Beschwerde gegen die Ablehnung einer beantragten Beiladung; keine Streitverkündung im finanzgerichtlichen Verfahren
Gesetze: FGO § 57; FGO § 128; FGO § 60
Instanzenzug:
Gründe
I. Mit Schriftsatz vom verkündete der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) im Verfahren 6 K 1927/06 vor dem Hessischen Finanzgericht (FG) wegen Umsatzsteuer 1999 bis 2001 sowie Erlass der Umsatzsteuer 1999 bis 2001 der Steuerberaterin R den Streit, weil er im Falle des Unterliegens Schadensersatzansprüche gegen sie geltend machen wollte. Das FG deutete die Streitverkündung, weil diese in der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht vorgesehen sei, in einen Antrag auf Beiladung um und lehnte den Antrag ab, weil keine rechtlichen Interessen „nach den Steuergesetzen” berührt seien —wie gemäß § 60 Abs. 1 FGO erforderlich—.
Hiergegen erhob die Klägerin Gegenvorstellung. Darüber hinaus beantragte sie hilfsweise, die Gegenvorstellung im Falle der Nichtabhilfe als Beschwerde zu behandeln. Die Klägerin macht geltend, ihr Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sei verletzt worden, weil das FG die Streitverkündung nicht in einen Antrag auf Beiladung habe umdeuten dürfen, ohne sie, die Klägerin, vorher hierzu zu hören.
Außerdem habe das FG die Auslegung mit der unzutreffenden Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) begründet, dass es im finanzgerichtlichen Verfahren keine Streitverkündung gebe. § 155 FGO verweise auf die Regelungen in der Zivilprozessordnung (ZPO), die in §§ 72 ff. ZPO die Streitverkündung vorsehe. Bei der Schaffung der FGO sei die Beiladung zusätzlich zu den überkommenen prozessualen Beteiligungsformen aufgenommen worden. Der BFH habe sich zu Unrecht auf § 59 FGO berufen. Diese Bestimmung regele die Streitgenossenschaft, habe also einen anderen Regelungsgehalt. Für die Frage, ob im Steuerprozess eine Streitverkündung möglich sei, lasse sich aus § 59 FGO deshalb nichts herleiten.
Die Gewährleistung der Streitverkündung in allen Gerichtsbarkeiten sei ein aus den Grundrechten, insbesondere aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) abzuleitendes verfassungsrechtliches Gebot. Angesichts der materiell-rechtlichen Wirkungen der Streitverkündung sei deren prozessrechtliche Umsetzung auch durch die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) geschützt.
Das FG hat der Gegenvorstellung nicht abgeholfen, diese auf den Hilfsantrag der Klägerin hin als Beschwerde behandelt und dem BFH zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde ist nach § 128 FGO statthaft. Das FG hat die von der Klägerin erklärte Streitverkündung in einen Antrag auf Beiladung umgedeutet. Die Ablehnung einer beantragten Beiladung ist eine mit der Beschwerde anfechtbare Entscheidung des Gerichts (Gräber/Ruban, FGO, 6. Aufl., § 128 Rz 4, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
2. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, die Erklärung der Klägerin im Schriftsatz vom als Streitverkündung zu behandeln. Das finanzgerichtliche Verfahren kennt keine Streitverkündung. Zwar ist gemäß § 155 FGO die ZPO sinngemäß anzuwenden, wenn die FGO keine Bestimmungen über das Verfahren enthält und die grundsätzlichen Unterschiede beider Verfahrensarten eine sinngemäße Anwendung nicht ausschließen. Die Anwendung der Verweisung in § 155 FGO setzt damit eine Regelungslücke voraus, die nur durch die sinngemäße Anwendung der ZPO ausgefüllt werden kann (Gräber/Stapperfend, FGO, 6. Aufl., § 155 Rz 3, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Hinsichtlich der Streitverkündung fehlt es an einer derartigen Regelungslücke, so dass eine sinngemäße Anwendung der §§ 64 ff. ZPO nicht in Betracht kommt (, BFHE 98, 553, BStBl II 1970, 484; BFH-Beschlüsse vom VII R 61-62/85, BFH/NV 1986, 476; vom X B 87/89, BFH/NV 1990, 787; vom III B 81/02, juris). Der Kreis der Beteiligten im Steuerprozess ist in § 57 FGO abschließend geregelt (Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 59 FGO Rz 4). Eine Beteiligung im Wege der Streitverkündung ist darin nicht vorgesehen. Darüber hinaus sieht § 59 FGO zwar die sinngemäße Anwendung der §§ 59 bis 63 ZPO vor, verweist aber gerade nicht auf die weiteren Regelungen der §§ 64 ff. ZPO über die Beteiligung Dritter am Rechtsstreit (Haupt- und Nebenintervention, Streitverkündung).
3. Zwar rügt die Klägerin zu Recht, dass das FG die Erklärung ihres Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom nicht in einen Antrag auf Beiladung hätte umdeuten dürfen. Ist der Antragsteller —wie hier— fachkundig vertreten, kommt die Umdeutung einer ausdrücklich als solcher erklärten Streitverkündung in einen Antrag auf Beiladung nicht in Betracht (vgl. zur Umdeutung von Erklärungen fachkundiger Vertreter BFH-Beschlüsse vom II B 38/03, BFH/NV 2004, 803; vom III R 16/04, BFH/NV 2004, 1539). Die Beschwerde hat aber gleichwohl auch insoweit keinen Erfolg, weil die Klägerin durch die Ablehnung der Beiladung nicht beschwert ist. Die Beschwer setzt voraus, dass die Klägerin geltend macht, in ihren Rechten oder rechtlichen Interessen verletzt zu sein. Da die Klägerin selbst vorträgt, eine Beiladung der Steuerberaterin gerade nicht gewollt zu haben, kann sie durch die —kostenfreie— Ablehnung der Beiladung nicht beschwert sein. Insoweit ist es auch unerheblich, ob sie dazu vorher gehört worden ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2296 Nr. 12
XAAAC-61514