Leitsatz
Der TA Lärm vom kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG) konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Sie unterliegt als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift der revisionsgerichtlichen Überprüfung.
Die Regelung über den Messabschlag nach Nr. 6.9 TA Lärm ist nicht anzuwenden, wenn auf eine Nachbarklage gegen die Baugenehmigung für eine Windenergieanlage die Lärmimmissionen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Messung ermittelt werden.
Eine Küche, die nicht lediglich der Zubereitung der Mahlzeiten, sondern auch dem sonstigen Aufenthalt der Bewohner dient, ist als schutzbedürftiger Raum im Sinne von Nr. A.1.3 TA Lärm (in Verbindung mit der DIN 4109, Ausgabe November 1989) anzusehen.
Es ist Aufgabe der Tatsachengerichte, zu überprüfen, ob Windenergieanlagen Geräusche hervorrufen, die im Hinblick auf ihre außergewöhnliche Störwirkung die Vergabe eines Impulszuschlags rechtfertigen.
Gesetze: BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5; BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3; BImSchG § 3; BImSchG § 48; TA Lärm Nr. 6.9; TA Lärm Nr. 2.3; TA Lärm Nr. A.1.3; TA Lärm Nr. 6.8; TA Lärm Nr. A.3.3.6
Instanzenzug: VG Koblenz VG 7 K 1613/00 .KO vom OVG Koblenz OVG 1 A 10216/03 . Fachpresse: ja BVerwGE: ja
Gründe
I
Die Kläger, die ein zu einer Hofanlage gehörendes Gebäude bewohnen, wenden sich gegen die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Windenergieanlage (Nabenhöhe 65 m, Rotorradius 20,2 m, Nennleistung 500 kW) im Außenbereich in einem Abstand von ca. 340 m (WEA 1). Eine zum selben Zeitpunkt erteilte Baugenehmigung für eine weitere 550 m entfernte Windenergieanlage (WEA 2) ist mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts bestandskräftig geworden.
Das Verwaltungsgericht hob die Baugenehmigung für die näher gelegene Windenergieanlage (WEA 1) durch Urteil vom mit der Begründung auf, der Betrieb der Anlage halte den maßgeblichen Nachtimmissionswert der TA Lärm von 45 dB(A) nicht ein und führe darüber hinaus zu einer unzumutbaren optischen Beeinträchtigung.
Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat die Berufung der Beigeladenen mit Urteil vom zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Durch die genehmigte Errichtung und den Betrieb der Windenergieanlage wirkten schädliche Umwelteinwirkungen auf das Wohnhaus der Kläger ein, denn sie hätten insbesondere unzumutbare Lärmbelästigungen zur Nachtzeit zu erwarten. Dadurch werde das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Dabei könne zur Beantwortung der Frage, welcher Lärm noch zumutbar sei, auf die Richtwerte, Beurteilungsregeln und Verfahren der TA Lärm zurückgegriffen werden, welche im Rahmen der tatrichterlichen Bewertung auch für die Beurteilung von Lärmimmissionen durch Windenergieanlagen als Orientierungshilfe Anwendung fänden. Der vorliegend maßgebliche Nachtimmissionswert von 45 dB(A) werde bei Betrieb der noch streitbefangenen Windenergieanlage (WEA 1) unter Berücksichtigung der von der inzwischen bestandskräftig genehmigten Windenergieanlage (WEA 2) ausgehenden Lärmbelastung nicht eingehalten. Dies ergebe sich aus dem im Berufungsverfahren eingeholten (weiteren) Gutachten. Dieses gelange plausibel und nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass durch den Betrieb der Windenergieanlage auf das Küchenfenster im ersten Obergeschoss des Gebäudes der Kläger in mehr als zehn Nächten eines Jahres Geräusche einwirkten, deren Beurteilungspegel den Immissionsrichtwert von 45 dB(A) überschreite. Damit stehe fest, dass der Betrieb der Windenergieanlage für die Kläger im Hinblick auf die von der Anlage ausgehenden Lärmimmissionen rücksichtslos sei. Die von der Beigeladenen gegen das Gutachten erhobenen Einwendungen griffen nicht durch. Auch die Wohnküche der Kläger sei ein schutzwürdiger Raum. Eine Differenzierung zwischen Wohn- und Schlafräumen sei auch beim nächtlichen Immissionsrichtwert nicht angebracht. Die Berücksichtigung eines Impulszuschlags sei nicht zu beanstanden. Zu Recht sei ein Messabschlag bei Überwachungsmessungen gemäß Nr. 6.9 TA Lärm nicht abgezogen worden. Denn bei den Messungen im Rahmen der Erstellung eines Gerichtsgutachtens handele es sich nicht um Überwachungsmessungen im Sinne von Maßnahmen der Anlagenüberwachung. Vielmehr seien sie dem Genehmigungsverfahren zuzuordnen, in dem ein Messabschlag nicht vorzunehmen sei. Dem Ergebnis des Gutachtens könne auch nicht unter Hinweis auf die Regelung der TA Lärm für seltene Ereignisse (Nr. 7.2) die Bedeutung für die Beurteilung der Unzumutbarkeit abgesprochen werden, denn der Gutachter sei anhand der Betriebsdaten der Windenergieanlage zu dem Ergebnis gekommen, dass Überschreitungen des maßgeblichen Nachtimmissionsrichtwerts an wesentlich mehr als zehn Nächten aufgetreten sein müssten. Somit könne dahinstehen, ob auch wegen der von der Windenergieanlage ausgehenden optischen Wirkung gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen werde.
Gegen dieses Urteil hat die Beigeladene die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Zur Begründung führt sie aus: Maßgebliche Vorschriften der TA Lärm seien falsch ausgelegt worden. Die TA Lärm sei eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift, so dass ihre Auslegung im Revisionsverfahren überprüft werden könne. Entgegen der Auffassung der Kläger könne die TA Lärm auch auf hoch liegende Lärmquellen wie Windenergieanlagen angewendet werden. Zu den nachts besonders schutzbedürftigen Räumen im Sinne der TA Lärm zählten nur diejenigen Wohnräume, die von ihrer Funktion her dem besonderen nächtlichen Ruhebedürfnis gerecht werden könnten. Hierzu gehörten beispielsweise Küchen nicht. Der Messabschlag nach Nr. 6.9 TA Lärm sei auch im Rahmen einer nachbarlichen Anfechtungsklage heranzuziehen, wenn die von der streitgegenständlichen Anlage ausgehenden Immissionen auf Veranlassung des Gerichts gemessen würden. Denn die Baugenehmigung sei bereits erteilt worden und die Messung erfolge erst auf Betreiben eines Nachbarn, wie dies bei behördlichen Überwachungsmessungen ebenfalls häufig der Fall sei. Das Zuschlagssystem nach Nr. 6.8 i.V.m. Nr. A 2.5.2, A 2.5.3, A 3.3.5, A 3.3.6 TA Lärm sei abschließend zu verstehen und erlaube nicht die Vergabe eines allgemeinen Lästigkeitszuschlags. Jedenfalls rechtfertige das Geräusch der Rotorblätter einer Windenergieanlage bei Nennleistungsbetrieb keinen derartigen Zuschlag. In jedem Fall hätte die Baugenehmigung nur insoweit aufgehoben werden dürfen, als der nächtliche Betrieb der Windenergieanlage betroffen sei.
Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom - soweit es nicht rechtskräftig geworden ist - sowie das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom aufzuheben und die Klage gegen die Baugenehmigung abzuweisen.
Der Beklagte schließt sich den Ausführungen der Beigeladenen an.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Es sei nicht geboten, die TA Lärm für Fälle der vorliegenden Art als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift und damit als für die Gerichte bindend anzusehen. Ihre Regelungen könnten den Besonderheiten von Windenergieanlagen nicht ausreichend Rechnung tragen. Der Messabschlag sei wegen der unterschiedlichen Beweislastverteilung nur bei der Vorbereitung behördlicher Eingriffsmaßnahmen, nicht aber im Verhältnis der Nachbarn zum Betreiber heranzuziehen.
II
Die Revision der Antragsgegnerin bleibt ohne Erfolg.
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verstößt nicht gegen Bundesrecht. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Baugenehmigung für die Windenergieanlage rechtswidrig ist und die Kläger in eigenen Rechten verletzt, weil der Betrieb der Anlage schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 BImSchG auf das Wohnhaus der Kläger hervorruft.
1. Gemäß § 35 Abs. 1 BauGB sind im Außenbereich auch privilegierte Vorhaben, zu denen gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB die Windenergieanlage der Beigeladenen gehört, nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB vor, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB verweist auf die Begriffsbestimmung der schädlichen Umwelteinwirkungen in § 3 Abs. 1 BImSchG ( BVerwG 4 C 22.75 - BVerwGE 52, 122 <125>; BVerwG 4 B 41.05 - BRS 69 Nr. 102). Nach dieser Vorschrift sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Unter welchen Voraussetzungen die von einer Windenergieanlage ausgehenden Geräuscheinwirkungen in diesem Sinne schädlich sind, wird durch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassenen TA Lärm vom bestimmt. Die TA Lärm 1998 gilt für Anlagen, die als genehmigungsbedürftige oder nicht genehmigungsbedürftige Anlagen den Anforderungen des zweiten Teils des Bundes-Immissionsschutzgesetzes unterliegen (Nr. 1 Abs. 2 TA Lärm). Anders als die noch auf der Grundlage des § 16 Abs. 3 GewO erlassene TA Lärm vom (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 137 vom ) erstreckt sie ihren Geltungsbereich ausdrücklich auch auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat den aufgrund von § 48 BImSchG erlassenen Verwaltungsvorschriften, soweit sie die unbestimmten Rechtsbegriffe des Gesetzes konkretisieren, eine auch im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zuerkannt. Angesichts ihrer Funktion, bundeseinheitlich einen gleichmäßigen und berechenbaren Gesetzesvollzug sicherzustellen, unterliegen sie als normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften der revisionsgerichtlichen Überprüfung ( BVerwG 7 C 21.00 - BVerwGE 114, 342 = Buchholz 406.25 § 48 BImSchG Nr. 8 <zur TA Luft>, vom - BVerwG 7 C 15.98 - BVerwGE 110, 216 = Buchholz 406.25 § 48 BImSchG Nr. 7 <zur TA Luft> und vom - BVerwG 8 C 16.96 - BVerwGE 107, 338, 341 <zur Rahmen-AbwasserVwV> m.w.N.). Auch der TA Lärm kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt (vgl. BVerwG 7 B 73.94 - Buchholz 406.25 § 3 BImSchG Nr. 10 = BRS 56 Nr. 194 - juris Rn. 5, dort zur 18. BImSchV). Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept nur insoweit Raum, als die TA Lärm insbesondere durch Kann-Vorschriften (z.B. Nr. 6.5 Satz 3 und 7.2) und Bewertungsspannen (z.B. A 2.5.3) Spielräume eröffnet.
Die TA Lärm ist auf Windenergieanlagen anwendbar. Windenergieanlagen sind Anlagen im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG. Sie sind im Katalog der in Nr. 1 vom Anwendungsbereich der TA Lärm ausdrücklich ausgenommenen Anlagenarten nicht aufgeführt. In der Praxis der Verwaltungsbehörden und der Judikatur der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte wird die generelle Eignung der Regelungen der TA Lärm für die von Windenergieanlagen verursachten Geräuschimmissionen nicht ernsthaft in Frage gestellt (vgl. den Überblick bei Ohms, Immissionsschutz bei Windkraftanlagen, DVBl 2003, 958).
Für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind die Vorschriften der TA Lärm zu beachten bei der Prüfung der Einhaltung des § 22 BImSchG im Rahmen der Prüfung von Anträgen in Baugenehmigungsverfahren (Nr. 1 Abs. 3 Buchst. b) aa) TA Lärm). Die streitgegenständliche Windenergieanlage war im für die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung maßgebenden Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch der Kläger () immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftig. Denn sie ist bereits unter der Geltung der 4. BImSchV vor dem am erfolgten Inkrafttreten der Verordnung zur Änderung der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen und zur Änderung der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom (BGBl I S. 1687) baurechtlich genehmigt worden. Für die Prüfung baurechtlicher Vorschriften - hier des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB - misst sich die TA Lärm als an die Immissionsschutzbehörden gerichtete Verwaltungsvorschrift zwar keine Geltung bei; dass sie auch insoweit zu beachten ist, ergibt sich jedoch aus dem Baurecht, das mit dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen auf das Immissionsschutzrecht verweist.
Das Oberverwaltungsgericht hat die TA Lärm der Sache nach als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift angewandt. Es hat zwar dargelegt, dass die TA Lärm für die Beurteilung von Lärmimmissionen durch Windenergieanlagen nur als Orientierungshilfe im Rahmen der tatrichterlichen Bewertung Anwendung finde (UA S. 8); eine sich an der Anwendung der TA Lärm lediglich orientierende tatrichterliche Bewertung der Umstände des Einzelfalls hat es jedoch nicht vorgenommen.
2. Die Auslegung und Anwendung der TA Lärm durch das Oberverwaltungsgericht ist mit Bundesrecht vereinbar.
2.1 Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht den in Nr. 6.9 TA Lärm geregelten Messabschlag nicht zu Gunsten der Beigeladenen berücksichtigt. Nach dieser Regelung ist, wenn bei der Überwachung der Einhaltung der maßgeblichen Immissionsrichtwerte der Beurteilungspegel durch Messung nach den Nr. A.1.6 oder A.3 des Anhangs ermittelt wird, zum Vergleich mit den Immissionsrichtwerten nach Nr. 6 ein um 3 dB(A) verminderter Beurteilungspegel heranzuziehen. Diese Regelung über den Messabschlag nach Nr. 6.9 TA Lärm ist nicht anzuwenden, wenn auf eine Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung die auf das betreffende Gebäude einwirkenden Lärmimmissionen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch eine Messung ermittelt worden sind. Denn es handelt sich nicht um eine "Messung bei der Überwachung der Einhaltung der maßgeblichen Immissionsrichtwerte", also eine sogenannte Überwachungsmessung.
2.1.1 Dabei vermag der Senat nicht der Ansicht der Kläger zu folgen, die sich auf Stimmen in der Literatur stützen, die Regelung über den Messabschlag sei rechtswidrig und könne daher von vornherein nicht herangezogen werden. Selbst wenn der Stand der Messtechnik und insbesondere die Genauigkeit der eingesetzten Messgeräte gegenüber dem Stand bei Verabschiedung der TA Lärm 1968 im Verlauf des technischen Fortschritts wesentlich besser geworden sein sollte, verbleiben weitere Ursachen für die Unsicherheiten bei Schallmessungen (vgl. auch BVerwG 7 B 132.96 - Buchholz 406.25 § 48 BImSchG Nr. 5). Hierfür sind im Verfahren der Aufstellung der TA Lärm 1998 im Bundesrat klimatische Bedingungen ausdrücklich angeführt worden. Diese führen gerade bei Windenergieanlagen zu besonderen Schwierigkeiten, beispielsweise bei der Abgrenzung der von der Anlage ausgehenden Geräusche von durch starken Wind verursachten Fremdgeräuschen.
2.1.2 Bei der Auslegung der Regelung in Nr. 6.9 TA Lärm ist jedoch dem Tatbestandsmerkmal "bei der Überwachung" besondere Bedeutung beizumessen. Denn die vergleichbare Regelung in der TA Lärm 1968 kannte eine derartige Einschränkung nicht, sondern sah einen allgemeinen Messunsicherheitsabschlag vor (Nr. 2.422.5 Buchst. c). Mit dem bereits im Entwurf der Bundesregierung geänderten Wortlaut sollte der Messabschlag ausdrücklich auf Überwachungsmessungen beschränkt werden (BRDrucks 254/98). Der Umweltausschuss des Bundesrats setzte sich für die vollständige Abschaffung, der Wirtschaftsausschuss für die Beibehaltung der Regelung ein. Dabei führte der Wirtschaftsausschuss, dem der Bundesrat im Plenum gefolgt ist, zur Begründung u.a. aus, bei Überwachungsmessungen habe sich aufgrund von Messgerätefehlern oder klimatischen Bedingungen ein Messabschlag von 3 dB(A) in der Praxis als gerechtfertigt herausgestellt. Bei einer Streichung sei damit zu rechnen, dass die auf Überwachungsmessungen basierenden behördlichen Maßnahmen einer stärkeren gerichtlichen Überprüfung unterliegen würden (BRDrucks 254/1/98 S. 26). Dies macht deutlich, dass die Beibehaltung der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Regelung dem Bestreben dient, bei Überwachungsmessungen im Hinblick auf die Beweislast der Behörde jegliches Risiko eines rechtswidrigen Eingriffs zu vermeiden ( BVerwG 7 C 16.00 - Buchholz 406.25 § 3 BImSchG Nr. 16). Die unterschiedliche Behandlung von Messungen im Genehmigungsverfahren einerseits und Messungen im Rahmen der Überwachung andererseits ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass es für den Anlagenbetreiber eine höhere Belastung darstellt, wenn er Umbauten vornehmen oder Einschränkungen des Betriebs hinnehmen muss, nachdem er die Investitionen auf der Grundlage einer bestandskräftigen Genehmigung getätigt hat, als wenn ihm im Genehmigungsstadium Auflagen erteilt werden.
Im Genehmigungsverfahren hat hingegen der Bauherr Art und technische Merkmale der geplanten Anlage darzustellen und nachzuweisen, dass diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorruft. Wenn in dieser Hinsicht Zweifel bestehen, kann die Genehmigungsbehörde nach Maßgabe der einschlägigen Verfahrensvorschriften weitere Begutachtungen durch den Bauherrn anfordern oder selbst eine Begutachtung durch eine Fachbehörde oder einen unabhängigen Sachverständigen veranlassen. Alle diese Schritte sind dem Genehmigungsverfahren zuzurechnen, denn sie dienen der Klärung der Frage, ob eine Genehmigung zu erteilen ist oder nicht. Daran ändert sich nichts, wenn Verfahrenshandlungen der Behörde durch Einwendungen eines betroffenen Nachbarn veranlasst werden.
Wenn Messungen im Rahmen eines anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens durchgeführt werden, sind diese ebenfalls der genehmigenden und nicht der überwachenden Tätigkeit der Behörde zuzuordnen und damit in einem weiteren Sinn dem Genehmigungsverfahren zuzurechnen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das gerichtliche Verfahren durch eine Klage des die Genehmigung erstreitenden Bauherrn oder eine Klage eines die Aufhebung der Genehmigung anstrebenden Nachbarn veranlasst worden ist. In beiden Fällen geht es wie in einem behördlichen Verfahren um die Frage, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung gegeben sind.
2.2 Auch die Einwendungen der Beigeladenen, das Oberverwaltungsgericht hätte nicht auf die beim Messpunkt am Fenster vor der Küche des Wohnhauses der Kläger gewonnenen höheren Werte abstellen dürfen, bleiben ohne Erfolg. Das Berufungsgericht bezeichnet diese Küche ausdrücklich als Wohnküche, also eine Küche, die nicht lediglich der Zubereitung der Mahlzeiten, sondern auch dem sonstigen Aufenthalt der Bewohner dient. Ein derartiger Aufenthaltsraum ist als schutzbedürftiger Raum im Sinne von Nr. A.1.3 TA Lärm (in Verbindung mit der DIN 4109, Ausgabe November 1989) anzusehen.
2.2.1 Maßgeblicher Immissionsort ist nach Nr. 2.3 TA Lärm der nach Nr. A.1.3 des Anhangs zu ermittelnde Ort im Einwirkungsbereich der Anlage, an dem eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte am ehesten zu erwarten ist. Nach Nr. A.1.3 des Anhangs zur TA Lärm liegen die maßgeblichen Immissionsorte bei bebauten Flächen (wie vorliegend) 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes nach DIN 4109, Ausgabe November 1989. Diese DIN-Norm stellt auf Aufenthaltsräume ab und sieht u.a. vor, dass zu den schutzbedürftigen Räumen Schlafräume und Wohnräume einschließlich Wohndielen zählen.
2.2.2 Küchen, in denen ausschließlich die Mahlzeiten zubereitet werden, zählen allerdings nach der DIN 4109 "Schallschutz im Hochbau", Ausgabe November 1989, nicht zu den schutzbedürftigen Räumen. Sie werden vielmehr ähnlich wie Bäder und Aborte als laute Räume eingeordnet, da sie selbst Geräusche durch Wasser- und Abwasserleitungen und andere Geräte verursachen (vgl. Anmerkung 1 und 2 zu Nr. 4.1, DIN 4109, Ausgabe November 1989). Auch bei ihrem Schutz gegen Außenlärm werden geringere Anforderungen an die Luftschalldämmung durch entsprechende Außenbauteile aufgestellt (vgl. Nr. 5.2, DIN 4109, Ausgabe November 1989).
Dagegen sind Küchen, in denen zugleich die Mahlzeiten eingenommen werden oder die im Übrigen dem Wohnen und damit einer Mischnutzung dienen, für den in der TA Lärm geregelten Schutz vor Außenlärm den Wohnräumen gleichzustellen. Die Nutzer eines derartigen Aufenthaltsraums erwarten in ihm einen Schutz vor den von Anlagen nach der TA Lärm ausgehenden Beeinträchtigungen in derselben Weise, wie in anderen Wohnräumen. Daher ist es sachgerecht, auch einen vor dem Fenster einer derartigen Wohnküche liegenden Immissionspunkt (hier: MP 2) in die Beurteilung einzubeziehen.
Der TA Lärm lässt sich auch keine Einschränkung dahingehend entnehmen, dass an einem derartigen Immissionspunkt lediglich die Überschreitung des für die Tageszeit geltenden Immissionsrichtwerts maßgeblich wäre, wie die Beigeladene meint. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der TA Lärm die Vorstellung zugrunde liegt, in allen Wohn- und Schlafräumen sei nachts ein höheres Schutzniveau sicherzustellen als in der allgemein durch eine stärkere Geräuschbelastung geprägten Zeit am Tag.
2.3 Die Revision bleibt ferner ohne Erfolg, soweit sie sich gegen die vom Oberverwaltungsgericht gebilligte Vergabe eines Impulszuschlags durch den Sachverständigen wendet.
Nach Nr. 6.8 TA Lärm erfolgt die Ermittlung der Geräuschimmissionen nach den Vorschriften des Anhangs. Nach Nr. A.3.3.5 ist bei Messungen ein Zuschlag für Ton- und Informationshaltigkeit zu berücksichtigen, nach Nr. A.3.3.6 ein Zuschlag für Impulshaltigkeit. Der Gutachter hat dargelegt, die besondere Auffälligkeit des Geräusches rechtfertige vorliegend einen Impulszuschlag, auch wenn das Geräusch mehr als Amplitudenmodulation und nicht so sehr als Impuls bewertet werden könne. Dieses Vorgehen hat sich das Oberverwaltungsgericht zu eigen gemacht und zur Begründung ausgeführt, für die Zuschlagpflichtigkeit sei nicht so sehr die exakte Qualifizierung als ton-, impuls- oder informationshaltig maßgeblich, sondern die Frage, ob die Geräuschkomponenten in ihrer störenden Auffälligkeit deutlich wahrnehmbar seien. Dies habe der Gutachter in der mündlichen Verhandlung für das Rotorgeräusch ausdrücklich bestätigt. Dieses Ergebnis ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
Allerdings ist der Beigeladenen einzuräumen, dass die genannten Regelungen der TA Lärm nicht die Vergabe eines allgemeinen Lästigkeitszuschlags erlauben. Das macht auch ein Vergleich zur Vorgängerregelung deutlich, in der nicht differenziert und ein Zuschlag für "auffällige" Pegeländerungen gewährte wurde (Nr. 2.422.2 TA Lärm 1968).
Der Zuschlag für Impulshaltigkeit trägt dem Umstand Rechnung, dass in ihrer Lautstärke kurzzeitig stark zu- und wieder abnehmende Geräusche als deutlich störender empfunden werden, als Geräusche mit weitgehend gleich bleibender Lautstärke. Auslegungsmaßstab ist somit der im Hinblick auf die besonders hohe Pegeländerung außergewöhnliche Grad an Störung, der von den Geräuschen ausgeht. Eine enge Auslegung des Begriffs der Impulshaltigkeit würde diesem Ziel nicht gerecht. Somit ist eine Impulshaltigkeit nicht lediglich in den häufig erwähnten extremen Fällen eines Hammerschlags, Peitschenknalls oder Pistolenschusses anzunehmen.
Es ist Aufgabe der Tatsachengerichte, zu überprüfen, ob Windenergieanlagen - oder bestimmte Typen von Windenergieanlagen - Geräusche hervorrufen, die im Hinblick auf ihre außergewöhnliche Störwirkung die Vergabe eines Impulszuschlags rechtfertigen. Dem Urteil des Berufungsgerichts lässt sich nichts dafür entnehmen, dass es seiner nach sachverständiger Beratung gewonnenen Überzeugung ein rechtlich fehlerhaftes Rechtsverständnis zugrunde gelegt hätte. Dem steht auch nicht entgegen, dass andere Tatsachengerichte für die von ihnen zu beurteilenden Anlagen und örtlichen Verhältnisse die Vergabe eines Impulszuschlags im Ergebnis nicht als gerechtfertigt angesehen haben.
2.4 Auf die von der Revision schließlich angesprochene Frage, ob die in Nr. 7.2 TA Lärm enthaltene Bestimmung über sogenannte seltene Ereignisse auch herangezogen werden kann, wenn außergewöhnliche meteorologische Verhältnisse (hier hohe Windstärken) nur an wenigen Tagen zu besonders hohen Geräuschbelastungen führen, kommt es nicht an. Denn das Berufungsgericht ist ohne Verstoß gegen Bundesrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass auf das Küchenfenster (vgl. hierzu oben 2.2) in mehr als zehn Nächten eines Jahres Geräusche einwirken, die den Beurteilungspegel überschreiten (UA S. 9 und 14).
2.5 Auch die Verfahrensrüge der Beigeladenen, das vom Berufungsgericht erhobene Sachverständigengutachten sei unverwertbar, greift nicht durch. Die Beigeladene verweist auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach ein Gutachten nicht verwertbar ist, wenn es unvollständig, widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht überzeugend ist, wenn es auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen beruht, wenn Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des erstbeauftragten Sachverständigen bestehen, wenn ein anderer Sachverständiger über neuere oder überlegene Forschungsmittel verfügt oder wenn die Erkenntnisse, die in dem vorliegenden Gutachten ihren Niederschlag gefunden haben, durch substantiierte Einwände eines Beteiligten oder durch die übrige Ermittlungstätigkeit des Gerichts ernsthaft in Frage gestellt erscheinen (vgl. BVerwG 4 B 1.92 - 11.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89; BVerwG 4 A 70.01 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 10). Die Revision belegt jedoch keinen dieser Gründe, sondern wiederholt lediglich ihre sachlichen Einwände gegen die Ergebnisse des vom Gericht eingeholten Gutachtens, die sie bereits im Verfahren vor dem Berufungsgericht vorgetragen hat.
Das Oberverwaltungsgericht hat vor dem Hintergrund der geäußerten Bedenken den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung angehört und den Beteiligten Gelegenheit gegeben, ihn zu befragen. In einer derartigen Situation hätte die Beigeladene die weitere (vermeintliche) Nichtverwertbarkeit des Gutachtens in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich rügen und ihre Bedenken näher darlegen müssen. Denn die Verfahrensrüge dient nicht dazu, um Versäumnisse in der Tatsacheninstanz zu kompensieren. Im Übrigen obliegt jedenfalls die Verwertung eines Gutachtens, das wie hier in Kenntnis der besonderen Probleme von komplexen Schallmessungen und schwierig zu beurteilenden meteorologischen Bedingungen zustande gekommen ist, dem Tatsachengericht und kann nicht lediglich unter Hinweis auf Gegenansichten anderer Quellen zum Gegenstand einer Verfahrensrüge erhoben werden. Soweit die Beigeladene die gerichtliche Würdigung der Fremdgeräuschkorrektur angreift, kommt noch hinzu, dass das Oberverwaltungsgericht es angesichts des aktenkundigen Verhaltens der Beigeladenen und der Herstellerfirma als durchaus nachvollziehbar ansehen durfte, dass die von der Revision geforderten Voraussetzungen für eine weitere Messung - nämlich das vorherige Abschalten der Windenergieanlagen - "mit kaum bewältigbaren Schwierigkeiten" verbunden gewesen wäre (UA S. 12).
3. Ob eine immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlage, die schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG hervorrufen kann, im Außenbereich stets unzulässig ist, oder ob ihr öffentliche Belange nur entgegenstehen, wenn sie auch nach § 22 Abs. 1 BImSchG so nicht errichtet und betrieben werden dürfte, kann dahinstehen. Denn hier durften die von der Windenergieanlage der Beigeladenen ausgehenden Geräuscheinwirkungen den Klägern auch nach § 22 Abs. 1 BImSchG nicht zugemutet werden. Nach dieser Vorschrift sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind (Nr. 1); nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen sind auf ein Mindestmaß zu beschränken (Nr. 2). Schädliche Geräuscheinwirkungen durch Windenergieanlagen können, soweit sie nach dem Stand der Technik nicht durch technische Vorkehrungen vermeidbar sind, jedenfalls durch Einhaltung ausreichender Schutzabstände zu benachbarten Wohnhäusern beschränkt (Nr. 4.3 TA Lärm) und dadurch im Ergebnis auch vermieden werden. Anhaltspunkte, die hier eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt.
4. Das Oberverwaltungsgericht war auch nicht gehalten, die Baugenehmigung nur insoweit aufzuheben, als der Betrieb bei Nacht erlaubt wird. Zwar können Betriebsbeschränkungen grundsätzlich geeignet sein, schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern. Nachdem die Beigeladene auf eine Anfrage des Gerichts vom nach der Möglichkeit einer vergleichsweisen Einigung (und Vermeidung hoher Gutachterkosten) geantwortet hatte, eine Nachtabschaltung der Windenergieanlage komme für sie nicht in Betracht, da sie betriebswirtschaftlich betrachtet dem Abbau der Anlage gleich zu setzen sei, bestand jedoch keine Veranlassung, der Frage einer Teilaufhebung der Baugenehmigung weiter nachzugehen. Im Übrigen ist es auch bei Windenergieanlagen grundsätzlich Sache des Bauherrn, näher darzustellen, welches Vorhaben (Errichtung und Betrieb) genehmigt werden soll. Der vorliegende Fall bietet indes keinen Anlass, dies weiter zu vertiefen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 7 500 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
ZAAAC-63771