BFH Beschluss v. - IV B 63/07

Begründung eines Korrekturpostens bei Einlagen zum Ausgleich eines negativen Kapitalkontos; Rüge der Divergenz

Gesetze: EStG § 15a; FGO § 115

Instanzenzug:

Gründe

I. An der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) —der S-KG— war im Streitjahr (2003) die Beigeladene (Frau S) als Kommanditistin beteiligt. Ihr Anteil am Verlust der KG belief sich im Jahre 2003 auf 5 793,82 €, den der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) deshalb als nicht ausgleichsfähig, sondern i.S. von § 15a des Einkommensteuergesetzes (EStG) als nur verrechenbar qualifizierte, weil sich durch die Verlustzurechnung das negative Kapitalkonto von Frau S zum gegenüber dem Stand zum erhöhte. Das FA ließ hierbei —entsprechend dem zum (BFHE 203, 462, BStBl II 2004, 359) ergangenen Nichtanwendungsschreiben des (BStBl I 2004, 463)— unberücksichtigt, dass die im Jahre 2002 von Frau S zum Ausgleich ihres Kapitalkontos geleisteten Einlagen (40 807,93 €) die ihr für dieses Jahr (2002) zugerechneten und ausgleichsfähigen Verluste (17 425 €) um 23 382,93 € überschritten haben. Auf der Grundlage dieser Beurteilung hat das FA am —gemäß § 15a Abs. 4 Sätze 5 und 6 EStG verbunden mit der Gewinnfeststellung 2003— den verrechenbaren Verlust auf 32 329,82 € festgestellt (= 26 536 € [Feststellung zum ] zuzüglich 5 793,82 € [Verlustanteil 2003]). Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben und hierzu —so die Urteilsformel— ausgesprochen, dass der „Bescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung 2003…in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom insoweit geändert wird, dass (Frau S) negative ausgleichsfähige Einkünfte…in Höhe von 5.793,82 € zugerechnet werden”. Die Revision wurde nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Beschwerde des FA.

II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist nicht begründet. Sie ist deshalb zurückzuweisen.

1. Die Rüge, der vom FG entschiedenen Rechtsfrage, komme deshalb grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—), weil die Ansicht des VIII. Senats des BFH (Urteil in BFHE 203, 462, BStBl II 2004, 359), nach der Einlagen zum Ausgleich eines negativen Kapitalkontos unter bestimmten Voraussetzungen einen Korrekturposten begründen, der in den folgenden Wirtschaftsjahren —trotz Entstehens oder Erhöhung des negativen Kapitalkontos— geeignet ist, ausgleichsfähige Verluste zu vermitteln, in der Literatur mit neuen Argumenten angegriffen und zudem von der Finanzverwaltung abgelehnt worden sei, vermag nicht durchzugreifen. Da sich der beschließende Senat mit Urteil vom IV R 28/06 (BFH/NV 2007, 1982) der Auffassung des VIII. Senats in vollem Umfang angeschlossen und hierbei auch die in der Beschwerdeschrift vorgetragenen rechtlichen Aspekte erwogen hat, ist die angesprochene Rechtsfrage zur Bildung von Korrekturposten aufgrund sog. vorgezogener Einlagen nicht mehr klärungsbedürftig (dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 28, m.w.N.) und somit in dem von der Vorinstanz des anhängigen Verfahrens vertretenen Sinne zu beantworten. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe seines Urteils in BFH/NV 2007, 1982 Bezug; ein neutralisierter Abdruck des Urteils ist diesem Beschluss beigefügt.

2. Nicht durchzugreifen vermag ferner der Vortrag, das FG habe verkannt, dass sich die Klage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 2003 gerichtet habe, über die vorliegend streitige Frage der Ausgleichsfähigkeit der Verluste aber in dem —vom Gewinnfeststellungsbescheid zu trennenden und damit eigenständigen— Feststellungsbescheid gemäß § 15a Abs. 4 Sätze 5 und 6 EStG zu entscheiden sei. Dies begründe —so das FA— eine Abweichung von der Rechtsprechung des BFH (Hinweis auf die , BFHE 188, 146, BStBl II 1999, 592, und vom IV R 31, 32/05, BFHE 214, 239) mit der Folge, dass die Klage als unzulässig hätte abgewiesen werden müssen und die Revision zuzulassen sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO: Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung).

a) Der Vortrag ist im Hinblick auf die gerügte Divergenz nicht schlüssig, weil ihm nicht entnommen werden kann, dass die Vorinstanz ihrer Entscheidung einen tragenden und abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von einem gleichfalls tragenden und abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des BFH abweicht (s. dazu Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 42).

b) Die Ausführungen der Beschwerdeschrift sind auch nicht geeignet, einen Verfahrensmangel darzulegen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

aa) Zwar entbindet ein unschlüssiger Vortrag betreffend die behauptete Divergenz den Senat nicht davon, das Vorliegen eines Verfahrensmangels zu prüfen, wenn sich dieser aus dem in der Beschwerdeschrift eingehend dargestellten Sachverhalt ergibt (, BFH/NV 2003, 1208; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 55 a.E., jeweils m.w.N.). Demgemäß ist es für diese Prüfung unerheblich, ob ein solcher Mangel ausdrücklich geltend gemacht wird; auch ist in der fehlerhaften Beurteilung einer Sachentscheidungsvoraussetzung (hier: Zulässigkeit der Klage) ein Verfahrensmangel zu sehen (z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 1208; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 80, m.w.N.).

Gleichwohl ist der Vortrag auch insoweit nicht hinreichend substantiiert, da die Beschwerdeschrift lediglich behauptet, die Klage sei gegen den Gewinnfeststellungsbescheid erhoben worden; sie lässt damit insbesondere jegliche Auseinandersetzung mit der Klageschrift vermissen. Wäre letzteres geschehen, hätte das FA erkannt, dass die Klageschrift ausdrücklich auf die Einspruchsentscheidung vom Bezug nimmt, die sowohl in ihrem Rubrum als auch ihrem Begründungsteil den —mit der Gewinnfeststellung 2003 verbundenen— Feststellungsbescheid nach § 15a Abs. 4 EStG als Verfahrensgegenstand benennt. Hieraus ergibt sich zugleich, dass —was die Beschwerdeschrift offensichtlich außer Acht lässt— auch die Klage nach dem Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung (vgl. , BFHE 206, 211, BStBl II 2004, 964) dahin zu verstehen ist, dass sie sich gegen die Einspruchsentscheidung und den durch sie bestätigten Bescheid nach § 15a Abs. 4 EStG gerichtet hat.

bb) Abweichendes lässt sich weiterhin nicht daraus ableiten, dass das Rubrum des FG-Urteils die „einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2003” anspricht und der Urteilstenor dahin gefasst ist, dass der Beigeladenen unter Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids „in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom …negative ausgleichsfähige Einkünfte…in Höhe von 5.793,82 € zugerechnet werden”.

Zwar ist das Gericht an das Klagebegehren (hier: Feststellung des verrechenbaren Verlusts nach § 15a Abs. 4 EStG) gebunden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO; dazu Gräber/von Groll, a.a.O., § 96 Rz 2 f.) mit der Folge, dass eine Missachtung dieser Bindung gegen die Grundordnung des Verfahrens verstößt und einen Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begründet (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 80, m.w.N.).

Indes sind die Darlegungen der Beschwerde auch im Hinblick auf das Vorliegen eines solchen Mangels nicht schlüssig. Die Beschwerdeschrift enthält insoweit lediglich die Behauptung, dass die Vorinstanz nach dem Tenor über den Gewinnfeststellungsbescheid 2003 entschieden habe. Hierbei wird übersehen, dass die Urteilsformel zugleich auf die zum Feststellungsbescheid nach § 15a Abs. 4 EStG ergangene Einspruchsentscheidung Bezug nimmt und deshalb —d.h. angesichts der Unklarheit über den Gegenstand des Urteilsspruchs— der Auslegung unter Rückgriff auf die Ausführungen im Urteilstatbestand sowie in den Entscheidungsgründen zugänglich ist (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. , BFH/NV 1993, 316, m.w.N.; Gräber/von Groll, a.a.O., § 105 Rz 10, m.w.N.). Da aber im Tatbestand des vorinstanzlichen Urteils die rechnerischen Auswirkungen der Streitfrage (Anerkennung vorgezogener Einlagen) auf die Höhe der Feststellung nach § 15a Abs. 4 EStG sowie die —in dem gegen diesen Bescheid durchgeführten Einspruchsverfahren— vertretenen Auffassungen der Beteiligten dargestellt werden und —darüber hinaus— in den Entscheidungsgründen ausgeführt wird, dass das FA „zu Unrecht” die Verluste als „verrechenbar…festgestellt” habe, hätte es schlüssiger Erläuterungen dazu bedurft, weshalb gleichwohl eine Auslegung des Urteilstenors dahin, dass das FG die verrechenbaren Verluste zum in der von der Klägerin begehrten Höhe festgestellt habe (26 536 € = Feststellung zum ), ausgeschlossen ist (zur Auslegung und Klarstellung der Urteilsformel im Beschwerdeverfahren vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom II B 11/04, BFH/NV 2005, 1340, und vom I B 130/03, BFH/NV 2004, 969).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 39 Nr. 1
OAAAC-63847