Verdeckte Gewinnausschüttung durch Verwaltung und Verwertung von Grundstücken der Gesellschafter einer GmbH
Leitsatz
Verwaltet und verwertet eine GmbH im Eigentum ihrer Gesellschafter stehende Grundstücke zulasten ihres eigenen Vermögens und ohne angemessene Vergütung, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG vor. Das gilt auch dann, wenn die Verwaltung und Verwertung Gegenstand des Unternehmens der GmbH ist und die Gesellschafter hohe Einlagen in die Kapitalrücklage der GmbH leisten. Die Grundsätze des Vorteilsausgleichs können nur dann zum Zuge kommen, wenn die gegenseitig gewährten Vermögensvorteile jeweils auf schuldrechtlicher Grundlage erbracht werden. Stehen sich jedoch beide Vorteilsgewährungen als gesellschaftlich veranlasste verdeckte Gewinnausschüttung einerseits und verdeckte Einlage oder Gesellschafterzuschuss andererseits gegenüber, scheidet eine Verrechnung zur Vermeidung einer verdeckten Gewinnausschüttung aus .
Gesetze: KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH, die nach der Vereinigung Deutschlands von den fünf neuen Bundesländern und Berlin gegründet wurde. Anlass für die Gründung der GmbH waren die Regelungen im Einigungsvertrag vom (EinigVtr).
Nach Art. 36 Abs. 1 EinigVtr wurden der „Rundfunk der DDR” und der „Deutsche Fernsehfunk” als gemeinschaftliche staatsunabhängige, rechtsfähige Einrichtung der fünf neuen Länder und des Landes Berlin für den Teil, in dem das Grundgesetz nicht galt, weitergeführt. Die Einrichtung wurde von dem Rundfunkbeauftragten geleitet und vertreten. Aufgrund Art. 36 Abs. 1 und 6 i.V.m. Art. 21 Abs. 1 und 2 EinigVtr wurden die Gesellschafter der GmbH, die fünf neuen Bundesländer und Berlin, im Verhältnis ihrer Anteile Miteigentümer derjenigen Grundstücke, die in der Zeit vor der Wiedervereinigung von den Rundfunk- und Fernseheinrichtungen der DDR genutzt worden waren.
Bis spätestens sollte die Einrichtung durch gemeinsamen Staatsvertrag der beteiligten Länder aufgelöst oder in Anstalten des öffentlichen Rechts einzelner oder mehrerer Länder überführt werden. Für den Fall, dass ein Staatsvertrag bis zum nicht zustande kam, galt die Einrichtung mit Ablauf dieser Frist als aufgelöst. Zu diesem Zeitpunkt bestehendes Aktiv- und Passivvermögen sollte auf die Länder in Anteilen übergehen. Die Höhe der Anteile bemaß sich nach dem Verhältnis des Rundfunkgebührenaufkommens nach dem Stand vom (Art. 36 Abs. 6 EinigVtr).
Weil eine Auflösung oder Überführung der „Einrichtung” i.S. des Art. 36 EinigVtr ausschied und die „Einrichtung” deshalb nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 EinigVtr aufgelöst sei, vereinbarten die Staats- und Senatskanzleien der betreffenden Länder am die Gründung einer GmbH. Diese sollte die den Ländern nach Art. 36 EinigVtr zustehenden Grundstücke verwerten und bis dahin verwalten. Die mit der Gründung der Gesellschaft und der Wahrnehmung der ihr zugewiesenen Aufgaben entstehenden Kosten sollten aus Mitteln der „Einrichtung” bzw. den Verwertungserlösen gedeckt werden. Für die Höhe der Anteile war Art. 36 Abs. 6 Satz 4 EinigVtr maßgeblich, d.h. die Höhe der Anteile sollte sich nach dem Verhältnis des Rundfunkgebührenaufkommens nach dem Stand vom in dem in Art. 3 EinigVtr genannten Gebiet bemessen. Erwartet wurde, dass die Gesellschaft die Aufgaben bis zum erfüllt haben werde.
Gegenstand des Unternehmens der GmbH war nach § 2 des Gesellschaftsvertrages „die Verwaltung und Verwertung der nach Art. 36 in Verbindung mit Art. 21 EinigVtr auf die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen übergegangenen Grundstücke, die früher dem 'Rundfunk der DDR' und dem 'Deutschen Fernsehfunk' gedient haben, sowie die Abwicklung von Arbeits- und Dienstverhältnissen früherer Mitarbeiter der 'Einrichtung'. Aufgabe der Gesellschaft ist es weiter, in einem Schlußbericht darzulegen, was die einzelnen Länder bzw. Rundfunkanstalten insgesamt wertmäßig von der 'Einrichtung' nach Art. 36 Abs. 1 EinigVtr durch Aufteilung unter den Rundfunkanstalten bzw. Gründungbeauftragten und aus Verwertung der Grundstücke erhalten haben”.
Nach § 10 des Vertrages war der Gewinn entsprechend den Anteilen der Gesellschafter an dem Rundfunkgebührenaufkommen zum zu verteilen. Die durch die Grundstücksverwertung erzielten Reinerlöse waren entsprechend § 10 auf die Gesellschafter zu verteilen (§ 12). Zur „Deckung der Kosten” der GmbH regelt § 13 des Gesellschaftsvertrages:
„Soweit die Kosten der Gesellschaft nicht durch besondere geldliche Zuführungen der Gesellschafter gedeckt sind, sind sie zu Lasten der Gesellschafter entsprechend § 10 aus den Verwertungserlösen zu decken.”
Weitere Regelungen zur Durchführung der Grundstücksverwaltung und -verwertung durch die GmbH und deren Vergütung enthielt der Gesellschaftsvertrag nicht.
Aufgrund eines entsprechenden Beschlusses der Staats- und Senatskanzleien der betreffenden Länder vom November 1991 traf der Rundfunkbeauftragte als Vertreter der „Einrichtung gemäß Art. 36 EinigVtr” mit der GmbH am eine Vereinbarung, wonach die GmbH zur Finanzierung ihrer sämtlichen voraussichtlich im Geschäftsjahr 1992 benötigten Aufwendungen einen Betrag in Höhe von X DM erhalten sollte. Der Betrag war am zur Zahlung fällig und sollte von der GmbH außerhalb ihrer Gewinn- und Verlustrechnung als Kapitalrücklage erfasst werden, weil die Zahlung als freiwillige Gesellschaftereinlage außerhalb einer formellen Kapitalerhöhung erfolge.
Die GmbH wies die im Rahmen der verlustträchtigen Grundstücksverwaltung entstandenen Aufwendungen erfolgswirksam als Betriebsausgaben aus. Die Verluste aus der Bewirtschaftung verbuchte die GmbH zunächst als Forderungen an ihre Gesellschafter, nach dem Gesellschafterbeschluss vom November 1991 verrechnete sie diese jedoch mit der Kapitalrücklage und verfuhr derart auch mit danach entstandenen Verlusten jeweils bereits bei Bilanzerstellung. Kostenerstattungsansprüche verbuchte die GmbH nicht, weil sie der Auffassung war, sie habe keinerlei Vergütungsansprüche gegen ihre Gesellschafter.
Im Anschluss an eine Außenprüfung für die Jahre 1992 bis 1994 (Streitjahre) ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) davon aus, bei der Zahlung von X DM handele es sich nicht um eine freiwillige Gesellschaftereinlage im Sinne einer Kapitalrücklage gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 des Handelsgesetzbuches (HGB). Die Zahlung beruhe auf einer Vergütungsvereinbarung und stelle eine Anzahlung auf den Vergütungsanspruch der GmbH gegen ihre Gesellschafter dar. Die aus der Verwaltungstätigkeit entstandenen Aufwendungen in Höhe von . DM (1992), . DM (1993) sowie . DM aktivierte das FA zu den jeweiligen Stichtagen; in gleicher Weise verfuhr es mit den mit der Kapitalrücklage verrechneten Verlusten aus der Grundstücksverwertung (. DM zum und . DM zum ).
Die gegen die entsprechend geänderten Körperschaftsteuerbescheide erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 1326 abgedruckt.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Körperschaftsteuer der Jahre 1992 bis 1994 jeweils auf 0 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Über das Vermögen der GmbH ist nach Zustellung des vollständigen Urteils des FG () mit Beschluss des Amtsgerichts Y vom das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Als Insolvenzverwalter hat der Kläger zugleich mit der Revisionsschrift die Aufnahme des Rechtsstreits erklärt.
II. Die Revision ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Der Senat ist durch das anhängige Insolvenzverfahren nicht gehindert, über die Revision zu entscheiden. Der Rechtsstreit war zunächst infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH gemäß § 155 FGO i.V.m § 240 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) unterbrochen. Die Unterbrechung eines gerichtlichen Verfahrens durch ein Insolvenzverfahren dauert so lange, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird (§ 155 FGO i.V.m § 240 Satz 1 ZPO). Das ist durch Aufnahme des Rechtsstreites durch den Insolvenzverwalter geschehen.
2. Das FG ist davon ausgegangen, dass die GmbH nicht lediglich ihre eigenen Grundstücke, sondern die im zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Eigentum der Gesellschafter verbliebenen Grundstücke verwaltet und verwertet hat. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat verweist insoweit auf das zur Umsatzsteuer der Streitjahre ergangene (BFH/NV 2007, 1205), dessen Ausführungen er für richtig hält und sich zu Eigen macht.
3. Das FG war ferner der Auffassung, dass die Zahlung von X DM keine Einlage in die Kapitalrücklage gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB sei, sondern auf einer Vergütungsvereinbarung beruhe und eine Anzahlung auf den Vergütungsanspruch der GmbH gegen ihre Gesellschafter darstelle. Ob dem zu folgen ist, kann offenbleiben. Selbst wenn die Auffassung des Klägers zuträfe und insoweit von einer Einlage auszugehen wäre, könnte dies der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Denn in diesem Fall wäre die Verwaltung und Verwertung der im Eigentum ihrer Gesellschafter stehenden Grundstücke durch die GmbH zu Lasten ihres eigenen Vermögens und ohne eine angemessene Vergütung als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu beurteilen.
a) Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Urteil vom I R 50/03, BFHE 205, 192, BStBl II 2005, 524).
b) Die GmbH hat in den Streitjahren für ihre Gesellschafter deren Grundstücke verwaltet und verwertet. Ersatz- oder Vergütungsansprüche gegen ihre Gesellschafter für die hierdurch entstandenen Kosten hat sie in ihren Bilanzen nicht ausgewiesen, nach dem Vorbringen des Klägers deshalb, weil entsprechende Erstattungs- oder Vergütungsvereinbarungen nicht getroffen wurden. Vielmehr hat sie die Verluste mit der Kapitalrücklage verrechnet und damit —folgt man dem Kläger— aus ihrem Eigenkapital getragen.
Ein gedachter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte indessen unter den Gegebenheiten des Streitfalls nicht auf den Ausgleich der anfallenden Kosten verzichtet. Er hätte diese Tätigkeit vielmehr nur gegen eine angemessene Vergütung erbracht und neben den tatsächlichen Betriebskosten einen marktüblichen Gewinnaufschlag verlangt. Er hätte hierauf auch nicht mit Blick auf die Höhe der Einlage verzichtet. Diese Zahlung war nach dem Vorbringen des Klägers eine im Gesellschaftsverhältnis wurzelnde Leistung ohne Gegenleistung und rechnete daher zum Eigenkapital der GmbH. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter würde einem fremden Vertragspartner gegenüber nicht deshalb auf Ersatz der der Kapitalgesellschaft entstandenen Aufwendungen und auf eine angemessene Vergütung verzichten, weil die Gesellschaft über ein hohes Eigenkapital verfügt. Die Grundsätze des Vorteilsausgleichs, die der Kläger anführt, können nur dann zum Zuge kommen, wenn die gegenseitig gewährten Vermögensvorteile jeweils auf schuldrechtlicher Grundlage erbracht werden. Stehen sich jedoch beide Vorteilsgewährungen als gesellschaftlich veranlasste vGA einerseits und verdeckte Einlage oder Gesellschafterzuschuss andererseits gegenüber, scheidet eine Verrechnung zur Vermeidung einer vGA aus (, BFHE 160, 192, BStBl II 1990, 649); vom I R 95/75, BFHE 122, 491, BStBl II 1977, 704; Gosch, KStG, § 8 Rz 260).
Die Annahme von vGA führte zu keinem für die GmbH günstigeren Ergebnis, da in diesem Fall neben den Kostenerstattungsansprüchen auch angemessene Gewinnaufschläge zu berücksichtigen wären.
Fundstelle(n):
HFR 2008 S. 367 Nr. 4
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2008 S. 14
NWB-Eilnachricht Nr. 7/2008 S. 502
TAAAC-66206