Verdeckte Gewinnausschüttungen durch Geldentnahme eines Geschäftsführers einer Familien-GmbH; der nicht selbst Gesellschafter; aber Familienangehöriger eines Gesellschafters ist
Leitsatz
Verschafft sich ein Geschäftsführer, der nicht zugleich Gesellschafter ist, unter Verletzung seiner Geschäftsführerpflichten eigenmächtig Geldbeträge aus dem Vermögen der GmbH, liegt keine mittelbare verdeckte Gewinnausschüttung vor, wenn der Geschäftsführer zwar einem Gesellschafter nahesteht, diesem die eigenmächtigen Maßnahmen des Geschäftsführers aber nicht bekannt sind und auch nicht in seinem Interesse erfolgen. Dies gilt auch, wenn die eigenmächtigen Maßnahmen des Geschäftsführers durch unzureichende oder fehlende Kontrolle seitens der Gesellschafterversammlung erleichtert oder ermöglicht worden sind. Die Zuwendung eines Vermögensvorteils an eine nahestehende Person ist unabhängig davon als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen, ob auch der Gesellschafter selbst ein vermögenswertes Interesse an dieser Zuwendung hat. Dies gilt jedoch uneingeschränkt nur für den Fall, dass andere Ursachen für die Zuwendung als das Nahestehen des Empfängers zu einem Gesellschafter auszuschließen sind.
Gesetze: EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 20 Abs. 2a; KStG § 8 Abs. 3 Satz 2; GmbHG § 45; AO § 39 Abs. 2
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der im Februar 1976 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) errichtete im April 1994 als Alleingesellschafter die X-GmbH. Er bestellte seinen Vater, der beruflich .Leistungen erbrachte, zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer. Im Oktober 1996 berief der Kläger seinen Vater als Geschäftsführer ab und bestellte stattdessen seine Mutter zur Geschäftsführerin. Im Jahr 1997 übernahm seine Mutter von ihm einen Geschäftsanteil in Höhe der Hälfte des Stammkapitals. Nachdem beide ihre Geschäftsanteile 1999 an eine dritte Person veräußert hatten, wurde die GmbH im Februar 2003 von Amts wegen gelöscht. Für die Streitjahre (1995 und 1996) wurden zunächst weder für die GmbH noch für den Kläger Steuererklärungen abgegeben. Eine Fahndungsprüfung ergab, dass für die Streitjahre Jahresabschlüsse der GmbH vorhanden waren. Darin waren Forderungen gegen den Geschäftsführer (Vater des Klägers) und gegen den Gesellschafter (Kläger) ausgewiesen, die insbesondere aufgrund von Barabhebungen und Zahlungen von nicht betrieblich veranlassten Rechnungen entstanden waren. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erließ daraufhin Einkommensteuerbescheide gegen den Kläger, in denen Einnahmen aus Kapitalvermögen in Form verdeckter Gewinnausschüttungen (vGA) in Höhe von . DM für 1995 und . DM für 1996 zugrunde gelegt waren.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage, mit der der Kläger geltend machte, er sei in den Streitjahren Schüler gewesen und habe keine Zahlungen von der GmbH erhalten, von den Abhebungen seines Vaters habe er keine Kenntnis gehabt, blieb erfolglos (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2006, 1856).
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen Rechts (unzureichende Sachaufklärung) sowie die Verletzung materiellen Rechts in Form einer unzutreffenden Auslegung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das Finanzgericht (FG) habe außer Acht gelassen, dass die in den Jahresabschlüssen ausgewiesenen Forderungen der GmbH gegen den Kläger nicht einmal 10 v.H. der Forderungen gegen seinen Vater betrügen. Auch habe das FA in dem gegen den Vater des Klägers erlassenen Haftungsbescheid ausgeführt, dass der Vater allein die handelnde Person gewesen sei und die Steuerhinterziehung bewirkt habe. Der Kläger sei an diesen Handlungen nicht beteiligt gewesen und habe davon keinerlei Kenntnis gehabt.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil des FG sowie die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 vom in Gestalt des Einspruchsbescheides vom aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es verweist im Wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
II. Die Revision ist begründet. Nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das angefochtene Urteil verstößt gegen § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, weil das FG die Beträge, die der Vater des Klägers als Geschäftsführer der GmbH an sich selbst geleistet hat, mit unzureichender Begründung dem Kläger als vGA zugerechnet hat. Für eine abschließende Entscheidung im Revisionsverfahren reichen die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht aus.
1. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch vGA. Eine vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist die vGA beim Gesellschafter zu erfassen, wenn ihm der Vermögensvorteil zufließt (§ 8, § 11 Abs. 1 EStG).
a) Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt der Anteilseigner (§ 20 Abs. 2a Satz 1 EStG). Anteilseigner im Sinne dieser Vorschrift kann auch ein Nichtgesellschafter sein, wenn der Gesellschafter für ihn den Gesellschaftsanteil lediglich als verdeckter Treuhänder hält (§ 20 Abs. 2a Satz 2 EStG, § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 der Abgabenordnung). Ein zur abweichenden Zurechnung führendes (verdecktes) Treuhandverhältnis ist zwar nur wirksam, wenn es eindeutig vereinbart und nachweisbar ist (, BFHE 183, 518, BStBl II 1998, 152; vom I R 69/97, BFHE 188, 254; vom I R 12/00, BFHE 194, 320, 323 f., BStBl II 2001, 468, 470; , BFH/NV 2004, 1109). Allerdings kann eine Treuhandvereinbarung über Anteile an einer noch zu gründenden GmbH auch formlos getroffen werden (, BFH/NV 2006, 1819, m.w.N.). Der Nachweis muss daher nicht notwendigerweise durch schriftliche Vereinbarungen geführt werden, sondern kann sich auch aus den Gesamtumständen, insbesondere der eindeutigen tatsächlichen Handhabung ergeben.
b) Eine vGA kann auch ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter gegeben sein, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Das „Nahestehen” in diesem Sinne kann familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein. Die Zuwendung eines Vermögensvorteils an eine nahestehende Person ist unabhängig davon als vGA zu beurteilen, ob auch der Gesellschafter selbst ein vermögenswertes Interesse an dieser Zuwendung hat. Dies gilt sowohl für die vGA i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes —KStG— (, BFHE 182, 184, BStBl II 1997, 301, unter II.A.1.b der Gründe) als auch für die vGA i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG (, BFHE 207, 103; vom VIII R 24/03, BFH/NV 2005, 1266). Allerdings gilt dies uneingeschränkt nur für den Fall, dass andere Ursachen für die Zuwendung als das Nahestehen des Empfängers zu einem Gesellschafter auszuschließen sind. Nur in diesem Falle spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die nahestehende Person den Vorteil ohne ihre Beziehung zum Gesellschafter nicht erhalten hätte.
c) Verschafft sich ein Geschäftsführer, der nicht zugleich Gesellschafter ist, unter Verletzung seiner Geschäftsführerpflichten eigenmächtig Geldbeträge aus dem Vermögen der GmbH, so ist der Anscheinsbeweis für eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch dann erschüttert, wenn der Geschäftsführer zwar einem Gesellschafter nahesteht, diesem die eigenmächtigen Maßnahmen des Geschäftsführers aber nicht bekannt sind und auch nicht in seinem Interesse erfolgen (vgl. zu Letzterem Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, Freiburg 1978 ff., Anhang zu § 8 KStG Rz 59). Denn dann ist die Zuwendung an den Begünstigten allein durch die eigenmächtigen Maßnahmen des Geschäftsführers veranlasst, nicht aber durch das Gesellschaftsverhältnis.
Wie der Senat mit Urteil vom VIII R 54/05 (BFH/NV 2007, 1978) entschieden hat, ist eine Zuwendung der GmbH an den Geschäftsführer auch dann nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, wenn —wovon das FG im Streitfall ausgeht— die eigenmächtigen Maßnahmen des Geschäftsführers durch unzureichende oder fehlende Kontrolle seitens der Gesellschafterversammlung erleichtert oder ermöglicht worden sind. Es gibt keine Rechtspflicht des Gesellschafters einer GmbH zur sorgfältigen Überwachung des Geschäftsführers. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das genannte Urteil VIII R 54/05 Bezug genommen.
2. Das angefochtene Urteil entspricht den vorstehenden Maßstäben nicht.
a) Obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt hatte, er habe nach der Gründung der GmbH keinerlei Einfluss auf die Geschäftsführung ausgeübt, hat das FG das Bestehen eines Treuhandverhältnisses zwischen dem Kläger und seinem Vater mit der Erwägung verneint, eine möglicherweise bestehende Strohmannstellung könne nur dann zur abweichenden Zurechnung der Einnahmen führen, wenn ein Treuhandverhältnis eindeutig vereinbart und nachweisbar sei. Dies ergebe sich weder aus dem Vortrag des Klägers noch aus den Akten. An diese Würdigung ist der Senat nicht nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden, weil das FG rechtsfehlerhaft überspannte Nachweisanforderungen aufgestellt hat. Es hat außer Acht gelassen, dass ein Treuhandverhältnis auch formlos begründet werden kann. Da der Kläger die GmbH als achtzehnjähriger Schüler ersichtlich hauptsächlich im Interesse seines Vaters gegründet hatte, der .Leistungen erbrachte, und da er die Geschäftsführung vollständig seinem Vater überlassen hatte, der —wovon das FA im Haftungsbescheid ausgegangen ist— allein gehandelt hat und für die dadurch hinterzogenen Steuern verantwortlich war, hätte es sich aufgedrängt, diesen für das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses sprechenden Umständen näher nachzugehen.
b) Im Streitfall war außerdem der für eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis sprechende Anscheinsbeweis durch die Darlegung im Klageverfahren erschüttert, der Vater des Klägers habe sich als Geschäftsführer ohne Wissen des Klägers die strittigen Beträge verschafft. Vor diesem Hintergrund hätte das FG eine mittelbare vGA an den Kläger nur annehmen dürfen, wenn es festgestellt hätte, dass der Kläger von den eigenmächtigen widerrechtlichen Geldentnahmen des Geschäftsführers gewusst hat und ihn gleichwohl bewusst gewähren ließ. Diese Feststellung hat das FG jedoch nicht getroffen. Stattdessen hat das FG seine Entscheidung auf die Erwägung gestützt, der Kläger habe seine gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechte und –pflichten nicht ausgeübt. Wie dargelegt, bestehen jedoch gesellschaftsrechtliche Kontrollpflichten des Gesellschafters gegenüber dem Geschäftsführer nicht.
c) Da mithin die Vorentscheidung aus materiell-rechtlichen Gründen aufzuheben ist, hat der Senat über die mit der Revision außerdem erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr zu entscheiden (, BFHE 184, 444, BStBl II 1999, 316).
3. Die Sache ist nicht spruchreif.
a) Das FG wird im zweiten Rechtsgang prüfen müssen, ob dem Kläger schon deshalb keine vGA zuzurechnen ist, weil er mit seinem Vater ein verdecktes Treuhandverhältnis vereinbart hatte. Dazu wird durch Vernehmung des Klägers als Beteiligtem sowie seines Vaters, des Fahndungsprüfers und der mit den Jahresabschlüssen befassten Steuerberaterin als Zeugen zu ermitteln sein, welche Vereinbarungen über die Ausübung der Gesellschafterrechte geschlossen worden waren. Ferner wird, auch unter Auswertung der Prüfungsakten, zu ermitteln sein, ob und wie der Kläger in die Finanzierung der GmbH eingeschaltet war und ob er an Gesellschafterversammlungen teilgenommen hat. Ist ein Treuhandverhältnis nicht gegeben, so ist weiter zu prüfen, ob der Kläger von den widerrechtlichen eigenmächtigen Geldentnahmen seines Vaters wusste und ihn bewusst gewähren ließ, so dass eine Zuwendung an seinen Vater anzunehmen ist. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass nach dem eigenen Revisionsvorbringen des Klägers Forderungen der GmbH auch gegen ihn selbst bestanden haben. Sollten diese Forderungen auf Geldentnahmen oder Zahlungen zugunsten des Klägers beruhen, wären sie ihm jedenfalls als vGA zuzurechnen. Sollte das FG solche Zahlungen der GmbH zugunsten des Klägers feststellen, hätte es weiter zu prüfen, ob diese Zahlungspraxis ein Beweisanzeichen dafür bildet, dass dem Kläger auch die —weitaus höheren— Zahlungen der GmbH an seinen Vater bekannt waren und er ihn insoweit bewusst gewähren ließ. Unter dieser Voraussetzung wären auch die von der GmbH zugunsten des Vaters geleisteten Zahlungen dem Kläger als vGA zuzurechnen.
b) Hat der Kläger im zweiten Rechtsgang seine Pflicht erfüllt, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken und die in seiner Sphäre und in seinem Wissen liegenden Umstände offenzulegen (vgl. , BFHE 207, 549, BStBl II 2005, 160), lässt sich aber dennoch nicht mehr aufklären, ob der Kläger von den widerrechtlichen eigenmächtigen Geldentnahmen seines Vaters wusste, so trägt das FA insoweit die Feststellungslast. Die Voraussetzungen einer mittelbaren vGA wären zu verneinen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2291 Nr. 12
EStB 2007 S. 447 Nr. 12
HFR 2008 S. 65 Nr. 1
KÖSDI 2008 S. 15856 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2008 S. 10
LAAAC-61531