Scheingeschäft trotz dinglichen Vollzugs
Leitsatz
Ein Scheingeschäft i. S. des § 41 Abs. 2 AO liegt vor, wenn sich die Vertragsbeteiligten über den Scheincharakter des Rechtsgeschäfts einig sind. Die Vertragsparteien ziehen nicht schon dann die notwendigen Folgerungen aus dem Vertrag, wenn sie das obligatorische Geschäft dinglich vollziehen. Deshalb ist für die Beurteilung, ob ein Geschäft zum Schein abgeschlossen wurde, nicht erheblich, ob bereits eine Auflassungsvormerkung bewilligt wurde und der Notar unwiderruflich beauftragt wird, den Antrag auf Eintragung der Vormerkung zugunsten des Käufers zu stellen. Selbst die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch beseitigt den Scheincharakter nicht, führt zivilrechtlich allenfalls zu einer Heilung des dissimulierten (verdeckten) Geschäfts wegen Formmangels.
Gesetze: AO § 41
Instanzenzug:
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) dargelegten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
Die Sache ist nicht grundsätzlich bedeutsam i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die von der Klägerin herausgehobene Frage, ob ein notariell beurkundeter Grundstückskaufvertrag für die Besteuerung berücksichtigt werden muss und nicht als Scheingeschäft angesehen werden darf, wenn für den Käufer eine Auflassungsvormerkung bewilligt worden ist, der Notar unwiderruflich beauftragt wird, den Antrag auf Eintragung der Vormerkung zugunsten des Käufers zu stellen und wenn wegen dieses Vorgangs Grunderwerbsteuer festgesetzt und gezahlt worden ist, ist nicht klärungsbedürftig. Es kommt bei der Anwendbarkeit des § 41 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) nämlich auf sie nicht an: Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn sich die Vertragsbeteiligten über den Scheincharakter des Rechtsgeschäfts einig sind (, BStBl II 2007, 372, und vom IX R 23/94, BFHE 182, 542, BStBl II 1997, 655). Es ist unerheblich, ob sie damit begonnen haben, das Verfügungsgeschäft formal zu vollziehen, wenn ihnen nach wie vor der Rechtsbindungswille in Bezug auf das Erklärte fehlt und sie —wie hier vom Finanzgericht (FG) festgestellt— die Rechtsfolgen nicht haben eintreten lassen.
Nach der Rechtsprechung spricht für den Scheincharakter des Erklärten, wenn die Vertragsparteien die notwendigen Folgerungen aus dem Vertrag bewusst nicht gezogen haben und z.B. bei einem Mietvertrag der Vermieter dem Mieter die Miete im vorhinein zur Verfügung stellt oder die Miete nach Eingang auf seinem Konto alsbald wieder an den Mieter zurückzahlt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 182, 542, BStBl II 1997, 655, m.w.N.).
Die Vertragsparteien ziehen nicht schon dann die notwendigen Folgerungen aus dem Vertrag, wenn sie das obligatorische Geschäft dinglich vollziehen. Deshalb ist für die Beurteilung, ob ein Geschäft zum Schein abgeschlossen wurde, nicht erheblich, ob bereits eine Auflassungsvormerkung bewilligt wurde und der Notar unwiderruflich beauftragt wird, den Antrag auf Eintragung der Vormerkung zugunsten des Käufers zu stellen. Selbst die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch (§ 873 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches —BGB—) beseitigt den Scheincharakter nicht, führt zivilrechtlich allenfalls zu einer Heilung des dissimulierten (verdeckten) Geschäfts wegen Formmangels (§ 311b Abs. 1 Satz 2 BGB). Das Steuerrecht geht darüber hinaus. Es bedarf keiner Heilung: Auch wenn es formunwirksam ist, muss der Besteuerung nach § 41 Abs. 1 AO das verdeckte statt des simulierten (vorgetäuschten) Geschäfts zugrunde gelegt werden, solange die Parteien den wirtschaftlichen Erfolg eintreten lassen, § 41 Abs. 2 Satz 2 AO (vgl. zur Problematik von Schwarzbeurkundungen beim Grundstückskauf R. Singer in: Staudinger (2004), BGB, § 117 Rz. 14; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 41 AO Rz 79 a.E.). Die grunderwerbsteuerliche Berücksichtigung des Scheingeschäfts als Erwerbsvorgang ändert daran nichts.
Aus den gleichen Erwägungen ist eine Entscheidung des BFH nicht zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Die angefochtene Entscheidung weicht auch nicht von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) ab (z.B. grundlegend , BGHZ 36, 84), so dass eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) erforderlich wäre. Denn nach den sinngemäßen Feststellungen des FG erstrebte die Klägerin die steuerlichen Wirkungen lediglich mit dem Schein der Grundstücksübertragung. Die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts war dazu nicht erforderlich.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2233 Nr. 12
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2008 S. 3
NAAAC-60084