Steuerbefreiung von Dozentenleistungen nach § 4 Nr. 21b UStG
Leitsatz
1. Die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 für unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen kann auch eine natürliche Person in Anspruch nehmen.
2. Voraussetzung ist, dass ihr von der zuständigen Landesbehörde bescheinigt worden ist, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet.
3. Es reicht nicht aus, dass eine derartige Bescheinigung der Bildungseinrichtung erteilt worden ist, an der die Person unterrichtet.
Gesetze: UStG 1993 § 4 Nr. 21 Buchst. bRichtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und j
Instanzenzug: (EFG 2005, 825) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Inhaber eines CAD (Computer Aided Design) - Zeichenbüros mit dazugehörigem Vertrieb von CAD-Anlagen und EDV-Zubehör. Er hielt in den Streitjahren (1995 und 1996) regelmäßig CAD-Schulungen für eine Handwerkskammer und für ein Berufsförderungswerk ab. Die Dozentenleistungen für die Handwerkskammer erbrachte der Kläger persönlich, die Schulungen für das Berufsförderungswerk ließ er durch eine Mitarbeiterin durchführen.
Die Bezirksregierung hat dem Berufsförderungswerk am für den Zeitraum vom bis zum bescheinigt, dass es mit bestimmten Lehrgängen auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet.
Der Kläger behandelte in seinen Steuererklärungen für die Streitjahre die Umsätze aus Dozententätigkeit insgesamt als umsatzsteuerfrei gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG).
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) erkannte im Anschluss an eine steuerliche Prüfung die Dozententätigkeit dagegen insoweit nicht als steuerfreie Leistung an, als sie von der Mitarbeiterin des Klägers ausgeführt worden war und erließ am entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage des Klägers statt. Es führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG erfasse nicht nur die Dozententätigkeit des Klägers, sondern auch diejenige der für ihn tätigen Mitarbeiterin. Die Vorschrift begünstige über ihren Wortlaut hinaus nicht nur die Träger privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, sondern auch freie Mitarbeiter, die an diesen Schulen oder ähnlichen Bildungseinrichtungen Unterricht erteilten. Diese erweiternde Auslegung des Begriffs der Einrichtung ergebe sich aus der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom Rs. C-216/97, Gregg (Slg. 1999, I-4947, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 1999, 419). Danach sei der Begriff der Einrichtung dahin auszulegen, dass auch natürliche Personen, die ein Unternehmen betreiben, nicht von der Steuerbefreiung auszuschließen seien. Damit sei das (BFHE 187, 60, BStBl II 1999, 376) überholt, das sich auf die frühere, nunmehr aufgegebene Rechtsprechung des EuGH stütze. Auch habe sich der BFH für andere Befreiungstatbestände des § 4 UStG der neueren Auffassung des EuGH angeschlossen, dass unter den Begriff „Einrichtung” auch natürliche Personen fallen könnten (Hinweis auf , BFH/NV 2002, 957).
Dieser Auslegung entspreche auch die Auffassung der Finanzverwaltung in den für die Streitjahre geltenden Umsatzsteuer-Richtlinien —UStR— (Hinweis auf Abschn. 112a Abs. 1 Satz 1 UStR 1996), die der Gesetzgeber mit Wirkung ab 1999 durch Änderung des § 4 Nr. 21 UStG ausdrücklich in den Gesetzestext aufgenommen habe.
Nachdem juristische Personen die steuerbefreite Tätigkeit unstreitig durch angestelltes Personal ausführen könnten, müsse dies auch für den Kläger als natürliche Person gelten, da er eine „Einrichtung” im o.g. Sinne sei. Nach dem Zweck der Steuerbefreiung, die gleichmäßige umsatzsteuerrechtliche Belastung von privaten und öffentlichen Ausbildungsträgern zu gewährleisten, sei es ausreichend, dass die Leistung allein oder zusammen mit den Leistungen anderer Unternehmer die Ausbildung fördere, ergänze oder erleichtere (Hinweis auf , BFHE 188, 462, BStBl II 1999, 578).
Es liege auch die nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG erforderliche Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vor. Dass diese erst für den Zeitraum ab gelte, sei unschädlich. Denn zum einen bestehe die Möglichkeit der Rückwirkung (Hinweis auf , BFH/NV 1995, 744, BStBl II 1995, 913). Darüber hinaus habe die Verwaltung auch grundsätzlich die Umsatzsteuerbefreiung für die Leistungen von Berufsförderungszentren anerkannt (Hinweis auf die Besprechung der Umsatzsteuerreferenten der Länder vom 31. August bis , UR 1981, 279).
Das Urteil ist in „Entscheidungen der Finanzgerichte” (EFG) 2005, 825 abgedruckt.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts und macht im Wesentlichen geltend: Die nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG erforderliche Bescheinigung liege nur für das Berufsförderungswerk —und nicht für den Kläger— vor und auch nur für das Streitjahr 1996.
Selbst wenn sich die Umsatzsteuerreferenten der Länder darauf geeinigt haben sollten, die Leistungen der Berufsförderungszentren grundsätzlich von der Umsatzsteuerpflicht auszunehmen, so beträfe dies nur die „unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen” der Berufseinrichtung selbst. Die Leistungen, die der Kläger in Person oder durch seine Mitarbeiter erbringe, seien grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig. Die Leistungen, die der Kläger selbst erbracht habe, habe das FA lediglich aufgrund der —dem Gesetzeswortlaut widersprechenden— Verwaltungsauffassung (Abschn. 112a Abs. 1 Satz 1 UStR 1992) als steuerfrei behandelt.
Der Kläger selbst sei und betreibe keine „Einrichtung” i.S. des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er tritt dem Vorbringen des FA entgegen.
II.
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Entgegen der Auffassung des FG sind die streitigen Leistungen nicht gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG steuerfrei. Auch eine Steuerfreiheit nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i oder j der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) scheidet aus.
1. Der Kläger hat mit den durch seine Mitarbeiterin durchgeführten Schulungen an das Berufsförderungswerk in den Streitjahren sonstige Leistungen erbracht, die gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG der Umsatzsteuer unterliegen.
2. Diese Leistungen sind nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG von der Steuer befreit.
a) Nach dieser Vorschrift sind steuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.
b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
aa) Nach der Rechtsprechung des BFH begünstigt § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG nur die Träger privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, nicht aber freie Mitarbeiter (Unternehmer), die an diesen Schulen oder ähnlichen Bildungseinrichtungen Unterricht erteilen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 187, 60, BStBl II 1999, 376, unter II.2.b; , BStBl II 2006, 147, unter III.1.a bb). Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Steuerbefreiung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 187, 60, BStBl II 1999, 376, unter II.2.b).
bb) Diese Rechtsprechung des BFH ist —entgegen der Auffassung des FG— nicht durch die neuere Rechtsprechung des EuGH überholt.
§ 4 Nr. 21 Buchst. b UStG setzt Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG um (vgl. BFH-Urteil in BFHE 188, 462, BStBl II 1999, 578, unter II.2.; , BFH/NV 2007, 1604, unter II.2.c, aa).
Nach dieser Bestimmung befreien die Mitgliedstaaten die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die eng damit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung.
Der Kläger ist aber keine „andere Einrichtung mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung” im Sinne dieser Bestimmung.
Zwar können, soweit durch Art. 13 Teil A Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG „Einrichtungen” begünstigt sind, diese auch von natürlichen Personen betrieben werden (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 1999, I-4947, UR 1999, 419; vom Rs. C-498/03, Kingscrest Associates Ltd. und Montecello Ltd., BFH/NV Beilage 2005, 310 Rz 35, 40 und 43; BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 957; BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 1604, unter II.2.c, dd (1)). Der Kläger ist aber nicht i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG „anerkannt”. Nicht ihm ist von der zuständigen Landesbehörde (hier: Bezirksregierung) gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG bescheinigt worden, dass er auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet. Eine derartige Bescheinigung liegt vielmehr nur für das Berufsförderungswerk vor, demgegenüber der Kläger durch seine Mitarbeiterin die streitigen Leistungen erbracht hat. Dies genügt den Anforderungen nicht.
cc) Aus dem BFH-Urteil in BFHE 188, 462, BStBl II 1999, 578 —auf das sich das FG und der Kläger bezogen haben— ergibt sich nichts anderes. Denn im dort entschiedenen Streitfall hatte die zuständige Landesbehörde der Klägerin eine Bescheinigung i.S. von § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG erteilt.
dd) Im Übrigen liegt im Streitfall eine Bescheinigung für das Berufsförderungswerk nur für das Streitjahr 1996 und nicht für das Streitjahr 1995 vor.
Eine Rückwirkung auf einen Zeitraum, der vor dem in der Bescheinigung bestätigten Zeitraum liegt, ist —wie das FA zutreffend ausführt— nicht möglich. Sie kommt nach dem BFH-Beschluss in BFH/NV 1995, 744, BStBl II 1995, 913 nur in Betracht, soweit die Bescheinigung diesen Zeitraum abdeckt. Dies ist hier für das Streitjahr 1995 nicht der Fall.
Darauf, ob die (Finanz-)Verwaltung grundsätzlich die Umsatzsteuerbefreiung für die Leistungen von Berufsförderungszentren anerkannt hat —worauf das FG unter Hinweis auf die Besprechung der Umsatzsteuerreferenten der Länder vom 31. August bis (UR 1981, 279) abgestellt hat—, kommt es nicht an. § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG verlangt eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde.
3. Unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG, wonach die Mitgliedstaaten den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht von der Steuer befreien, kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen.
a) Zwar beschränkt sich der gemeinschaftsrechtliche Begriff „Schul- und Hochschulunterricht” im Sinne dieser Vorschrift nicht auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt; er schließt vielmehr (auch) andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (vgl. , Haderer, UR 2007, 592 Rz 26).
Die von der Mitarbeiterin des Klägers durchgeführten CAD-Schulungen erfüllen diese Voraussetzung nicht. Das Berufsförderungswerk ist keine Schule oder Hochschule. Zudem stellen die ausgeführten Unterrichtsleistungen berufliche Fortbildungsmaßnahmen dar. Die berufliche Fortbildung wird allerdings nicht von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG erfasst (vgl. BFH-Urteil in BFHE 187, 60, BStBl II 1999, 376, unter II.3.).
b) Auch wenn die beiden in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Arten der Steuerbefreiung u.a. auf die Förderung des „Schul- und Hochschulunterrichts” als Tätigkeit von allgemeinem Interesse gerichtet sind, kann daraus nicht gefolgert werden, dass die beiden Vorschriften zusammen ein System bildeten, mit dem eine Umsatzsteuerbefreiung für Tätigkeiten gewährt werden soll, die nicht jeweils die Voraussetzungen nach der einen oder nach der anderen Vorschrift erfüllen. Der Wortlaut der Bestimmungen ist vielmehr eng auszulegen und bezieht sich nur auf die Tätigkeiten, die in der Vorschrift einzeln aufgeführt und genau beschrieben sind (vgl. EuGH-Urteil Haderer in UR 2007, 592 Rz 16 bis 19 und 37). Eine erweiternde Auslegung dahingehend, dass der von Privatlehrern erteilte Fortbildungsunterricht von der Bestimmung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG erfasst wird, scheidet daher ebenfalls aus.
4. Abschn. 112a UStR vermag das Begehren des Klägers schon deshalb nicht zu stützen, weil diese Verwaltungsregelung im UStG keine Grundlage hat, und weil sie ferner Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG nicht entspricht, soweit sie nicht nur den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht begünstigt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 187, 60, BStBl II 1999, 376, unter II.4.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2007 S. 2332 Nr. 43
BFH/NV 2007 S. 2215 Nr. 11
BFH/NV 2007 S. 2215 Nr. 11
DB 2007 S. 2408 Nr. 44
DStRE 2007 S. 1567 Nr. 24
GStB 2008 S. 3 Nr. 1
HFR 2008 S. 57 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 42/2007 S. 3679
SJ 2007 S. 7 Nr. 24
StB 2007 S. 403 Nr. 11
StuB-Bilanzreport Nr. 20/2007 S. 787
UR 2007 S. 852 Nr. 22
UStB 2007 S. 345 Nr. 12
UVR 2007 S. 358 Nr. 12
LAAAC-60089