Keine umsatzsteuerfreien Umsätze eines sog. Werbeagenten i.S.d. § 4 Nr. 11 UStG
Leitsatz
Zur Tätigkeit als Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler i.S. von § 4 Nr. 11 UStG gehört es, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen. Die Begriffe des Versicherungsvertreters und Versicherungsmaklers i.S. des § 4 Nr. 11 UStG sind richtlinienkonform nach Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG und nicht handelsrechtlich nach den Begriffen des Versicherungsvertreters und Handelsmaklers i.S. von § 92 und § 93 HGB auszulegen (Änderung der Rechtsprechung).
Gesetze: UStG 1993 § 4 Nr. 11Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. a
Instanzenzug: (EFG 2006, 300) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren 1993 bis 1997 als sog. Werbeagent für die KG selbständig tätig. Die KG vermittelte Versicherungen an Unternehmer, mit denen sie Gesprächstermine vereinbarte, die durch den Kläger wahrgenommen wurden. Ziel dieser Erstgespräche war der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zwischen den Interessenten und der KG. Der Kläger erhob bei den Gesprächen im Regelfall Daten über Sozialversicherungen, private Lebensversicherungen, Pensionsvereinbarungen und Direktversicherungen (versicherungstechnische Inventur), äußerte sich dabei aber nicht zu den zu vermittelnden Versicherungen. Für seine Tätigkeit erhielt der Kläger von der KG Provisionen, deren Höhe sich nach dem Umfang der durch den Kläger jeweils ausgeübten Tätigkeit richtete. Es kam insoweit insbesondere darauf an, ob der Kläger die versicherungstechnische Inventur nur anbahnte oder auch durchführte.
Auf der Grundlage der vom Kläger erhobenen Daten erstellte die KG ein Versicherungskonzept, das den potentiellen Kunden durch die von der KG gleichfalls beauftragten Hauptvertreter unterbreitet wurde. Die Hauptvertreter waren zum Abschluss von Versicherungsverträgen mit den Kunden berechtigt. Sie erhielten für ihre Tätigkeit Abschlussprovisionen.
In seinen Umsatzsteuererklärungen behandelte der Kläger die von der KG bezogenen Provisionen als Entgelte für nach § 4 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) umsatzsteuerfreie Leistungen.
Demgegenüber ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) von umsatzsteuerpflichtigen Leistungen aus und setzte die Umsatzsteuer 1993 bis 1997 dementsprechend fest. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verneinte die Steuerfreiheit der Leistungen des Klägers, da § 4 Nr. 11 UStG nur berufstypische Umsätze erfasse. Maßgeblich seien die handelsrechtlichen Begriffsbestimmungen nach §§ 92 und 93 des Handelsgesetzbuches (HGB). Der Kläger sei kein Handelsmakler gewesen, da er ständig für die KG tätig gewesen sei. Der Kläger habe auch nicht als Versicherungsvertreter nach § 92 HGB gehandelt, da dies ein Verhandeln mit den Vertragsparteien des abzuschließenden Vertrages voraussetze. Der Kläger habe mit der Erhebung von versicherungsrelevanten Daten lediglich Geschäftsbeziehungen angebahnt und eine bloße Werbetätigkeit ausgeübt. Die Tätigkeit des Klägers sei auch nicht der eines Generalvertreters mit eigenem Vertreterstab vergleichbar, die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) durch umsatzsteuerfreie Superprovisionen vergütet werde. Im Gegensatz zu derartigen Generalvertretern habe der Kläger weder Mitarbeiter betreut noch überwacht. Der Kläger könne sich für die Steuerfreiheit seiner Umsätze auch nicht auf das Gemeinschaftsrecht berufen. Denn Art. 13 Teil B Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) setze für die Steuerfreiheit der Leistungen eines Versicherungsvertreters voraus, dass eine Vertragsbeziehung zwischen dem Versicherer und dem Versicherten vorliege, an der es im vorliegenden Fall fehle.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von § 4 Nr. 11 UStG. Er stützt die Revision insbesondere darauf, dass das FG den Begriff des Handelsvertreters nach § 84 HGB verkannt habe und beantragt, das und die Umsatzsteuerbescheide 1993 bis 1997 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
Das FA beantragt Zurückweisung der Revision.
Kläger und FA haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
II.
Die zulässige Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die vom Kläger ausgeführten Umsätze sind nicht gemäß § 4 Nr. 11 UStG von der Umsatzsteuer befreit.
1. § 4 Nr. 11 UStG befreit die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG. Danach befreien die Mitgliedstaaten Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazu gehörenden Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden.
Die von Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG verwendeten Begriffe sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) autonom gemeinschaftsrechtlich auszulegen, um eine in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems zu verhindern (Urteil vom C-472/03, Arthur Andersen, Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 Randnr. 25).
Zu den wesentlichen Aspekten der nach Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG steuerfreien Versicherungsvermittlungstätigkeit gehört es, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzuführen (EuGH-Urteil Arthur Andersen in Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 Randnr. 36). Leistungen von Versicherungsvertretern und -maklern sind dabei nur steuerfrei, wenn sie zugleich zum Versicherer und zum Versicherungsnehmer in Beziehung stehen (EuGH-Urteil Arthur Andersen in Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 Randnr. 33). Dienstleistungen wie z.B. die Festsetzung und die Auszahlung der Provisionen der Versicherungsvertreter, das Halten der Kontakte mit diesen und die Weitergabe von Informationen an die Versicherungsvertreter gehören demgegenüber nicht zu den Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters (EuGH-Urteil Arthur Andersen in Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 Randnr. 35). Allgemein sind Unterstützungsleistungen für die Ausübung der dem Versicherer selbst obliegenden Aufgaben steuerpflichtig. Insoweit bestehen zwischen den Steuerbefreiungen für den Versicherungsbereich und für den Bank- und Finanzbereich nach Art. 13 Teil B Buchst. a und Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG keine Unterschiede (EuGH-Urteil Arthur Andersen in Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 Randnr. 37 f.).
Im Hinblick auf die danach gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 4 Nr. 11 UStG unter Berücksichtigung von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung, nach der es für den Umfang der Steuerbefreiung auf die handelsrechtlichen Begriffe des Versicherungsvertreters und Versicherungsmaklers nach §§ 92 f. HGB ankam (BFH-Entscheidungen vom V R 41/96, BFH/NV 1998, 1004; vom V R 62/97, BFHE 187, 56, BStBl II 1999, 253, und vom V R 10/98, BFHE 189, 192, BStBl II 1999, 686) nicht mehr fest (Änderung der Rechtsprechung).
2. Das FG ist zwar noch von den bisherigen Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung ausgegangen. Das Urteil erweist sich im Ergebnis aber gleichwohl als richtig, da die Tätigkeit des Klägers nicht steuerfrei ist.
a) Der Kläger war nicht an der Suche nach potentiellen Interessenten beteiligt und führte diese auch nicht mit Versicherern zusammen. Nach den Feststellungen des FG vereinbarte die KG die Gesprächstermine mit den Interessenten, so dass das Ermitteln potentieller Interessenten der KG oblag. Die Klägerin hat die Interessenten auch nicht mit den Versicherern zusammengeführt. Die Auswahl der Versicherungsprodukte und damit das Herstellen der Verbindung zu einzelnen Versicherungsgesellschaften erfolgte durch die KG, die für potentielle Kunden auch das Versicherungskonzept erstellte. Der Kläger beschränkte sich im Wesentlichen auf das bloße Erheben von Daten. Zwar konnten die Versicherungen ohne vorherige Datenerhebung nicht abgeschlossen werden. Dies reicht aber für die Steuerfreiheit nicht aus, da es sich nur um eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Versicherungssituation des Interessenten handelte, ohne den Kunden Versicherungsangebote auch nur zu erläutern.
b) Der Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, inwieweit die nach Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG steuerfreie Versicherungsvermittlungstätigkeit der Versicherungsvertreter und -makler, die zugleich zum Versicherer und zum Versicherungsnehmer in Beziehung stehen müssen (EuGH-Urteil Arthur Andersen in Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 Randnr. 33), in verschiedene einzelne Dienstleistungen zerfällt, die dann ihrerseits als Vermittlung steuerfrei sind. Nach dem zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ergangenen , Ludwig (BFH/NV Beilage 2007, 398, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2007, 617 Randnr. 34 ff.) sind die Wirtschaftsteilnehmer bei einer Kreditvermittlung berechtigt, ein ihnen zusagendes Organisationsmodell zu wählen, ohne dass dies zur Steuerpflicht der Leistung führt. Dies gilt aber nur, wenn die einzelne Leistung ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes darstellt, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Vermittlungsleistung erfüllt.
Selbst unter Berücksichtigung des zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ergangenen EuGH-Urteils Ludwig in BFH/NV Beilage 2007, 398, UR 2007, 617 Randnr. 34 ff. und der in diesem Urteil betonten Wahlfreiheit hinsichtlich des Organisationsmodells der Vermittlung war der Kläger nicht als Versicherungsvertreter oder -makler tätig. Denn das bloße Einholen von Kundendaten erfüllt nicht als im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Versicherungsvermittlungstätigkeit.
c) Im Übrigen kommt es nicht darauf an, dass die für die Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG ergangenen Urteile des EuGH zu Sachverhalten ergangen sind, die durch einen noch geringeren Bezug zur Versicherungsvermittlung geprägt waren als die Tätigkeit des Klägers. Denn der EuGH hat nicht über Einzelfälle, sondern über die abstrakte Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu entscheiden. Seine Urteile enthalten somit allgemeine Auslegungsgrundsätze, die auch im vorliegenden Fall zu beachten sind.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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Fundstelle(n):
BStBl 2008 II Seite 829
BB 2008 S. 319 Nr. 7
BStBl II 2008 S. 829 Nr. 18
DB 2007 S. 2817 Nr. 51
DStR 2007 S. 2322 Nr. 51
DStRE 2008 S. 131 Nr. 2
HFR 2008 S. 376 Nr. 4
KÖSDI 2008 S. 15858 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 51/2007 S. 4594
SJ 2008 S. 11 Nr. 1
StB 2008 S. 3 Nr. 1
StBW 2008 S. 4 Nr. 1
StuB-Bilanzreport Nr. 1/2008 S. 39
UR 2008 S. 121 Nr. 3
UStB 2008 S. 37 Nr. 2
UVR 2008 S. 65 Nr. 3
IAAAC-65404