Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 544 Abs. 7; BGB § 2312
Instanzenzug: LG Landshut 44 O 2596/05 vom OLG München 20 U 2160/06 vom
Gründe
Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG). Dieser Verstoß führt zur Aufhebung und Zurückverweisung nach § 544 Abs. 7 ZPO.
1. Die Beklagte und der Erblasser lebten in Gütergemeinschaft, die im Wesentlichen aus einem landwirtschaftlichen Anwesen bestand. Der Kläger verlangt die Erfüllung eines im Ehe- und Erbvertrag seiner Eltern ausgesetzten Vermächtnisses in Höhe des Wertes von 1/9 des Gesamtguts. Der Kläger legt seiner Berechnung den Verkehrswert des landwirtschaftlichen Betriebs zugrunde. Demgegenüber beruft sich die Beklagte darauf, dass das Landgut nach dem Ertragswert zu berechnen sei (analog § 2312 Abs. 2 BGB).
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, weil es an einer letztwilligen Anordnung fehle, dass das Landgut nach dem Ertragswert zu bewerten sei. Das Berufungsgericht geht dagegen aufgrund ergänzender Testamentsauslegung von einer letztwilligen Anordnung der Bewertung nach dem Ertragswert aus. Bezüglich der Eigenschaft des landwirtschaftlichen Betriebs als Landgut sei unstreitig, dass bis zum Erbfall die Beklagte für ihren Mann, den Erblasser, und ihren Stiefsohn den Haushalt geführt habe; der Erblasser habe sich um die Geschäfte der Landwirtschaft gekümmert und der Stiefsohn die landwirtschaftlichen Arbeiten verrichtet. Außerdem habe der Kläger in erster Instanz vorgetragen, dass die Beklagte beim Erbfall über ein Barvermögen von 60.000 DM verfügt habe. Das Berufungsgericht hat dieses Vorbringen dahin gewertet, der Hof habe die drei darauf lebenden Personen unstreitig ernähren können; mithin habe ein Landgut im Sinne von § 2312 BGB vorgelegen.
2. Schon in der Klageschrift und in einem weiteren erstinstanzlichen Schriftsatz hatte der Kläger jedoch vorgetragen, dass die Viehhaltung, auf der ein Großteil des Ertrages beruht habe, schon Jahre vor dem Erbfall nicht mehr gewinnbringend habe betrieben werden können, weil die Stallungen hätten erneuert werden müssen. Die von der Beklagten aufgestellte Behauptung, die drei auf dem Hof lebenden Personen hätten bis zum Erbfall vom Ertrag des Hofes leben können, sei falsch. Vielmehr hätten die Beklagte und der Erblasser eine monatliche Rente von 1.100 DM für ihren Lebensunterhalt verbraucht. Der Kläger hatte sich auf ein Sachverständigengutachten zum Beweis dafür berufen, dass im Jahre des Erbfalls mit dem landwirtschaftlichen Anwesen ein nachhaltig erzielbarer Reinertrag zur Existenzsicherung nicht mehr möglich gewesen sei; das von der Beklagten vorgelegte Gutachten sei fehlerhaft; bei zutreffender Berechnung ergebe sich ein negativer Ertragswert, der Betrieb erwirtschafte also Verluste. Auf diese Schriftsätze aus erster Instanz hatte der Kläger in seiner Berufungserwiderung abschließend verwiesen.
3. Danach hätte das Berufungsgericht nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Eigenschaft des landwirtschaftlichen Anwesens als Landgut im Sinne von § 2312 BGB entscheiden dürfen. Ob das Barvermögen der Beklagten beim Erbfall in Höhe von 60.000 DM aus fortlaufenden, auch in Zukunft zu erwartenden Überschüssen stammte oder der Rest eines vor längerer Zeit zurückgelegten höheren Betrages war, ist nicht aufgeklärt. Dass bis zum Erbfall drei Personen auf dem Hof lebten und die Landwirtschaft betrieben haben, besagt insbesondere im Hinblick auf die Rente und das Sparguthaben noch nicht, dass ein erheblicher Teil des Lebensunterhalts der Eltern auch zur Zeit des Erbfalls noch aus der Landwirtschaft erwirtschaftet werden konnte, diese also dauerhaft weiter eine selbständige Nahrungsquelle darstellte (vgl. BGHZ 98, 375, 377 ff.; 98, 382, 388; Senatsurteil vom - IV ZR 62/91 - NJW-RR 1992, 770 unter 2 und 3). Vom Kläger, der nicht darlegungs- und beweispflichtig ist (vgl. IVb ZR 75/88 - FamRZ 1989, 1276 unter I 1 a.E.), kann nicht erwartet werden, dass er seine Behauptung, mit dem Anwesen sei ein nachhaltig erzielbarer Reinertrag zur Existenzsicherung nicht mehr zu erwirtschaften gewesen, über die von ihm gegebenen Hinweise auf unzureichende Stallungen und Fehler des von der Beklagten vorgelegten Ertragswertgutachtens hinaus substantiiert. Das würde besondere Sachkunde voraussetzen, für die sich der Kläger auf das Gutachten eines Sachverständigen berufen durfte (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 222/98 - ZEV 2001, 116 unter 2 c). Da das Berufungsgericht, das sich mit den Einwänden des Klägers gegen das von der Beklagten vorgelegte Ertragswertgutachten nicht befasst hat, nicht darlegt, dass es über eigene Sachkunde verfüge, war es verfahrensfehlerhaft, ohne Einholung eines Gutachtens zu entscheiden. Damit ist das Recht des Klägers auf Gehör vor Gericht verletzt worden (vgl. BVerfG NJW 2003, 125, 127; - VersR 2007, 1008 f.).
Fundstelle(n):
HAAAC-61434
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein