Bekanntgabe des Namens eines Anzeigeerstatters durch die Finanzbehörde
1. Allgemeines
Durch das Steuergeheimnis wird auch der Name eines Anzeigeerstatters geschützt, wenn die Anzeige eines der in § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b AO genannten Verfahren auslöst oder innerhalb eines solchen Verfahrens verwertet wird (, BStBl 1994 II S. 552 sowie , BFH/NV 2003 S. 293).
Wird aufgrund der Anzeige ein Steuerstrafverfahren gegen den Angezeigten eingeleitet, ist bereits bei Anlage der Ermittlungsakte darauf zu achten, dass Daten zur Person des Hinweisgebers darin nicht aufgenommen werden, sondern in der Handakte abgelegt werden. Ggf. kann auch ein Aktenvermerk in anonymisierter Form erstellt werden.
2. Offenbarungsbefugnis gem. § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. b AO [1]
Die Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörde über die Anzeige – unter Nennung des Namens des Anzeigeerstatters – ist nach § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. b AO zulässig, wenn die Anzeige ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung erstattet worden ist und die Mitteilung der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Tat dient, die keine Steuerstraftat ist (falsche Verdächtigung, § 164 StGB; Beleidigung, § 185 StGB; üble Nachrede, § 186 StGB). Die Anzeige ist ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung erstattet worden, wenn der Anzeigeerstatter nicht zuvor durch die Finanzbehörde zur Erteilung der Auskunft aufgefordert worden ist. Die Offenbarungsbefugnis nach § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. b AO setzt im Unterschied zu § 30 Abs. 5 AO nicht voraus, dass der Anzeigeerstatter vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat.
Es reicht aus, dass die Offenbarung der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer nichtsteuerlichen Straftat dient. Dabei kann allerdings von Bedeutung sein, ob die Angaben des Anzeigeerstatters zutreffend waren oder nicht.
3. Offenbarungsbefugnis gem. § 30 Abs. 5 AO
Hat der Anzeigeerstatter vorsätzlich falsche Angaben gemacht, so kann die Finanzbehörde dies nach § 30 Abs. 5 AO der zuständigen Strafverfolgungsbehörde mitteilen, sofern der Gesetzestatbestand sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht erfüllt ist. Vorsatz ist das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges. Selbst wenn die Angaben des Anzeigeerstatters objektiv falsch sein sollten, so kann doch subjektiv das Element des Vorsatzes fehlen, mit der Folge, dass eine Offenbarungsbefugnis nach § 30 Abs. 5 AO nicht gegeben ist.
4. Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen
Sind die Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. b AO oder § 30 Abs. 5 AO erfüllt, ist die Finanzbehörde zu einer Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörde befugt, jedoch grundsätzlich nicht verpflichtet. Bei der Frage, ob eine Offenbarung erfolgen soll, sind das Persönlichkeitsrecht des Angezeigten und der ebenfalls gegebene Schutz des Persönlichkeitsrechts des Informanten, das hier insbesondere im Anspruch auf Wahrung des Steuergeheimnisses besteht, gegeneinander abzuwägen. Die Preisgabe des Namens des Informanten kann nur in Betracht kommen, wenn überragende Gründe des Gemeinwohls oder des angezeigten Steuerpflichtigen dies verlangen. Die Offenbarungsbefugnis kann sich im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht des Angezeigten zu einer Verpflichtung verdichten, wenn der Anzeigeerstatter nach Auffassung der Finanzbehörden Straftatbestände wie z. B. des § 164 StGB (falsche Verdächtigung), § 185 StGB (Beleidigung) oder § 186 StGB (üble Nachrede) verwirklicht hat (vgl. , BStBl 1985 II S. 571 und vom – VII R 88/92, BStBl 1994 II S. 552).
Eine Verpflichtung zur Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörde über die Person des Anzeigeerstatters besteht unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. b AO oder des § 30 Abs. 5 AO ferner dann, wenn die Strafverfolgungsbehörde aufgrund einer Strafanzeige des Steuerpflichtigen gegen Unbekannt im Ermittlungsverfahren nach § 161 StPO um Namensnennung ersucht.
Über die Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörde entscheidet die zuständige Bußgeld- und Strafsachenstelle.
5. Mitteilung an den Steuerpflichtigen
Weder § 30 Abs. 5 AO, noch datenschutzrechtliche Bestimmungen, noch der sich nur auf Rechte und Pflichten im Verfahren beziehende Auskunftsanspruch gem. § 89 AO verschaffen dem von der Anzeige betroffenen Steuerpflichtigen einen Anspruch gegenüber dem Finanzamt auf Namensnennung eines Anzeigeerstatters.
Der Steuerpflichtige hat aber einen Anspruch darauf, dass über seinen Antrag auf Namensnennung im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens (§ 5 AO) entschieden wird (, BStBl 1985 II S. 571). Das Finanzamt muss hierbei zwischen dem durch § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO geschützten Interesse des Informanten an der Wahrung des Steuergeheimnisses und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Steuerpflichtigen abwägen. § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. b AO kann die Nennung des Namens des Anzeigeerstatters an den Steuerpflichtigen nur rechtfertigen, wenn der Schutz des grundrechtlich verbürgten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Angezeigten dies nach den Grundsätzen des (a. a. O.) ausnahmsweise erfordert. Dies gilt auch, wenn sich der von der Anzeige Betroffene ohne Kenntnis des Anzeigeerstatters nicht wirksam verteidigen kann (z. B. weil die Aussage des Anzeigeerstatters das einzige Beweismittel darstellt). Das Finanzamt handelt somit regelmäßig nicht fehlerhaft, wenn es unter Berufung auf das Steuergeheimnis die Benennung des Namens eines Anzeigeerstatters ablehnt ( a. a. O.) Nur in Ausnahmefällen kann der Einfluss des grundrechtlich verbürgten allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu einer anderen Beurteilung führen.
6. Rechtsbehelfe
6.1 Ablehnung des Auskunftsersuchens des Steuerpflichtigen
Wird der Antrag des von der Anzeige betroffenen Steuerpflichtigen auf Benennung des Namens des Anzeigeerstatters durch das Finanzamt abgelehnt, ist hiergegen zunächst der Einspruch und sodann der Finanzrechtsweg gegeben (, BStBl 1977 II S. 318). Für die gerichtliche Überprüfung der Verwaltungsentscheidung gilt § 102 FGO.
6.2 Beschwerde gem. § 86 Abs. 3 FGO
Nach § 86 Abs. 1 FGO sind Behörden dem Finanzgericht zur Vorlage von Urkunden und Akten und zu Auskünften verpflichtet, soweit nicht durch das Steuergeheimnis geschützte Verhältnisse Dritter unbefugt offenbart werden. Wegen der Pflicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses ist es im Regelfall erforderlich, dem Finanzgericht die Nennung des Namens des Informanten zu verweigern (, BStBl 1994 II S. 802).
Seit dem [2] ist ausschließlich der Bundesfinanzhof für eine gerichtliche Entscheidung (ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss) darüber zuständig, ob die Weigerung des Finanzamtes, einem Beteiligten Akteneinsicht im finanzgerichtlichen Verfahren zu gewähren, rechtmäßig ist (§ 86 Abs. 3 FGO; , BStBl 2007 II S. 275).
OFD Hannover v. - S 0130 - 235 - StO 142
Fundstelle(n):
OAAAC-61582