BAG Urteil v. - 2 AZR 218/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: KSchG § 1 Abs. 2; KSchG § 1 Abs. 3; KSchG § 23; BGB § 613a Abs. 1; BGB § 613a Abs. 5; BGB § 613a Abs. 6

Instanzenzug: ArbG Berlin 28 Ca 10600/05 vom LAG Berlin 13 Sa 1800/05 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit von zwei betriebsbedingten Kündigungen und über die vorläufige Weiterbeschäftigung der Klägerin während der Dauer des Kündigungsrechtsstreits.

Die am geborene, verheiratete Klägerin, die einem Kind zum Unterhalt verpflichtet ist, war als Verkäuferin/Kassiererin seit dem bei der Beklagten in einem Verbrauchermarkt der Sparte "e" in B teilzeitbeschäftigt. Die bundesweit betriebene Sparte "e" der Beklagten ist in drei Vertriebscenter mit je einem Vertriebsleiter untergliedert (Nord, Nord-West und West), diese wiederum sind in Bezirke mit je einem Bezirksleiter unterteilt, denen die einzelnen Märkte zugeordnet sind. Die Märkte unterstehen einem Marktleiter. Für die einzelnen Märkte bestehen teilweise einzelne Betriebsräte; ansonsten existieren Flächenbetriebsräte gem. § 3 Abs. 1 BetrVG. Die Aufgaben der Marktleiter sind in einer umfangreichen Aufgabenbeschreibung (Organisationshandbuch Markt) festgelegt. Danach treffen die Marktleiter ua. auch personelle Maßnahmen wie Einstellungen und Entlassungen nach im Einzelnen umschriebenen Vorgaben und unter Beachtung von Konsultationspflichten gegenüber einer im Vertriebscenter angesiedelten Personalabteilung.

Im Sommer 2004 beschloss die Beklagte, den Markt in B an einen Franchise-Nehmer zu übertragen. Die Klägerin wurde am über den Betriebsübergang unterrichtet. Mit Schreiben vom widersprach sie dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses. Ab dem führte der Franchise-Nehmer den Markt weiter. Mit Schreiben vom stellte die Beklagte die Klägerin von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung mit sofortiger Wirkung unter Fortgewährung der Bezüge widerruflich frei.

Am schlossen die Beklagte und der für den Markt in B zuständige Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan.

Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte mit Schreiben vom das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum . Eine weitere vorsorgliche Kündigung sprach sie mit Schreiben vom zum aus.

Die Klägerin hat sich mit ihrer Kündigungsschutzklage gegen diese Kündigungen gewandt sowie ua. ihre Weiterbeschäftigung bis zur Beendigung des Kündigungsrechtsstreits begehrt. Sie hat vor allem eine fehlerhafte Sozialauswahl gerügt. In die Sozialauswahl seien alle im Bezirk beschäftigten, vergleichbaren Arbeitnehmer einzubeziehen gewesen. Der Markt in B sei kein eigenständiger Betrieb, sondern nur ein Betriebsteil des den gesamten Bezirk umfassenden Betriebes gewesen. Trotz ihres Widerspruchs gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses könne sie auch die fehlerhafte Sozialauswahl geltend machen. Zudem habe sie sachliche Gründe für ihren Widerspruch gehabt. Die Arbeitsbedingungen beim Übernehmer seien massiv schlechter als bei der Beklagten. Außerdem sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.

Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung -

beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die ordentliche Kündigung mit Schreiben vom , noch durch die Kündigung mit Schreiben vom aufgelöst worden ist,

2. ...

3. hilfsweise, für den Fall der Klagestattgabe des Antrages zu 1), die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen Bedingungen als Verkäuferin weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen:

Der Markt in B sei ein eigenständiger Betrieb. Der Marktleiter habe alle Kompetenzen eines Betriebsleiters. Dies ergebe sich aus dessen Aufgabenbeschreibung sowie der tatsächlichen Wahrnehmung dieser Funktionen. Da die Sozialauswahl auf den Betrieb beschränkt sei, habe es nach der Übertragung des Marktes keiner Sozialauswahl mehr bedurft. Im Übrigen sei die Klägerin selbst bei einer vorsorglich vorgenommenen, marktübergreifenden Sozialauswahl nicht sozial schutzbedürftiger als vergleichbare Arbeitnehmerinnen gewesen. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin in der Sache die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils, während die Beklagte Zurückweisung der Revision beantragt.

Gründe

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte die Kündigungsschutzklage der Klägerin auf Grund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht abweisen. Dementsprechend war der Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung und erneuten rechtlichen Beurteilung auch hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

A. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner die Klage abweisenden Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Der Arbeitsplatz der Klägerin, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprochen habe, sei nach Übertragung des Marktes weggefallen. Einer Sozialauswahl habe es nicht bedurft. Der Markt in B sei ein eigenständiger Betrieb, weil der Marktleiter eigenständig über Arbeitsbedingungen, Organisationsfragen, Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen im Markt habe entscheiden können. Dem stehe auch keine übergeordnete Leitungsmacht auf der Ebene der Bezirks- oder Vertriebsleiter bzw. der Geschäftsführung entgegen. Es komme insoweit nicht auf deren rechtliche Möglichkeiten an, entsprechende Befugnisse auszuüben. Da der kündigungsrechtliche Betriebsbegriff nicht mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff nach § 1, § 4 Abs. 1 BetrVG identisch sei, komme es auch nicht entscheidend darauf an, dass im Entscheidungsfall ein Betriebsrat auf Bezirksebene gewählt worden sei. Die Anhörung dieses Betriebsrats nach § 102 BetrVG sei ordnungsgemäß erfolgt. Da die Kündigung wirksam sei, bestehe auch kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung.

B. Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung konnte die rechtzeitig erhobene Kündigungsschutzklage nicht abgewiesen werden. Es steht auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen noch nicht abschließend fest, ob die Kündigungen vom und wegen unzureichender Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam sind.

I. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht vom Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG für die streitgegenständlichen Kündigungen vom und ausgegangen. Ferner hat es zutreffend angenommen, dass die Klägerin auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens weiterbeschäftigt werden konnte. Unter Berücksichtigung des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums bei der Anwendung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts keine Rechtsfehler erkennen. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.

II. Ob die Kündigungen vom und sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 3 KSchG sind, weil die Beklagte keine hinreichende Sozialauswahl durchgeführt hat, lässt sich im Entscheidungsfall noch nicht abschließend beurteilen.

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts konnte die Beklagte vor Ausspruch der Kündigungen jedenfalls weder auf die Durchführung einer betriebsbezogenen Sozialauswahl verzichten noch scheitert diese am Widerspruch der Klägerin. Ob die Beklagte bei einer vorsorglich durchgeführten marktübergreifenden Sozialauswahl die sozialen Auswahlkriterien der vergleichbaren Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ausreichend berücksichtigt hat, lässt sich auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht abschließend beurteilen.

1. Die Beklagte musste vor Ausspruch der Kündigungen eine über den auf den Betriebsübernehmer übertragenen "e"-Markt in B hinausgehende betriebsbezogene Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG durchführen. Der "e"-Markt B stellt keinen Betrieb iSd. § 1, § 23 Abs. 1 KSchG, sondern lediglich einen Betriebsteil dar.

a) Nach der Konzeption des § 1 Abs. 3 KSchG ist die Sozialauswahl betriebsbezogen durchzuführen. Regelmäßig sind deshalb alle vergleichbaren Arbeitnehmer in die Auswahlentscheidung einzubeziehen, die in demselben Betrieb wie der unmittelbar kündigungsbedrohte Arbeitnehmer beschäftigt sind (Senat zuletzt: - 2 AZR 158/04 - BAGE 115, 82; - 2 AZR 676/05 - EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 73). Dies gilt grundsätzlich selbst dann, wenn sich der Arbeitgeber ein betriebsübergreifendes Versetzungsrecht vorbehalten hat ( - aaO; - 6 AZR 199/05 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 76 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 66; - 2 AZR 676/05 - aaO). Denn nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG hat die Funktion festzulegen, welchen von mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern des Betriebs die Kündigung trifft, wenn das dringende betriebliche Erfordernis nur die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer der vorhandenen Arbeitnehmer zulässt. Auch der Wortlaut des § 1 Abs. 3 KSchG knüpft an die dringenden betrieblichen Erfordernisse des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG an und stellt in der sogenannten Leistungsträgerregelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ebenfalls auf die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers ab. Der danach eindeutig aus Wortlaut, Sinn und Zweck und Gesamtzusammenhang des § 1 KSchG herzuleitenden Betriebsbezogenheit der sozialen Auswahl steht auch nicht die Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG entgegen, nach der betriebs- und dienststellenübergreifend Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für die zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmer zu prüfen sind. Diese Ausnahmeregelung entspricht dem ultima-ratio-Grundsatz und betrifft nur freie Arbeitsplätze. Besteht in einem der Betriebe eines Unternehmens ein dringendes betriebliches Erfordernis, etwa die Personalstärke an den gesunkenen Arbeitsanfall anzupassen, so kann dies grundsätzlich nur die Kündigung gegenüber den Arbeitnehmern dieses Betriebes sozial rechtfertigen. Dafür im Wege der Sozialauswahl für die zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmer Arbeitsplätze in einem anderen Betrieb des Unternehmens freizukündigen, besteht kein dringendes, auf den Beschäftigungsbetrieb bezogenes Erfordernis, das eine Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen könnte (Senat - 2 AZR 158/04 - aaO; - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 76 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 66).

Aus der Betriebsbezogenheit der Sozialauswahl folgt weiter, dass sie nicht auf Betriebsteile oder Betriebsabteilungen beschränkt werden kann (Senat - 2 AZR 580/88 - BAGE 62, 116; - 2 AZR 577/03 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 141 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 55). Insbesondere steht der Notwendigkeit einer betriebsbezogenen Sozialauswahl nicht schon die räumliche Entfernung einzelner Filialen eines Bezirks entgegen. Auch ein Hauptbetrieb und eine räumlich weit entfernte Betriebsstätte iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG können deshalb einen Betrieb iSd. § 23 KSchG bilden (siehe - aaO). Das Kündigungsschutzgesetz differenziert insoweit nicht.

b) Die §§ 1, 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG enthalten - wie das gesamte Kündigungsschutzgesetz - keine Definition des Betriebsbegriffs. Auch kann bei der Bestimmung des kündigungsrechtlichen Betriebsbegriffs nicht auf den Betriebsbegriff des Betriebsverfassungsgesetzes und vor allem nicht auf die Regelung des § 3 BetrVG zurückgegriffen werden. Der Gesetzgeber hat mit § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG gebildeten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten ausdrücklich als Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes bezeichnet und die Fiktionswirkung dieser Regelung damit auf dieses Gesetz begrenzt. Im Bereich des Kündigungsschutzgesetzes bleibt deshalb der allgemeine kündigungsrechtliche Betriebsbegriff maßgeblich (statt vieler ErfK/Eisemann 7. Aufl. § 3 BetrVG Rn. 12; Fitting BetrVG 23. Aufl. § 3 Rn. 76). Dementsprechend steht auch eine mögliche betriebsverfassungsrechtliche Eigenständigkeit einzelner Betriebsteile einer betriebsteilübergrei-fenden Sozialauswahl nicht entgegen (Senat - 2 AZR 693/94 - AP BetrVG 1972 § 1 Nr. 16 = EzA KSchG § 23 Nr. 14; - 2 AZR 577/03 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 141 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 55; von Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 1 Rn. 434a; Stahlhacke/Preis/Vossen-Preis Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 1056). § 23 KSchG stellt nicht auf die räumliche, sondern auf die organisatorische Einheit ab.

c) Nach der allgemein üblichen Definition ist Betrieb die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht nur in der Befriedigung von Eigenbedarf liegt ( - AP BetrVG 1972 § 1 Nr. 6 = EzA BetrVG 1972 § 1 Nr. 5, zu B III 1 der Gründe; Senat - 2 AZR 151/00 - EzA KSchG § 23 Nr. 23, zu II 1 b der Gründe; ErfK/Kiel 7. Aufl. § 23 KSchG Rn. 4a; von Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 23 Rn 8; KR-Griebeling 8. Aufl. § 1 KSchG Rn. 133).

Durch die arbeitstechnische Zweckbestimmung der organisatorischen Einheit unterscheidet sich der Betrieb von dem weiter gefassten Begriff des Unternehmens. Dies schließt aber nicht aus, dass ein Betrieb aus einzelnen organisatorisch abgegrenzten Teilen besteht, wenn diese nur als solche unselbständig sind und bestimmte für den Gesamtbetrieb dienende Teilzwecke zu erfüllen haben. Ob es sich im Einzelfall um mehrere selbständige Betriebe oder nur um unselbständige Teile eines einheitlichen Betriebs handelt, richtet sich nach der Einheit der auf die Verfolgung der arbeitstechnischen Zwecke gerichteten Organisation, die die Einheit des Betriebs und damit diesen selbst bestimmt. Die Einheit der Organisation ist zu bejahen, wenn ein einheitlicher Leitungsapparat vorhanden ist, der die Gesamtheit der für die Erreichung des arbeitstechnischen Gesamtzweckes eingesetzten Mittel lenkt (so schon Senat - 2 AZR 233/70 - AP KSchG 1969 § 23 Nr. 1 = EzA KSchG § 23 Nr. 1, zu II 1 der Gründe). Die den Betrieb konstituierende Leitungsmacht wird dadurch bestimmt, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung im Wesentlichen selbständig ausgeübt wird, wo mithin über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen entschieden wird und in welcher Weise Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vorgenommen werden (Senat - 2 AZR 386/03 - AP KSchG 1969 § 23 Nr. 33 = EzA KSchG § 23 Nr. 27, zu B II 1 der Gründe).

d) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der "e"-Markt in B sei ein Betrieb iSd. §§ 1, 23 KSchG, hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der "e"-Markt in B lediglich ein Teilbetrieb, weil der Marktleiter dieses "e"-Marktes über keine ausreichende Leitungsmacht in personellen und sozialen Angelegenheiten verfügt. Deshalb durfte die Beklagte die Sozialauswahl nicht auf diesen Markt beschränken, sondern musste sie auf Bezirksebene durchführen.

aa) Der Begriff des Betriebs in § 1, § 23 Abs. 1 KSchG ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei der Beurteilung, ob eine Organisationseinheit ein Betrieb iSd. § 1, § 23 Abs. 1 KSchG oder ein Betriebsteil ist, steht dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zu. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (vgl. für den Betriebsbegriff nach § 1 BetrVG: - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 18 = EzA BetrVG 2001 § 4 Nr. 2, zu B II 2 b aa der Gründe; - 7 ABR 57/03 -AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 15 = EzA BetrVG 2001 § 4 Nr. 1, zu B I 1 der Gründe; - 1 ABR 26/01 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 13 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 8, zu B II 2 der Gründe).

bb) Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts jedoch nicht stand. Das Landesarbeitsgericht ist zwar vom zutreffenden kündigungsschutzrechtlichen Betriebsbegriff ausgegangen. Es hat aber nicht alle maßgeblichen Umstände gewürdigt, sondern insbesondere die Vorgaben des Organisationshandbuchs Markt rechtsfehlerhaft nicht vollständig berücksichtigt.

(1) Das Landesarbeitsgericht hat unter Hinweis auf das Organisationshandbuch Markt (Register-Nr. C ) angenommen, der Marktleiter entscheide faktisch über die Einstellungen des normalen Verkaufspersonals, der Verräum- und Verpackungsteams und der Auszubildenden. Es hat weiter ausgeführt, gegenteilige, konkrete Einstellungen durch eine andere hierarchische Ebene seien von der Klägerin nicht vorgetragen worden. Durch die Beratungspflichten mit dem Personalbüro vor personellen Einzelmaßnahmen wie Einstellungen, Eingruppierungen, Umgruppierungen, Versetzungen und Kündigungen würden die Befugnisse des Markleiters nicht eingeschränkt. Die Personalabteilung sei lediglich ein unternehmensinternes ausgelagertes Beratungsbüro, vergleichbar einem arbeitsrechtlich spezialisierten Anwalt. Dass der Bezirksleiter, der Vertriebsleiter und die Geschäftsführer auch - zumindest faktische - Einstellungsbefugnisse hätten, stehe der Berechtigung des Marktleiters nicht entgegen. Aus dem Umstand, dass die Kündigungen durch den Personalleiter mit dem Zusatz "i.V." unterzeichnet worden seien, könne ebenso wenig wie aus der nach dem Organisationshandbuch Markt vorgesehenen Handhabung bei Abmahnungen geschlossen werden, der Marktleiter habe keine ausreichenden personellen Kompetenzen. Er sei der fachliche und disziplinarische Vorgesetzte aller Mitarbeiter des Marktes. Die Einschränkungen der Befugnisse im Hinblick auf die Mitbestimmung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG relativiere seine Leitungsmacht nicht.

(2) Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

(2.1) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Marktleiter verfüge über eine ausreichende Leitungsmacht in personellen Angelegenheitern, weil er faktisch über die Einstellung von normalem Verkaufspersonal, Verräum- und Verpackungsteams und der Auszubildenden entscheide, hat es das Organisationshandbuch Markt nur unvollständig ausgewertet. Es hat vor allem nicht hinreichend beachtet, dass die Einstellungsbefugnis des Marktleiters nur auf das einfache Personal beschränkt ist.

Bereits bei den Auszubildenden ist eine Abstimmung mit dem Regionaltrainer vorgesehen.

(2.2) Weiter hat das Berufungsgericht nicht ausreichend beachtet, dass der stellvertretende Marktleiter bzw. der Substitut, die Gruppenleiter und sämtliche Ersten Kräfte gerade nicht vom Marktleiter eingestellt werden können (Organisationshandbuch Markt Register-Nr. C ), was aber für die Feststellung der Leitungsmacht in personellen Angelegenheiten von wesentlicher Bedeutung ist. Diese Beschäftigten sind für die Funktionsfähigkeit eines Marktes bedeutsame Funktionsträger. Gerade deren Einstellung kann der Marktleiter nicht vornehmen. Dagegen spricht auch nicht der Hinweis des Landesarbeitsgerichts, durch das "Großvater-Prinzip" sollten unternehmensschädliche Seilschaften verhindert werden. Dies mag ein nachvollziehbarer Grund für eine solche Regelung sein, was aber nicht die Annahme ausschließt, dem Marktleiter fehle es an einer ausreichenden personellen Leitungsmacht. Es bleibt festzuhalten, dass der Marktleiter nicht in der Lage ist, qualifiziertes Personal selbstständig einzustellen, sondern sich seine personelle Leitungsbefugnis bei der Einstellung letztlich nur auf die Arbeitnehmer der unteren betrieblichen Hierarchiestufen bezieht und die Einstellung von qualifiziertem und leitendem Personal seiner Kompetenz entzogen ist. Dies gilt nicht nur für seinen Stellvertreter, sondern wird vor allem an der fehlenden Personalkompetenz für die Gruppenleiter und Ersten Kräfte in allen Bereichen deutlich. Gerade dieser Umstand spricht ganz erheblich gegen eine umfassende Leitungsmacht des Marktleiters in personellen Angelegenheiten.

(2.3) Auch bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen hat der Marktleiter keine ausreichende personelle Leitungsmacht.

Dies gilt, obwohl er nach dem Organisationshandbuch Markt (Register-Nr. C ) für einige Bereiche als Verantwortlicher bei einer Arbeitgeberkündigung bezeichnet wird. Die Organisationsanweisung regelt jedoch nicht, dass er selbst und allein über die Kündigung entscheiden kann. Vielmehr erfolgt sowohl die Beteiligung des Betriebsrats vor der Kündigung als auch die Ausfertigung des Kündigungsschreibens gerade nicht durch den Marktleiter. Auch ist er für einen erheblichen Teil der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, nämlich zum Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen, nach dem Organisationshandbuch Markt (Register-Nr. C ) nicht berechtigt.

(2.4) Nach dem Organisationshandbuch Markt (Register-Nr. C ) ist für die Ausstellung sämtlicher Bescheinigungen die Personalverwaltung zuständig. Die Marktleitung wird insoweit ausdrücklich als nicht berechtigt bezeichnet. Nach Register-Nr. C ist der Marktleiter auch nicht befugt, über die Gewährung von Einmalzahlungen oder von befristeten Zulagen eigenständig zu entscheiden. Vielmehr stehen diese unter Genehmigungsvorbehalt durch den Bezirks- oder Vertriebsleiter. Gerade solche Entgeltaspekte kennzeichnen im Allgemeinen einen wesentlichen Teil der Leitungsmacht in personellen und sozialen Angelegenheiten.

(2.5) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts ergibt sich aus dem Organisationshandbuch Markt auch keine ausreichende Leitungsmacht des Marktleiters in sozialen Angelegenheiten. Zwar wird er für die Durchführung der Betriebsratsbeteiligung in sozialen Angelegenheiten als verantwortlich bezeichnet. Nach dem Organisationshandbuch Markt (Register-Nr. C ) ist aber vor einem Antrag an den Betriebsrat die Unterschrift des Bezirksleiters erforderlich. Dies spricht gegen eine eigenständige Befugnis des Marktleiters und vielmehr für eine tatsächlich maßgebliche Leitungsfunktion des Bezirksleiters.

cc) Die Sozialauswahl war somit nicht auf der Ebene des einzelnen Marktes, sondern auf der des Bezirks durchzuführen.

2. Ob die Beklagte die vorsorglich von ihr initiierte marktübergreifende Sozialauswahl zutreffend durchgeführt wurde, kann auf Grund der nicht hinreichenden tatrichterlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Dementsprechend war der Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung und Abwägung der sozialen Auswahlkriterien an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

a) Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung trotz Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse iSd. Absatz 2 sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG sind in die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.

b) Die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG erstreckt sich innerhalb des Betriebs nur auf die Arbeitnehmer, die miteinander vergleichbar sind. Dabei bestimmt sich der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit. Dies gilt nicht nur bei einer Identität der Arbeitsplätze, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer auf Grund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann. Die Notwendigkeit einer kurzen Einarbeitungszeit steht der Vergleichbarkeit nicht entgegen ( - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 46 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 43; - 2 AZR 697/01 - BAGE 104, 138). An einer Vergleichbarkeit fehlt es jedoch, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht einseitig im Rahmen des Direktionsrechts auf einen anderen Arbeitsplatz umsetzen oder versetzen kann ( aaO; zuletzt: - 2 AZR 38/05 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 142 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 144; - 2 AZR 676/05 - EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 73). Maßgebend ist demnach, ob der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, einen Einsatz ohne Änderung des Arbeitsvertrags auf dem anderen Arbeitsplatz rechtlich zulässt. Die Vergleichbarkeit kann grundsätzlich nicht dadurch herbeigeführt werden, dass der Arbeitsvertrag eines von einem betriebliche Ereignis betroffenen Arbeitnehmers erst anlässlich dieses Ereignisses entsprechend angepasst wird.

c) Dabei spricht gegen eine Vergleichbarkeit der Klägerin mit anderen Verkäuferinnen/Kassiererinnen der Beklagten im Bezirk noch nicht allein der Umstand, dass sie dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber des Marktes in B widersprochen hat. Auch spielt dieser Umstand bei der Abwägung und Gewichtung der sozialen Auswahlkriterien keine Rolle.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können sich auch die Arbeitnehmer, die einem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse auf einen Betriebserwerber nach § 613a BGB widersprechen, bei einer nachfolgenden, vom Betriebsveräußerer erklärten Kündigung auf eine mangelhafte Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG berufen. Allerdings sollen nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Prüfung der sozialen Auswahlgesichtspunkte die Gründe für den Widerspruch berücksichtigt werden (vgl. Senat - 2 AZR 449/91 (B) - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 22 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 30, zu II 5 b der Gründe; - 2 AZR 559/95 - BAGE 82, 316, 327, zu IV 4 der Gründe; - BAGE 91, 129, zu B II 2 a der Gründe; - 8 AZR 167/99 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 47 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 104, zu III 2 c der Gründe; Senat - 2 AZR 244/03 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 67 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 53, zu B II 2 der Gründe; kritisch KR-Pfeiffer 8. Aufl. § 613a BGB Rn. 119 f.; Meyer NZA 2005, 9, 12 "triftiger Sozialgrund"; Nicolai BB 2006, 1162, 1165; auch: Lipinski DB 2002, 1214 ff. - keine soziale Auswahl -; Fischer AuR 2002, 291 ff.; Gaul NZA 2005, 730, 732; Löw AuR 2006, 224, 225 - keine Einschränkung der Sozialauswahl bei Widerspruch des Arbeitnehmers -, jeweils mwN).

bb) Die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der die Gründe für den Widerspruch bei der Abwägung der sozialen Auswahlkriterien zu berücksichtigen sind, ist unter der Geltung des § 1 Abs. 3 KSchG in der seit geltenden Fassung nicht mehr aufrechtzuerhalten. Dementsprechend ist die Beklagte gehindert, den Widerspruch der Klägerin gegen den Betriebsübergang bzw. dessen Begründung im Rahmen der Sozialauswahl zu berücksichtigen. Einer Berücksichtigung der Widerspruchsgründe im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG steht der eindeutige Wortlaut des Gesetzes entgegen.

(1) Mit der Neufassung der Regelung wurde die Sozialauswahl auf die vier vorgenannten gesetzlichen Kriterien beschränkt (KR-Griebeling 8. Aufl. § 1 KSchG Rn. 670).

Diese Auflistung ist abschließend (von Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 930). Sie schließt damit grundsätzlich die Berücksichtigung der Gründe für den Widerspruch im Rahmen der Sozialauswahl aus (von Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 886; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 1 Rn. 363; vgl. auch APS/Steffan 2. Aufl. § 613a BGB Rn. 226 ff.; Stahlhacke/Preis/Vossen-Preis Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 1067 ff.; ErfK/Preis 7. Aufl. § 613a BGB Rn. 104; Hako-Gallner 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 751; Löw AuR 2006, 224, 225; Gaul NZA 2005, 730, 732).

(2) Dem steht auch nicht das Regelungsziel des § 1 Abs. 3 KSchG, nämlich zu einer gerechten Verteilung der verbliebenen Arbeitsplätze unter den Arbeitnehmern beizutragen, entgegen (ErfK/Ascheid/Oetker 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 475; vgl. APS/Kiel 2. Aufl. § 1 KSchG Rn. 670).

Der Gesetzgeber wollte durch die Begrenzung der Sozialauswahl auf vier Kriterien diese rechtssicher ausgestalten. Dieser gesetzgeberische Wille würde durch den Rückgriff auf vermeintlich allgemeine Wertungen bei der Sozialauswahl aber konterkariert. Es müssten dann Gesichtspunkte berücksichtigt werden, die vom Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht mehr erfasst werden, sondern auch wegen des erheblichen Wertungsspielraums nur schwer handhabbar und kalkulierbar wären.

Dies gilt umso mehr, wenn man die Sozialauswahl davon abhängig machen würde, dass der widersprechende Arbeitnehmer einen "anerkennenswerten Grund" für seinen Widerspruch hat.

(3) Ferner lässt sich weder mit dem Wortlaut noch der Systematik des § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG und des § 613a BGB begründen, warum allein beim Vorliegen von "hinreichenden" oder "akzeptablen" Widerspruchsgründen eine nur an § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG orientierte Sozialauswahl erfolgen kann. Denn nach der seit dem in Kraft getretenen gesetzlichen Regelung des Widerspruchsrechts in § 613a Abs. 6 BGB sind die Gründe und Motive für einen Widerspruch belanglos ( - BAGE 112, 124; - 8 AZR 538/06 -).

Der einem Betriebsübergang widersprechende Arbeitnehmer übt ein ihm einfachgesetzlich zugebilligtes Recht (§ 613a Abs. 6 Satz 1 BGB) aus. Sein Widerspruchsrecht ist von Gesetzes wegen weder an eine Begründung gebunden noch müssen objektiv vernünftige Gründe vorliegen. Das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers darf nicht dadurch entwertet werden, dass ihm über den Umweg einer späteren Kündigung bzw. anlässlich einer Sozialauswahl bei einer solchen Kündigung eine Begründung für sein vorheriges, auch begründungslos zulässiges Verhalten abverlangt wird. Eine Eingrenzung der in die Sozialauswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer auf die "aus guten Gründen" widersprechenden Arbeitnehmer kann deshalb im Gesetz keine Stütze finden. Ist der Widerspruch rechtwirksam erfolgt, muss der Arbeitnehmer so gestellt werden, als habe der Betriebsübergang nicht stattgefunden. In diesem Fall steht er wieder im "Verteilungswettbewerb" um die vorhandenen Arbeitsplätze im Betrieb nach den von Gesetzes wegen vorgesehenen Kriterien.

Dies führt zugegebenermaßen in den Fällen eines Betriebsteilübergangs im Rahmen der Sozialauswahl zu einem "Verdrängungswettbewerb" zwischen den Arbeitnehmern des übergegangenen Betriebsteils und des restlichen, vom Übergang nicht betroffenen Betriebs. Dies hat der Gesetzgeber aber durch die gesetzlichen Neuregelungen offenbar in Kauf genommen.

(4) Die Gründe für den Widerspruch des Arbeitnehmers gegen einen Betriebs(teil)übergang können grundsätzlich auch nicht über § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG Berücksichtigung finden. Die danach gegebene Möglichkeit, einzelne Arbeitnehmer in die Sozialauswahl nicht einzubeziehen, wenn ihre Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt, stellt regelmäßig keine Möglichkeit dar, alle Arbeitnehmer, die vom Betriebs(teil)übergang nicht betroffen waren, nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen und damit letztlich den Kreis der für eine Kündigung in Betracht zu ziehenden Arbeitnehmer auf die widersprechenden zu beschränken. Eine solche Nichtberücksichtigung dieser Arbeitnehmer kann auch schwerlich allein auf die Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur gestützt werden.

(5) Allerdings sind Fälle denkbar, in denen durch den Widerspruch etwa einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern gegen einen Betriebsteilübergang und der in ihrer Folge vom Arbeitgeber durchzuführenden Sozialauswahl tiefgreifende Umorganisationen notwendig werden, die zu schweren betrieblichen Ablaufstörungen führen können, so dass über § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG Teile der vom Betriebsteilübergang nicht betroffenen Arbeitnehmer nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen wären (vgl. Senat - 2 AZR 697/01 - BAGE 104, 138). Für eine solche Fallgestaltung bietet der Vortrag der Beklagten hier aber keine Anhaltspunkte. Im Hinblick auf die Anzahl der im Markt B vormals beschäftigten, widersprechenden Arbeitnehmer und der Größe des Verkaufsbezirks sind entsprechende Umstände nicht zu erkennen.

d) Ob die Beklagte vor Ausspruch der Kündigungen vom und eine den Vorgaben des § 1 Abs. 3 KSchG gerecht werdende, ausreichende Sozialauswahl durchgeführt hat, kann der Senat nicht abschließend beurteilen. Die Beklagte hat in den Vorinstanzen auf die entsprechende Rüge der Klägerin zwar ihre Überlegungen zur von ihr vorsorglich durchgeführten Sozialauswahl vorgetragen. Ob eine solche Sozialauswahl iSv. § 1 Abs. 3 KSchG ausreichend wäre, bedarf weiterer tatrichterlicher Feststellungen und Würdigungen. Im Hinblick auf den insoweit bestehenden Beurteilungsspielraum der Tatsachengerichte und wegen der fehlenden tatrichterlichen Feststellungen im Berufungsurteil ist die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht erforderlich.

aa) Bei der Frage der ausreichenden Berücksichtigung der in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG genannten sozialen Gesichtspunkte handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil die Rechtsbegriffe selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (Senat - 2 AZR 442/05 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 82 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 69, zu B II 3 a der Gründe; - 2 AZR 757/98 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 45 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 42, zu II 1 der Gründe).

bb) Nach dem Gesetzeswortlaut (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG) hat der Arbeitgeber die sozialen Gesichtspunkte "ausreichend" zu berücksichtigen. Daraus folgt, dass dem Arbeitgeber bei der Gewichtung der Sozialkriterien ein Wertungsspielraum zukommt. Die Auswahlentscheidung muss nur vertretbar sein und nicht unbedingt der Entscheidung entsprechen, die das Gericht getroffen hätte, wenn es eigenverantwortlich soziale Erwägungen hätte anstellen müssen. Der dem Arbeitgeber vom Gesetz eingeräumte Wertungsspielraum führt dazu, dass nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer mit Erfolg die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl rügen können (Senat - 2 AZR 549/01 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 59 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 49, zu B III 1 der Gründe; - 2 AZR 357/89 -BAGE 64, 34; - 2 AZR 543/83 - BAGE 47, 80; Stahlhacke/Preis/ Vossen-Preis Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn 1116).

cc) Im Schriftsatz vom hat die Klägerin namentlich fünf Arbeitnehmerinnen aus der Altersgruppe 40 bis 49 Jahre benannt, die nach ihrer Auffassung mit ihr vergleichbar und auch sozial weniger schutzwürdig seien. Hierzu hat die Beklagte mit Schriftsatz vom Stellung genommen und im Wesentlichen ausgeführt, die jeweils etwa sechs Jahre geringere Betriebszugehörigkeit werde durch das höchstens um das ein Jahr höhere Lebensalter (41 Jahre anstatt 40 Jahre) bei ansonsten identischen Sozialdaten (eine Unterhaltspflicht, keine Schwerbehinderung) aufgewogen.

(1) Das Landesarbeitsgericht wird zunächst prüfen müssen, ob die Klägerin und die von ihr benannten anderen Arbeitnehmerinnen überhaupt nach ihren Arbeitsverträgen vergleichbar sind oder ggf. nur "markt- oder tätigkeitsbezogene" Arbeitsverträge haben. Eindeutige Feststellungen hierzu fehlen bisher.

(2) Das Berufungsgericht wird weiter prüfen und bewerten müssen, ob die Beklagte die Sozialkriterien nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ausreichend berücksichtigt hat und trotz der längeren Betriebszugehörigkeit der Klägerin, bei ansonsten vergleichbaren Sozialdaten, die Sozialauswahl noch als hinreichend qualifiziert werden kann, was nicht ausgeschlossen scheint. Im Hinblick darauf, dass die Betriebszugehörigkeit einerseits bei zehn Jahren, bei der Klägerin hingegen bei etwas über fünfzehn Jahren liegt, kann unter Beachtung des Wertungsspielraums des Arbeitgebers und des Beurteilungsspielraums des Berufungsgerichts gerade noch eine ausreichende Berücksichtigung der sozialen Auswahlkriterien gegeben sein. Dies gilt auch dann, wenn man die Tatsache des Widerspruchs der Klägerin gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses - wie vom Landesarbeitsgericht aber bisher angenommen - nicht berücksichtigt.

e) Die Beklagte kann sich noch auf ihre Überlegungen zur vorsorglichen Sozialauswahl berufen. Dem steht insbesondere § 102 Abs. 1 BetrVG nicht entgegen. In der schriftlichen Betriebsratsanhörung vom hat sie den Betriebsrat darauf hingewiesen, dass sie sich auch bei Durchführung einer marktübergreifenden Sozialauswahl unter Berücksichtigung der gebildeten Altersgruppen für die Kündigung der Klägerin entschieden hätte. Möglicherweise wird das Landesarbeitsgericht, eine entsprechende Rüge der Klägerin vorausgesetzt, allerdings aufklären müssen, ob die in der Anhörung bezeichnete Anlage tatsächlich dem Betriebrat vorlag.

Fundstelle(n):
KAAAC-65263

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein