BVerwG Beschluss v. - 8 B 30.07

Leitsatz

Eine Beschwerde, die die Änderung der Kostenentscheidung eines Urteils durch einen auf § 119 VwGO gestützten Beschluss angreift, ist nicht gemäß § 158 Abs. 1 VwGO ausgeschlossen, wenn sie nicht die sachliche Unrichtigkeit der Kostenentscheidung rügt, sondern den Verfahrensfehler, dass der Beschluss von Rechts wegen nicht hätte ergehen dürfen. (Bestätigung des BVerwG 4 B 30.99 - Buchholz 310 § 120 VwGO Nr. 10).

Ein auf § 119 Abs. 1 VwGO gestützter Beschluss, der neben der Berichtigung des Tatbestandes auch den Urteilsausspruch inhaltlich ändert, ist insoweit nichtig.

Gesetze: VwGO § 119; VwGO § 158 Abs. 1

Instanzenzug: VG Frankfurt (Oder) VG 8 K 1230/01 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein

Gründe

I

Die Kläger begehrten mit ihrer Klage die Rückübertragung eines Grundstücks, für das die Beigeladenen zu 1 und 2 verfügungsberechtigt sind. Die Beigeladenen zu 1 und 2 waren durch verschiedene Anwälte vertreten, die Beigeladene zu 3, die Gemeinde, war anwaltlich nicht vertreten.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage im schriftlichen Verfahren ab und traf folgende Kostenentscheidung:

"Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. Die übrigen Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst."

Der Bevollmächtigte des Beigeladenen zu 2 beantragte fristgemäß eine Urteilsergänzung gemäß § 120 VwGO dahingehend, dass auch die Kosten der außergerichtlichen Vertretung des Beigeladenen zu 2 durch die Kläger zu tragen seien. Der Tatbestand sei entsprechend zu berichtigen. Daraufhin erließ das Verwaltungsgericht am einen Beschluss, mit dem die Entscheidungsformel und der Tatbestand seines Urteils in der Weise berichtigt wurden, dass

1. in der Entscheidungsformel die Worte "Kosten der Beigeladenen zu 1." durch die Worte "Kosten des Beigeladenen zu 2." und

2. im Tatbestand die Worte "Die Beigeladene zu 1. beantragt" ersetzt wurden durch die Worte "Der Beigeladene zu 2. beantragt".

Zur Begründung hieß es, der Beschluss ergehe nach § 119 Abs. 1 VwGO. Eine Unrichtigkeit liege vor, weil der für den Beigeladenen zu 2 gestellte Klageabweisungsantrag irrtümlich fehlerhaft ausgelegt worden sei. Der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen zu 1 habe dagegen keinen wirksamen Klageabweisungsantrag gestellt, weil dieser unter die Bedingung gestellt worden sei, dass die Ausführungen des Beklagten als Klageabweisungsantrag zu sehen seien. Der Beschluss sei gemäß § 37 Abs. 2 VermG unanfechtbar.

Die Beigeladene zu 1 hat fristgemäß Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt mit dem Hinweis, die Beschwerde beschränke sich auf das Urteil in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom insofern, als dort die Übernahme der Kosten durch die Kläger für die Beigeladene zu 1 und die Veränderung des Tatbestandes insofern, dass ausschließlich der Beigeladene zu 2 einen Antrag gestellt habe, angefochten werden sollen. Das Urteil sei in seiner ursprünglichen Fassung hinsichtlich der Kostenentscheidung zu Gunsten der Beigeladenen zu 1 richtig, weil diese einen Antrag auf Klageabweisung gestellt habe.

II

Die gemäß § 133 Abs. 1 VwGO statthafte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom ist nicht durch § 37 Abs. 2 VermG ausgeschlossen. Sie ist teilweise begründet.

1. Ihrer Zulässigkeit steht § 158 Abs. 1 VwGO nicht entgegen. Danach ist die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Die Vorschrift bezweckt, die oberen Gerichte von Rechtsmitteln zu entlasten, die nur wegen der Kosten eingelegt werden ( BVerwG 5 C 24.61 - Buchholz 310 § 158 VwGO Nr. 1). Zwar wendet sich die Beigeladene zu 1 gegen die Kostenentscheidung in dem berichtigten Urteil. Die Gesichtspunkte, die den Gesetzgeber in § 158 Abs. 1 VwGO zu einem Rechtsmittelausschluss veranlasst haben, kommen hier aber nicht zum Tragen. Denn die Beschwerde zielt nicht darauf, wie der Kostenausspruch sachlich zu beurteilen ist, sondern rügt, dass der Beschluss zur Urteilsberichtigung von Rechts wegen nicht hätte ergehen dürfen (vgl. BVerwG 4 B 30.99 - Buchholz 310 § 120 VwGO Nr. 10 m.w.N.). Auf der Grundlage dieses Vorbringens kommt als Gegenstand der rechtlichen Prüfung ausschließlich die Frage in Betracht, ob das Verwaltungsgericht berechtigt war, das am ergangene Urteil im Kostenausspruch zu ändern, d.h. die Frage, ob eine solche Urteilsberichtigung überhaupt statthaft ist.

2. Soweit der Berichtigungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom den Tatbestand ändert, ist er allerdings gemäß § 119 Abs. 2 Satz 2 VwGO unanfechtbar. Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1 hat deshalb insoweit keinen Erfolg. Eine Prüfung durch den Senat scheidet wegen der Bindungswirkung des Beschlusses vom aus. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass mit dem Rechtsmittel der Revision - Entsprechendes gilt für die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 133 VwGO - eine gegen § 119 Abs. 2 Satz 3 VwGO verstoßende Besetzung der Richterbank beim Erlass des Tatbestandsberichtigungsbeschlusses gerügt werden kann ( BVerwG 3 C 195.64 - Buchholz 310 § 119 VwGO Nr. 2). Dieses Urteil kann aber nicht dahin verstanden werden, dass auch andere Verfahrensfehler und damit auch ein fehlender Antrag auf Tatbestandsberichtigung mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden können, wie es für schwerwiegende Verfahrensfehler in der Literatur angenommen wird (Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 119 Rn. 9; Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004; § 119 Rn. 7). Das genannte Urteil vom betraf den Sonderfall, dass es wegen der fehlerhaften Besetzung der Richterbank bei der Tatbestandsberichtigung an der erforderlichen tatsächlichen Grundlage (§ 137 Abs. 2 VwGO) für ein Revisionsurteil fehlte (Urteil vom a.a.O. S. 2). Hinzu kommt, dass die gesetzgeberische Entscheidung für die Unanfechtbarkeit des Berichtigungsbeschlusses in Frage gestellt würde, wenn Verfahrensfehler beim Zustandekommen des Berichtigungsbeschlusses mit dem Rechtsmittel gegen das berichtigte Urteil geltend gemacht werden könnten.

3. Im Übrigen leidet der auf § 119 Abs. 1 VwGO gestützte Berichtigungsbeschluss des Verwaltungsgerichts an einem offenkundigen und besonders schweren Verfahrensfehler, der zur Nichtigkeit des Beschlusses führt, soweit er den Urteilstenor ändert. § 119 VwGO bietet nur die Möglichkeit der Berichtigung des Tatbestandes, nicht der Berichtigung der Entscheidungsformel. Das wäre nur im Fall offenbarer Unrichtigkeiten gemäß § 118 Abs. 1 VwGO möglich gewesen. Die Voraussetzungen einer offenbaren Unrichtigkeit liegen aber nicht vor. Insoweit rügt die Beschwerde zu Recht, dass der Kostenausspruch im Wege eines Tatbestandsberichtigungsbeschlusses geändert wurde.

Das Urteil in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom beruht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf diesem Fehler. Das Verwaltungsgericht hat unter Missbrauch der Form des Berichtigungsbeschlusses den Urteilsausspruch geändert. Der Sache nach ist es weder ein Beschluss nach § 119 Abs. 1 VwGO noch ein solcher nach § 118 Abs. 1 VwGO, sondern ein unzulässiger Eingriff in den Urteilstenor. Eine nachträgliche Änderung der Urteilsformel, die über § 118 Abs. 1 VwGO hinausgeht, ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Die Änderung war unzulässig (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 318 ZPO). Das Gericht ist an seine ergangene Entscheidung gebunden.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom , durch Beschluss die Kostenentscheidung im Tenor des Urteils vom zu ändern, ist ein so grober und offenkundiger Fehler, dass sie nichtig und damit wirkungslos ist. Ihr kommt deshalb keine Bindungswirkung zu, wie sie - auch fehlerhafte - Beschlüsse zur Urteilsberichtigung nach § 118 VwGO gegenüber der Rechtsmittelinstanz haben (BGHZ 127, 74 <76>), wenn sie unanfechtbar (hier gemäß § 37 Abs. 2 VermG) sind. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist es erforderlich, die Unwirksamkeit des nichtigen Beschlusses festzustellen.

Das Verwaltungsgericht hat über den Antrag des Beigeladenen zu 2, durch ein Ergänzungsurteil nach § 120 VwGO seine außergerichtlichen Kosten den Klägern aufzuerlegen, bisher nicht entschieden. Dieser Antrag ist nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Vom Verwaltungsgericht wird zu prüfen sein, ob für ein Ergänzungsurteil im Hinblick darauf Raum ist, dass über die Tragung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2 in dem ursprünglichen Urteil eine Entscheidung getroffen worden war. Denn der ursprüngliche Urteilstenor lautete dahin, dass die Kläger die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 zu tragen haben und die übrigen Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. "Die übrigen Beigeladenen" waren die Beigeladenen zu 2 und 3. Dass dieser Ausspruch fehlerhaft ist, weil es der Billigkeit entsprochen hätte (§ 162 Abs. 3 VwGO), die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2, der einen Klageabweisungsantrag gestellt hatte, den Klägern aufzuerlegen, führt nicht dazu, dass die Kostenfolge als übergangen anzusehen ist.

Da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vorliegen, macht der Senat von der Entscheidungsalternative des § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch. Diese Vorschrift eröffnet dem Bundesverwaltungsgericht bei striktem Wortverständnis die Möglichkeit, das angefochtene Urteil aufzuheben, nur dann, wenn gleichzeitig der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wird. Besteht aber der Verfahrensmangel gerade darin, dass die Vorinstanz eine Entscheidung getroffen hat, die als solche nicht hätte ergehen dürfen, so kann die Korrektur, zu der § 133 Abs. 6 VwGO unter erleichterten Voraussetzungen Gelegenheit geben will, nur in der Weise vorgenommen werden, dass die unzulässige Entscheidung ersatzlos aufgehoben wird oder - hier - aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit die teilweise Unwirksamkeit des Berichtigungsbeschlusses festgestellt wird. Steht bereits im Beschwerdeverfahren fest, dass es hierzu keine Alternative gibt, so kann es damit sein Bewenden haben (vgl. BVerwG 4 B 30.99 - a.a.O. m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Kläger haben als unterliegender Teil die Verfahrenskosten zu tragen. Sie verteidigen im Beschwerdeverfahren die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Berichtigungsbeschluss.

Gerichtsgebühren werden gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht erhoben, weil die Kosten des Beschwerdeverfahrens bei richtiger Behandlung des Antrags des Beigeladenen zu 2 nicht entstanden wären. Das Gesetz bietet allerdings keine Handhabe, die den Klägern durch die unrichtige Sachbehandlung entstandenen außergerichtlichen Kosten der Staatskasse zu überbürden (Beschlüsse vom - BVerwG 4 B 30.99 - a.a.O. und vom - BVerwG 4 B 189.90 - Buchholz 360 § 8 GKG Nr. 4).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 GKG. Sie orientiert sich am Interesse der Beigeladenen zu 1 auf Erstattung der ihr in der ersten Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
UAAAC-61421