Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 85 Abs. 2; ZPO § 233; ZPO § 236 Abs. 2 Satz 2
Instanzenzug: LG Koblenz 3 O 235/05 vom OLG Koblenz 2 U 155/06 vom
Gründe
I.
Die Berufung des Beklagten/Antragstellers ist durch Urteil des Oberlandesgerichts zurückgewiesen worden. Das Urteil ist seinem Prozessbevollmächtigten am zugestellt worden.
Mit einem am bei dem erkennenden Senat eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller beantragt, ihm wegen der Versäumung der Einlegungs- und Begründungsfrist für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erteilen. Zugleich hat er beantragt, ihm für das Verfahren auf Wiedereinsetzung Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Den Wiedereinsetzungsantrag hat er wie folgt begründet:
"Der Beklagtenvertreter ... hat aufgrund eines Versehens seines Büros erst am festgestellt, dass die Fristen hinsichtlich einer Nichtzulassungsbeschwerde ... im EDV-gestützten Fristenkalender nicht aufgenommen und damit nicht ausgedruckt worden sind. Dadurch kam es nicht zu der routinemäßigen Wiedervorlage, obwohl dahingehend seitens des bearbeitenden Rechtsanwalts schriftlich verfügt worden war. Das Urteil wurde daher nicht dem Mandanten zugeleitet, obwohl es eine allgemeine Anweisung gibt, alle Unterlagen an die Mandanten zuzuschicken."
Einen ausdrücklichen Antrag auf Zulassung der Revision hat der Antragsteller nicht gestellt. In der Begründung der Antragsschrift heißt es allerdings: "Der Antrag auf Zulassung der Revision ist für den Fall der Wiedereinsetzung auch begründet ..."
II.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist möglicherweise unzulässig. Gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist nachzuholen. Einen Antrag auf Zulassung der Revision hat der Antragsteller jedenfalls nicht ausdrücklich gestellt. Ob die Ausführungen in der Begründung dahin ausgelegt werden können, es habe bereits der Antrag auf Zulassung der Revision gestellt sein sollen, oder nur als Ankündigung für den Fall der Gewährung der Wiedereinsetzung verstanden werden können, ist zweifelhaft. Dies kann jedoch dahinstehen.
III.
Jedenfalls ist der Wiedereinsetzungsantrag unbegründet. Nach den §§ 233, 85 Abs. 2 ZPO hätte dem Beklagten/Antragsteller nur dann Wiedereinsetzung gewährt werden können, wenn seinen Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung kein Verschulden träfe. Dies ist indessen nicht der Fall.
1. Nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers sind im Büro seines Prozessbevollmächtigten mindestens drei Fehler begangen worden:
Erstens sind die Fristen für die Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde - ein Monat bzw. zwei Monate nach Zustellung des Berufungsurteils (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 ZPO) - nicht im Fristenkalender eingetragen worden. Zweitens ist die angeblich schriftlich verfügte Wiedervorlage nicht ausgeführt worden, und drittens ist das Urteil entgegen einer angeblich bestehenden allgemeinen Anweisung nicht dem Mandanten zugeleitet worden. In Ermangelung entsprechenden Vortrags muss davon ausgegangen werden, dass die drei Fehler unabhängig voneinander begangen worden sind. Dass es auch an einer Glaubhaftmachung fehlt, weil die Anlagen dem Wiedereinsetzungsschriftsatz nicht beigefügt waren, ist deshalb nicht entscheidungserheblich.
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Rechtsanwalt die Berechnung und Notierung einfacher und in seinem Büro geläufiger Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft überlassen. Er hat jedoch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden (, BGHR ZPO § 233 - Fristberechnung 5 m.w.N.). Dazu fehlt jeder Vortrag.
Im Übrigen darf der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist (, BGHR ZPO § 233 - Fristenkontrolle 22; v. - XII ZB 197/94, BGHR ZPO § 233 - Empfangsbekenntnis 1; v. - VI ZR 419/01, BGHR ZPO § 233 - Empfangsbekenntnis 5; v. aaO). Dieses Sorgfaltsgebot hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers verletzt, als er am das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und zurückgegeben hat, ohne zuvor die Notierung der Rechtsmittelfrist sichergestellt zu haben. Sollte er seinerzeit - was aber nicht dargelegt ist - seine Bürokraft mündlich angewiesen haben, die Rechtsmittelfrist einzutragen, müssen ausreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen sein, dass die Anweisung nicht in Vergessenheit gerät ( aaO; v. - VI ZR 399/01, BGHR ZPO § 233 - Empfangsbekenntnis 6; v. - VI ZB 50/03, NJW 2004, 688, 689). Dazu ist nichts vorgetragen.
Die angeblich schriftlich angeordnete - aber ebenfalls nicht befolgte - Verfügung der Wiedervorlage der Handakte reichte nicht aus. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen so notiert werden müssen, dass sie sich von gewöhnlichen Wiedervorlagefristen deutlich abheben (, NJW 1989, 2393, 2394 m.w.N.; v. - III ZB 27/04, BGH-Report 2005, 44, 45). Hier kann nicht einmal angenommen werden, dass die Wiedervorlage rechtzeitig zur Entdeckung der fehlenden Eintragung im Fristenkalender geführt hätte. Weder hat der Antragsteller vorgetragen, für welchen Zeitpunkt die Wiedervorlage angeordnet, noch dass die Rechtsmittelfrist auf den Handakten notiert worden ist.
Die Besonderheiten eines elektronisch unterstützten Fristenkalenders (vgl. dazu etwa , BGHR ZPO § 233 - Fristenkontrolle 43; v. - VII ZB 31/95, BGHR ZPO § 233 - Fristenkontrolle 52; v. - II ZB 11/98, BGHR ZPO § 233 - Fristenkontrolle 63; v. - II ZB 33/04, BGH-Report 2006, 449) haben sich nicht ausgewirkt, weil die Frist gar nicht erst in den Kalender eingegeben worden ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
HFR 2008 S. 769 Nr. 7
HAAAC-62364
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein