BGH Beschluss v. - VII ZR 137/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 544 Abs. 7; ZPO § 563 Abs. 1 Satz 2

Instanzenzug: LG Halle 12 O 7/05 vom OLG Naumburg 5 U 30/07 vom

Gründe

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der H. GmbH. Er macht Restwerklohn für Bauarbeiten geltend, die die H. GmbH für die Beklagte als Nachunternehmerin erbracht hat. In der Beschwerde geht es nur noch darum, ob der Kläger die bis zu der Kündigung erbrachten Leistungen nach Einheitspreisen abrechnen kann, die in einer "Massenermittlung" enthalten sind, die die H. GmbH der Beklagten nach Vertragsschluss in einem verschlossenen Umschlag übergeben hat. Diese "Massenermittlung" besteht aus für einzelne Gewerke gebildeten Positionen, den ihnen zugeordneten Mengen, den jeweiligen Einheitspreisen und den Positionspreisen. Sie endet mit dem Gesamtpreis, den die Parteien abzüglich eines Nachlasses bereits bei Vertragsschluss vereinbart hatten. Die "Massenermittlung" entspricht in ihren Positionen und Positionspreisen nicht der Preisaufgliederung des Angebots, das die H. GmbH vor Vertragsschluss abgegeben hat und das Grundlage der Auftragserteilung am war. Diese Preisaufgliederung des Angebots enthielt keine Einheitspreise. Das Berufungsgericht hat die Berechtigung des Klägers, nach den Einheitspreisen der "Massenermittlung" abzurechnen, aufgrund einer am getroffenen Vereinbarung bejaht. Das Protokoll zu dieser Vereinbarung lautet:

"H. (H. GmbH) übergibt D. (Beklagte) einen verschlossenen Umschlag mit der Urkalkulation und ein Mengengerüst, welches Grundlage zur Kalkulation bildete. Dieses wird Basis für die Abrechnung der durch H. erbrachten Leistungen."

Das Berufungsgericht hat dem Kläger den sich daraus ergebenden Werklohn zugesprochen. Es hat die Revision nicht zugelassen.

II.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, mit der sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung des Werklohns aus drei Positionen der Schlussrechnung in Höhe von insgesamt 65.934,13 € wendet, führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts, § 544 Abs. 7, § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

1. Das Berufungsgericht meint unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Landgerichts, die Parteien hätten einen Einheitspreisvertrag geschlossen und sich am darüber verständigt, dass nach den Einheitspreisen abgerechnet wird, die die H. GmbH in einem verschlossenen Umschlag bei der Beklagten hinterlegt hat. Das Landgericht hatte ausgeführt, dies folge aus dem Besprechungsprotokoll vom , wonach die zu übergebende Urkalkulation und das Mengengerüst Abrechnungsgrundlage hätten sein sollen. Anlass für diese Besprechung sei das Schreiben der H. GmbH vom gewesen, wonach diese um Abstimmung zur Abrechnung nach Einheitspreisen gebeten habe, weil ein Leistungsverzeichnis nicht erstellt worden sei.

Das Berufungsgericht meint, da die auf Verlangen der Beklagten vor Vertragsschluss erstellte Preisaufgliederung des Angebots keine Einheitspreise enthalten habe, könne die Beklagte nicht damit gehört werden, die aus dieser Aufgliederung errechenbaren Einheitspreise seien als vereinbart anzusehen. Eine Beweisaufnahme über die Besprechung am sei nicht veranlasst. Die Behauptung der Beklagten, die Abrechnung nach dem Mengengerüst bzw. nach der Urkalkulation der H. GmbH habe nur bei notwendigen Änderungen oder Anpassungen, wie beispielsweise bei Nachträgen, Teilkündigungen und der Herausnahme von Leistungen gelten sollen, stehe im offenen, von ihr nicht aufgelösten Widerspruch zum Anlass der Besprechung und zum daraufhin im Protokoll festgehaltenen Ergebnis der Besprechung.

2. Das Berufungsurteil beruht, soweit es angefochten ist, auf einem Verstoß gegen den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG. Zu Recht rügt die Beschwerde, dass das Berufungsgericht bei seiner Würdigung entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten übergangen hat.

a) Allerdings ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht zu der Auffassung gekommen ist, die Parteien hätten einen Einheitspreisvertrag geschlossen. Das wird durch die vom Berufungsgericht herangezogenen Urkunden mehrfach bestätigt.

b) Unter Verstoß gegen den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör kommt das Berufungsgericht jedoch zu der Auffassung, der Kläger könne seiner Abrechnung die Einheitspreise aus der im verschlossenen Umschlag übergebenen "Massenermittlung" zugrunde legen. Das Berufungsgericht hat entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten nicht zur Kenntnis genommen. Das belegt die Begründung seines Urteils, wonach die Behauptung der Beklagten zum Verständnis der Vereinbarung vom in einem von ihr nicht aufgelösten Widerspruch zum Anlass der Besprechung und deren Ergebnis stehe.

aa) Die Beklagte hat ausreichend dargelegt, wie diese Vereinbarung zu verstehen ist. Sie hat mit ihrer Behauptung den Widerspruch zu dem Verständnis, welches das Berufungsgericht von der Vereinbarung hat, aufgelöst.

Die Beklagte hat zwar in erster Linie die Auffassung vertreten, dass Teilpauschalen vereinbart gewesen seien, so dass eine Abrechnung nach Mengen und Einheitspreisen nicht in Betracht komme. Sie hat aber auch darauf hingewiesen, dass bei einem Verständnis des bereits im Juli 2003 geschlossenen Vertrages als Einheitspreisvertrag die Festlegung von Einheitspreisen in der Besprechung vom nicht notwendig gewesen sei, weil sich die Einheitspreise rechnerisch aus den Positionspreisen und den jeweiligen Mengen in der dem Vertrag zugrunde liegenden Preisaufgliederung des Angebots ergäben. Diese Auffassung hat im Übrigen auch der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom vertreten. Auf der Grundlage dieser vom Berufungsgericht unberücksichtigt gelassenen Ausführungen erscheint das von der Beklagten behauptete und unter Beweis gestellte Verständnis der Vereinbarung vom nicht ausgeschlossen.

bb) Das Berufungsgericht hat sich zudem nicht mit dem naheliegenden Einwand der Beklagten befasst, die Parteien hätten keine Vereinbarung treffen wollen, nach der es allein der H. GmbH oblegen hätte, die Einheitspreise zu bestimmen, ohne dass die Beklagte von diesen Preisen in Kenntnis gesetzt wird. Eine solche Vereinbarung wäre so ungewöhnlich, dass es an dem Kläger gelegen hätte, den Hintergrund näher zu erläutern. Ungewöhnlich wäre es auch, dass die Parteien ihrer Vereinbarung ein anderes Verständnis von einer Urkalkulation zugrunde gelegt hätten, als es im Baugewerbe allgemein üblich ist. Denn eine Urkalkulation belegt üblicherweise die dem Angebot zugrunde liegende Kalkulation der Preise. Wird sie in einem verschlossenen Umschlag hinterlegt, wird damit regelmäßig die bis zum Bedarfsfall geheim zu haltende Preisermittlung offengelegt. Der Bedarfsfall sind Nachträge, Mengenveränderungen oder andere Umstände, die dazu führen, dass der Vertragspreis verändert werden kann. In diesem Zusammenhang hätte sich das Berufungsgericht vor allem mit dem Einwand der Beklagten befassen müssen, bereits der Wortlaut der Vereinbarung belege, dass nur eine Urkalkulation hinterlegt werden sollte. Allein das Mengengerüst habe Grundlage der Abrechnung sein sollen.

cc) Darüber hinaus hat sich das Berufungsgericht nicht mit dem Einwand der Beklagten befasst, mit der Vereinbarung vom hätten die Parteien nicht beabsichtigt, der H. GmbH die Möglichkeit einzuräumen, die Einheitspreise so zu bilden, dass die dem Vertrag zugrunde liegenden so genannten Teilpauschalen auch dann überschritten werden, wenn keine Mengenmehrungen vorliegen. Dieses Verständnis der Vereinbarung vom liegt schon deshalb fern, weil die Beauftragung auf das Angebot der H. GmbH Bezug nimmt und diesem Angebot eine Preisaufgliederung zugrunde liegt, die zwar keine Einheitspreise, jedoch Nettogesamtpreise ausweist. Auch wenn davon auszugehen ist, dass diese Nettogesamtpreise bei Mengenveränderungen nicht unveränderlich sein sollten, so gibt es keinen Anhaltspunkt für eine Einigkeit der Parteien darüber, dass die H. GmbH berechtigt sein sollte, die dem Vertrag zugrunde liegende Preisermittlungsgrundlage, wie sie in der Preisaufgliederung des Angebots zum Ausdruck gekommen ist, zu verlassen.

c) Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Urteilsfindung in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann nur dann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (, BauR 1999, 1211 = ZfBR 1999, 332 m.w.N.). Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (, BVerfGE 86, 133, 145 f; , NJW-RR 2007, 1367). Ein solcher Fall kann nicht nur vorliegen, wenn das Gericht bei der Beweiswürdigung eine Vielzahl von gegen seine Auffassung sprechenden Ergebnissen der Beweisaufnahme unbeachtet lässt (vgl. , VersR 2007, 833), sondern auch dann, wenn es bei der Vertragsauslegung naheliegende und erhebliche Gründe unberücksichtigt lässt, die eine Partei für ihre von der Auffassung des Gerichts abweichende Würdigung vorträgt. So liegt der Fall hier. Das Berufungsgericht ist auf wesentliche Argumente von zentraler Bedeutung für die Auslegung der Vereinbarung vom nicht eingegangen.

3. Der Verstoß des Berufungsgerichts gegen den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör ist entscheidungserheblich. Bei Würdigung des übergangenen Vortrags hätte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Vernehmung der Zeugen zu dem Verständnis der Vereinbarung in der Besprechung vom notwendig ist. Auf Grundlage des von der Beklagten dargelegten Verständnisses dieser Vereinbarung ist nicht auszuschließen, dass die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung des Werklohns für die drei angefochtenen Positionen der Schlussrechnung verurteilt worden ist.

a) Eine gesonderte Position Baustelleneinrichtung kann nach dem von der Beklagten behaupteten Verständnis der Vereinbarung nicht berechnet werden. Denn die Preisaufgliederung des Angebots enthält diese Position nicht. Da demnach die Baustelleneinrichtungskosten in die Preise der Preisaufgliederung des Angebots eingerechnet werden mussten und der Kläger bisher auf Grundlage seiner hinterlegten "Massenermittlung" die Position gesondert berechnet hat, müsste der Kläger, sollte sich das Verständnis der Beklagten als zutreffend erweisen, Gelegenheit erhalten, die Berechung auf der Grundlage der dem Vertrag zugrunde liegenden Preisaufgliederung des Angebots erneut vorzunehmen.

b) Für die Kranstandfläche ist in der dem Angebot zugrunde liegenden Preisaufgliederung ein Betrag von 227 € ausgewiesen. Den Mehrbetrag stützt der Kläger auf eine Mengenmehrung von 10 qm auf 67 qm. Sollte die hinterlegte "Massenermittlung" nicht Vertragsgrundlage geworden sein, kann nicht ohne weiteres von einer Mehrmenge ausgegangen werden, die mit dem vom Kläger in Ansatz gebrachten Einheitspreis abgerechnet wird. Sollte zu dieser Position eine Mengenmehrung nach den getroffenen Vereinbarungen preisrelevant sein, käme es darauf an, inwieweit die nach dem Vertrag zugrunde gelegte Fläche überschritten ist. Die dem Vertrag zugrunde gelegte Fläche ergibt sich aus der Bauwerkszeichnung, die in der Preisaufgliederung des Angebots unter Position 11.10 genannt ist.

c) Sollten die hinterlegte "Massenermittlung" nicht Vertragsgrundlage geworden und nach den vertraglichen Vereinbarungen auch Mengenmehrungen bei der Position "Aufstandsfläche Behälter" preisrelevant sein, so käme es ebenfalls darauf an, welche Mengen der Preisaufgliederung des Angebots für diese Leistung zugrunde zu legen waren. Deshalb kann nicht allein maßgeblich sein, dass der Kläger eine Mehrmenge bei der Bewehrung von 47,267 Tonnen dadurch errechnet, dass er von der tatsächlichen Menge von 79,267 Tonnen die in seiner hinterlegten Massenermittlung dargestellte Menge von 32 Tonnen abzieht. Im Übrigen könnte Grundlage einer Abrechnung der "Aufstandsfläche Behälter" nur eine Preisaufstellung mit Preisen sein, deren Summe ohne Mengenmehrung die in der Preisaufgliederung des Angebots für diese Leistung vorgesehene Summe, nach Behauptung der Beklagten 104.842,00 €, nicht übersteigt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NJW-RR 2008 S. 467 Nr. 7
AAAAC-69387

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein