Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls
Leitsatz
§ 46 StBerG geht bei Vorliegen des Vermögensverfalls des Steuerberaters grundsätzlich davon aus, dass dadurch die Interessen seiner Auftraggeber gefährdet sind und gestattet nur in Ausnahmefällen ein Absehen von dem gebotenen Widerruf der Bestellung; aus diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis folgt zugleich, dass die Darlegungs- und Feststellungslast für diesen gesetzlichen Ausnahmetatbestand dem betroffenen Steuerberater obliegt. Die für den Widerruf geltende Frist gem. § 164a Abs. 1 StBerG i. V. mit § 131 Abs. 2 Satz 2, § 130 Abs. 3 AO beginnt nicht bereits mit der Kenntnis der Steuerberaterkammer vom Eintritt des Vermögensverfalls zu laufen, sondern erst dann, wenn die Steuerberaterkammer zu der Überzeugung gelangt ist, dass dem betroffenen Steuerberater der Nachweis nicht gelungen ist, dass die Interessen seiner Auftraggeber durch den Vermögensverfall nicht gefährdet sind. Es ist verfassungsrechtlich geklärt, dass weder Art. 19 Abs. 4 GG noch das allgemeine Rechtsstaatsprinzip mehr als eine gerichtliche Instanz gewährleisten. Dafür, dass in berufsrechtlichen Streitigkeiten von Steuerberatern dem Steuerberater zwei Tatsacheninstanzen eröffnet sein müssen, damit er entscheidungserhebliche Tatsachen, die vorzubringen in der ersten Instanz versäumt worden ist, in der zweiten Instanz vortragen kann, gibt es jedenfalls keinen verfassungsrechtlichen Anhaltspunkt.
Gesetze: StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4
Instanzenzug:
Gründe
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes —StBerG—) durch den Bescheid der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) vom als unbegründet abgewiesen. Das FG hat die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung als Steuerberater als gegeben angesehen, da der Kläger im Zeitpunkt des Widerrufs mit mehreren Haftbefehlen in das Schuldnerverzeichnis eingetragen gewesen und die daraus folgende Vermutung des Vermögensverfalls vom Kläger nicht widerlegt worden sei. Der Kläger habe auch nicht den Nachweis erbracht, dass in seinem Fall ausnahmsweise eine Gefährdung der Interessen der Auftraggeber durch den Vermögensverfall ausgeschlossen sei. Vielmehr ergebe sich im Streitfall eine konkrete Gefährdung von Auftraggeberinteressen aus dem Umstand, dass der Kläger über einen längeren Zeitraum Lohn- und Umsatzsteuer sowie Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt und keine Berufshaftpflichtversicherung unterhalten habe. Auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung hätten der Vermögensverfall und die daraus folgende Vermutung der Gefährdung von Auftraggeberinteressen fortbestanden.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf sämtliche Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützt.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.
1. Soweit sich dem Beschwerdevorbringen die Bezeichnung konkreter Rechtsfragen entnehmen lässt, sind diese jedenfalls nicht grundsätzlich klärungsbedürftig (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
a) Es ist verfassungsrechtlich geklärt, dass weder Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes noch das allgemeine Rechtsstaatsprinzip mehr als eine gerichtliche Instanz gewährleisten; vielmehr ist es Aufgabe des Gesetzgebers, das Rechtsschutzsystem näher auszuformen und insbesondere die prozessualen Voraussetzungen für Rechtsmittel und Rechtsbehelfe festzulegen (vgl. und 1, 2, 3, 4/87 und 1 BvR 1421/86, BVerfGE 92, 365, 410; , BVerfGE 107, 395). Die Beschwerde vertritt zwar die Ansicht, dass dies in berufsrechtlichen Streitigkeiten von Steuerberatern verfassungsrechtlich anders zu beurteilen sei; es fehlt jedoch an Darlegungen, ob und weshalb es sich hierbei um eine rechtlich zweifelhafte und in Literatur und/oder Rechtsprechung umstrittene Frage handelt, welche eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) in einem Revisionsverfahren erfordert. Im Übrigen ist gegen Urteile der FG —wenn auch erst nach Zulassung— die Revision gegeben. Für die Auffassung der Beschwerde, dass dem Steuerberater außerdem zwei Tatsacheninstanzen eröffnet sein müssten, damit er entscheidungserhebliche Tatsachen, die vorzubringen in der ersten Instanz versäumt worden ist, in der zweiten Instanz vortragen könne, gibt es jedenfalls keinen verfassungsrechtlichen Anhaltspunkt.
b) Die im Zusammenhang mit dem sog. Entlastungsbeweis stehenden Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des beschließenden Senats ebenfalls geklärt. Bei einem Vermögensverfall des Steuerberaters sieht § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG den Widerruf der Bestellung zwingend vor, es sei denn, die Interessen der Auftraggeber sind dadurch nicht gefährdet. Das Gesetz geht damit beim Vorliegen des Vermögensverfalls des Steuerberaters grundsätzlich davon aus, dass dadurch die Interessen seiner Auftraggeber gefährdet sind und gestattet nur in Ausnahmefällen („es sei denn”) ein Absehen von dem gebotenen Widerruf der Bestellung; aus diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis folgt zugleich, dass die Darlegungs- und Feststellungslast für diesen gesetzlichen Ausnahmetatbestand dem betroffenen Steuerberater obliegt (Senatsurteil vom VII R 43/92, BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203; Senatsbeschluss vom VII B 245/99, BFH/NV 2000, 992). Erforderlich ist ein substantiierter und glaubhafter Vortrag, aufgrund dessen mit hinreichender Gewissheit die grundsätzlich beim Vermögensverfall zu unterstellende Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass der Steuerberater seine Berufspflichten unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird (Senatsurteil vom VII R 68/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2000, 741; Senatsbeschluss vom VII R 21/02, BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016). Die Beantwortung der Frage, ob dieser Entlastungsbeweis gelungen ist, erfordert eine dem Tatrichter vorbehaltene zusammenfassende Beurteilung der komplexen Verhältnisse des Einzelfalls, bei der eine Reihe gesetzlich nicht abschließend festgelegter Kriterien zu berücksichtigen ist, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Möglichkeit einer Gefährdung von Auftraggeberinteressen sprechen können; diese Tatsachenwürdigung kann revisionsrechtlich nur daraufhin überprüft werden, ob das FG von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen, seine Entscheidung insoweit nachvollziehbar begründet und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist (ständige Rechtsprechung, Senatsurteile in BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203, und in HFR 2000, 741; Senatsbeschlüsse vom VII B 79/02, BFH/NV 2004, 90, und in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016).
Im Streitfall hat das FG ausführlich und nachvollziehbar begründet, weshalb es in Anbetracht des Verhaltens des Klägers in der Vergangenheit, insbesondere seiner Unzuverlässigkeit in eigenen steuerlichen Angelegenheiten und bei der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen (vgl. dazu Senatsurteil in HFR 2000, 741; Senatsbeschluss in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016), sowie in Anbetracht des Fehlens einer Berufshaftpflichtversicherung über einen Zeitraum von mehreren Monaten eine Gefährdung von Auftraggeberinteressen durch den weiterhin andauernden Vermögensverfall des Klägers als nicht ausgeschlossen angesehen hat. Die Beschwerde würdigt insoweit die Tatsachen anders, als es das FG getan hat, und verweist darauf, dass der Kläger in der Vergangenheit seine Schuldenlast in erheblichem Umfang abgetragen habe, zeigt jedoch keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf.
c) Anders als die Beschwerde meint, ist im Streitfall trotz des mit dem Beschwerdevorbringen hervorgehobenen Umfangs der bisherigen Schuldentilgung vom Vermögensverfall des Klägers auszugehen. Wegen der Eintragung des Klägers in das Schuldnerverzeichnis ist nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG der Vermögensverfall zu vermuten. Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger diese Vermutung nicht zu widerlegen vermocht, da er —so das FG— weder dargelegt noch glaubhaft gemacht habe, wie er seine Verbindlichkeiten innerhalb absehbarer Zeit werde tilgen können. Vielmehr sei in Anbetracht der während des Widerrufsverfahrens noch angestiegenen Anzahl der im Schuldnerverzeichnis eingetragenen Haftbefehle und des Umstands, dass der Kläger im Verfahren verschiedene Forderungen nicht bei Fälligkeit, sondern erst bei drohenden Insolvenzanträgen beglichen habe, davon auszugehen, dass der Kläger nicht in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebe, sondern sich gezwungen sehe, nur die drängendsten Forderungen zu erfüllen, und wegen anderer Forderungen Vollstreckungsmaßnahmen in Kauf nehme. Wenn die Beschwerde dies anders sieht, so wendet sie sich wiederum nur gegen die Tatsachenwürdigung des FG, legt indes keine Gründe für die Zulassung der Revision dar. Für die Ansicht der Beschwerde, dass ein Vermögensverfall nur vorliege, wenn eine Tendenz zum Anwachsen der Verbindlichkeiten festgestellt werden könne, gibt das Gesetz keinen Anhalt. Soweit behauptet wird, dass dem Kläger von Seiten der Sparkasse nunmehr wieder ein Kredit eingeräumt werde, weshalb er zwischenzeitlich einen Anspruch auf Wiederbestellung erlangt habe, handelt es sich um im vorliegenden Beschwerdeverfahren unzulässiges neues tatsächliches Vorbringen.
d) Geklärt ist schließlich auch, dass die für den Widerruf geltende Frist gemäß § 164a Abs. 1 StBerG i.V.m. §§ 131 Abs. 2 Satz 2, 130 Abs. 3 der Abgabenordnung nicht bereits mit der Kenntnis der Steuerberaterkammer vom Eintritt des Vermögensverfalls zu laufen beginnt, sondern erst dann, wenn die Steuerberaterkammer zu der Überzeugung gelangt ist, dass dem betroffenen Steuerberater der Nachweis nicht gelungen ist, dass Interessen seiner Auftraggeber durch den Vermögensverfall nicht gefährdet sind (Senatsbeschluss vom VII B 35/02, BFH/NV 2002, 1499). Wenn das FG im Streitfall geurteilt hat, der früheste Zeitpunkt des Fristbeginns sei im August 2005 gewesen, und die Beschwerde demgegenüber meint, dass die Frist zu einem früheren Zeitpunkt zu laufen begonnen habe, so wendet sie sich gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann.
2. Da der Streitfall keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen aufwirft, ist auch der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) nicht gegeben. Zum Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) fehlt es an jeglichen Darlegungen der Beschwerde.
3. Die geltend gemachten Verfahrensfehler sind ebenfalls nicht schlüssig dargelegt bzw. liegen nicht vor.
a) Zur schlüssigen Darlegung des Verfahrensmangels eines vom FG übergangenen Beweisantrags gehört nach ständiger Rechtsprechung (u.a.) auch der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727, und , BFH/NV 1998, 608). An entsprechenden Darlegungen der Beschwerde fehlt es im Streitfall; auch aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG ergibt sich kein Hinweis, dass der Kläger Beweisanträge gestellt oder das Übergehen zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisanträge gerügt hat. Vielmehr haben der Kläger und sein Bevollmächtigter nach der Abgabe des Sachberichts und der Erörterung der Sach- und Rechtslage rügelos zur Sache verhandelt und den Klageantrag gestellt. Auf die Rüge ist damit wirksam verzichtet worden, so dass die Beschwerde schon deshalb keinen Erfolg haben kann.
b) Die schlüssige Darlegung des Verfahrensmangels einer Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) erfordert Angaben, welche Tatsachen das FG mit welchen Beweismitteln noch hätte aufklären sollen und weshalb sich dem FG eine Aufklärung unter Berücksichtigung seines —insoweit maßgeblichen— Rechtsstandpunktes hätte aufdrängen müssen, obwohl der Kläger selbst keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat; schließlich, welches genaue Ergebnis die Beweiserhebung hätte erwarten lassen und inwiefern dieses zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. Senatsurteil vom VII R 152/97, BFHE 191, 140, BStBl II 2000, 93). Auch solche Darlegungen lässt die Beschwerde vermissen. Nach Auffassung des FG kam es auf die Werte einzelner Gegenstände des klägerischen Vermögens nicht an, da es an der Darlegung der gesamten Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers fehlte, der Kläger insbesondere kein vollständiges Vermögensverzeichnis und keine Übersicht über seine laufenden Einnahmen und Ausgaben vorgelegt hatte. Wenn die Beschwerde demgegenüber meint, die Vermögenswerte sowie die Verbindlichkeiten des Klägers im Verfahren ausreichend dargelegt zu haben, stellt sie der Tatsachenwürdigung des FG lediglich ihre eigene Würdigung entgegen, bezeichnet aber keinen Verfahrensmangel.
c) Anders als die Beschwerde meint, hat das FG insoweit auch seine Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 FGO) nicht verletzt. Vielmehr ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass dem Kläger vom FG mehrfach, zum Teil unter Fristsetzung, aufgegeben worden ist, ein vollständiges Vermögensverzeichnis über sämtliche Vermögenswerte und Schulden sowie über die laufenden Einnahmen und Ausgaben vorzulegen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 116 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2007 S. 4248
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2008 S. 15
StuB-Bilanzreport Nr. 9/2008 S. 366
ZAAAC-63035