BVerfG Beschluss v. - 2 BvR 126/04

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: GG Art. 1; GG Art. 3; GG Art. 4; GG Art. 5; GG Art. 5 Abs. 2; GG Art. 9; GG Art. 14; GG Art. 19; GG Art. 19 Abs. 4; GG Art. 20; GG Art. 25; GG Art. 101; GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2; GG Art. 103; BVerfGG § 90 Abs. 1

Instanzenzug: OVG Nordrhein-Westfalen 20 A 3536/03 vom VG Düsseldorf 15 K 2245/00 vom

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Berücksichtigung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK) und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte durch die Verwaltungsgerichte.

I.

1. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin mehrerer zusammenhängender Grundstücke, die sie als Koppel und Abreiteplatz für Pferde nutzt. Da die Grundstücke keine zusammenhängende Fläche von mehr als 75 Hektar bilden, stellen sie in jagdrechtlicher Hinsicht keinen eigenen Jagdbezirk dar, sondern sind kraft Gesetzes Teil eines gemeinschaftlichen Jagdbezirks (vgl. §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 Bundesjagdgesetz - BJagdG). Die Beschwerdeführerin ist gemäß § 9 Abs. 1 BJagdG automatisch Mitglied der örtlichen Jagdgenossenschaft geworden, bei der es sich nach § 7 Abs. 1 des Landesjagdgesetzes Nordrhein-Westfalen (LJG-NRW) um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt. Innerhalb gemeinschaftlicher Jagdbezirke steht die Ausübung des Jagdrechts den Jagdgenossenschaften zu. Dies gilt nur dann nicht, wenn es sich bei den betroffenen Grundstücken um einen "befriedeten Bezirk" handelt, in dem nach § 6 S. 1 BJagdG die Jagd ruht (vgl. Metzger, in: ders./Lorz/Stöckel <Hrsg.>, Jagdrecht/Fischereirecht, 3. Aufl. 1998, § 6 BJagdG Rn. 4). Wann dies der Fall ist, richtet sich nach den Bestimmungen des Landesrechts. Das insoweit einschlägige Landesjagdgesetz Nordrhein-Westfalen sieht neben kraft Gesetzes befriedeten Grundstücken (§ 4 Abs. 1 LJG-NRW), zu denen unter anderem Hofräume und Hausgärten zählen, in § 4 Abs. 2 LJG-NRW nur eine im Ermessen der Behörde stehende Befriedung solcher Grundstücke vor, die gegen das Ein- und Auswechseln von Wild dauerhaft abgeschirmt sind.

2. Im Herbst 1999 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Befriedung ihrer Grundstücke sowie einer Fläche um diese herum gemäß § 4 Abs. 2 LJG-NRW. Gleichzeitig beantragte sie ihr Ausscheiden aus der örtlichen Jagdgenossenschaft. Zur Begründung berief sie sich auf eine gegen Frankreich ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urteil vom - 25088/94, 28331/95 u. 28443/95 <Chassagnou u.a. / Frankreich>, NJW 1999, S. 3695 ff.), in welcher der Gerichtshof festgestellt hatte, dass die Zwangsmitgliedschaft von Grundeigentümern in den französischen kommunalen Jagdverbänden sowie die damit einhergehende Pflicht zur Duldung der Jagd nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar seien.

Die zuständigen Behörden lehnten die Anträge der Beschwerdeführerin ab, da die Voraussetzungen einer Befriedung gemäß § 4 Abs. 2 LJG-NRW nicht vorlägen. Die betroffenen Flächen seien nicht in einer Weise umzäunt, dass ein Ein- und Auswechseln von Wild ausgeschlossen sei. Die gegen die Bescheide erhobenen Widersprüche blieben erfolglos.

Mit ihrer Klage zum Verwaltungsgericht beantragte die Beschwerdeführerin die Feststellung, dass ihre Grundstücke gemäß § 4 Abs. 1 LJG-NRW kraft Gesetzes befriedet seien, hilfsweise die Verurteilung der Behörde zur Befriedung der Grundstücke gemäß § 4 Abs. 2 LJG-NRW. Mit Urteil vom wies das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet ab. Die Grundstücke unterlägen keinem gesetzlichen Befriedungstatbestand im Sinne von § 4 Abs. 1 LJG-NRW. Auch die Ablehnung einer Befriedung gemäß § 4 Abs. 2 LJG-NRW sei rechtmäßig gewesen. Insbesondere verletze die Pflicht, die Jagd auf ihren Grundstücken zu dulden, die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 14 GG. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall "Chassagnou" gebe keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung. Die dort getroffenen Feststellungen beruhten auf rechtlichen Erwägungen, die im Hinblick auf die strukturellen Unterschiede zwischen deutschem und französischem Jagdrecht nicht auf die hier relevante Lage übertragbar seien.

Daraufhin beantragte die Beschwerdeführerin beim Oberverwaltungsgericht die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a VwGO. Zur Begründung führte sie an, dass das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte missachtet habe. Das Oberverwaltungsgericht wies den Zulassungsantrag zurück. Es fehle an einer konkreten Auseinandersetzung mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts und an einer Darlegung, welcher der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO erfüllt sei. Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall "Chassagnou" gebührend berücksichtigt, indem es sie bei der Auslegung und Anwendung des deutschen Rechts in den Blick genommen habe.

II.

Mit ihrer fristgemäß eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 1, Art. 3, Art. 4, Art. 5 Abs. 2, Art. 9, Art. 14, Art. 19, Art. 20 in Verbindung mit Art. 25, Art. 101 und Art. 103 GG. Das Oberverwaltungsgericht habe an die Zulassung der Berufung höhere Anforderungen gestellt, als dies von Gesetzes wegen nach § 124 VwGO vorgesehen sei. Damit habe es gegen Art. 3, Art. 19 und Art. 20 GG verstoßen. Indem es ihren diesbezüglichen Vortrag im Rahmen der Entscheidung über die Zulassung der Berufung nicht berücksichtigt habe, sei die Beschwerdeführerin zudem in ihrem Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden. In der Sache verkörpere die Pflicht zur Duldung der Jagdausübung einen verfassungswidrigen enteignungsgleichen Eingriff. Weder mit Art. 101 Abs. 1 GG noch mit Art. 20 GG in Verbindung mit Art. 25 GG sei vereinbar, dass sich das Oberverwaltungsgericht infolge der Nichtzulassung der Berufung die Letztentscheidung über eine Rechtsfrage angemaßt habe, die von der Europäischen Menschenrechtskonvention als innerstaatlich geltendem Recht erfasst werde und vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Fall "Chassagnou" abweichend gewürdigt worden sei.

III.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht erfüllt sind. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sowohl die Bindung der Fachgerichte an die Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention als auch die Voraussetzungen der verfassungsunmittelbaren Pflicht zur Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind in der Senatsrechtsprechung hinreichend geklärt (vgl. BVerfGE 74, 358 ff.; 111, 307 ff.). Gleiches gilt für die verfassungsrechtlichen Grenzen der Nichtzulassung der Berufung (vgl. BVerfGE 110, 77 <83 f.>). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat. Sie ist bereits unzulässig, soweit sie sich gegen die Bescheide der Verwaltungsbehörden wendet oder eine Verletzung der Art. 1, 3, 4, 5, 9, 14, 20, 25 und 103 GG rügt. Hinsichtlich der ebenfalls geltend gemachten Verstöße gegen die Rechte aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.

1. a) Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Bescheide der Verwaltungsbehörden wendet, genügt sie schon deshalb nicht den Begründungsanforderungen der §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG, weil die Beschwerdeführerin diese Bescheide weder vorgelegt noch ihren Inhalt in einer Weise wiedergegeben hat, die eine Beurteilung erlaubt, ob sie mit dem Grundgesetz in Einklang stehen oder nicht (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>; 93, 266 <288>).

b) Auch die Rüge der Verletzung der Art. 1, 3, 4, 5, 20, 25 und 103 GG entspricht nicht den Anforderungen, die an die hinreichende Substantiiertheit einer Verfassungsbeschwerde zu stellen sind (vgl. §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).

aa) Beruft sich ein Beschwerdeführer auf die Gewissensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG, muss die Verfassungsbeschwerde eine hinreichend sichere Annahme vermitteln, dass tatsächlich ein Gewissenskonflikt besteht (BVerfGE 69, 1 <46 f.>). Dies impliziert, dass die Beweggründe für die behauptete Gewissensentscheidung dargelegt werden. Vorliegend erschöpft sich der Vortrag der Beschwerdeführerin jedoch in der pauschalen Behauptung, dass sie der Tötung wildlebender Tiere aus Gewissensgründen entgegentrete. Auf der Grundlage dieser Einlassung kann nicht beurteilt werden, ob der Ablehnung der Jagd wirklich eine ernste sittliche, das heißt an den Kategorien von Gut und Böse orientierte Entscheidung der Beschwerdeführerin, die sie als für sich bindend und unbedingt verpflichtend empfindet (vgl. BVerfGE 12, 45 <55>), zugrunde liegt, oder ob ihre Behauptung lediglich Ausdruck einer von Art. 4 Abs. 1 GG nicht erfassten ernsthaften und nachdrücklichen Auffassung von guter politischer Ordnung und Vernunft ist (vgl. BVerfGE 48, 127 <174>).

bb) Mangels jedweden Vortrags ist auch nicht erkennbar, inwiefern die Beschwerdeführerin durch die Pflicht zur Duldung der Jagd auf ihren Grundstücken in ihren Rechten aus Art. 1, Art. 3 und Art. 5 GG betroffen sein könnte. Im Hinblick auf Art. 20 in Verbindung mit Art. 25 GG fehlt es von vornherein an der Möglichkeit einer Verletzung in rügefähigen Rechten, vgl. § 90 Abs. 1 BVerfGG.

cc) Soweit die Beschwerdeführerin ferner eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 GG rügt, fehlt es ebenfalls an hinreichend substantiierten Darlegungen. Die Beschwerdeführerin begnügt sich damit, pauschal zu behaupten, das Oberverwaltungsgericht habe sich mit ihrem Vortrag zu angeblichen Verfahrensfehlern des Verwaltungsgerichts nicht auseinandergesetzt. Dies ist angesichts der entsprechenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts nicht nachvollziehbar. Die ebenfalls im Rahmen der Rüge einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG aufgeworfene Frage, ob das Oberverwaltungsgericht die Anforderungen an die Zulassung der Berufung in verfassungsrechtlich relevanter Weise überdehnt hat, betrifft nicht den Schutzbereich des Rechts auf rechtliches Gehör. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass insoweit nicht Art. 103 Abs. 1 GG, sondern Art. 19 Abs. 4 GG den Maßstab für die Verfassungsmäßigkeit einer gerichtlichen Entscheidung bildet (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des -, NVwZ 2001, S. 552 f.). Ob die vorliegend angegriffenen Entscheidungen diesem Maßstab genügen, ist eine Frage der Begründetheit der Verfassungsbeschwerde.

c) Auch im Hinblick auf die Rüge einer Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig.

aa) Mit Gesetz vom (BGBl 1952 II S. 685) hat der Bundesgesetzgeber der Europäischen Menschenrechtskonvention gemäß Art. 59 Abs. 2 GG zugestimmt und sie damit in das deutsche Recht transformiert und einen entsprechenden Rechtsanwendungsbefehl erteilt. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung stehen die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle - soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sind - im Range eines Bundesgesetzes (BVerfGE 74, 358 <370>; 82, 106 <120>; 111, 307 <317>). Als solches geht die Konvention gemäß Art. 31 GG dem Landesrecht vor. Sie ist daher nicht nur Auslegungshilfe für die Grundrechte (BVerfGE 74, 358 <370>) und das einfache Bundesrecht (zur konventionsgemäßen Auslegung von Bundesgesetzen vgl. BVerfGE 111, 307 <317, 329>), sondern zugleich unmittelbarer Prüfungsmaßstab für das Landesrecht. Ist eine Norm des Landesrechts streitentscheidend und bestehen Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, muss das Gericht die in nationales Recht umgesetzten Konventionsrechte - vorbehaltlich ihrer Vereinbarkeit mit den Grundrechten - demnach unmittelbar als Prüfungsmaßstab heranziehen.

Bei der Auslegung der einschlägigen Konventionsbestimmungen müssen die Fachgerichte die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte berücksichtigen, weil sich in ihr der aktuelle Entwicklungsstand der Konvention und ihrer Protokolle widerspiegelt. Urteile, die gegenüber anderen Vertragsstaaten ergangen sind, sind für die Bundesrepublik Deutschland zwar nicht bindend (vgl. Art. 46 EMRK). Der Auslegung der Konvention durch den Gerichtshof ist jedoch über den entschiedenen Einzelfall hinaus eine normative Leitfunktion beizumessen, an der sich die Vertragsparteien zu orientieren haben (vgl. BVerfGE 111, 307 <320>; BVerwGE 110, 203 <210>). So sind die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Abwägung berücksichtigten Aspekte in die rechtliche Würdigung, namentlich in die Verhältnismäßigkeitsprüfung, einzubeziehen, und es hat eine Auseinandersetzung mit den vom Gerichtshof gefundenen Abwägungsergebnissen stattzufinden (Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des -, NVwZ 2004, S. 852 <853>; BVerfGE 111, 307 <324>; zur Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall "Chassagnou" vgl. -, NVwZ 2006, S. 92 <93 f.>).

bb) Vorliegend kommt es allerdings nicht darauf an, ob die angegriffenen Gerichtsentscheidungen, gemessen an diesem Maßstab, mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Denn auch mit Blick auf die gerügte Verletzung von Art. 14 GG ist bereits zweifelhaft, ob die Verfassungsbeschwerde den Substantiierungsanforderungen der §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG genügt. Diese setzen eine ins Einzelne gehende argumentative Auseinandersetzung mit den Gründen der angegriffenen Entscheidungen voraus (vgl. Magen, in: Umbach/Clemens/Dollinger <Hrsg.>, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 92 Rn. 48). Der Beschwerdeführer muss sich mit den tragenden Erwägungen der angegriffenen Entscheidungen befassen und ihnen eigene Argumente entgegensetzen (vgl. Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats des -, JURIS; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des -, JURIS).

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass sich das Verwaltungsgericht nicht mit der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beschäftigt habe. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil jedoch durchaus auf die "Chassagnou"-Entscheidung des Gerichtshofs Bezug genommen und ausgeführt, dass diese wegen bestimmter Unterschiede zwischen der deutschen und der französischen Rechtslage nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden könne. Hiermit hat sich die Beschwerdeführerin nicht auseinandergesetzt. Sie hat weder dargelegt, dass die genannten Unterschiede nicht bestünden, noch dass etwaige Unterschiede die Schlussfolgerungen des Gerichts nicht trügen. Ihre Rüge erschöpft sich insofern in der pauschalen Behauptung, das Verwaltungsgericht habe das deutsche Jagdrecht grund- und menschenrechtlich im Ergebnis anders beurteilt als der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das französische Jagdrecht. Hieraus ergibt sich indes noch nicht die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung.

Hinsichtlich des Nichtzulassungsbeschlusses des Oberverwaltungsgerichts hat sich die - anwaltlich vertretene - Beschwerdeführerin weder mit den vom Gericht angeführten Gründen befasst, noch sich auch nur ansatzweise mit der im Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde existierenden Judikatur zur Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für die deutschen Fachgerichte (vgl. etwa BVerfGE 74, 358 ff.; BVerwGE 110, 203 ff.; -, NVwZ 2002, S. 87 ff.) sowie der insoweit einschlägigen Fachliteratur (vgl. Ress, in: Maier <Hrsg.>, Europäischer Menschenrechtsschutz, 1982, S. 227 ff.) auseinandergesetzt. Dies wäre nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts indes erforderlich gewesen (vgl. BVerfGE 88, 382 <384>; Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats des -, NJW 1997, S. 1433, vom - 2 BvR 673/96 u.a. -, NJW 1997, S. 1433 <1434>, sowie vom - 2 BvR 1957/98 -, NJW 1999, S. 1856 <1857>).

cc) Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass die Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der Rüge des Art. 14 GG den Begründungsanforderungen der §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG entspricht, steht ihr insoweit jedenfalls der Grundsatz der materiellen Subsidiarität entgegen (vgl. § 90 Abs. 2 BverfGG).

(1) Dieser Grundsatz verlangt, dass die behauptete Grundrechtsverletzung vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde in allen nach Lage der Sache in Betracht kommenden fachgerichtlichen Verfahren geltend gemacht wurde (vgl. BVerfGE 70, 180 <186>). Bei Verfassungsbeschwerden gegen Urteile der Verwaltungsgerichte, in denen die Berufung nicht zugelassen wurde, muss ein Beschwerdeführer hinsichtlich seines Antrags auf Zulassung der Berufung deshalb das ihm Zumutbare tun und namentlich die Zulassungsgründe gemäß §§ 124 Abs. 2, 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO darlegen, etwa indem er hinreichende Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung schlüssig aufzeigt (vgl. BVerfGE 110, 77 <83 f.>). Mit Beschluss vom hat das Bundesverfassungsgericht zwar festgestellt, dass die Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens nach den für die einzelnen Gerichtszweige maßgeblichen Verfahrensordnungen grundsätzlich nicht gehalten sind, Rechtsausführungen zu machen. Es hat von diesem Grundsatz jedoch ausdrücklich den Fall ausgenommen, dass das einfache Verfahrensrecht - wie bei der Beschwerde gegen die Nichtzulassung eines Rechtsmittels - rechtliche Darlegungen verlangt (vgl. BVerfGE 112, 50 <60>). Hinreichende Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind dargelegt, wenn in der Begründung des Zulassungsantrags ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des erstinstanzlichen Urteils mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BVerfGE 110, 77 <83>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des -, NVwZ 2000, S. 1163 <1164>).

Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Zulassungsantrags seitens der Beschwerdeführerin nicht. Insbesondere hat sie den tragenden Rechtssatz des erstinstanzlichen Urteils, die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall "Chassagnou" sei wegen bestimmter Unterschiede zwischen dem deutschen und dem französischen Jagdrecht nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, nicht mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt. Sie hat sich damit begnügt, pauschal auf die völkerrechtliche Bindungswirkung der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie die angeblich fehlende Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte durch das Verwaltungsgericht zu verweisen.

(2) Die Beschwerdeführerin hat ferner in keinem ihrer Schriftsätze aus dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren verfassungsrechtliche Erwägungen und Bedenken vorgetragen. Die bloße Behauptung, die Jagdausübung auf fremden Grundstücken sei verfassungswidrig, lässt mangels näherer Darlegungen keine hinreichende verfassungsrechtliche Relevanz erkennen. Davon abgesehen hat sie vor den Fachgerichten weder auf konkrete Grundrechte noch auf die verfassungsrechtliche Verankerung der Pflicht zur Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Bezug genommen. Ihre Ausführungen zur Menschenrechtskonvention beschränken sich auf einen Hinweis auf die völkerrechtliche Bindung der Bundesrepublik Deutschland und enthalten keine Auseinandersetzung mit dem Rang, den die Menschenrechtskonvention nach Art. 20 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 59 Abs. 2 GG innerhalb der deutschen Rechtsordnung einnimmt.

Zwar verlangt der Grundsatz der materiellen Subsidiarität grundsätzlich nicht, dass ein Beschwerdeführer bereits im fachgerichtlichen Verfahren geltend gemacht hat, er sei durch die öffentliche Gewalt und insbesondere eine gerichtliche Entscheidung in seinen Grundrechten verletzt worden. Etwas Anderes kann jedoch dann gelten, wenn bei verständiger Einschätzung der Rechtslage und der jeweiligen verfahrensrechtlichen Situation ein Begehren nur Aussicht auf Erfolg haben kann, wenn verfassungsrechtliche Erwägungen in das fachgerichtliche Verfahren eingeführt werden (BVerfGE 112, 50 <62>). Das ist insbesondere der Fall, soweit der Ausgang des Verfahrens von der Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift abhängt oder eine bestimmte Normauslegung angestrebt wird, die ohne verfassungsrechtliche Erwägungen nicht begründbar ist (BVerfGE 112, 50 <62>; vgl. auch BVerfGE 71, 305 <336>; 74, 69 <74 f.>; 74, 102 <114>). So ist die Lage hier. Denn die von der Beschwerdeführerin begehrte Befriedung ihrer Grundstücke stand in so manifestem Widerspruch zum Wortlaut des § 4 LJG-NRW, dass sie nur zu erreichen gewesen wäre, wenn diese Norm gegen das Grundgesetz oder sonstiges Bundesrecht (etwa die Europäische Menschenrechtskonvention) verstoßen würde oder über ihren Wortlaut hinaus verfassungskonform auszulegen wäre.

d) Auch die Rüge der Beschwerdeführerin, die Pflichtmitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft verletze sie in ihrem Grundrecht aus Art. 9 GG, genügt nicht den Anforderungen an den Grundsatz der materiellen Subsidiarität, vgl. § 90 Abs. 2 BVerfGG. Zwar hatte die Beschwerdeführerin ursprünglich nicht nur die Befriedung ihrer Grundstücke, sondern auch den Austritt aus der Jagdgenossenschaft beantragt. Im anschließenden Gerichtsverfahren hat sie jedoch ausschließlich den die Befriedung ablehnenden Bescheid angegriffen. Eine auf die Feststellung gerichtete Klage, dass sie wegen Nichtigkeit des § 9 Abs. 1 BJagdG nicht Mitglied der Jagdgenossenschaft sei, hat die Beschwerdeführerin nicht erhoben, obwohl dies zur Wahrung des Subsidiaritätsgrundsatzes erforderlich gewesen wäre (vgl. BVerfGE 74, 69 <74 f.>).

2. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, der angegriffene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletze Art. 19 Abs. 4 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, indem an die Zulassung der Berufung zu hohe Anforderungen gestellt würden, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Dabei kann dahinstehen, ob die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Berufung sei nur dann gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, wenn dem Berufungsgericht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür vermittelt werde, dass das Rechtsschutzbegehren erstinstanzlich im Ergebnis unrichtig beschieden worden sei, den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom (BVerfGE 110, 77 <83>) konkretisiert hat. Denn selbst wenn das Oberverwaltungsgericht diese Vorgaben missachtet hätte, beruhte der Beschluss nicht auf dem darin liegenden Verfassungsverstoß. Angesichts des Umstands, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen ihres Zulassungsantrags weder den tragenden Rechtssatz des erstinstanzlichen Urteils mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt noch auch nur ansatzweise verfassungsrechtliche Erwägungen und Bedenken geltend gemacht hat, hätte der Zulassungsantrag auch bei Anwendung eines verfassungskonformen Maßstabs zurückgewiesen werden müssen (vgl. auch Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des -, NVwZ 2000, S. 1163 <1164 f.>).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Fundstelle(n):
FAAAC-62920