BGH Beschluss v. - XI ZB 34/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 233; ZPO § 517; ZPO § 519; ZPO § 519 Abs. 2; ZPO § 519 Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 574 Abs. 2

Instanzenzug: LG Frankfurt/Main 2/7 O 328/05 vom OLG Frankfurt/Main 9 U 69/06 vom

Gründe

I.

Das zugestellt am , die Klage des Klägers gegen die beklagte Bank abgewiesen. Am ist eine Berufungsschrift des seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten des Klägers beim Oberlandesgericht eingegangen. In der Berufungsschrift wurden die Prozessparteien lediglich als "Kläger" und "Beklagte" bezeichnet. Einen Zusatz, für welche Partei die Berufung eingelegt wird, enthielt der Schriftsatz nicht. Eine Ablichtung des erstinstanzlichen Urteils war nicht beigefügt. Die vom Berufungsgericht mit Verfügung vom beim Landgericht angeforderte Akte ist am eingegangen.

Im Schriftsatz vom vertrat der Anwalt des Klägers in erster Linie die Ansicht, die Berufungsschrift sei formwirksam. Zugleich stellte er vorsorglich den Antrag, dem Kläger gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung ließ der Kläger vortragen, nach der Unterzeichnung des Berufungsschriftsatzes habe sein Prozessbevollmächtigter bemerkt, dass die notwendige Bezeichnung des Rechtsmittelführers fehle. Er habe die Büroangestellte P. darüber informiert, dass er den Schriftsatz verbessern wolle, und sie gebeten, auf die rechtzeitige Versendung per Fax zu achten. Da Frau P. gerade anderweitig beschäftigt gewesen sei, sei ihre Kollegin M. mit der Aufgabe betraut worden. Danach habe sein Anwalt an einer Besprechung teilgenommen, während der Frau P. die bereits unterschriebene, aber noch nicht ergänzte Berufungsschrift von seinem Schreibtisch genommen und per Fax versandt habe. Die von ihrer Kollegin zuvor auf die Außenseite des Schreibtisches gelegte überarbeitete Fassung habe sie übersehen. Nach der Besprechung habe sich der Prozessbevollmächtigte bei Frau P. erkundigt, ob die Berufungsschrift ordnungsgemäß ergänzt und verschickt worden sei, was sie bejaht habe.

Mit Beschluss vom hat das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Die am eingegangene Berufungsschrift erfülle nicht die formellen Voraussetzungen des § 519 Abs. 2 ZPO. Sie lasse nicht mit der gebotenen Sicherheit erkennen, welche Prozesspartei das Urteil des Landgerichts anfechten wolle. Daran ändere auch die Möglichkeit, unvollständige oder mehrdeutige Berufungsschriftsätze entweder aus sich heraus oder unter Zuhilfenahme bis zum Ablauf der Berufungsfrist vorliegender Unterlagen auszulegen, nichts. Welche Partei der Rechtsanwalt schon im ersten Rechtszug vertreten habe, habe sich mangels anderer Anhaltspunkte ausschließlich aus der erst am beim Oberlandesgericht eingegangenen Akte ergeben, so dass eine Identifizierung des Rechtsmittelführers innerhalb der Berufungsfrist nicht möglich gewesen sei.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht begründet. Die Versäumung der Berufungsfrist beruhe auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten, das sich der Kläger zuzurechnen habe. Sein Anwalt habe dafür sorgen müssen, dass die formnichtige Berufungsschrift nicht versendet werden und unter allgemeinen Rechtsscheingesichtspunkten bestimmte Rechtswirkungen entfalten konnte. Dies hätte etwa durch Streichen seiner Unterschrift oder durch handschriftliche Ergänzungen geschehen können. Dass die Büroangestellte M. auf seine Weisung hin die Berufungsschrift im Computer ordnungsgemäß ergänzt habe, aber von ihrer Kollegin aus Versehen die ursprüngliche Fassung an das Oberlandesgericht versandt worden sei, entlaste ihn daher nicht. Zudem habe er sofort wissen müssen, dass die Neufassung nicht unterschrieben worden sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (BGHZ 151, 42, 43; 151, 221, 223; 155, 21, 22), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) nicht erforderlich.

1. Allerdings ist der Rechtsbeschwerde darin zuzustimmen, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Eingreifen des Bundesgerichtshofs erfordert, wenn die angefochtene Entscheidung das Verfahrensgrundrecht einer Partei auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt und darauf beruht (BGHZ 154, 288, 296; 159, 135, 139 f. zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).

2. Ein solcher Verstoß gegen Verfahrensgarantien des Grundgesetzes liegt hier jedoch nicht vor. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht dem Kläger den Zugang zur Berufungsinstanz nicht auf Grund von überspannten Anforderungen versagt (vgl. hierzu BVerfGE 41, 323, 326 ff.; 41, 332, 334 ff.; 69, 381, 385; BVerfG NJW 2001, 2161, 2162; BGHZ 151, 221, 227).

a) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Rechtsmittelschrift den Erfordernissen des § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht genügt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Angabe erforderlich, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll. Aus der Berufungsschrift allein oder jedenfalls mit Hilfe weiterer Unterlagen, etwa dem beigefügten erstinstanzlichen Urteil, muss bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen sein, wer Berufungskläger ist und wer Berufungsbeklagter sein soll (Senat, Beschluss vom - XI ZB 43/04, NJW-RR 2006, 284; BGH, Beschlüsse vom - XII ZB 154/01, FamRZ 2003, 1176 und vom - VI ZB 25/05, VersR 2006, 991). Daran fehlt es hier.

Die Berufungsschrift enthält keine Angabe, für welche der Parteien Berufung eingelegt wird. Außerdem war dem Schriftsatz das erstinstanzliche Urteil nicht beigefügt (siehe für einen vergleichbaren Fall Senatsbeschluss vom - XI ZB 13/06, FamRZ 2007, 903; , FamRZ 2003, 1176 sowie BAG NJW 1972, 1440).

Anders als die Rechtsbeschwerde meint, lässt sich auch aus der Reihenfolge der Parteibezeichnung nicht darauf schließen, dass das Rechtsmittel für den Kläger eingelegt werden sollte. Zwar ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass unter Umständen auch die Reihenfolge der Parteibezeichnung im Eingang der Berufungsschrift eine eindeutige Zuordnung der Parteirollen ermöglicht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn in der Berufungsschrift der Name des Klägers an erster und der Name des Beklagten an zweiter Stelle aufgeführt und außerdem erklärt wird, es werde namens des Klägers Berufung eingelegt (BVerfGE 71, 202, 204; , NJW-RR 2001, 572 f.). Die Rechtsbeschwerde übersieht aber, dass es hier bereits an einer solchen ausdrücklichen Erklärung namens des Klägers fehlt.

Zu Unrecht beruft sich die Rechtsbeschwerde ferner auf die Rechtsprechung, nach der eine eindeutige Zuordnung des Rechtsmittelführers auch dann vorgenommen werden kann, wenn es im Bezirk des betreffenden Berufungsgerichts allgemein üblich ist, im Eingang von Schriftsätzen und gerichtlichen Entscheidungen in allen Instanzen unabhängig von den Parteirollen in der Rechtsmittelinstanz den Kläger stets an erster und den Beklagten an zweiter Stelle zu nennen (, NJW-RR 2001, 572, 573). Dafür, dass eine derartige einheitliche Übung im Bezirk des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main besteht, ist im vorliegenden Fall nichts vorgetragen (siehe dazu bereits , BGHReport 2003, 1372; Senatsbeschluss vom aaO, S. 903, 904). Neues Tatsachenvorbringen ist im Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich nicht zulässig (BGHZ 156, 165, 167 f.; , NJW 2004, 3490, 3491; Senatsbeschluss vom - XI ZB 4/04, NJW-RR 2005, 435, 437). Es kommt auch nicht darauf an, ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers von einer entsprechenden Übung ausgegangen ist (Senatsbeschluss vom aaO).

Der Einwand der Rechtsbeschwerde, der Anwalt des Klägers sei in der Vergangenheit bekanntermaßen niemals für eine Bank, sondern immer für natürliche Personen aufgetreten, greift nicht. Denn abgesehen davon, dass es sich auch hierbei um neues Vorbringen handelt, reicht ein derartiger Umstand für sich genommen nicht aus, um die nach § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderliche Gewissheit, für welche Partei das Rechtsmittel eingelegt worden ist, zu gewinnen.

b) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht dem Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist versagt.

aa) Für eine Wiedereinsetzung fehlt es bereits an der Versäumung einer gesetzlichen Frist im Sinne des § 233 ZPO. Die Berufungsschrift des Klägers ist vor Ablauf der Berufungsfrist beim Berufungsgericht eingegangen. Dass die Berufung als unzulässig verworfen wurde, lag nicht an ihrer verspäteten Einlegung, sondern an inhaltlichen Mängeln des rechtzeitig eingereichten Schriftsatzes, der den Anforderungen des § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht genügte. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass das Institut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht dazu dient, inhaltliche Mängel einer an sich fristgerecht eingereichten Rechtsmittelschrift zu heilen (, NJW 1997, 1309, 1310; BAG NJW 1962, 2030; BVerwGE 28, 18, 21; BFH DB 1977, 1684). Nichts anderes kann aber für den hier vorliegenden Fall gelten, dass die Berufungsschrift innerhalb der Frist des § 517 ZPO beim Berufungsgericht eingegangen ist, jedoch die inhaltlichen Anforderungen des § 519 ZPO nicht erfüllt.

bb) Unabhängig davon wäre dem Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu versagen, weil sein Prozessbevollmächtigter die Versäumung der Berufungsfrist verschuldet hat. Der Prozessbevollmächtigte hat die Berufungsschrift unterzeichnet, obwohl der Rechtsmittelführer nicht genannt war. Damit hat er gegen seine anwaltlichen Pflichten verstoßen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - VI ZB 25/05, VersR 2006, 991, 992 und vom - XII ZB 154/01, FamRZ 2003, 1176 m.w.Nachw.). Überdies hätte er - worauf auch das Berufungsgericht hingewiesen hat - die notwendige Ergänzung des elektronisch gespeicherten Schriftsatzes ohne weiteres selbst vornehmen und auch damit die Fristversäumung vermeiden können.

Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde darauf, das Berufungsgericht sei verpflichtet gewesen, bei dem im Briefkopf bezeichneten Anwalt wegen des Rechtsmittelführers nachzufragen. Zwar ist ein Gericht, bei dem das Verfahren anhängig gewesen ist, verpflichtet, zeitig eingehende fristgebundene Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren an das zuständige Rechtsmittelgericht weiterzuleiten (BVerfG NJW 1995, 3173, 3175). Das Berufungsgericht ist aber nicht verpflichtet, eine Partei innerhalb der Berufungsfrist durch Telefonat oder Telefax auf die fehlerhafte Einreichung der Berufung hinzuweisen. Damit würden die Anforderungen an die richterliche Fürsorgepflicht überspannt (vgl. BVerfG NJW 2001, 1343).

Fundstelle(n):
UAAAC-67448

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein