BFH Beschluss v. - V B 41/06

Revisionszulassung zur Fortbildung des Rechts (hier: Beförderungsleistungen für behinderte Personen)

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, UStG § 12 Abs. 2 Nr. 10

Instanzenzug: FG des Landes Sachsen-Anhalt Urteil vom 2 K 455/02

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) schloss mit der A-GmbH einen Vertrag über die Beförderung behinderter Personen. Die Klägerin hatte einen Bus mit acht Fahrgastplätzen einzusetzen. Nach dem Vertrag sollte die Klägerin sog. Touren fahren, bei denen sie die Fahrgäste an ihrem jeweiligen Wohnort abholt und zum jeweils individuellen Zielpunkt, der jeweiligen Betreuungseinrichtung, befördert. Die Vergütung wurde unabhängig von der Anzahl der beförderten Personen nach der Fahrtstrecke geschuldet. Die Klägerin war verpflichtet, alle von der A-GmbH benannten Personen zu befördern.

Die Klägerin versteuerte ihre Bruttoumsätze in Höhe von insgesamt 122 021,41 DM nach dem ermäßigten Steuersatz. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung ging der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) davon aus, dass die Fahrten für die A-GmbH durch mehrere Gemeinden führten und in ihrer Gesamtlänge 50 Kilometer überschritten. Mit Bescheid vom unterwarf er die Umsätze dem Regelsteuersatz. Der hiergegen eingelegte Einspruch war erfolglos und führte durch Einspruchsentscheidung vom zu einer Verböserung.

Nach Klageerhebung teilte die Klägerin mit, bei welchen Touren die Gesamtlänge nicht mehr als 50 Kilometer betrug. Das FA setzte hierauf durch Bescheid vom die Umsatzsteuerschuld auf 37 880 DM herab.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, da die Voraussetzungen für den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes nicht vorlägen. Die Beförderungen seien unstreitig nicht innerhalb einer Gemeinde durchgeführt worden. Für die Frage, ob die Beförderungsstrecke 50 Kilometer überschreite, komme es bei einer Beförderung aufgrund eines einzigen Beförderungsvertrags auf die Strecke zwischen dem Einstieg des ersten und dem Ausstieg des letzten Fahrgastes an. Unerheblich sei die Entfernung zwischen der Wohnung des einzelnen Fahrgastes zu seinem jeweiligen Beförderungsziel.

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

II. Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

1. Die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts setzt nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO voraus, dass der Streitfall im allgemeinen Interesse Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom V B 75/02, BFH/NV 2003, 1590; vom X B 157/01, BFH/NV 2002, 803). Hinsichtlich der Darlegung dieses Zulassungsgrundes gelten die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung entwickelten Anforderungen (vgl. BFH-Beschlüsse vom V B 135/04, BFH/NV 2005, 2014, und vom V B 45/04, BFH/NV 2006, 622): In der Beschwerdebegründung muss schlüssig und substantiiert —ggf. unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen— dargetan werden, weshalb eine für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2005, 1335).

2. An diesen Darlegungen fehlt es im Streitfall.

a) Die Klägerin macht geltend, dass die Entscheidung des Streitfalls von der Rechtsfrage abhänge, ob die von ihr durchgeführten Beförderungsleistungen für behinderte Personen dem ermäßigten Steuersatz unterlägen. Das FG habe seine Entscheidung darauf gestützt, dass es hierfür auf die Gesamtstrecke vom Einstieg des ersten bis zum Ausstieg des letzten Fahrgastes ankomme. Das FG habe damit entgegen ihrem Vortrag die deutlichen Unterschiede zwischen den Merkmalen eines Linien-Personenverkehrs und der Beförderung einzelner Personen nicht gewürdigt. Sie (die Klägerin) habe vertragsgemäß die behinderten Einzelpersonen zu den jeweiligen Betreuungseinrichtungen befördert. Dies sei nicht vergleichbar mit einem Personen-Linienverkehr. Der Sachverhalt werde dadurch konkretisiert, dass im Falle einer Erkrankung oder Verhinderung einzelner Personen die Fahrstrecke geändert werde. Hierin liege eine individuelle vertragliche Vereinbarung, da der Beförderungsvertrag auf die Beförderung der einzelnen behinderten Person gerichtet war. Es sei unschädlich, dass bei einem einzigen Beförderungsvorgang mehrere Personen befördert werden. Es handele sich um eine Vielzahl gesondert zu beurteilender Beförderungsleistungen.

b) Die Zulassung der Revision scheitert bereits daran, dass keine im Allgemeininteresse klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen wird. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage bezieht sich auf die von ihr ausgeführten Leistungen, legt aber nicht dar, inwieweit die Beantwortung der Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus von allgemeiner Bedeutung sein könnte. Die Beschwerde wendet sich im Kern gegen die vom FG vorgenommene Tatsachenwürdigung und Vertragsauslegung. Diese ist im Revisionsverfahren aber nach § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich bindend. Gründe, die diese Bindungswirkung möglicherweise entfallen lassen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Beschwerde lässt schließlich auch eine Auseinandersetzung mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Beförderungsleistungen (vgl. z.B. Beschluss vom V B 60/89, BFH/NV 1991, 562) vermissen.

Fundstelle(n):
WAAAC-67028