtungsklägers sprechen, sind aber konkret zu benennen. Dem genügt auch die pauschale Behauptung, es bestehe keinerlei äußere Ähnlichkeit, nicht. Insbesondere stellt sie auch deshalb keinen schlüssigen Sachvortrag dar, weil der Kläger nicht behauptet hat, die von ihm abweichenden Merkmale des Beklagten seien auch bei dessen Mutter nicht festzustellen. Denn allenfalls dann läge der Verdacht nicht fern, sie könnten von einem anderen Mann stammen.

c) Ohne Erfolg macht die Revision ferner geltend, der für die Schlüssigkeit der Anfechtungsklage erforderliche "Anfangsverdacht" ergebe sich zudem daraus, dass die Kindesmutter sich als gesetzliche Vertreterin des Beklagten geweigert habe, die Einholung und Verwertung eines privaten DNA-Gutachtens zu genehmigen. Abgesehen davon, dass es sich mangels Feststellungen des Berufungsgerichts zu einem entsprechenden Zustimmungsverlangen des Klägers - der eine solche Zustimmung ohnehin nicht für erforderlich hielt - insoweit um neuen Sachvortrag handelt, der der Revision verwehrt ist, hätte auch eine solche Weigerung der Kindesmutter einen Anfangsverdacht nicht rechtfertigen können (Senatsurteil vom ­ XII ZR 60/03 - FamRZ 2005, 342, 343 unter 2 b).

d) Der unzureichende Sachvortrag des Klägers wird auch nicht dadurch insgesamt schlüssig, dass der Kläger in seiner Klageschrift unwidersprochen vorgetragen hat, er habe auch die Ehelichkeit seiner am während des Scheidungsverfahrens geborenen Tochter Denise anfechten müssen. Auch dieser Vortrag ist zwar wegen der im Berufungsurteil enthaltenen Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil, das seinerseits auf die gewechselten Schriftsätze Bezug nimmt, Gegenstand des Revisionsverfahrens. Er ist aber schon deshalb nicht erheblich, weil der Ausgang jenes Verfahrens nicht vorgetragen ist. Zudem ließe sich ein Anfangsverdacht selbst mit einer erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung gegenüber anderen während der Ehe geborenen Kindern nur dann begründen oder erhärten, wenn zugleich dargelegt wird, dass die Verdachtsmomente aus dem früheren Verfahren auch einen konkreten Bezug zu dem nunmehr betroffenen Kind haben (vgl. OLG Köln MDR 2005, 993; Rausch in jurisPK-BGB 3. Aufl. § 1599 Rdn. 43). Das ist hier nicht der Fall. Auch die Revision erinnert insoweit nichts.

2. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, darf ein ohne Zustimmung des Kindes oder seines gesetzlichen Vertreters eingeholtes privates DNA-Vaterschaftsgutachten gegen den Willen des Kindes bzw. seines gesetzlichen Vertreters im Verfahren der Vaterschaftsanfechtung nicht verwertet werden, weil es auf einer nicht gerechtfertigten Verletzung des Rechts des betroffenen Kindes auf informationelle Selbstbestimmung beruht; es ist deshalb auch nicht zur schlüssigen Darstellung von Zweifeln an der Vaterschaft im Sinne des § 1600 b BGB geeignet ( - FamRZ 2005, 340 ff. = BGHZ, 162, 1 und - XII ZR 60/03 - FamRZ 2005, 342 ff.).

Diese Entscheidungen und die ihnen zugrunde liegende Wertung hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gebilligt (BVerfG FamRZ 2007, 441, 443 unter B I 3 aa und 446 f. unter B III).

Im Übrigen hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom und erneut auf Seite 4 seiner Berufungsbegründung ausdrücklich erklärt, er stütze seine Klage nicht auf das Ergebnis des DNA-Gutachtens und ziehe dieses auch nicht zur Begründung eines Anfangsverdachtes heran.

Für die hilfsweise beantragte Aussetzung des Verfahrens ist nach §§ 148 ff. ZPO kein Raum.

Fundstelle(n):
NJW-RR 2008 S. 449 Nr. 7
GAAAC-69401

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein