Anwendung pauschaler Ausbeutesätze in der Erstattungsveredelung
Gesetze: VO (EWG) Nr. 565/89, ZK Art. 119, ZKDV Art. 567
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Diese ließ mit Zahlungserklärungen vom September und Oktober 1995 Gerste in die Erstattungsveredelung zur Herstellung von Gerstenmalz und anschließender Ausfuhr des Veredelungserzeugnisses unter Inanspruchnahme vorfinanzierter Ausfuhrerstattung überführen. Die Sicherheiten wurden nach erfolgter Ausfuhr freigegeben. Anlässlich einer Marktordnungsprüfung wurde festgestellt, dass die Schuldnerin statt des festgelegten pauschalen Ausbeutesatzes von 76,92 % einen Ausbeutesatz von 80 % angemeldet hatte. Die dadurch zuviel gewährte Ausfuhrerstattung forderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt) zurück.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte, dass die Grunderzeugnisse hinsichtlich des Ausbeutesatzes derselben Regelung unterworfen seien wie gleichartige Erzeugnisse in einem aktiven Veredelungsverkehr. Gemäß Art. 567 Abs. 2 der Zollkodex-Durchführungsverordnung in der seinerzeit geltenden Fassung (ZKDVO a.F.) i.V.m. Anh. 77 ZKDVO a.F. (in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1762/95 der Kommission vom , Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 171/8) gelte aber für das aus Gerste gewonnene Veredelungserzeugnis Malz ein pauschaler Ausbeutesatz, der zwingend anzuwenden sei, weil Abweichungen gesetzlich nicht vorgesehen seien. Die Regelung, wonach in Fällen der Erstattungs-Veredelung die pauschalen Ausbeutesätze nicht mehr angewendet werden, gelte noch nicht für den Streitfall.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) stützt. Die Auslegung des im Streitfall anzuwendenden Gemeinschaftsrechts sei zweifelhaft und erfordere die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH).
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die von der Beschwerde bezeichneten und sich auf die Vorschrift des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 565/80 (VO Nr. 565/80) des Rates vom über die Vorauszahlung von Ausfuhrerstattungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABlEG Nr. L 62/5) beziehenden Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig, weil sie zum einen ausgelaufenes Recht betreffen, da die VO Nr. 565/80 durch die Verordnung (EG) Nr. 1713/2006 der Kommission vom (Amtsblatt der Europäischen Union —ABlEU— Nr. L 321/11) mit Wirkung vom aufgehoben worden ist, und sie sich zum anderen nur so beantworten lassen, wie es das FG getan hat.
Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 3 VO Nr. 565/80 ist im Streitfall in ihrer Fassung gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2026/83 des Rates vom zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 565/80 über die Vorauszahlung von Ausfuhrerstattungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABlEG Nr. L 199/12) anzuwenden. Danach (Unterabs. 1 der Vorschrift) werden die Grunderzeugnisse hinsichtlich der Kontrollverfahren sowie des Ausbeutesatzes derselben Regelung unterworfen, die auf gleichartige Erzeugnisse im Rahmen des aktiven Veredelungsverkehrs Anwendung findet. Das FG hat daher zu Recht die für aktive Veredelungsverkehre seinerzeit geltende Vorschrift des Art. 567 Abs. 2 ZKDVO a.F. herangezogen, wonach bei Veredelungsvorgängen, die sich auf in Spalte 1 des Anh. 77 ZKDVO a.F. aufgeführte Einfuhrwaren beziehen und die zur Herstellung der in den Spalten 3 und 4 bezeichneten Veredelungserzeugnisse führen, die in Spalte 5 genannten pauschalen Ausbeutesätze angewendet werden. Der Wortlaut dieser Vorschriften lässt keinen Raum für die von der Beschwerde vertretene Ansicht, dass bei Anwendung des Art. 4 Abs. 3 VO Nr. 565/80 die pauschalen Ausbeutesätze nicht im Sinne einer zwingenden Obergrenze zu verstehen seien, so dass für die Gewährung der Ausfuhrerstattung auch eine im Einzelfall erzielte höhere Ausbeute zugrunde gelegt werden dürfe.
Weshalb —wie die Beschwerde meint— die Anwendung pauschaler Ausbeutesätze in der Erstattungs-Veredelung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen soll, erschließt sich nicht. Nach Art. 119 Abs. 2 des Zollkodex (ZK) können für die aktive Veredelung unter den dort genannten Voraussetzungen pauschale Ausbeutesätze festgesetzt werden. Da mit der durch die VO Nr. 565/80 ermöglichten Vorfinanzierung der Ausfuhrerstattung für Erzeugnisse der Gemeinschaft dieselben Bedingungen geschaffen werden sollten wie für Einfuhrerzeugnisse aus Drittländern, die in einem aktiven Veredelungsverkehr be- oder verarbeitet werden und anschließend wieder aus der Gemeinschaft ausgeführt werden (3. Erwägungsgrund zur VO Nr. 565/80), ist es folgerichtig und nicht etwa unverhältnismäßig, dass auch für in die Erstattungs-Veredelung übergeführte Grunderzeugnisse die für entsprechende Einfuhrwaren in der aktiven Veredelung vorgesehenen pauschalen Ausbeutesätze gelten. Die Änderung des Art. 4 Abs. 3 VO Nr. 565/80 durch die Verordnung (EG) Nr. 444/2003 der Kommission vom zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 565/80 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 und der Verordnung (EG) Nr. 2090/2002 hinsichtlich der Vorauszahlung von Ausfuhrerstattungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABlEU Nr. L 67/3), wonach die pauschalen Ausbeutesätze des aktiven Veredelungsverkehrs für die Erstattungs-Veredelung nicht (mehr) anzuwenden sind, gilt für Erzeugnisse, die ab dem in die Erstattungs-Veredelung übergeführt worden sind, mithin nicht für den Streitfall. Wie der 1. Erwägungsgrund zu dieser Verordnung zeigt und das FG zutreffend ausgeführt hat, war der Grund für die Änderung des Art. 4 Abs. 3 VO Nr. 565/80 nicht etwa, dass der Verordnungsgeber die bisherige Regelung als unverhältnismäßig erachtet hat.
Der Ansicht der Beschwerde, dass es für die zwingende Festlegung pauschaler Ausbeutesätze an einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage fehle, ist nicht zu folgen. Art. 119 Abs. 2 ZK enthält die Ermächtigung, für den aktiven Veredelungsverkehr pauschale Ausbeutesätze festzusetzen. Wenn die VO Nr. 565/80, bei der es sich ebenfalls um eine Ratsverordnung handelt, die Ausbeutesätze des aktiven Veredelungsverkehrs für in die Erstattungs-Veredelung übergeführte Grunderzeugnisse für anwendbar erklärt, so liegt entgegen der Ansicht der Beschwerde kein Fall vor, in dem die Kommission ohne Ermächtigung Ansprüche auf Ausfuhrerstattung der Höhe nach begrenzt. Im Übrigen gibt es entgegen der Ansicht der Beschwerde keinen Rechtssatz, dass Ausfuhrerstattungen stets für die tatsächlich ausgeführten Erzeugnismengen zu gewähren und Mengenpauschalierungen nicht zulässig sind.
Schließlich ist auch die von der Beschwerde vertretene Auffassung nicht nachvollziehbar, dass die Anwendung pauschaler Ausbeutesätze in der Erstattungs-Veredelung gegen gemeinschaftsrechtliche Grundrechte auf allgemeine Wirtschaftsfreiheit und Freiheit der Berufsausübung verstößt. Es steht jedem Exporteur von Veredelungserzeugnissen frei, ob er die gemeinschaftsrechtlich angebotenen Ausfuhrerstattungen in Anspruch nimmt und er sich damit den insoweit durch Gemeinschaftsrecht vorgeschriebenen Bedingungen zur Erlangung eines entsprechenden Erstattungsanspruchs unterwirft, wozu —wie im Streitfall— gehören kann, dass der Anspruch nur für eine zuvor pauschal festgelegte Menge der Veredelungserzeugnisse und nicht für sämtliche ausgeführten Veredelungserzeugnisse entsteht. Die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Exporteurs wird dadurch nicht tangiert.
2. Da der Streitfall keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen aufwirft, ist auch der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) nicht gegeben.
3. Der Senat hält die von ihm vorgenommene Auslegung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts für eindeutig, so dass die Revision auch nicht deshalb zuzulassen ist, weil sich im Revisionsverfahren voraussichtlich eine Frage stellen würde, die eine Vorlage an den EuGH erfordert. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH besteht in solchen Fällen nämlich nicht (vgl. 283/81 —C.I.L.F.I.T.—, EuGHE 1982, 3415 Rdnr. 16).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2375 Nr. 12
IAAAC-60077