BFH Beschluss v. - XI B 192/06

Unzulässigkeit einer erneuten Nichtzulassungsbeschwerde in derselben Rechtssache; Wiederaufnahme des Verfahrens; Anspruch auf rechtliches Gehör

Gesetze: FGO § 116 Abs. 5; FGO § 110; FGO § 133a; FGO § 134

Instanzenzug:

Gründe

Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erneut erhobene Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist unzulässig.

1. Der Zulässigkeit steht die Rechtskraft des Beschlusses des erkennenden Senats vom XI B 13/06 (BFH/NV 2007, 389) in derselben Rechtssache entgegen. Mit diesem Be-schluss ist die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen worden, mit der Folge, dass das Urteil des Finanzgerichts (FG) nach § 116 Abs. 5 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) rechtskräftig geworden ist. Die Rechtskraft bindet nicht nur die Beteiligten (§ 110 FGO), sondern auch das Gericht (vgl. , BFH/NV 1994, 812).

Die Bindung an einen formell und materiell rechtskräftigen Beschluss tritt ein, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Reichweite der Bindungswirkung wird durch die Entscheidungsformel bestimmt, wobei zur Auslegung die Entscheidungsgründe heranzuziehen sind (vgl. u.a., BFH/NV 1991, 547). Danach ist der Streitgegenstand des bereits abgeschlossenen Verfahrens XI B 13/06 identisch mit dem des vorliegenden Verfahrens. Denn im Verfahren XI B 13/06 ist bereits über die Zulassung der Revision wegen aller von der Klägerin geltend gemachten Gründe, also u.a. wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), entschieden worden. Dieser Grund hatte schon deshalb eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigen können, weil er nicht bis zum Ablauf der Begründungsfrist in der gebotenen Form dargelegt worden war (vgl. § 116 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO). Eine nochmalige Geltendmachung der Zulassungsgründe im Rahmen einer neuerlich eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde ist wegen eingetretener Rechtskraft nicht möglich. Eine erneute Nichtzulassungsbeschwerde scheidet selbst dann aus, wenn —wie im Streitfall— bei der ursprünglich er-hobenen Nichtzulassungsbeschwerde ein Zulassungsgrund erst nach Ablauf der Begründungsfrist geltend gemacht wurde. Mit dem Beschluss in dem Verfahren XI B 13/06 ist selbständig und endgültig über die Begründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde entschieden worden.

2. Die Beschwerde hätte auch dann keinen Erfolg, wenn sie als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 134 FGO i.V.m. §§ 578 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) zu verstehen wäre. Denn Nichtigkeits- oder Restitutionsgründe i.S. der §§ 579, 580 ZPO sind bis zum Ablauf der Antragsfrist (§ 586 ZPO) nicht substantiiert dargelegt worden.

3. Soweit die Beschwerde als Anhörungsrüge i.S. von § 133a FGO auszulegen wäre, wäre sie unzulässig.

a) Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 133a Abs. 1 FGO kann mit der Anhörungsrüge nur vorgebracht werden, das Gericht —im Streitfall der beschließende Senat— habe im Rahmen der angegriffenen Entscheidung gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—) verstoßen (vgl. , BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614). Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verlangt von dem erkennenden Gericht vornehmlich, dass es die Beteiligten über den Verfahrensstoff informiert, ihnen Gelegenheit zur Äußerung gibt, ihre Ausführungen sowie Anträge zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Beschluss in BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614). Nach § 133a Abs. 2 Satz 6 FGO muss die Rüge das Vorliegen der in § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO genannten Voraussetzungen darlegen. Hierzu gehört der substantiierte Vortrag, dass das Gericht den Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Diesem Erfordernis wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht.

b) Im Übrigen sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Senat in dem Verfahren XI B 13/06 eine Gehörsverletzung begangen haben könnte. Nachdem die Klägerin bis zum Ablauf der hierfür maßgebenden Frist einen von ihrem Prozessbevollmächtigten unterschriebenen Schriftsatz mit einer umfangreichen Beschwerdebegründung per Telefax übermittelt hatte, bestand keine Veranlassung, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass der mit der Post versandte, weitere Ausführungen enthaltende Schriftsatz vom (richtig wohl ) erst nach Ablauf der Begründungsfrist beim BFH eingegangen ist. Der Senat hat —wie die Gründe im Beschluss vom XI B 13/06 zeigen— die Darlegungen in dem nach Ablauf der Begründungsfrist zugegangenen Schriftsatz —mit Ausnahme der Ausführungen zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache— als bloße Ergänzungen und Erläuterungen behandelt.

Selbst unter voller Berücksichtigung der nachträglichen Ausführungen wäre eine Revisionszulassung nicht in Betracht gekommen. Denn die Auslegung des § 122 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) ist durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt. Die Klägerin räumt selbst ein, dass der Gesetzeswortlaut eindeutig ist. Dies spricht gegen eine (weitere) Klärungsbedürftigkeit der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage, wie § 122 Abs. 2 AO auszulegen ist. Allein eine —aus Sicht der Klägerin— fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG kann eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht rechtfertigen (vgl. , BFH/NV 2007, 1343, m.w.N.).

4. Da die Beschwerde aus den vorgenannten Gründen unzulässig ist, kann offenbleiben, ob der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre, weil in dem bereits abgeschlossenen Verfahren XI B 13/06 wegen eines Büroversehens bis zum Ablauf der Begründungsfrist für die Beschwerde nicht die gesamte Begründung per Telefax an den BFH übermittelt wurde.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 85 Nr. 1
KÖSDI 2008 S. 15928 Nr. 3
ZAAAC-63839