Verdeckte Gewinnausschüttung bei Vereinbarungen einer Genossenschaft mit einem Vorstandsmitglied; Prämien des Arbeitgebers für eine Direktversicherung des Gesellschafter-Geschäftsführers als vGA
Leitsatz
Auch wenn eine Genossenschaft bei Vereinbarungen mit dem Vorstand durch den Aufsichtsrat vertreten wird, kann eine vertragliche Gestaltung zwischen der Genossenschaft und ihrem Vorstandsmitglied, das zugleich Genosse ist, einseitig an den Interessen des Vorstandsmitglieds und nicht auf einen gerechten Ausgleich der beiderseitigen Interessen ausgerichtet sein. Sagt eine Genossenschaft ihrem Vorstandsmitglied zwei Monate vor dessen Eintritt in den Ruhestand eine Pension zu, kann dies zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen. Das gilt auch, wenn die Zusage nur in moderater Höhe erteilt wird und eine Versorgungslücke des Vorstandsmitglieds abdecken soll und der durch die Versorgungszusage begünstigte Genosse im Zusagezeitpunkt keine beherrschende Stellung innehat. Prämien des Arbeitgebers für eine Direktversicherung des Gesellschafter-Geschäftsführers führen zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, wenn sie zusammen mit den übrigen Leistungen die Angemessenheitsgrenze übersteigen. Wird die Versicherung gegen Einmalprämie abgeschlossen, ist diese für die Beurteilung der Angemessenheit auf die Zeit bis zur Fälligkeit der Versicherung - in der Regel also bis zur Pensionierung - zu verteilen. Die Regeln zur steuerrechtlichen Würdigung von Versorgungszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH können nicht uneingeschränkt auf eine AG übertragen werden. Insbesondere kann eine Zusage gegenüber einem Aktionär, der zugleich Vorstandsmitglied der AG ist, nicht ohne Weiteres mit der Zusage einer GmbH gegenüber ihrem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer gleichgesetzt werden. Dem steht der Umstand entgegen, dass gem. § 112 AktG eine AG bei Rechtsgeschäften mit ihren Vorstandsmitgliedern von ihrem Aufsichtsrat vertreten wird, wodurch eine Wahrung der Interessen der Gesellschaft eher gewährleistet ist als bei Verträgen zwischen einer GmbH und ihrem beherrschenden Gesellschafter. Daher kann bei einer AG - anders als bei einer GmbH - auch bei Vorliegen eines Beherrschungsverhältnisses eine verdeckte Gewinnausschüttung nicht allein auf das Nachzahlungsverbot gestützt werden.
Gesetze: KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dann, wenn die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit liegt und die im konkreten Fall klärungsfähig ist (z.B. Senatsbeschluss vom I B 49/06, BFH/NV 2007, 93).
a) Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfene Frage, ob das Vorhandensein einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) bei Vereinbarungen einer Genossenschaft mit einem Vorstandsmitglied anhand der Kriterien zu prüfen ist, die der Senat auf Vereinbarungen zwischen AG und ihrem Vorstand anwendet, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil sie in einem nachfolgenden Revisionsverfahren nicht geklärt werden könnte.
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Zuführung zu einer Pensionsrückstellung steuerrechtlich als vGA i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes zu würdigen, wenn eine GmbH einem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Pension zusagt, die sie unter ansonsten vergleichbaren Umständen einem nicht an ihr Beteiligten nicht erteilt hätte. Hiervon ist auszugehen, wenn der Berechtigte die zugesagte Pension nicht durch seine Arbeitsleistung erdienen kann (z.B. Senatsurteil vom I R 43/01, BFHE 199, 157, BStBl II 2003, 416, m.w.N.). Erdienen kann sich ein Gesellschafter-Geschäftsführer eine Pension grundsätzlich und jedenfalls für das Streitjahr 1994 (vgl. auch Senatsurteil vom I R 14/04, BFH/NV 2005, 245) nur dann, wenn er zum Zeitpunkt der Erteilung der Pensionszusage das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Ferner müssen bis zum Eintritt in den Ruhestand mindestens zehn Jahre liegen. Bei nicht beherrschenden Gesellschaftern können hiernach auch drei Jahre ausreichen, wenn der Berechtigte der Gesellschaft mindestens zwölf Jahre angehört (Senatsurteil vom I R 41/95, BFHE 180, 272, BStBl II 1997, 440; Gosch, KStG, § 8 Rz 1094 f., m.w.N.).
bb) Die Regeln zur steuerrechtlichen Würdigung von Versorgungszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH können allerdings nicht uneingeschränkt auf eine AG übertragen werden. Insbesondere kann eine Zusage gegenüber einem Aktionär, der zugleich Vorstandsmitglied der AG ist, nicht ohne weiteres mit der Zusage einer GmbH gegenüber ihrem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer gleichgesetzt werden. Dem steht der Umstand entgegen, dass gemäß § 112 des Aktiengesetzes eine AG bei Rechtsgeschäften mit ihren Vorstandsmitgliedern von ihrem Aufsichtsrat vertreten wird, wodurch eine Wahrung der Interessen der Gesellschaft eher gewährleistet ist als bei Verträgen zwischen einer GmbH und ihrem beherrschenden Gesellschafter. Daher kann bei einer AG —anders als bei einer GmbH— auch bei Vorliegen eines Beherrschungsverhältnisses eine vGA nicht allein auf das Nachzahlungsverbot gestützt werden (Senatsurteil vom I R 93/01, BFH/NV 2003, 946).
cc) Ob diese Grundsätze auch für Genossenschaften gelten, die bei Geschäften mit dem Vorstand ebenfalls durch den Aufsichtsrat vertreten werden (§ 39 des Genossenschaftsgesetzes), wäre in einem nachfolgenden Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil auch unter Zugrundelegung der Grundsätze, die der Senat zu Vereinbarungen des Aufsichtsrats einer AG mit einem Vorstandsmitglied und Aktionär bei der Prüfung einer vGA anwendet, es zu keiner für die Klägerin günstigeren Entscheidung kommen könnte.
Auch wenn die Genossenschaft bei Vereinbarungen mit dem Vorstand durch den Aufsichtsrat vertreten wird, kann gleichwohl eine vertragliche Gestaltung zwischen der Genossenschaft und ihrem Vorstandsmitglied, das zugleich Genosse ist, einseitig an den Interessen des Vorstandsmitglieds und nicht auf einen gerechten Ausgleich der beiderseitigen Interessen ausgerichtet sein. In einem solchen Fall liegt auch bei einer Genossenschaft ebenso wie bei einer AG (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2003, 946, m.w.N.) eine vGA vor.
Im Streitfall hat die Klägerin ihrem Vorstandsmitglied zwei Monate vor dessen Eintritt in den Ruhestand eine Pension zugesagt. In einem solchen Fall ist die Annahme des Finanzgerichts (FG), diese Leistung sei nicht allein im Arbeitsverhältnis, sondern auch durch die Mitgliedschaft in der Genossenschaft (mit-)veranlasst, nicht zu beanstanden (vgl. Senatsurteil vom I R 55/92, BFHE 170, 241, BStBl II 1993, 376). Der Genossenschaft erwächst aus der Erteilung einer Pensionszusage für bereits geleistete und auch vergütete Arbeit eines Vorstands kein Vorteil; demgegenüber birgt die Zusage, auch wenn sie —wie hier— nur in moderater Höhe erteilt wird und eine Versorgungslücke des Vorstandsmitglieds abdecken sollte, erhebliche finanzielle Risiken für die Genossenschaft. Es spielt unter diesen Umständen des zu beurteilenden Sachverhalts auch keine Rolle, dass der durch die Versorgungszusage begünstigte Genosse im Zusagezeitpunkt keine beherrschende Stellung innehatte. Soweit die Klägerin sich in diesem Zusammenhang auf das einen eingetragenen Verein betreffende (Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2000, 914) bezieht, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass das dagegen gerichtete Revisionsverfahren eingestellt wurde, nachdem die Klage nach Ergehen eines Gerichtsbescheides, nicht jedoch nachdem die Revision des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) zurückgenommen wurde (vgl. Gosch, a.a.O., § 8 Rz 965).
b) Die Frage, ob bei Vereinbarungen einer Genossenschaft mit einem Vorstandsmitglied Maßstab das Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ist, oder ob zu prüfen ist, ob der Aufsichtsrat bei dem Abschluss der Vereinbarung mit dem Vorstand die Interessen der Genossenschaft ausreichend gewahrt hat, ist nicht klärungsbedürftig. Es kann zu keinen unterschiedlichen Ergebnissen führen, ob aus Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters oder aus Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsrats geprüft wird, ob die Interessen der Genossenschaft hinreichend gewahrt wurden.
c) Soweit die Klägerin geltend macht, es sei grundsätzlich klärungsbedürftig, ob eine vGA dann verneint werden könne, wenn die Genossenschaft dem Begünstigten durch alternative Gestaltungen ähnliche Leistungen hätte zuwenden können, ohne dass eine vGA vorläge, fehlt es schon an einer schlüssigen Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) einer derartigen alternativen Zuwendungsmöglichkeit. Prämien des Arbeitgebers für eine Direktversicherung des Gesellschafter-Geschäftsführers führen zu einer vGA, wenn sie zusammen mit den übrigen Leistungen die Angemessenheitsgrenze übersteigen. Wird die Versicherung gegen Einmalprämie abgeschlossen, ist diese für die Beurteilung der Angemessenheit auf die Zeit bis zur Fälligkeit der Versicherung —in der Regel also bis zur Pensionierung— zu verteilen (Gosch, a.a.O., § 8 Rz 720). Die Klägerin legt nicht dar, weshalb sie ihrem Vorstandsmitglied unmittelbar vor Eintritt in den Ruhestand durch Zahlung einer Einmalprämie eine Direktversicherung in entsprechender Höhe hätte nachträglich zuwenden können, ohne dass hierin nicht ebenfalls eine vGA zu sehen wäre.
d) Nach Auffassung des FG war das FA schon deshalb nicht gehindert, die streitigen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung —AO—) stehenden Bescheide zu ändern, weil das Schreiben des FA nach Erteilen der Zusage ergangen und daher für die Erteilung der Pensionszusage nicht kausal gewesen sein könne. Auf die Frage, ob ein FA auch bei einem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid nach Treu und Glauben an eine in einem Schreiben geäußerte Rechtsauffassung gebunden sein kann, kam es demnach nicht an.
e) Die von der Klägerin des Weiteren aufgeworfene Frage, ob eine Ende 1994 erteilte Versorgungszusage an einen nicht beherrschenden Gesellschafter Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO genießt, ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Die Vorschrift setzt voraus, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist. Ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen Pensionszusagen an nicht beherrschende Gesellschafter als vGA zu würdigen seien, war höchstrichterlich bis zu diesem Zeitpunkt nicht entschieden, so dass die Vorschrift hier nicht eingreift. Der Senat hat zwar in seinem Urteil vom I R 110/66 (BFHE 87, 343, BStBl III 1967, 153) ausgeführt, die Grundsätze für die Bildung von Pensionszusagen an beherrschende Gesellschafter seien auf nicht beherrschende Gesellschafter nicht anwendbar, daraus war jedoch nicht zu schließen, dass Pensionszusagen an nicht beherrschende Gesellschafter, unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Zusage, niemals als vGA zu würdigen seien.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2355 Nr. 12
KÖSDI 2008 S. 15925 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 45/2007 S. 3942
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2008 S. 14
HAAAC-61499