BFH Beschluss v. - VI B 151/06

Anforderungen an die Ersatzzustellung; Verletzung des rechtlichen Gehörs

Gesetze: FGO § 53 Abs. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3; FGO § 96

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.

1. Die Beschwerde ist fristgerecht eingelegt worden.

Gemäß § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils des Finanzgerichts (FG) einzulegen. Die Beschwerde ist am beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen. Ausweislich der Postzustellungsurkunde ist das Urteil des FG zwar bereits am in den Briefkasten des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) eingelegt worden. Für die Zustellung des Urteils ist im Streitfall indessen nicht der Zeitpunkt des Einlegens in den Briefkasten des Klägers (§ 180 der ZivilprozessordnungZPO—, § 53 Abs. 2 FGO), sondern der Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs beim Kläger am maßgebend (§ 189 ZPO).

Ein Schriftstück gilt nach § 189 ZPO erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs als zugestellt, wenn es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist. Die Regelung des § 180 Satz 3 ZPO, die den Zusteller bei der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten dazu verpflichtet, auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks einen Vermerk über das Datum der Zustellung anzubringen, gehört zu den zwingenden Zustellungsvorschriften i.S. des § 189 ZPO (, BFH/NV 2005, 900; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 3 VwZG Rz 94; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 53 FGO Rz 31).

Im Streitfall fehlte auf dem in den Briefkasten des Klägers eingelegten Umschlag der nach § 180 Satz 3 ZPO erforderliche Vermerk über das Datum der Zustellung. Für den Zeitpunkt der Zustellung kommt es somit gemäß § 189 ZPO darauf an, wann dem Kläger das Urteil tatsächlich zugegangen ist. Der tatsächliche Zugang i.S. des § 189 ZPO setzt voraus, dass das zuzustellende Schriftstück derart in die Hände des Zustellungsadressaten gelangt ist, dass er es behalten und von seinem Inhalt Kenntnis nehmen kann (Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 27. Aufl., § 189 Rz 8; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 189 Rz 7). Der Kläger hat nach eigenen Angaben am Kenntnis von der Zustellung erhalten. Der Senat geht daher davon aus, dass der Kläger das Urteil an diesem Tag tatsächlich erhalten hat und damit von seinem Inhalt Kenntnis nehmen konnte.

2. Die vom Kläger als Zulassungsgrund geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor.

a) Der Kläger rügt einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör, da das FG den Vortrag des Klägers, er habe in seinem Betrieb keine Ausländer illegal beschäftigt, sondern durch eine in Polen ansässige, von seinem Sohn geführte Gesellschaft Montagearbeiten ausführen lassen, nicht berücksichtigt habe.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst die Verpflichtung des FG, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen. Das FG ist jedoch nicht verpflichtet, in der Begründung seiner Entscheidung zu jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich Stellung zu nehmen. Es genügt vielmehr, wenn die tragenden rechtlichen Erwägungen in der Entscheidung dargestellt werden (BFH-Beschlüsse vom X B 175/03, BFH/NV 2004, 1544; vom V B 45/03, BFH/NV 2004, 540, jeweils m.w.N.).

Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör ist im Streitfall nicht verletzt. Das FG hat das Vorbringen des Klägers im Tatbestand seiner Entscheidung wiedergegeben. Es ist aufgrund einer umfassenden Beweiswürdigung zu der —vom Vorbringen des Klägers abweichenden— Annahme gelangt, dass der Kläger Arbeitgeber der in seinem Betrieb eingesetzten Ausländer gewesen sei. Der Kläger wendet sich damit im Grunde nicht gegen einen Verfahrensmangel, sondern gegen die tatsächliche und rechtliche Würdigung der betreffenden Umstände durch das Gericht. Mit der Rüge unzutreffender Beweiswürdigung kann die Zulassung der Revision indessen nicht erreicht werden (, BFH/NV 2007, 1272, m.w.N.).

b) Auch der vom Kläger behauptete Verfahrensmangel, dass eine Aussetzung des Verfahrens entsprechend dem Antrag des Klägers unterblieben sei, liegt im Streitfall nicht vor. Denn das FG hat in der mündlichen Verhandlung vom mit Zustimmung des Klägers das Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss des den Streitfall betreffenden Strafverfahrens beschlossen. Nach Einstellung des Verfahrens in der Strafsache 114 Js . durch die Staatsanwaltschaft wurde das Verfahren durch wieder aufgenommen. Der Kläger ist vor der Wiederaufnahme angehört worden, ohne dass er auf das laufende Verfahren in der Strafsache 16 Js . hingewiesen hätte. In der mündlichen Verhandlung vom hat der Kläger keinen schlüssigen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf das laufende Strafverfahren gestellt (vgl. , BFH/NV 2007, 960). Der Kläger hat zudem in seiner Beschwerdebegründung nicht schlüssig dargelegt, inwiefern das angegriffene Urteil ohne den behaupteten Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre (vgl. , BFH/NV 2007, 1633). Denn es ist —im Gegensatz zur Auffassung des Klägers— nicht erkennbar, dass die vom Kläger vorgetragene Einstellung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in der Strafsache 16 Js . die vom FG vorgenommene Beweiswürdigung hätte beeinflussen können.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2332 Nr. 12
SAAAC-61520