Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: KSchG § 1 Abs. 2; KSchG § 17 Abs. 1
Instanzenzug: ArbG Köln 4 Ca 13251/03 vom LAG Köln 5 Sa 326/05 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
Der Kläger war bei der Beklagten, die ein Tief- und Straßenbauunternehmen mit zuletzt 22 gewerblichen Arbeitnehmern und vier käufmännischen/technischen Angestellten betrieb, seit dem als Baukaufmann beschäftigt. Zu seiner Tätigkeit gehörten ua. die Kalkulation von Angeboten und die Anfertigung von Ausschreibungen, die Rechnungsprüfung, das Mahnwesen und die Verwaltung von Mietshäusern.
Am beschloss die Gesellschafterversammlung der Beklagten, den Betrieb zum stillzulegen und den Geschäftsbetrieb einzustellen.
Mit Schreiben vom kündigte die Beklagte - wie allen anderen Mitarbeitern - das Arbeitsverhältnis des Klägers zum .
Mit Schreiben vom , bei der Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit B - am eingegangen, erstattete die Beklagte eine Massenentlassungsanzeige. Mit Bescheid vom legte die Agentur für Arbeit die Entlassungssperre für 19 anzeigepflichtige Entlassungen zum und für fünf Entlassungen zum fest.
Mit seiner beim Arbeitsgericht erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt und zur Begründung ausgeführt: Der Betrieb sei nicht zum endgültig stillgelegt worden. Die Beklagte habe ihn nach einer Unterbrechung mit neuer Mannschaft weiterführen wollen. Dafür spreche, dass sie sich nach dem Ausspruch der Kündigung noch an Ausschreibungen beteiligt habe, deren Ausführungen zum Teil nach dem Zeitpunkt der Stilllegung gelegen hätten. Die Beklagte rechne zum einem noch Bauleistungen ab, die sie zwar nicht selbst erbringe, aber von anderen Firmen (Firma B) ausführen lasse, und zum anderen weiterbestehende Aufträge (zB die sog. Hausmeisterverträge), deren Leistungen sie auch nicht mehr selbst erbringe. Zudem habe die Beklagte die Massenentlassung nicht rechtzeitig angezeigt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen:
Der Betrieb sei zum völlig stillgelegt worden. Seither übe sie auch keine geschäftlichen und betrieblichen Aktivitäten mehr aus. Die Maschinen seien genauso wie das Bürogebäude und der Bauhof an den Vermieter zurückgegeben worden. Damit habe sich ihre Stilllegungsprognose verwirklicht. Alle vom Kläger genannten Bauaufträge seien bis zum abgearbeitet und neue Aufträge für die Zeit danach nicht mehr angenommen worden. Seit dem würden auf dem Betriebsgelände keine geschäftlichen Aktivitäten mehr entfaltet. Sie habe auch die Massenentlassungsanzeige rechtzeitig vor der tatsächlichen Durchführung der Entlassung erstattet. Zumindest habe sie auf die bisherige Rechtsprechung und Verwaltungspraxis vertrauen dürfen und die Massenentlassungsanzeige noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist der ausgesprochenen Kündigungen wirksam erstatten können.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger nach wie vor die Feststellung der Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung.
Gründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
Das Landesarbeitsgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen. Die Kündigung vom ist weder sozialwidrig noch wegen einer verspäteten Massenentlassungsanzeige unwirksam.
A. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner die Klage abweisenden Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Kündigung sei wegen der Betriebsschließung aus betriebsbedingten Gründen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten habe im Oktober 2003 den Beschluss gefasst, den Betrieb zum einzustellen. Die Beklagte habe in der Folgezeit diesen Beschluss nicht nur durch den Ausspruch von Kündigungen gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern umgesetzt, sondern auch nach dem keine Bauvorhaben mehr durchgeführt oder neue Aufträge angenommen. Unstreitig habe sie seit dem keine betrieblichen Aktivitäten mehr selbst verfolgt. Darüber hinaus habe sie das gemietete Grundstück zurückgegeben und die Betriebsmittel nicht mehr genutzt. Auch die vom Kläger angeführten Abrechnungen von Fremdleistungen widerlegten die Feststellung nicht, dass im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs die Prognose gerechtfertigt gewesen sei, der Betrieb werde zum vollständig eingestellt sein.
Die Kündigung sei auch nicht wegen Verstoßes gegen die §§ 17 ff. KSchG nichtig. Zum einen habe die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vom (- C-188/03 - [Junk] EuGHE I 2005, 885) keine Auswirkungen auf das Verständnis der §§ 17, 18 KSchG und den vorliegenden Fall. Zum anderen sei, selbst wenn man der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für das nationale Recht Wirkung beimesse, die Kündigung schon deshalb nicht unwirksam, weil die Beklagte jedenfalls für ihre Vorgehensweise Vertrauensschutz genieße. Die Beklagte habe im Zeitpunkt der Kündigung im Oktober 2003 mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage rechnen und die Massenentlassung noch nach dem Ausspruch der Kündigung anzeigen dürfen.
B. Dem folgt der Senat im Ergebnis und in wesentlichen Teilen der Begründung.
I. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass der ordentlichen Kündigung vom dringende betriebliche Erfordernisse zugrunde lagen, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb der Beklagten entgegenstanden.
1. Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen gehört die Stilllegung des gesamten Betriebs durch den Arbeitgeber. Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen (st. Rspr. vgl. bspw. Senat - 2 AZR 612/85 - AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 4 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 22; - 2 AZR 514/99 - BAGE 97, 10; - 2 AZR 48/03 -BAGE 109, 40; zuletzt - 2 AZR 723/05 -).
Der Arbeitgeber ist allerdings nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Es kommt auch eine Kündigung wegen einer beabsichtigten Stilllegung in Betracht. Wird die Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, so kann sie ausgesprochen werden, wenn die betreffenden betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben. Solche greifbaren Formen liegen vor, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung auf Grund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben ( - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118; - 2 AZR 48/03 -BAGE 109, 40).
Dabei ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, an der festgehalten wird, der Entschluss des Arbeitgebers, ab sofort keine neuen Aufträge mehr für den Zeitpunkt nach dem Kündigungsfristende anzunehmen, allen Arbeitnehmern zum nächstmöglichen Kündigungstermin zu kündigen, zur Abarbeitung der vorhandenen Aufträge einige Arbeitnehmer nur noch während der jeweiligen Kündigungsfrist einzusetzen und so den Betrieb schnellstmöglich stillzulegen, als unternehmerische Entscheidung grundsätzlich geeignet, die entsprechenden Kündigungen wegen Betriebsstilllegung sozial zu rechtfertigen ( - 2 AZR 514/99 - BAGE 97, 10; - 2 AZR 239/00 - AiB 2002, 318; - 2 AZR 147/01 - EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 116; - 2 AZR 447/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 136 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 139).
Der Ernsthaftigkeit der Stilllegungsabsicht steht demnach nicht entgegen, dass sich der Arbeitgeber entschlossen hat, die gekündigten Arbeitnehmer in der jeweiligen Kündigungsfrist noch für die Abarbeitung vorhandener Aufträge einzusetzen, statt die fraglichen Arbeiten sofort einzustellen. Der Arbeitgeber erfüllt damit gegenüber den tatsächlich eingesetzten Arbeitnehmern lediglich seine auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht. Enthält die Stilllegungsabsicht keine Einschränkungen über Vorbehalte, beispielsweise die gekündigten Arbeitnehmer über den Ablauf ihrer Kündigungsfrist hinaus zu beschäftigen, um bestimmte Aufträge abzuarbeiten, so entfällt durch einen Stilllegungsbeschluss, wenn er im Zeitpunkt der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hat, das Beschäftigungsbedürfnis für die Arbeitnehmer des Betriebs jeweils mit dem Ablauf der für sie einschlägigen Kündigungsfrist. Bei einem derartigen unternehmerischen Stilllegungskonzept mit der sofortigen und gleichzeitigen Kündigung aller Arbeitnehmer entfällt auch das Erfordernis einer sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG (vgl. zuletzt Senat - 2 AZR 447/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 136 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 139).
2. Unter Berücksichtigung dieses Ausgangspunktes ist vorliegend nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts von einem dringenden betrieblichen Erfordernis auf Grund einer Betriebsstilllegung zum auszugehen.
Die Beklagte hat ihren Stilllegungsbeschluss und ihr schlüssiges Stilllegungskonzept, nach dem nur noch während der Dauer der jeweiligen Kündigungsfristen der einzelnen Arbeitnehmer Arbeiten von ihr - längstens bis zum - verrichtet werden sollten, hinreichend dargelegt. Sie hat nicht nur allen Arbeitnehmern gekündigt, sondern auch wesentliche Betriebsmittel an die Vermieter zurückgegeben. Damit lag eine Auflösung der bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zum Ablauf der Kündigungsfrist des Klägers vor. Unstreitig hat die Beklagte aber auch nach dem keine ihrer bisherigen betrieblichen Aktivitäten eines Straßen- und Tiefbaubetriebs selbst mehr ausgeübt. Dies hat das Landesarbeitsgericht zum einen festgestellt und hat der Kläger zum anderen mit seinem Vortrag in der ersten Instanz ausdrücklich bestätigt, es stehe außer Frage, dass die Beklagte zur Zeit keine neuen Aufträge durchführe. Damit hat der Kläger gerade nicht vorgetragen, die Beklagte führe die betrieblichen Aktivitäten über den Kündigungstermin hinaus in der bisherigen Art und Weise fort und sei entsprechend tätig geworden. Vielmehr hat die Beklagte auch später ihre betrieblichen Aktivitäten nicht wieder aufgenommen. Diese nach dem Ausspruch der Kündigung liegenden Umstände konnten vom Landesarbeitsgericht - und auch vom Revisionsgericht - noch berücksichtigt werden, selbst wenn es für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung primär auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs ankommt. Dem Kündigungsgrund wohnt ein prognostisches Element inne und der tatsächliche Eintritt der prognostizierten Entwicklung kann Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit und Plausibilität einer Prognose zulassen. Dementsprechend kann die Entwicklung nach Ausspruch der Kündigung zur Bestätigung der Prognose ohne Weiteres herangezogen werden (vgl. insbesondere Senat - 2 AZR 48/03 - BAGE 109, 40; auch zuletzt - 2 AZR 723/05 -). Steht danach aber fest, dass die Beklagte seit der Stilllegung der Betriebsstätte keine betrieblichen Aktivitäten mehr selbst entwickelt hat, wäre es an dem Kläger, die von der Beklagten dargelegte Stilllegungsprognose mit weiterem erheblichen Sachvortrag zu widerlegen.
Diesen Erfordernissen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Soweit er darauf verweist, die Beklagte rechne nach wie vor "Fremdleistungen" ab und erbringe damit ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Drittfirmen, ergibt sich daraus kein nach wie vor bestehendes betriebliches Beschäftigungsbedürfnis. Selbst nach dem eigenen Vorbringen des Klägers übt die Beklagte nämlich gerade keine eigenen betrieblichen Aktivitäten mehr aus, wie sie für den Tiefbau- und Straßenbaubetrieb typisch sind. Dementsprechend ist der Revisionsvortrag des Klägers nicht ausreichend, den Stilllegungsbeschluss und das Stilllegungskonzept der Beklagten in Frage zu stellen.
II. Die Kündigung ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG rechtsunwirksam.
1. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war allerdings vor Ausspruch der Kündigung im Oktober 2003 die Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG von der Beklagten anzuzeigen, da diese Kündigung Teil einer anzeigepflichtigen Massenentlassung iSd. § 17 KSchG war.
Im Anschluss an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom (- C-188/03 - [Junk] EuGHE I 2005, 885) geht das Bundesarbeitsgericht nunmehr davon aus, dass "unter Entlassung" iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG der Ausspruch der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen ist ( - 2 AZR 343/05 - BAGE 117, 281; - 8 AZR 317/05 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 152 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 60; - 2 AZR 801/05 -; - 2 AZR 15/06 -; - 6 AZR 198/06 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 22 = EzA KSchG § 17 Nr. 17; - 6 AZR 499/05 - EzA KSchG § 17 Nr. 19; - 2 AZR 740/05 - unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung).
2. Der Wirksamkeit der Kündigung steht jedoch nicht entgegen, dass die Beklagte die Massenentlassung der Agentur für Arbeit erst nach Ausspruch der Kündigung im Januar 2004 angezeigt hatte. Selbst wenn eine verspätete Massenentlassungsanzeige grundsätzlich zur Unwirksamkeit einer vorher ausgesprochenen Kündigung führen würde, verbietet es im Entscheidungsfall der Grundsatz des Vertrauensschutzes, die Kündigung vom deswegen als unwirksam zu qualifizieren. Der Senat hat die Grundsätze zur Gewährung von Vertrauensschutz im Urteil vom (- 2 AZR 343/05 - BAGE 117, 281), auf die im Einzelnen verwiesen wird, ausführlich dargestellt. Danach sind zusammenfassend folgende Aspekte maßgeblich:
a) Bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Junk vom (- C-188/03 - EuGHE I 2005, 885) war nach ganz herrschender Auffassung in Rechtsprechung und im Schrifttum sowie der einschlägigen Verwaltungspraxis der Agenturen für Arbeit unter "Entlassung" iSd. § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG der tatsächliche Beendigungszeitpunkt zu verstehen. Der Senat hat diese Auffassung in seiner Entscheidung vom (- 2 AZR 79/02 - BAGE 107, 318) noch einmal umfassend bestätigt. Bei Ausspruch der Kündigung am war eine Rechtsprechungsänderung des Bundesarbeitsgerichts im Zuge der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und einer richtlinienkonformen Auslegung der nationalen gesetzlichen Regelung nicht zu erwarten. Dies gilt umso mehr, als sich der Senat in der genannten Entscheidung vom auch inhaltlich eingehend mit der Massenentlassungsrichtlinie (MERL) auseinandergesetzt und eine richtlinienkonforme Auslegung der §§ 17 ff. KSchG - das Verständnis von "Entlassung" als "Kündigung" im Sinne der nachfolgend ergangenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom (- C-188/03 - aaO) unterstellend - als nicht möglich angesehen hatte.
b) Diesen Umständen kommt bei der Prüfung, ob einem betroffenen Arbeitgeber Vertrauensschutz zu gewähren ist, ein erhebliches Gewicht zu (so auch zuletzt - EzA KSchG § 17 Nr. 19 und - 2 AZR 740/05 -). Der Arbeitgeber, dem eine gesetzliche Handlungspflicht auferlegt wird, muss sich grundsätzlich auf eine höchstrichterliche Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zu den von ihm geforderten Verhaltensweisen verlassen und sein Verhalten daran ausrichten können.
c) Soweit die Auffassung vertreten wird, der Beklagten sei kein Vertrauensschutz zu gewähren, weil bereits zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung - insbesondere auf Grund des - 36 Ca 19726/02 - ZIP 2003, 1265) - nicht ausgeschlossen gewesen sei, dass der Europäische Gerichtshof den Begriff der "Entlassung" anders interpretieren könnte, wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass sich der Senat noch in der Entscheidung vom (- 2 AZR 79/02 - BAGE 107, 318) mit den europarechtlichen Vorgaben auseinandergesetzt und die Möglichkeit einer richtlinienkonformen Auslegung nationalen Rechts im Sinne der jetzt vom Europäischen Gerichtshof zur MERL vertretenen Auffassung verneint hatte.
d) Da das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom und somit weit vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom gekündigt worden ist, konnte die Beklagte mithin auf die Rechtslage vertrauen, wie sie sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der geltenden Verwaltungspraxis darstellte.
3. Entgegen der Auffassung der Revision ist dem Senat eine Entscheidung über den Vertrauensschutz auch nicht "entzogen". Insbesondere bedarf es insoweit keiner Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 234 EG (aA Schiek AuR 2006, 41, 43 f.).
a) Im Entscheidungsfall geht es nicht um die Gewährung von Vertrauensschutz hinsichtlich der Auslegung europäischen Rechts, sondern um Vertrauensschutz bei der Anwendung und Auslegung nationalen Rechts durch die nationale höchstrichterliche Rechtsprechung ( - BAGE 117, 281; - 6 AZR 198/06 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 22 = EzA KSchG § 17 Nr. 17; - 6 AZR 499/05 - EzA KSchG § 17 Nr. 19; - 2 AZR 740/05 -). Der Senat hat lediglich seine eigene Rechtsprechung und die Auslegung der nationalen Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG an das Gemeinschaftsrecht angepasst. Er hat kein Gemeinschaftsrecht ausgelegt, sondern das nationale Kündigungsschutzrecht "richtlinienkonform" angewendet, indem er den Begriff "Entlassung" in § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG zukünftig im Sinne der vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Auslegung der MERL verstanden wissen will. Damit handelt es sich um eine Frage der nationalen Rechtsanwendung (vgl. Canaris FS Bydlinski S. 47, 64; Piekenbrock ZZP 2006, 3, 30; - aaO und - 2 AZR 740/05 -).
b) Das nationale Recht ist - wenn es möglich ist - richtlinienkonform auszulegen.
Ob eine solche richtlinienkonforme Auslegung möglich ist, entscheiden die nationalen Gerichte nach nationalem Recht ( bis C-403/01 -[Pfeiffer ua.] EuGHE I 2004, 8835). Die richtlinienkonforme Auslegung wird durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere den Grundsatz der Rechtssicherheit begrenzt ( - [Adeneler] EuGHE I 2006, 6057).
Hierbei ist der aus Art. 20 Abs. 3 GG iVm. dem jeweiligen Individualgrundrecht (insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG) folgende Vertrauensschutz zu berücksichtigen ( - EzA KSchG § 17 Nr. 19; Kokott RdA 2006 Sonderbeilage zu Heft 6 S. 30, 37). Dementsprechend konnte das Bundesarbeitsgericht, das durch seine Rechtsprechung, insbesondere durch die letzte Entscheidung vom (- 2 AZR 79/02 - BAGE 107, 318), einen Vertrauenstatbestand für die Handlungsabläufe und Verhaltenspflichten bei den Massenentlassungsanträgen geschaffen hatte, in dem die bisherige Rechtsprechung aufgebenden Urteil vom (- 2 AZR 343/05 - BAGE 117, 281) den beklagten Arbeitgebern einen Vertrauensschutz zubilligen und durfte ihnen nicht nachträglich sanktionsbewehrte Handlungspflichten auferlegen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2008 S. 563 Nr. 11
DB 2009 S. 1078 Nr. 20
BAAAC-69297
1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein