BGH Beschluss v. - X ZB 18/06

Leitsatz

[1] Für den Einspruch gegen ein deutsches Patent bedarf es auch dann keines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses, wenn das Patent wegen des Doppelschutzverbots im Hinblick auf die bestandskräftige Erteilung eines europäischen Patents keine Wirkung mehr hat.

Gesetze: PatG § 59 Abs. 1; IntPatÜG Art. 2 § 8

Instanzenzug: Bundespatentgericht 11 W(pat) 326/02 vom

Gründe

I. Die Rechtsbeschwerdeführerin (Patentinhaberin) meldete am eine Erfindung betreffend eine Vorrichtung bzw. ein Verfahren zur Filtration und Zugabe von Kornfeinungsmaterialien zu Metallschmelzen beim Deutschen Patent- und Markenamt zur Erteilung eines Patents an. Ihr ist das deutsche Patent 100 55 523 (Streitpatent) erteilt und die Erteilung ist am veröffentlicht worden.

Unter Inanspruchnahme der Priorität dieser Patentanmeldung vom meldete die Patentinhaberin am ein europäisches Patent an. Dieses ist - mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland - erteilt und der Hinweis auf die Erteilung ist am bekannt gemacht worden. Die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen das erteilte europäische Patent ist fruchtlos verstrichen.

Am hat die Einsprechende mit der Begründung Einspruch gegen das Streitpatent erhoben, sein Gegenstand beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Patentinhaberin hat, nachdem das im Wesentlichen gleiche europäische Patent erteilt worden und die Einspruchsfrist ohne Einlegung eines Einspruchs abgelaufen ist, geltend gemacht, der Einspruch sei unzulässig geworden. In der Sache hat sie das Streitpatent vorsorglich beschränkt und mit Hilfsanträgen verteidigt; wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Das Bundespatentgericht hat die Zulässigkeit des Einspruchs bejaht und das Streitpatent widerrufen.

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet die Patentinhaberin sich dagegen, dass das Bundespatentgericht den Einspruch für zulässig erachtet hat.

Die Einsprechende ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht vertreten.

II. Die Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung statthaft und auch im Übrigen zulässig.

III. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Durch die Einlegung der zugelassenen Rechtsbeschwerde ist die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses nach Art einer Revision eröffnet (st. Rspr., vgl. zuletzt Sen.Beschl. v. - X ZB 9/06, GRUR 2007, 859 - Informationsübermittlungsverfahren I, zur Veröffentlichung in BGHZ 172, 108 bestimmt). Soweit in dem Umstand, dass das Bundespatentgericht die Rechtsbeschwerde "bezüglich der Zulässigkeit des Einspruchs" zugelassen hat, eine Beschränkung der Rechtsbeschwerde und nicht nur der Anlass für die unbeschränkte Zulassung des Rechtsmittels (vgl. BGHZ 88, 191, 193) gesehen werden könnte, wäre diese unwirksam. Die Rechtsbeschwerde kann wirksam nur auf einen abtrennbaren Teil des Verfahrensgegenstands oder einzelne Verfahrensbeteiligte begrenzt werden (BGH aaO; Benkard/Rogge, PatG, 10. Aufl., § 100 Rdn. 18; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 100 Rdn. 16, jew. mit zahlr. Nachweisen). Bei der Frage, ob der Einspruch (weiter) zulässig ist, handelt es sich nicht um einen in diesem Sinne abtrennbaren Teil des Verfahrensgegenstands, sondern um eine isolierte Rechtsfrage, auf welche die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht wirksam beschränkt werden kann (BGHZ 90, 318). Die danach eröffnete Nachprüfung deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Patentinhaberin auf.

1. Das Bundespatentgericht hat die Zulässigkeit des Einspruchs zu Recht bejaht.

a) Dass der von der Einsprechenden eingelegte Einspruch an sich statthaft ist, ergibt sich aus § 59 Abs. 1 PatG (vgl. dazu Sen.Beschl. v. - X ZB 15/92, GRUR 1994, 439 f. - Sulfonsäurechlorid) und wird von der Patentinhaberin auch nicht in Zweifel gezogen. Sie meint vielmehr, die Einsprechende hätte, nachdem die Rechtsfolge aus Art. II § 8 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG eingetreten und das deutsche Patent wirkungslos geworden ist, ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis an der Aufrechterhaltung des eingelegten Einspruchs darzulegen gehabt. Daran fehle es. Die Einsprechende habe weder behauptet, für den Zeitraum vor bestandskräftiger Erteilung des europäischen Patents von der Patentinhaberin aus dem deutschen Patent in Anspruch genommen worden zu sein, noch dass die Patentinhaberin insoweit die Geltendmachung von Rechten angekündigt oder dass sie, die Einsprechende, dieses zu befürchten habe. Auch das Bundespatentgericht habe hierzu keine konkreten Feststellungen getroffen.

b) Der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann nicht beigetreten werden.

aa) Allerdings ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats für die Fortsetzung des Patentnichtigkeitsverfahrens nach dem Erlöschen des Patents wegen Zeitablaufs, Verzichts oder wegen Nichtzahlung der Jahresgebühren ein besonderes, eigenes Rechtsschutzbedürfnis des Klägers erforderlich (vgl. Sen.Urt. v. - X ZR 188/01, GRUR 2005, 749 - Aufzeichnungsträger; v. - X ZR 131/02, GRUR 2007, 309 Tz. 7 - Schussfädentransport; vgl. auch Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 2. Aufl. Rdn. 120 m.w.N.).

Diese Anforderung beruht auf der Erwägung, dass das Interesse der Allgemeinheit an der Nichtigerklärung unberechtigter Schutzrechte nicht mehr berührt wird, wenn das Patent erloschen ist (vgl. Benkard/Rogge, PatG, 10. Aufl., § 22 Rdn. 35; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 81 Rdn. 49). Aus dem gleichen Grund kann der Einsprechende die Fortführung des Einspruchsverfahrens nach Erlöschen des Patents nur verlangen, wenn bei ihm ein besonderes Rechtsschutzinteresse gegeben ist (Sen.Beschl. v. - X ZB 19/94, GRUR 1995, 342 f. - Tafelförmige Elemente; v. - X ZB 10/96, GRUR 1997, 615 ff. - Vornapf).

bb) Ist das nationale Patent dagegen, wie im Streitfall, nicht erloschen, sondern infolge der Erteilung eines europäischen Patents nach den Grundsätzen des Doppelschutzverbots (Art. II § 8 Abs. 1 IntPatÜG) wirkungslos geworden, lässt sich ein weiter bestehendes Interesse der Allgemeinheit am Widerruf des zu Unrecht erteilten deutschen Patents nicht verneinen. Das beruht auf den im Vergleich zum Erlöschen des Patents unterschiedlichen Rechtsfolgen der Wirkungslosigkeit.

Die rechtlichen Wirkungen des deutschen Patents werden durch die Erteilung des europäischen nicht vollständig beseitigt. Zwar wird das nationale Patent nach Art. II § 8 Abs. 1 IntPatÜG von dem Zeitpunkt an wirkungslos, in dem eine der in Nr. 1 bis 3 dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen erfüllt ist, sei es, dass die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen das europäische Patent ergebnislos abgelaufen oder das Einspruchsverfahren unter Aufrechterhaltung des europäischen Patents rechtskräftig abgeschlossen ist oder dass das deutsche Patent erteilt wird und dies zeitlich nach einem der beiden vorgenannten Ereignisse geschieht. Das Schutzrecht bleibt jedoch als solches auch nach Eintritt der Wirkungslosigkeit bestehen (vgl. Benkard/Rogge, EPÜ, Art. 139 Rdn. 15 m.w.N.; Busse/Keukenschrijver PatG, 6. Aufl., Art. II § 8 IntPatÜG Rdn. 4). Das Interesse der Allgemeinheit am Widerruf eines rechtlich (weiter) bestehenden Patents für den Fall der ungerechtfertigten Erteilung wegen des zwischenzeitlichen Eintritts der Rechtsfolgen aus Art. II § 8 Abs. 1 IntPatÜG kann nicht verneint werden.

cc) Soweit im Schrifttum für die Fortsetzung des Einspruchsverfahrens nach dem Wirkungsloswerden des deutschen Patents die Darlegung eines schutzwürdigen Interesses am rückwirkenden Widerruf des ex nunc erloschenen Patents verlangt wird (vgl. Schulte, PatG, 7. Aufl., § 59 Rdn. 42; Mes, Festschrift für Rogge, GRUR 2001, 976, 979), vernachlässigt dies zudem, dass die Frage, in welchem Umfang das europäische Patent i. S. von Art. II § 8 Abs. 1 IntPatÜG dieselbe Erfindung schützt, wie das deutsche, erst das Ergebnis einer mitunter schwierigen Sachprüfung ist, deren Beantwortung im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht mehr sachgerecht wäre.

2. Die rechtliche Nachprüfung (zu ihrem Umfang im Rechtsbeschwerdeverfahren Sen.Beschl. v. - X ZB 4/95, GRUR 1996, 753, 756 - Informationssignal, insoweit nicht in BGHZ 133, 18 ff.; v. - X ZB 3/97, GRUR 1998, 889, 901 - Alpinski) deckt auch sonst weder von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel noch materiellrechtliche Fehler auf. Maßstab für die materiellrechtliche Prüfung ist nach Lage des Falles im Wesentlichen, ob die angefochtene Entscheidung auf einer Verkennung des Rechtsbegriffs der erfinderischen Tätigkeit beruht (vgl. Sen.Beschl. GRUR 1998, 889, 901 - Alpinski). Das ist nicht der Fall. Das Bundespatentgericht hat die Patentfähigkeit der Erfindung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Die Rechtsbeschwerde hat insoweit auch ebenso wenig konkrete Beanstandungen erhoben, wie sonstige Verfahrensrügen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG.

Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich erachtet.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
RAAAC-68849

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja