Notwendige Beiladung des Sozialleistungsträgers bei Abzweigung des Kindergeldes
Gesetze: FGO § 60 Abs. 3, EStG § 74 Abs. 1 Satz 4
Instanzenzug: FG des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss vom 4 K 899/06
Gründe
I. Die Klägerin wendet sich im finanzgerichtlichen Verfahren dagegen, dass die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) das Kindergeld für ihren Sohn C aufgrund einer Abzweigung ab Januar 2006 an die Beigeladene und Beschwerdeführerin, die Stadt A (Beigeladene), auszahlt. C ist aufgrund einer Behinderung seit dem in einer Einrichtung der . untergebracht. Die Beigeladene bewilligte C mit Bescheid vom Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach §§ 53, 54 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Auf Antrag der Beigeladenen vom erließ die Familienkasse gemäß § 74 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unter dem Datum des einen Bescheid über die Abzweigung des Kindergeldes von 154 € ab Januar 2006. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Der Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom ). Im anschließenden finanzgerichtlichen Verfahren beteiligte das Gericht durch Beschluss vom die Beigeladene gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) am Verfahren.
Hiergegen wendet sich diese mit Beschwerde. Zur Begründung führt sie aus, sie sei nicht überörtliche Trägerin der Sozialhilfe für die Leistungen, die dem Sohn der Klägerin gewährt worden seien. Örtlich und sachlich zuständig sei vielmehr das Land Sachsen-Anhalt, auch wenn dies aus dem angefochtenen Abzweigungsbescheid nicht zu ersehen sei. Sie, die Beigeladene, sei zur Prozessführung nicht befugt. Für einen verständigen Betrachter sei aus dem Gesamtzusammenhang zu erkennen gewesen, dass die Abzweigung im Sozialrechtsverhältnis zwischen dem Sohn der Klägerin und dem Land Sachsen-Anhalt erfolgen sollte. Der Abzweigungsantrag bringe zum Ausdruck, dass die Abzweigung im Rahmen der Gewährung von stationärer Eingliederungshilfe vorgenommen werden sollte. Der Antrag könne nicht dahin ausgelegt werden, dass er von ihr, der Beigeladenen, gestellt worden sei. Sie habe das Kindergeld auch nicht vereinnahmt.
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das Finanzgericht (FG) hat die Beigeladene zu Recht am Verfahren beteiligt.
Nach § 60 Abs. 3 FGO sind Dritte, die an einem Verfahren derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, notwendig beizuladen. Das ist der Fall, wenn die Entscheidung notwendigerweise und unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen des Dritten gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt (s. z.B. , BFH/NV 2004, 662, m.w.N.). In Abzweigungsfällen nach § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG, in denen ein vorrangig Kindergeldberechtigter gegen den von einer Familienkasse erlassenen Abzweigungsbescheid klagt, ist der Sozialleistungsträger notwendig beizuladen, an den das Kindergeld abgezweigt wird (vgl. Senatsbeschluss vom III R 33/05, BFH/NV 2007, 720, zur Klage eines Kindergeldberechtigten gegen einen Abrechnungsbescheid).
Im Streitfall ist das Kindergeld nach dem Inhalt des Verwaltungsaktes vom an die Beigeladene abgezweigt worden und nicht an das Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch die Sozialagentur Sachsen-Anhalt. Der überörtliche Sozialhilfeträger ist für Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gemäß §§ 53 bis 60 SGB XII sachlich zuständig, somit das Land Sachsen-Anhalt (s. § 3 Nr. 1, § 2 Abs. 1 des Gesetzes des Landes Sachsen-Anhalt zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch —AG SGB XII LSA— vom , Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Sachsen-Anhalt 2005, 8). Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AG SGB XII LSA war die Beigeladene als örtliche Trägerin der Sozialhilfe (§ 1 AG SGB XII LSA) zur Durchführung der dem überörtlichen Träger i.S. von § 3 AG SGB XII LSA obliegenden Aufgaben heranzuziehen, soweit nicht der überörtliche Träger Aufgaben i.S. von § 4 Abs. 2 AG SGB XII LSA selbst durchführte. Bei einer Heranziehung nach § 4 Abs. 1 AG SGB XII LSA hätte allerdings die Beigeladene im Namen des Landes Sachsen-Anhalt, vertreten durch die Sozialagentur Sachsen-Anhalt, auftreten müssen (vgl. § 6 Satz 2 AG SGB XII LSA). Dies ist im Streitfall nicht geschehen. Die Beigeladene hat den Abzweigungsantrag vom im eigenen Namen gestellt. Dementsprechend wurde das Kindergeld durch Bescheid vom an sie abgezweigt. Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens ist die Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes. Die vom FG zu treffende Entscheidung beeinflusst die Rechtsposition der Beigeladenen, weil die Familienkasse bei einer Aufhebung des Abzweigungsbescheides einen Rückerstattungsanspruch gemäß § 112 SGB X gegenüber der Beigeladenen hat (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2007, 720).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2314 Nr. 12
XAAAC-60529