BGH Urteil v. - XII ZR 198/05

Leitsatz

[1] Regeln die Parteien die Fälligkeit des Mietzinses abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen, gehört diese Vereinbarung zu den wesentlichen Vertragsbedingungen und bedarf der Schriftform.

Gesetze: BGB § 550

Instanzenzug: LG Potsdam 10 O 327/04 vom OLG Brandenburg 3 U 24/05 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob sich ein zwischen ihnen bestehendes Mietverhältnis aufgrund einer Verlängerungsklausel über den hinaus fortgesetzt hat und ob ggf. die Beklagte den Mietvertrag wegen eines Formfehlers in gesetzlicher Frist wirksam kündigen konnte.

Der Rechtsvorgänger der Klägerin vermietete mit schriftlichem Vertrag vom der Beklagten Geschäftsräume im Einkaufszentrum S. in R. Als jährlicher Mietzins wurden 205.500 DM (monatlich somit 17.125 DM) zuzüglich gesetzlicher MWSt vereinbart. Nach § 2 Nr. 3 des Vertrages sollte der jährliche Mietzins in vierteljährlichen Raten jeweils zum 15. des zweiten Monats eines Quartals entrichtet werden. In § 3 des Mietvertrages heißt es:

"1. Das Mietverhältnis beginnt am und läuft 12 Jahre...

2. ...

3. Nach Ablauf der Mietzeit (einschließlich der Optionszeiträume) verlängert sich das Mietverhältnis jeweils um drei Jahre, falls es nicht seitens einer Vertragspartei spätestens 12 Monate vor seiner Beendigung gekündigt wird.

4. Der Mieter erhält das Recht, das Mietverhältnis durch einseitige Erklärung um 3 x 3 Jahre zu verlängern. Die Erklärung ist in einer Frist von sechs Monaten vor dem jeweiligen Ablauf per Einschreiben dem Vermieter zuzustellen."

Mit Schreiben vom kündigte die Beklagte das Mietverhältnis zum , ersatzweise zum nächstmöglichen Termin. Die Klägerin widersprach der Kündigung. Die Beklagte zahlte den vereinbarten Mietzins für Juni 2004 anteilig und räumte die gemieteten Flächen. Die Klägerin hat die in Rede stehenden Geschäftsräume ab bis zum allerdings nur gegen Zahlung von pauschalen monatlichen Betriebskosten weitervermietet. Die Klägerin verlangt von der Beklagten für die Zeit von Juni bis einschließlich Dezember 2004 insgesamt 55.276,59 € nebst Zinsen. Die Beklagte begehrt widerklagend die Feststellung, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien zum geendet habe und nicht bis zum fortbestehe.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das erstgerichtliche Urteil geändert und die Beklagte lediglich zur Zahlung der restlichen Miete für Juni 2004 in Höhe von 5.416,95 € nebst Zinsen verurteilt. Weiterhin hat es auf die Widerklage festgestellt, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien mit Ablauf des geendet habe und nicht bis zum fortbestehe. Im Übrigen hat es Klage und Widerklage abgewiesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.

Gründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Das Mietverhältnis zwischen den Parteien habe nicht gemäß § 3 Nr. 1 des Mietvertrages mit Ablauf des sein Ende gefunden. Vielmehr habe es sich entsprechend § 3 Nr. 3 des Mietvertrages um drei Jahre verlängert, weil es nicht seitens einer Vertragspartei spätestens zwölf Monate vor seiner Beendigung "gekündigt" worden sei. Zwar sei die genannte Verlängerungsklausel nicht eindeutig. Aus ihr gehe im Gegensatz zur Meinung der Beklagten aber nicht hervor, dass es zu einer automatischen Vertragsverlängerung nur komme, wenn der Mieter wenigstens eines der drei in § 3 Nr. 4 des Mietvertrages eingeräumten Optionsrechte ausgeübt habe. Vielmehr spreche für das Eingreifen der Verlängerungsklausel bereits nach Ablauf der regulären Mietzeit von 12 Jahren, dass unter dem Ablauf der Mietzeit, an den § 3 Nr. 3 des Mietvertrages anknüpfe, vertragssystematisch das reguläre Mietende verstanden würde. Auch habe das Nebeneinander von automatischer Vertragsverlängerung einerseits und Optionsrecht des Mieters andererseits durchaus Sinn. Insbesondere könne der Mieter einer zunächst fristgerechten Kündigungserklärung des Vermieters bis sechs Monate vor Ablauf der Mietzeit durch Ausübung der Option noch die vertragsbeendigende Wirkung nehmen. Mit der Gewährung von Optionsrechten bringe der Vermieter dem Mieter ein wesentlich größeres Vertrauen entgegen als mit der bloßen Vereinbarung einer automatischen Vertragsverlängerung. Nehme man diese schon nach dem Ende der regulären Mietzeit an, so stehe dies nicht in offensichtlichem Widerspruch zu den Mieterinteressen. Im Übrigen habe die Beklagte durch ihr eigenes Verhalten, nämlich dadurch, dass sie mit Schreiben vom den Vertrag "gekündigt" habe, ein deutliches Zeichen dafür gesetzt, dass sie selbst von einer automatischen Vertragsverlängerung ausgehe.

Das Mietverhältnis habe jedoch aus anderen Gründen mit dem geendet. Der Beklagte habe den Vertrag zu diesem Zeitpunkt mit seinem Schreiben vom in gesetzlicher Frist wirksam gekündigt. Die Parteien hätten nämlich, wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen habe, die Zahlungsweise der Miete "mündlich bzw. konkludent" von quartalsweise auf monatlich umgestellt. Damit sei die nach § 566 BGB a.F. bzw. § 550 BGB erforderliche Schriftform nicht mehr gewahrt gewesen. Auch betreffe diese Vertragsänderung nicht lediglich einen unwesentlichen Punkt. Dies zeige sich daran, dass von der Fälligkeitsregelung der Miete das Recht des Vermieters zur außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB abhänge. Ob etwa das Vertragsverhältnis schon im zweiten Monat der Nichtzahlung der Miete oder erst im zweiten Quartal vom Vermieter mit sofortiger Wirkung einseitig beendet werden könne, mache - auch für einen potentiellen Grundstückserwerber - einen großen Unterschied. Die vorgenommene Änderung hinsichtlich des Zeitpunkts der Mietzahlungen sei auch weder auf ein Jahr beschränkt gewesen noch habe sie von einem der Vertragspartner einseitig widerrufen werden können. Die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses durch die Beklagte verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben, da die Änderung die Beklagte nicht einseitig begünstigt habe.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in den wesentlichen Punkten stand.

1. Das Oberlandesgericht hätte allerdings feststellen müssen, ob es sich bei der Verlängerungs- und der Optionsklausel in § 3 Nr. 3 und 4 des Mietvertrages um, wie von der Beklagten behauptet, von der Klägerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen oder, wie von der Klägerin behauptet, um Individualvereinbarungen handelte. Insbesondere stand der Annahme Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht entgegen, dass die Klauseln von der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin nur einmal verwendet werden sollten. Denn die Klägerin hat vorgetragen, dass sie die Klauseln aus einem mit der T.-Gruppe abgeschlossenen Mietvertrag, bei dem diese die Vertragsbedingung gestellt habe, übernommen habe. In diesem Fall aber wären die Klauseln im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert. Als Allgemeine Geschäftsbedingungen aber hätten die Klauseln z.T. nach anderen Regeln ausgelegt werden müssen als den vom Berufungsgericht angewandten. Da die Auslegung der Verlängerungsklausel - wovon auch das Berufungsgericht ausgeht - zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, wäre § 305 c Abs. 2 BGB anwendbar. Dies hätte zur Folge, dass zu Lasten der Klägerin die Auslegung vorzuziehen wäre, nach der sich das Vertragsverhältnis erst mit Ende einer Optionszeit verlängert hätte (vgl. zur Auslegung entsprechender Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen - ZMR 2006, 266 und - XII ZR 241/03 - NZM 2006, 137).

Für das vorliegende Revisionsverfahren kann jedoch dahinstehen, ob es sich bei den genannten Klauseln um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt oder nicht. Denn Revision hat nur die Klägerin eingelegt, zu deren Lasten sich die mangelnden Feststellungen des Oberlandesgerichts jedoch nicht auswirken. Darüber hinaus ist das Oberlandesgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Kündigung der Beklagten vom das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien jedenfalls zum beendet hat.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist es zur Wahrung der Schriftform des § 550 BGB grundsätzlich erforderlich, dass sich die wesentlichen Vertragsbedingungen - insbesondere Mietgegenstand, Mietzins sowie Dauer und Parteien des Mietverhältnisses - aus der Vertragsurkunde ergeben ( - NJW 2006, 139, 140; vom - XII ZR 253/01 - NJW 2003, 1248; BGHZ 142, 158, 161; ebenso Wolf/Eckert/Ball Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 9. Aufl. Rdn. 95 ff.; Both in Herrlein/Kandelhard Mietrecht 3. Aufl. § 550 Rdn. 14; Palandt/Weidenkaff BGB 66. Aufl. § 550 Rdn. 10). Für Abänderungen gelten dieselben Grundsätze wie für den Ursprungsvertrag. Sie bedürfen deshalb ebenfalls der Schriftform, es sei denn, dass es sich um unwesentliche Änderungen handelt (Blank/Börstinghaus Miete 2. Aufl. § 550 Rdn. 41; Wolf/Eckert/Ball aaO Rdn. 113; Emmerich/Sonnenschein Miete 9. Aufl. § 550 Rdn. 19; a.A. Schmidt-Futterer/Lammel Mietrecht 9. Aufl. § 550 Rdn. 41, nach dessen Meinung es bei einem Mietvertrag keine unwesentlichen Abreden gibt).

Das Berufungsgericht hat eine wesentliche Änderung des Vertrages darin gesehen, dass die Parteien "mündlich oder konkludent" die Zahlungsweise der Miete von quartalsweise auf monatlich umgestellten hätten.

In diesem Zusammenhang rügt die Revision, dass keine Partei in ihrem Vortrag auch nur angedeutet habe, die Mietvertragsparteien hätten sich auf eine monatliche Zahlungsweise in Abänderung des ursprünglichen Vertrages geeinigt. Zu der abweichenden Handhabung sei es gekommen, weil die Beklagte den Mietzins - ohne jede Absprache mit dem damaligen Vermieter - monatlich überwiesen und der damalige Vermieter dies hingenommen habe. Jedenfalls aber sei eine etwaige rechtlich erhebliche Absprache, wonach der Mietzins monatlich zu zahlen sei, von jeder Mietvertragspartei frei widerrufbar.

Dem ist jedoch nicht zu folgen. Die Klägerin hat unwidersprochen bereits in der Klageschrift und später mit Schriftsatz vom vorgetragen, die Parteien hätten die ursprünglich im Mietvertrag vorgesehene Regelung der vierteljährlichen Mietzahlung einvernehmlich auf monatliche Mietzahlungen umgestellt. Von diesem Vortrag ist die Klägerin vor den Instanzgerichten nicht abgerückt. Revisionsrechtlich ist es daher nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht hinsichtlich der Zahlungsweise der Miete von einer bindenden Vertragsänderung ausgegangen ist. Nach Abschluss der Tatsacheninstanzen ist der Revision das Nachschieben neuen Sachvortrags verwehrt.

Das Berufungsgericht hat bei der ihm obliegenden Beurteilung, ob die vorliegende Änderung der Zahlungsweise wesentlich ist oder nicht, darauf abgestellt, dass sich hierdurch die Kündigungsmöglichkeit wegen Zahlungsverzugs zugunsten der Klägerin änderte. Wie die Revision einräumt, hätte die Klägerin, wenn die Beklagte die Miete nicht mehr bezahlt hätte, das Mietverhältnis infolge der Änderung bereits nach zwei Monaten kündigen können, während dies bei der ursprünglichen vierteljährlichen Zahlungsverpflichtung erst nach fünf Monaten der Fall gewesen wäre (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB). Dass das Oberlandesgericht die Änderung der Zahlungsweise deshalb als wesentlich bewertet hat, liegt im Rahmen seines tatrichterlichen Beurteilungsspielraums, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und entspricht auch der Auffassung des Senats. Da die Vereinbarung nicht schriftlich niedergelegt ist, leidet der Mietvertrag an einem Formmangel, weshalb er gemäß § 550 BGB als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt und nach § 580 a Abs. 2 BGB ordentlich gekündigt werden konnte.

Im Gegensatz zur Meinung der Revision verstößt die Beklagte nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn sie sich auf diesen Formmangel beruft. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, handelt treuwidrig, wer eine später getroffene Abrede, die lediglich ihm vorteilhaft ist, allein deshalb, weil sie nicht die schriftliche Form wahrt, zum Anlass nimmt, sich von einem ihm inzwischen lästig gewordenen Mietvertrag zu lösen (vgl. BGHZ 65, 49, 55). Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Die Umstellung der Zahlungsweise hat der Beklagten keinen rechtlichen Vorteil gebracht, auch wenn die geänderte Zahlungsweise für die Beklagte "praktischer" gewesen sein sollte.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NJW 2008 S. 365 Nr. 6
WM 2008 S. 319 Nr. 7
HAAAC-65332

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja