BGH Urteil v. - VII ZR 99/06

Leitsatz

[1] 1. a) Der Werkunternehmer, der ein Bauwerk arbeitsteilig herstellen lässt, muss die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um sachgerecht beurteilen zu können, ob das Bauwerk bei Ablieferung mangelfrei ist. Unterlässt er dies, so verjähren Gewährleistungsansprüche des Bestellers - wie bei arglistigem Verschweigen eines Mangels - erst nach dreißig Jahren, wenn der Mangel bei richtiger Organisation entdeckt worden wäre (Bestätigung von , BGHZ 117, 318).

b) Diese Organisationspflicht ist keine vertragliche Verbindlichkeit gegenüber dem Besteller, sondern eine Obliegenheit des Unternehmers.

c) Dem Unternehmer kann eine Obliegenheitsverletzung nicht allein deshalb angelastet werden, weil sein Nachunternehmer die Herstellung des ihm übertragenen Werks seinerseits nicht richtig organisiert. Eine Zurechnung über § 278 BGB kommt nicht in Betracht.

2. Soweit Leistungen zur Herstellung von Bauteilen an einen Nachunternehmer vergeben werden, die der Unternehmer mangels eigener Fachkunde oder mangels Lizenzierung nicht selbst vornehmen kann, genügt der Unternehmer grundsätzlich seinen Obliegenheiten, wenn er den Nachunternehmer sorgfältig aussucht.

Gesetze: BGB § 278; BGB § 638 a.F.

Instanzenzug: LG Bayreuth 33 O 346/03 vom OLG Bamberg 4 U 113/05 vom

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 597.210,37 € nebst Zinsen wegen Mängeln ihrer Werkleistung.

Die Klägerin schrieb 1981 die Zimmererarbeiten für das Bauvorhaben Schulzentrum B. aus. Die Beklagte übersandte ihr Angebot für die Erstellung des Daches der Turnhalle und fügte ein preisgünstigeres Alternativangebot bei. Dieses sah anstelle von fünf zimmermannsmäßig hergestellten Dreiecksbindern eine Konstruktion von 30 Nagelplattenbindern des Systems "G." vor. Hierfür erteilte die Klägerin der Beklagten am den Zuschlag. Die im Angebotspreis enthaltene Statik wurde von der T. AG gefertigt, die über eine Zulassung des von ihr entwickelten Systems verfügte. Die Herstellung der Nagelplattenbinder wurde von der Beklagten der H. KG überlassen, einem in der Branche anerkanntem Fachunternehmen, das im Gegensatz zur Beklagten über die entsprechende Lizenz verfügte.

Nach Durchführung der Arbeiten im Jahr 1982 erfolgte am die Abnahme durch die Klägerin ohne Beteiligung der H. KG.

Am stürzte das Dach der Halle ein. Ursache hierfür war die unzureichende Statik der Nagelplattenbinder im Bereich des westlichen Auflagers. Die Herstellung der Binder war abweichend von der Statik der T. AG vorgenommen worden, sodass die notwendige Lastübertragung verhindert wurde und die statische Konstruktion versagte.

Die Klägerin hat die Beklagte wegen des entstandenen Sachschadens in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht ihr dem Grunde nach stattgegeben und die Sache wegen der Höhe der Forderung an das Landgericht zurückverwiesen.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe

Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Das für die Beurteilung maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht führt aus, die Beklagte hafte für die mangelhaften Nagelplattenbinder und damit für den durch den Dacheinsturz entstandenen Schaden. Sie könne sich nicht erfolgreich auf den Ablauf der Verjährungsfrist berufen, weil diese nach § 638 BGB wegen arglistigen Verschweigens des Mangels dreißig Jahre betrage. Zwar sei der Nachweis, dass die Beklagte oder deren Verantwortliche den Mangel wahrgenommen hätten, nicht gelungen. Jedoch habe bei der Nachunternehmerin eine Kontrolle der fertig gestellten Binder auf Übereinstimmung mit der von der T. AG gelieferten Statik nicht stattgefunden. Die Beklagte hafte sowohl nach § 278 BGB als auch für eigenes Organisationsverschulden, denn sie sei verpflichtet gewesen, die Überwachung und Kontrolle der Herstellung der Binder entweder selbst durchzuführen oder bei mangelnder eigener Fachkenntnis durch Dritte durchführen zu lassen.

II.

Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, die H. KG sei als Substitut der Beklagten tätig geworden, weshalb diese allenfalls für Auswahlverschulden hafte, § 664 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Das Berufungsgericht hat den Vertrag zwischen den Parteien rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, dass die Beklagte auch die von der H. KG übernommenen Leistungen schuldete und die H. KG war deshalb Erfüllungsgehilfin der Beklagten.

2. Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts begründet sein.

a) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte den Mangel nicht arglistig verschwiegen, denn arglistig handelt nur derjenige, der bewusst einen offenbarungspflichtigen Mangel verschweigt (, BGHZ 62, 63, 66; Urteil vom - X ZR 43/03, BauR 2005, 550). Dieses Bewusstsein fehlt, wenn ein Mangel nicht als solcher wahrgenommen wird (, BauR 2001, 1431, 1432 = NZBau 2001, 494; Urteil vom - VII ZR 72/05, BauR 2007, 114, 115 = ZfBR 2007, 47 = NZBau 2007, 96).

b) Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht die Verjährung, weil die mit der Herstellung der Nagelplattenbinder beauftragte H. KG den Herstellungsprozess nicht ordnungsgemäß überwacht und keine ausreichende Endkontrolle vorgenommen habe und die Beklagte für diese Organisationspflichtverletzung ihres Nachunternehmers gemäß § 278 BGB einzustehen habe.

aa) Der Werkunternehmer, der ein Bauwerk arbeitsteilig herstellen lässt, muss die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um sachgerecht beurteilen zu können, ob dieses bei Ablieferung mangelfrei ist. Unterlässt er dies, verjähren Gewährleistungsansprüche des Bestellers erst nach dreißig Jahren, wenn der Mangel bei richtiger Organisation entdeckt worden wäre. Denn der Besteller ist dann so zu stellen, als wäre der Mangel dem Unternehmer bei Ablieferung des Werkes bekannt gewesen (, BGHZ 117, 318). Anknüpfungspunkt für die dreißigjährige Verjährung ist allein die Verletzung der Organisationspflicht des mit der Herstellung beauftragten Unternehmers. Dieser kann sich seiner vertraglichen Offenbarungspflicht bei Ablieferung des fertigen Werkes nicht dadurch entziehen, dass er sich unwissend hält oder sich keiner Gehilfen bei der Erfüllung dieser Pflicht bedient (, BGHZ 66, 43, 46 f.). Er ist daher gehalten, den Herstellungsprozess angemessen zu überwachen und das Werk vor Abnahme auf Mangelfreiheit zu überprüfen. Er muss die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um sachgerecht beurteilen zu können, ob das fertiggestellte Werk bei Ablieferung den vertraglichen Vereinbarungen entspricht und keine Fehler aufweist.

bb) Diese Organisationspflicht ist, anders als das Berufungsgericht offenbar annehmen will, keine vertragliche Verbindlichkeit gegenüber dem Besteller. Sie ist vielmehr eine Obliegenheit, deren Verletzung zu einer für den Unternehmer nachteiligen Verjährung führt. Es liegt in seinem eigenen Interesse, seinen Betrieb so zu organisieren, dass er sich nicht dem Vorwurf aussetzt, er habe durch Arbeitsteilung von vornherein verhindert, arglistig zu werden. Die Rechtsprechung des Senats zur Gleichstellung einer Organisation, die Arglist verhindert, mit arglistigem Verhalten schafft keinen neuen vertraglichen Haftungsgrund mit dreißigjähriger Verjährung, sondern schließt Lücken im Bereich der Verjährung bei Arglist.

Dem Unternehmer kann eine solche Obliegenheitsverletzung nicht allein deshalb angelastet werden, weil sein Nachunternehmer die Herstellung des ihm übertragenen Werks seinerseits nicht richtig organisiert. Eine Zurechnung über § 278 BGB kommt nicht in Betracht, weil sich der Unternehmer regelmäßig nicht des Nachunternehmers zur Erfüllung seiner eigenen Organisationspflichten im Rahmen der dargestellten Obliegenheit bedient. Die ordnungsgemäße Organisation des Herstellungsprozesses beim Nachunternehmer ist regelmäßig allein dessen Angelegenheit und wird nicht im Fremdinteresse durchgeführt.

c) Die Beklagte hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts entgegen der von diesem vertretenen Auffassung auch keine eigene Organisationspflicht verletzt. Sie hatte weder durch organisatorische Maßnahmen für eine ordnungsgemäße Herstellung bei der H. KG zu sorgen noch organisatorisch sicherzustellen, dass deren Leistung vor dem Einbau auf statische Mängel überprüft wird.

aa) Welche Obliegenheiten den Unternehmer hinsichtlich der Überwachung des Herstellungsprozesses und der Überprüfung der fertig gestellten Leistung treffen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Beurteilung muss sich im Wesentlichen an dem Gedanken orientieren, dass der Besteller durch die arbeitsteilige Herstellung grundsätzlich keinen Nachteil in Bezug auf die Verjährung seiner Gewährleistungsansprüche erleiden soll.

Setzt der Unternehmer einen Nachunternehmer ein, so beträgt die Verjährungsfrist dreißig Jahre, wenn er selbst den vom Nachunternehmer geschaffenen Mangel des Werkes kennt. Daneben muss er sich die Arglist des Nachunternehmers nach den von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen zurechnen lassen (vgl. , BGHZ 66, 43, 45; Urteil vom - VII ZR 272/05, BGHZ 169, 255). Zudem muss er sich die Arglist der vom Nachunternehmer eingesetzten Gehilfen zur Erfüllung der Offenbarungspflicht zurechnen lassen. Durch diese Zurechnung ist der Besteller weitgehend so gestellt, als hätte der Unternehmer selbst arglistig einen Mangel verschwiegen.

bb) Der Senat muss nicht entscheiden, inwieweit den Unternehmer trotz dieser weitgehenden Zurechnung noch Pflichten treffen, den Herstellungsprozess durch den Nachunternehmer zu überwachen. Grundsätzlich kann die dreißigjährige Verjährung nur dann eingreifen, wenn der Unternehmer durch seine Organisation eine durch Arglist begründete verlängerte Verjährung vermeidet. Der Einsatz eines Nachunternehmers allein ist kein derartiger Tatbestand. Zudem kann eine Organisationspflicht grundsätzlich nur in Bezug auf den Teil des Herstellungsprozesses angenommen werden, der vom Unternehmer organisiert werden kann. Dazu gehört regelmäßig nicht eine Organisation der Herstellung, die vom Nachunternehmer in eigener Verantwortung und außerhalb des Einflussbereichs des Unternehmers vorgenommen wird. Jedenfalls soweit Leistungen zur Herstellung von Bauteilen an den Nachunternehmer vergeben werden, die der Unternehmer mangels eigener Fachkunde oder sogar mangels Lizenzierung nicht selbst vornehmen kann, besteht für ihn grundsätzlich keine Möglichkeit, den Herstellungsprozess außerhalb der Baustelle zu überwachen oder sonstigen Einfluss auf dessen Organisation zu nehmen. Der Unternehmer genügt seinen Organisationspflichten in diesen Fällen, wenn er den Nachunternehmer sorgfältig aussucht.

cc) Sobald das vom Nachunternehmer gefertigte Bauteil an die Baustelle geliefert worden und damit in den Organisationsbereich des Unternehmers gelangt ist, sind im Hinblick auf die Vermeidung einer dreißigjährigen Haftung wegen Arglist die auch sonst den Unternehmer treffenden Anforderungen zu stellen. Dem Unternehmer kann nicht zur Last gelegt werden, dass er auf eine ordnungsgemäße Organisation des sorgfältig ausgesuchten, fachkundigen Nachunternehmers und damit auch auf eine ausreichende Überprüfung des Herstellungsprozesses und eine hinreichende Endkontrolle durch diesen vertraut hat. Er ist im Rahmen seiner hier maßgeblichen Obliegenheiten nicht gehalten, die zur ordnungsgemäßen Organisation gehörenden Kontrollen erneut vorzunehmen, insbesondere nicht, wenn ihm die dafür erforderliche Fachkenntnis fehlt. Zur Einschaltung eines fachkundigen Dritten zur Überprüfung des fertig gestellten Werks ist er ebenfalls nicht gehalten.

d) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht eine dreißigjährige Verjährung wegen Organisationsmängeln rechtsfehlerhaft angenommen.

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die H. KG sorgfaltswidrig mit der Herstellung der Nagelplattenbinder beauftragt hat. Die H. KG war ein anerkanntes Fachunternehmen und hatte eine Lizenz zur Herstellung der Binder.

Die Beklagte war auch nicht gehalten, organisatorisch sicherzustellen, dass die Übereinstimmung der fertig gestellten Binder mit der Statik von ihr selbst festgestellt wird. Dies überspannt die Anforderungen an die Organisation des Betriebes eines Unternehmers, der einen Nachunternehmer mit der Herstellung eines speziellen Bauteils beauftragt, das er mangels eigener Fachkunde nicht selbst herstellen kann und für dessen Herstellung eine eigene Lizenz benötigt wird. Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang, dass der Inhaber der Beklagten wegen seiner Ausbildung unter Umständen in der Lage gewesen wäre, die Mängel festzustellen. Allein deswegen war er nicht verpflichtet, eine erneute Endkontrolle der von der H. KG fertig gestellten Binder zu organisieren.

Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Fehler der Binder aufgrund einer anderweitig fehlerhaften Organisation des Herstellungsprozesses durch die Beklagte nicht erkannt worden ist. Insbesondere ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass die Beklagte auf der Baustelle einen Bauleiter eingesetzt hatte.

III.

Der Senat ist gehindert, in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Die Klägerin hat in erster Instanz mehrfach vorgetragen, die Beklagte hafte auch für arglistiges Verschweigen des Mangels durch den Nachunternehmer. Das Berufungsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - zur Arglist des Nachunternehmers oder seiner Gehilfen zur Erfüllung der Offenbarungspflicht, die nach den dargestellten Grundsätzen dem Unternehmer zugerechnet wird, bisher keine Feststellungen getroffen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
DB 2008 S. 581 Nr. 11
DNotZ 2008 S. 438 Nr. 6
NJW 2008 S. 145 Nr. 3
WM 2008 S. 552 Nr. 12
LAAAC-64282

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja