Bestandskraft eines Ergänzungsbescheids ist keine Vollstreckungsvoraussetzung
Leitsatz
§ 277 AO, der die vorläufige Beschränkung der Vollstreckung bis zur unanfechtbaren Entscheidung über den Aufteilungsantrag nach § 268 AO vorsieht, gebietet keine Vollstreckungsbeschränkung für den Zeitraum bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung über die Minderung der Vollstreckungsbeschränkung nach § 278 Abs. 2 AO. Die in dieser Vorschrift geregelte Minderung der Vollstreckungsbeschränkung in Höhe des Werts der unentgeltlichen Zuwendung wirkt kraft Gesetzes. Ein besonderer Bescheid darüber ist zwar zweckmäßig, aber nicht erforderlich.
Gesetze: AO § 278 Abs. 2, AO § 277, AO § 268, AO § 44
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), die keine eigenen Einkünfte erzielte, wurde für die Veranlagungszeiträume 1994 bis 1998 zusammen mit ihrem Ehemann veranlagt. Diese Veranlagungen führten zu vollstreckbaren Rückständen. Dem Antrag der Klägerin auf Aufteilung der Steuerforderungen entsprach der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—), behielt sich jedoch ausdrücklich eine Verminderung der Vollstreckungsbeschränkung wegen unentgeltlicher Zuwendungen ihres Ehemannes gemäß § 278 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) vor und erließ im Jahre 2001 entsprechende Ergänzungsbescheide. Einspruch und Klage gegen diese Bescheide blieben erfolglos (); einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) hat die Klägerin in 2002 zurückgenommen.
Im Mai 2005 erließ das FA die streitgegenständliche Pfändungs- und Einziehungsverfügung hinsichtlich des aus der Veräußerung eines Grundstücks der Klägerin herrührenden, auf einem Notaranderkonto verwalteten Kaufpreises. Dem Notar als Drittschuldner teilte das FA mit, dass es eine sofortige Auszahlung des Betrages nicht verlange.
Einspruch und Klage, mit der die Klägerin geltend machte, es bestehe ein Vollstreckungshindernis, weil die Ergänzungsbescheide noch nicht bestandskräftig seien, blieben erfolglos. Das FG hielt die Pfändungsmaßnahme im Ergebnis für rechtmäßig, da ihr wegen der Zusage gegenüber dem Drittschuldner, von der Einziehung keinen Gebrauch zu machen, der Charakter einer Sicherungsmaßnahme i.S. des § 277 AO zukomme. Durch die Einziehungsverfügung sei die Klägerin nicht beschwert, ihr Rechtsschutz sei hinreichend durch die Zusage des Verzichts auf die Einziehung der Forderung gewahrt.
Die Klägerin hält die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage für geboten, ob die Beschwer einer Einziehungsverfügung durch eine Zusage des FA, von der Verfügung keinen Gebrauch zu machen, entfällt. Auch sei eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung der Rechtseinheit erforderlich, da das FG vom (BFHE 205, 22, BStBl II 2004, 566) abweiche.
II. Die Beschwerde ist —bei Zweifeln an der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebotenen Darlegung eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 FGO— jedenfalls unbegründet. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage ist in dem von ihr angestrebten Revisionsverfahren weder klärungsbedürftig noch klärungsfähig. Auch bedarf die behauptete Divergenz zwischen der Entscheidung des FG und der angesprochenen Entscheidung des Senats keiner höchstrichterlichen Abklärung, da jene Senatsentscheidung für den vorliegenden Rechtsstreit nicht einschlägig ist.
Unabhängig von der Begründung des FG ist die Entscheidung jedenfalls im Ergebnis richtig, so dass eine Überprüfung der Entscheidung im Revisionsverfahren nicht veranlasst ist (§ 126 Abs. 4 FGO analog, vgl. , BFH/NV 2004, 906, m.w.N.). Die streitige Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist unabhängig davon, dass das FA auf die Einziehung der gepfändeten Forderung vorläufig verzichtet hat, rechtmäßig. Denn § 277 AO, der die vorläufige Beschränkung der Vollstreckung bis zur unanfechtbaren Entscheidung über den Aufteilungsantrag vorsieht, gebietet keine Vollstreckungsbeschränkung für den Zeitraum bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung über die Minderung der Vollstreckungsbeschränkung nach § 278 Abs. 2 AO. Dies folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des § 277 AO (vgl. auch das von der Klägerin selbst zitierte Urteil in BFHE 205, 22, BStBl II 2004, 566). Abgesehen davon ergibt sich dies —worauf das FA zutreffend hingewiesen hat— auch daraus, dass die in § 278 Abs. 2 AO geregelte Minderung der Vollstreckungsbeschränkung in Höhe des Wertes der unentgeltlichen Zuwendung kraft Gesetzes wirkt und ein besonderer Bescheid darüber nicht erforderlich (wenn auch zweckmäßig) ist (Senatsurteil vom VII R 56/99, BFHE 197, 19, BStBl II 2002, 214). Ergeht er gleichwohl, bedarf es keines besonderen Vollstreckungsschutzes. Die Klägerin hatte allerdings die Möglichkeit, mit Einleitung des Rechtsbehelfsverfahrens Antrag auf AdV gemäß § 361 Abs. 2 AO zu stellen. Sie hat diese Möglichkeit auch genutzt, den Antrag allerdings im Jahre 2002 zurückgenommen.
Da der Aufteilungsbescheid nach § 268 AO unanfechtbar, die Vollstreckung bei der Klägerin aber gleichwohl bis zur Höhe des Wertes der unentgeltlichen Zuwendungen ihres Ehemannes durch Einspruch und Klage gegen die Ergänzungsbescheide nicht gehindert war, konnte der Antrag der Klägerin auf Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung keinen Erfolg haben.
Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 18/2008 S. 5
XAAAC-67032