Leitsatz
1. Der in einer Vergnügungssteuerssatzung für Gewinnspielautomaten verwendete Stückzahlmaßstab weist nicht den durch den Charakter der Aufwandsteuer geforderten lockeren Bezug zum Vergnügungsaufwand auf, wenn die Einspielergebnisse um mehr als 50 % vom Durchschnitt der Einspielergebnisse dieser Automaten im Satzungsgebiet abweichen (wie BVerwG 10 C 5.04 - BVerwGE 123, 218 = Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 38).
2. Um diese Schwankungsbreite der Einspielergebnisse zu ermitteln, bedarf es nicht der Daten von jeweils mehr als 50 % der Spielstätten, der Betreiber und der Geräte. Dem Tatsachengericht ist bei der Ermittlung vielmehr ein weit gesteckter Rahmen der Beweiswürdigung eröffnet.
Gesetze: GG Art. 105 Abs. 2a; VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
Instanzenzug: VG Stuttgart VG 16 K 2468/04 vom VGH Baden-Württemberg VGH 2 S 1218/05 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein
Gründe
Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist (vgl. BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO <n.F.> Nr. 26 S. 14). Daran fehlt es hier.
Die Beschwerde hält für klärungsbedürftig die Frage,
"ob entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes und der angegriffenen Entscheidung des VGH Baden-Württemberg der ermittelte Durchschnittswert eine 'qualitative' Wahrscheinlichkeit aufweisen muss, den zumindest lockeren Bezug zum Vergnügungsaufwand richtiger abzubilden als der Stückzahlmaßstab. Die qualitative Wahrscheinlichkeit erfordert eine quantitativ bestimmbare Mindestgrundlage von Dateien bei der Berechnung von Grundstückswerten (gemeint wohl: Durchschnittswerten). Diese ist - losgelöst vom Einzelfall - erst dann erreicht, wenn kumulativ Daten von jeweils mehr als 50 % der Spielstätten, der Betreiber und der Geräte vorliegen. Werden diese Zahlen unterschritten, bestehen keine hinreichend sicheren Grundlagen, die den Schluss rechtfertigen, man könne annehmen, die vorliegenden Daten seien zur Bestimmung eines Durchschnitts geeignet und könnten die maßgebliche Abweichung von +/- 25 % vom Durchschnitt der Einspielergebnisse mit einer hinreichenden Rechtssicherheit darstellen".
Die damit sinngemäß aufgeworfene Frage, ob eine zur Untauglichkeit des in einer Vergnügungssteuersatzung für Gewinnspielautomaten verwendeten Stückzahlmaßstabs führende Abweichung der Einspielergebnisse um mehr als 50 % vom Durchschnitt der Einspielergebnisse der Automaten gleicher Art im Satzungsgebiet nur dann festgestellt werden kann, wenn dieser Durchschnitt auf der Grundlage der Daten von jeweils mehr als 50 % der Spielstätten, der Betreiber und der Geräte ermittelt worden ist, bedarf jedoch keiner Klärung in einem Revisionsverfahren; denn sie ist höchstrichterlich geklärt.
Ausgangspunkt der Überlegungen zur Frage des zulässigen Steuererhebungsmaßstabs ist der vom BVerwG 10 C 5.04 - BVerwGE 123, 218 = Buchholz 410.68 Vergnügungssteuer Nr. 38) durch den Charakter der Aufwandsteuer geforderte lockere Bezug zwischen Stückzahlmaßstab und Vergnügungsaufwand. Dieser kann nicht mehr als gewahrt angesehen werden, wenn die Einspielergebnisse der Automaten mit Gewinnmöglichkeit im Satzungsgebiet mehr als 50 % vom Durchschnitt abweichen. Die Bestimmung des Durchschnitts setzt hinreichend aussagekräftige Erkenntnisse über die Einspielergebnisse der einzelnen Automaten dieser Gruppe im Satzungsgebiet voraus. Welchen Mindestanforderungen eine solche Erkenntnislage oder die Erhebung entsprechender Daten genügen muss, um eine ausreichende Grundlage für die Ermittlung des maßgeblichen Durchschnitts zu gewährleisten, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls im jeweiligen Satzungsgebiet ab und entzieht sich einer allgemeinen Festlegung. Durchschnittliche Einspielergebnisse der Automaten können nicht nur anhand von Zahlen aller Geräte sämtlicher Aufsteller im Gemeindegebiet ermittelt werden. Auch eine nicht statistisch abgesicherte Erhebung kann eine aussagekräftige Grundlage für die Durchschnittsbildung liefern. Ein für das Satzungsgebiet aussagekräftiger Durchschnitt der Einspielergebnisse lässt sich aber in aller Regel nicht bilden, wenn nur Einspielergebnisse der Geräte eines von mehreren Aufstellern oder von insgesamt einem nur sehr geringen Prozentsatz aller Automaten derselben Gerätegruppe im Satzungsgebiet vorliegt. Bei der Würdigung der gewonnenen Tatsachen ist das Tatsachengericht an bestimmte mathematisch-statistische Regeln für die Erlangung eines repräsentativen Durchschnitts nicht gebunden ( BVerwG 10 C 5.04 - a.a.O. S. 227 f. und - BVerwG 10 C 8.04 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 39 S. 47 sowie vom - BVerwG 10 CN 1.05 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 40 S. 59).
Der von der Beschwerde kritisierte Verzicht auf die Anwendung statistischer Methoden beruht auf der Erwägung, dass dem Tatsachengericht bei der Ermittlung des Durchschnitts der Einspielergebnisse in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 287 Abs. 2 ZPO ein weitgesteckter Rahmen der Beweiswürdigung eröffnet ist. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass sowohl die Gemeinde als auch ein klagender Automatenaufsteller insoweit auf freiwillige Angaben der übrigen Aufsteller angewiesen sind, wenn und solange diese auf der Grundlage der am Stückzahlmaßstab ausgerichteten Vergnügungssteuersatzungen keiner Auskunftspflicht über die Einspielergebnisse der einzelnen Geräte unterliegen. Eine mathematisch-statistischen Regeln genügende Erhebung der Einspielergebnisse nach dem Stichprobenverfahren scheidet danach praktisch aus. Dies kann aber nicht dazu führen, dass zu Lasten des klagenden Aufstellers ein unaufklärbarer Sachverhalt mit der Folge angenommen wird, dass eine an den verfassungsrechtlichen Vorgaben orientierte gerichtliche Überprüfung des Stückzahlmaßstabs scheitert, und zwar ungeachtet der inzwischen vorhandenen technischen Möglichkeiten zur Anwendung eines wirklichkeitsnäheren Maßstabs. Ebenso wenig lässt sich aber zu Lasten der Gemeinde eine Feststellungslast mit der Folge begründen, dass sie durch die bloße Behauptung eines Aufstellers, ein lockerer Bezug des Stückzahlmaßstabs zu dem Spielaufwand sei nicht mehr gegeben, gezwungen wird, diesen Maßstab aufzugeben. Das Tatsachengericht darf deswegen unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung entscheiden, ob die zuvor genannte Schwankungsbreite überschritten ist oder nicht. Die revisionsgerichtliche Überprüfung dieser Entscheidung beschränkt sich darauf, ob unrichtige Maßstäbe zu Grunde gelegt wurden, ob wesentliche Tatsachen außer Acht gelassen oder Rechtsvorschriften, Denk- oder Erfahrungssätze verletzt worden sind (vgl. BVerwG 3 C 15.04 - Buchholz 418.6 TierSG Nr. 18 S. 10).
Danach bedarf es nicht der Durchführung des angestrebten Revisionsverfahrens, um die von der Beschwerde aufgeworfene Fragestellung zu verneinen. Es gibt keine Beweisregel des Inhalts, dass erst die Daten von jeweils mehr als 50 % aller Spielstätten, der Betreiber und der Geräte vorliegen müssen, um einen aussagekräftigen Durchschnittseinspielwert festzustellen. Der Durchschnittseinspielwert ist ein Indikator für den nicht mehr gegebenen lockeren Bezug zwischen Spieleraufwand und Steuererhebung, wenn die Abweichungen der Einspielergebnisse unter den vom Bundesverwaltungsgericht weiter aufgestellten Bedingungen (Vergleich gleicher Gruppen von Spielautomaten, keine Ausreißer) festgestellt worden sind. Liegen die Abweichungen über den für zulässig gehaltenen Werten, lässt sich der "Wahrscheinlichkeitsmaßstab" einer Pauschale, wie sie der Stückzahlmaßstab darstellt, nicht mehr mit dem Prinzip der Steuergerechtigkeit vereinbaren. In diesem Fall ist auf den "Wirklichkeitsmaßstab" zurückzugreifen, der an die Einspielergebnisse anknüpft und damit den Vergnügungsaufwand der Spieler besser zu erfassen vermag als das Anknüpfen an die Anzahl der Spielautomaten. Der Durchschnitt der Einspielergebnisse bildet dabei, anders als die Beschwerde möglicherweise meint, nicht den Maßstab für die Steuererhebung selbst.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich auf der Grundlage der von ihm festgestellten und für das Revisionsgericht bindenden Tatsachen in dem so vorgegebenen Rahmen.
Grundsätzliche Bedeutung hat die aufgeworfene Frage auch nicht deshalb, weil, wie die Beschwerde meint, für den Steuerpflichtigen bei der "Durchschnittswertmethode" die Steuerbelastung anders als bei dem Stückzahlmaßstab nicht voraussehbar sei. Zwar trifft es zu, dass der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit als Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips fordert, dass steuerbegründende Tatbestände bestimmt sein müssen. Grundsätzlich muss der Steuerpflichtige die auf ihn entfallende Steuerlast vorausberechnen können ( - BVerfGE 49, 343, 362). Das ist der Fall, wenn die Vergnügungssteuer auf der Grundlage der jeweiligen von den Spielautomaten erzielten Einspielergebnisse berechnet wird. Die eigenen Einspielergebnisse sind jedem Automatenaufsteller bekannt. Insofern ist bei einer entsprechend ausgestalteten Satzung die Steuer vorausberechenbar. Eine derartig berechnete Steuer knüpft nicht an einen allgemeinen, für den Einzelnen nicht errechenbaren Durchschnittswert an.
Schließlich hat auch nicht grundsätzliche Bedeutung, ob es eine Frage der Beweislast darstellt, welche Erkenntnisgrundlagen vorhanden sein müssen, um dem Stückzahlmaßstab die Abweichung von mehr als 50 % entgegenhalten zu können. Diese Frage betrifft nicht die Beweislast, die nach materiellem Recht bestimmt, zu wessen Lasten die Nichtaufklärbarkeit von Tatsachen geht, sondern die Anwendung des materiellen Rechts.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
HFR 2008 S. 284 Nr. 3
YAAAC-62354